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Park von Ermenonville

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Der historische Landschaftspark von Ermenonville (Jardins d’Ermenonville) wurde von 1763 bis 1776 durch den Marquis René Louis de Girardin geschaffen. Die Domäne von Ermenonville war Girardin 1762 durch Erbschaft zugefallen, der Besitz umfasste nach Erweiterungen eine Fläche von etwa 800 Hektar, bestehend aus Wiesen, Wald und Wasserflächen, dem Schloss und dem Dorf Ermenonville. Umfangreiche Einkünfte aus der Landwirtschaft gestatteten Girardin das Anwesen nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Lediglich Teile und einige der Parkarchitekturen sind noch erhalten. Der südliche Bereich heißt heute Parc Jean-Jacques-Rousseau.

Ideengeschichtlicher Hintergrund

Der Park von Ermenonville kann als entscheidender Schritt zur Einführung des englischen Gartenstils auf dem Kontinent angesehen werden. Das Vorbild für diese neue Art der Gartengestaltung findet sich im Landschaftspark von Stourhead, mit dessen Bau 1741 begonnen wurde. Ihm liegt, im Gegensatz zum Barockgarten, ein mediales Konzept zugrunde, das die Verwirklichung einer Ideallandschaft, wie sie in den Gemälden Claude Lorrains und Nicolas Poussins (Et in Arcadia ego) abgebildet wird, zum Ziel hat.

Für die Gestaltung des Gartens von Ermenonville trat eine weitere Idee hinzu, die dem Roman Julie ou La Nouvelle Héloïse. Lettres de deux amants habitant d’une petite ville au pied des Alpes („Briefe zweier Liebender, die in einem kleinen Ort am Fuß der Alpen leben“) von Jean-Jacques Rousseau entstammt, erschienen 1761. Rousseau entwirft in seinem Buch einen Garten, der ausschließlich der Natur verpflichtet ist, im bewussten Gegensatz zum rational konstruierten Barockgarten. Konsequenterweise integrierte Girardin Elemente, die die romantische Stimmung steigern sollten (Grotte, Ruine), was bereits im Widerspruch zur Rousseau'schen Idee stand. Rousseau war sich der Künstlichkeit der Gestaltung des „Natürlichen“ bewusst: Auch bei einem Garten im englischen Stil handelt es sich immer um eine Landschaftsinszenierung. Eine weitere Überhöhung stellte die Schaffung der „Rousseau-Insel“, einer mit Pappeln bestandenen Insel, Île des peupliers, mit einem Grabmal für Rousseau dar.

Girardin hatte sich bereits durch seinen Aufenthalt in Lunéville, dem lothringischen Exil des polnischen Königs Stanislaus I. Leszczyński sozialreformerische Ideen zu eigen gamacht und gartengestalterische Anregungen erfahren. In England fand er in dem kleinen Garten und Bauernhof The Leasowes in Halesowen des Dichters William Shenstone ein Modell, das seinen hohen und wohl manchmal auch rigiden moralischen Ansprüchen gerecht wurde.

Über die Gartengestaltung hinaus stellte der Entwurf Girardins somit ein politisches Zeichen gegen die Monarchie, für mehr bürgerliche Freiheitsrechte dar: Freiheit und Gleichheit als dem Menschen von der Natur verliehene Eigenschaften.

Aufnahme und Nachahmung der Idee

Unter anderem durch Kupferstiche von Georges Louis Le Rouge in seinem Werk Jardins anglo-chinois à la mode, in dem auch englische Vorbilder dargestellt werden, wurde die neue Gartenform in Kreisen adliger Gartenliebhaber auf dem Kontinent bekannt. Einer der berühmtesten Nachahmer war Fürst Franz von Anhalt, der in Wörlitz den ersten großen englischen Garten auf dem Kontinent gestalten ließ. Sogar die Rousseau-Insel wurde in Wörlitz nachgeahmt und – in Unkenntnis des Sarkophags in Ermenonville – mit einer Zierurne geschmückt. Eine Rousseau-Insel befindet sich auch im Tiergarten in Berlin und in Arkadia (Polen).

Gartenstruktur und Gestaltungselemente

Die Landschaft des Parks besteht im Wesentlichen aus zwei Waldbereichen, dazwischen befinden sich Wiesen mit lockerem Baumbestand und Büschen. Es gibt einen großen und einen kleinen Teich sowie einen seeähnlich aufgestauten Fluss. Zwei Partien des Gartens wurden zeitgenössisch als désert („Wüste“, „Wildnis“) bezeichnet. Das Schloss (Château d’Ermenonville) liegt auf einer Insel im Fluss La Nonette.

Kennzeichnend und programmatisch bedeutsam sind eine Reihe von Staffagebauten, die in die Parklandschaft eingestreut sind. Es handelt sich um eine Einsiedelei (Hermitage) mit einer Grotte, eine künstliche Ruine (temple ruiné) und das Haus des Philosophen (maison du philosophe). Das Grabmal für Jean-Jacques Rousseau wurde nach dessen Tod 1778 hinzugefügt. Ursprünglich handelte es sich um eine Urne auf einem würfelförmigen Sockel, 1781 entstand der Sarkophag nach einem Entwurf von Hubert Robert, ausgeführt durch den Bildhauer Jacques-Philippe Le Sueur. Die sterblichen Überreste Rousseaus befinden sich heute nicht mehr in Ermenonville sondern im Panthéon in Paris.

Spätere Entwicklung

Der Park von Ermenonville dürfte nie die ästhetische Qualität der großen englischen Landschaftsgärten wie Stourhead erreicht haben. Schon während des Baus war es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Girardin und seinem Architekten Jean-Marie Morel, den die autoritären Umgangsformen Girardins verletzt hatten, gekommen. Nach der Revolution von 1789 verfielen die Gartenanlagen, das Ehepaar Girardin verließ den Besitz im Jahr 1794.

Nachfolgende Eigentümer verfolgten das Konzept Girardins nicht weiter. So wurden etwa Pflanzungen von Rhododendron und andere Veränderungen vorgenommen. Der Désert mit der Hütte Rousseaus gehört heute dem Institut de France und ist in vernachlässigter Form erhalten. Der südliche See mit der Île des peupliers gehört dem Touring Club de France. Das Château d'Ermenonville ist heute ein Luxushotel in privatem Besitz.

Literatur

  • Michel Racine (Hrsg.): Créateurs de jardins et de paysages en France de la Renaissance au XXIe siècle. Band 1: De la Renaissance au début du XIXe siècle. Actes Sud, Arles 2001, ISBN 2-7427-3280-2, S. 169 ff. (u. a.).
Commons: Park von Ermenonville – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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