Dadaismus
Der Dadaismus war eine künstlerische und literarische Bewegung, die 1916 von Hugo Ball, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco und Hans Arp in Zürich gegründet wurde und sich durch Ablehnung „konventioneller“ Kunstformen – die oft parodiert wurden – und überkommener bürgerlicher Ideale auszeichnete. Im Wesentlichen war es eine Revolte gegen die Kunst von Seiten der Künstler selbst, die die Gesellschaft ihrer Zeit und deren Wertesystem ablehnten.
„Dadaismus“ ist der heute üblicherweise für diese Kunstrichtung verwendete Begriff. Innerhalb der Dada-Bewegung wurde dieser Begriff nicht verwendet, da er einen „ismus“ oder eine Ideologie repräsentiert. Die Künstler der Dada-Bewegung haben sich jedoch nicht als Ideologen, sondern als das genaue Gegenteil verstanden. Der Begriff „Dada(ismus)“ steht im Sinne der Dadaisten für totalen Zweifel an Allem, absoluten Individualismus und die Zerstörung von gefestigten Idealen und Normen. Man ersetzte die durch Disziplin und die gesellschaftliche Moral bestimmten künstlerischen Verfahren durch einfache, willkürliche, meist zufallsgesteuerte Aktionen in Bild und Wort. Die Dadaisten beharrten darauf, dass „Dadaismus“ nicht definierbar sei.
Als der Dadaismus sich zu festigen begann, riefen die Dadaisten dazu auf, diese Ordnung wieder zu vernichten, da es ja eben das war, was sie zerstören wollten. Das machte den Dadaismus wieder zu dem, was er sein wollte: vollkommene ANTI-Kunst, die unklassifizierbar war. Vergleiche mit dem Futurismus oder dem Kubismus wurden abgelehnt.

Begriff und Anfänge
Damals, so sagte George Grosz in seiner Autobiografie, versammelte der Schriftsteller Hugo Ball einige Künstler verschiedenster Sparten um sich, stach mit einem Federmesser in ein deutsch-französisches Wörterbuch und blieb auf dem Wort „dada“ (frz. Steckenpferd) hängen. Hiernach soll er dann den Dadaismus benannt haben. Ähnlich ist die Version, dass Hugo Ball und Richard Huelsenbeck in einem deutsch-französischen Wörterbuch nach einem Namen für die damalige Sängerin des Cabarets Voltaire „Madame le Roi“ suchten und auf das Wort „dada“ stießen.
Marcel Janco allerdings, selbst Dadaist, bestritt diese These und erklärte in einem Interview, die Geschichte mit dem Messer sei erst im Nachhinein erfunden worden und ein schönes Märchen, weil sie sich besser anhöre als die weniger poetische Wahrheit. Wahrscheinlicher sei wohl gewesen, dass ein damals in Zürich erhältliches und hinlänglich bekanntes Haarwaschmittel namens „DADA“ die Anregung für die Namensgebung der Künstlergruppe gab. Jedoch ist es genauso wahrscheinlich, dass das Wort „DADA“ der Kleinkindersprache in Frankreich / Deutschland entnommen worden ist.
Der Dadaismus stellte die gesamte bisherige Kunst in Frage, indem er ihre Abstraktion und Schönheit durch z. B. satirische Überspitzung zu reinen Unsinnsansammlungen machte, z. B. in sinnfreien Lautgedichten. Hugo Ball war der Erfinder des Lautgedichtes. Dabei wird das Zusammenspiel von Wortlaut und Bedeutung aufgebrochen und werden die Wörter in einzelne phonetische Silben zerlegt. Die Sprache wird ihres Sinnes entleert und die Laute werden zu rhythmischen Klangbildern zusammengefügt. Dahinter steht die Absicht, auf eine Sprache zu verzichten, die nach Ansicht der Dadaisten in der Gegenwart missbraucht und pervertiert ist. Mit den sogenannten Simultangedichten (Lautgedichte werden gleichzeitig von verschiedenen Menschen durcheinander gesprochen) wollten die Dadaisten die ohrenbetäubende Geräuschkulisse der modernen Welt (in den Schützengräben, in der Großstadt...) und auf die Verstrickung des Menschen in mechanische Prozesse aufmerksam machen. Tatsächlich ist es oft schwierig und auch müßig, die „echten“ Kunstwerke der damaligen Zeit von den gewollt mehr oder weniger sinnlosen „Antikunstwerken“ des Dadaismus zu unterscheiden. Grenzen zwischen traditioneller Kunst und Trivialkultur wurden überschritten.
Im Laufe des Ersten Weltkrieges breitete sich der Dadaismus in ganz Europa aus. Überall protestierten Künstler durch gezielte Provokationen und vermeintliche Unlogik gegen den Krieg und das obrigkeitsstaatliche Bürger- und Künstlertum. Gegen den Nationalismus und die Kriegsbegeisterung vertraten sie Positionen des Pazifismus und stellten sarkastisch die bisherigen absurd gewordenen Werte in Frage.
Der Zürich-DADA und das Cabaret Voltaire
Am 5. Februar 1916 gründete Hugo Ball mit seiner Freundin Emmy Hennings in Zürich in der Spiegelgasse 1, unweit von Lenins Exilwohnung das Cabaret Voltaire. Zuerst führte er mit ihr simple aber auch exzentrische Programme auf. Sie sang Chansons und er begleitete sie auf dem Klavier. Nach ein paar Wochen lernte er den rumänischen Dichter Tristan Tzara kennen, der ebenfalls in Zürich lebte. Die beiden sympathisierten miteinander, da beide einen ungewöhnlichen Sinn für Geist und Anti-Geist besaßen. Menschlich ergänzten sie sich sehr gut, weil Hugo Ball eher ruhig und nachdenklich war, wohin gegen Tristan Tzara ein unglaublich lebhafter, niemals ruhiger Mensch war. Er war also wie geschaffen für Hugo Balls Cabaret Voltaire. Als Tzara dann auch seine Gedichte rezitierte, unterbrach er sie oft selbst durch Schreien oder Schluchzen. Die Vorträge im Cabaret Voltaire wurden jetzt zunehmend durch Trommeln, Schlagen und auch Verwendung zweckentfremdeter Gegenstände, wie zum Beispiel leere Kisten ergänzt. Das Publikum reagierte zunächst sehr verwundert, ja eingeschüchtert.
1916 schlossen sich auch Hans Arp und Richard Huelsenbeck Hugo Ball an, und man begann Papier- und Holzschnitte anzufertigen, die ebenso wie die Vorstellungen im Cabaret den Anti-Kunst-Charakter besaßen. Zu guter Letzt schloss sich Marcel Janco der Truppe an. Auch er war Rumäne; Tristan Tzara und er bejahten ihre Redeströme des öfteren mit „da, da“ was übersetzt eben „ja, ja“ heißt. Das kann ebenfalls der ausschlaggebende Punkt für Hugo Ball gewesen sein, um diese Kunst „Dada“ zu nennen.
1916 gab Tristan Tzara eine Zeitschrift mit dem Namen „Dada“ heraus, und im Kreis der Dadaisten war man froh, dass ein Dichter seines Ranges diese Aufgabe übernahm. Auf diesem Wege versuchte er mit Dichtern aus anderen Ländern Kontakt aufzunehmen. Da er ein für seine Zeit exzellenter Polemiker war, war er natürlich wie geschaffen für Manifeste und ähnliche Verlautbarungen, die die „Dadaisierung“ zur Aufgabe hatten. Er grenzte Dada vom Futurismus ab, der ein Programm habe, das seine Werke zu erfüllen suchten, während beim Dadaismus kein Programm vorhanden sei, das man erfüllen könnte und dass eben das das Programm sei, keines zu haben.
Hugo Ball war durch Wassily Kandinsky auf die Idee von einem „Gesamtkunstwerk“ gestoßen, welches viele der menschlichen Ausdrucksformen zusammenfasst, und er initiierte unter dieser Idee mehrere Dada-Veranstaltungen. Das Cabaret Voltaire musste wegen Beschwerden von Bürgern und Nachbarn aufgelöst werden. Hugo Ball und Tristan Tzara eröffneten also eine Galerie in der Bahnhofsstraße in Zürich, die sie „Dada“ nannten. Sie luden bekannte Maler und Bildhauer ein bei ihnen auszustellen, unter anderem Wassily Kandinsky, Paul Klee, Giorgio de Chirico. Hier gab es hin und wieder Streitereien zwischen den Besuchern, den Dichtern und den Künstlern. Man versuchte das „Dadaistische“ aus der Galerie heraus zu drängen; man war Teils eifersüchtig aufeinander, und zum anderen Teil war es den Besuchern meist zu „radikal“. Diese Einstellung bereitete Hugo Ball Sorgen, was auch der Grund für seinen späteren Rückzug vom Dadaismus war.
Am 14. Juli 1916 erblickte eine neue Form von Dadaismus das Licht der Welt: Das Lautgedicht. Es wurde zu einem der wichtigsten Schaffensgebiete der Dadaisten. Hugo Ball veranstaltete einen Dada-Abend in einem Wirtshaus. Er berichtete nur Tristan Tzara von seinem Vorhaben, an diesem Abend ein Lautgedicht in einem ganz besonderen Kostüm vorzutragen. Das Kostüm war ein aus Pappe bestehender Zylinder für den Körper und ein ebenso geformter Hut. An den Händen und Armen hatte er ebenfalls röhrenähnliche Pappe kleben. Man musste ihn in den Saal tragen, da er fast bewegungsunfähig war. Dieses Gedicht wurde am 23. Juni 1916 in der Galerie Dada von Hugo Ball aufgeführt. Er selber begründete die Lautgedichte folgendermaßen: „Mit diesen Tongedichten wollten wir verzichten auf eine Sprache, die verwüstet und unmöglich geworden ist durch den Journalismus. Wir müssen uns in die tiefste Alchemie des Wortes zurückziehen und selbst die Alchemie des Wortes verlassen, um so der Dichtung ihre heiligste Domäne zu bewahren.“ Als er seine Lautgedichte rezitierte, explodierte das Publikum förmlich in Gefühlsexzessen der Verwunderung, des Erstaunens, des Lachens und der Ungläubigkeit.
Nach seinen Erfolgen ging Hugo Ball nach Bern um für die „Freie Zeitung“ zu schreiben, wodurch die dadaistische Leitung in Zürich an Tristan Tzara überging. Man veranstaltete einen großen Dadaabend, in der viele Künstler auftraten und man Gedichte von bis zu 20 Personen gleichzeitig vortragen ließ, welche immer wieder durch Gelächter, Sprechchöre und Zwischenrufe begleitet wurden. Des Weiteren beschimpfte man das Publikum in jedem für die Verhältnisse erdenklichem Maße. Man wollte provozieren, wie man es noch nie getan hatte um an die „niemals vorhandenen Grenzen“ des Dadaismus anzustoßen. Das Publikum jedoch reagierte zum Teil darauf, indem es zum Beispiel Walter Serner von der Bühne aus dem Gebäude jagte und seine Requisiten zerstörte. Hans Arp hatte einmal höchst anschaulich beschrieben, wie es ablief, wenn sie ihr Programm vollführten: „Tzara lässt sein Hinterteil hüpfen wie den Bauch einer orientalischen Tänzerin, Janco spielt auf einer unsichtbaren Geige und verneigt sich bis zur Erde. Frau Hennings mit einem Madonnengesicht versucht Spagat. Huelsenbeck schlägt unaufhörlich die Kesselpauke, während Ball, kreidebleich wie ein gediegenes Gespenst, ihn am Klavier begleitet. – Man gab uns den Ehrentitel Nihilisten“.
Der New York-DADA

In New York tat sich eine Entwicklung des Dada auf, die genauso auf ANTI-Kunst ausgerichtet war wie der Zürich-Dada. Alfred Stieglitz war ein Fotograf, der die Kunst der Fotografie als reine Abbildung in Frage stellte: „Warum sollte man der menschlichen Hand, dem menschlichen Auge oder der fotografischen Platte und dem fotografischen Papier nicht ebensoviel Sensibilität und Ausdruck abgewinnen, wie derselben Hand und demselben Auge auf der Leinwand gelingen? Fotografie braucht nicht nur die Reproduktion einer realen Welt zu sein, sie kann und sollte vielmehr zur Erschaffung einer neuen Welt beitragen.“ Mit mehreren junge Fotografen arbeitete er an seiner Zeitschrift „Camera Work“, die später zu „291“ umbenannt worden war. Die Künstler, darunter Marcel Duchamp, veranstalteten eine Ausstellung im Armory (Zeughaus) New York und boten der damals noch ahnungslosen Presse eine völlig neue Form von Kunst an. Vor allem Marcel Duchamp stellte eine Sensation mit seinen Bildern dar, da er so unglaublich lässig mit Licht gespielt hatte, das man von dem „Licht als beweglichen Faktor in der Malerei“ sprach.
Marcel Duchamp wurde der Dadaist schlechthin. Er betrachtete das Leben nur noch als einen simplen Witz, als unglaublichen Un-Sinn, der sich nicht lohnt, erforscht zu werden. Das zeigte auch die absolute Neuerung, die er in die Welt der Plastiken und Skulpturen einbrachte. Diese Idee der so genannten „Readymades“ basierte auf einer vollkommen dadaistischen Basis: Er versetzte Gegenstände, die er aussuchte, in den Status eines Kunstwerkes, indem er erklärte, dass es ein Kunstwerk sei, nicht weil der Künstler es geschaffen, sondern weil der Künstler es „gefunden“ habe. So entstanden zum Beispiel die „Fontäne“, wobei er lediglich ein Urinal aus einem Billig-Laden erstanden hatte und es waagrecht „auf den Rücken“ legte und es mit „R.Mutt“ signierte. Da er selbst Künstler war, machte diese Entdeckung eine Selbstironie aus ihm, da er sich damit auch näherungsweise selbst zerstörte. Er bezeichnete diese Werke auch selbst als „Nichts“. Sie sollten das Nichts in dem wir wandeln, also die Welt und das Leben, symbolisieren.
Der Berlin-DADA
In Berlin nahm Dada seine weltweit extremste Form an.
Dort waren George Grosz und Helmut Herzfelde, der sich später umbenannte zu John Heartfield, die Richard Huelsenbecks Äußerungen über den Zürich-Dada, der sich bereits in voller Blüte befand, vernahmen und sich ihm anschlossen, da sie schließlich auch von der gleichen Überzeugung und dem gleichen Willen geleitet waren. Bald hielt Richard Huelsenbeck ein Dada-Manifest, wie er es in Zürich auch schon getan hatte und wetterte gegen den Futurismus und den Kubismus und proklamierte Dada. Kurz darauf gründete man den „Club Dada“, der nicht weniger exklusiv war als der Herrenclub der hohen Politiker in Berlin. Die Bewegung hatte sich nun ein wenig gefestigt, und in diesem Club waren nur die wirklichen Dadaisten Berlins vertreten. Eines der Clubmitglieder war Johannes Baader, der sich den Namen „Oberdada“ zulegte, welchen er durch extreme Taten, die ihm wie Dada selbst „die Krone“ aufsetzten, rechtfertigte. Er rief sich selbst als Präsident des Erdballs aus. Dada wurde jetzt zunehmend extremer. Man führte Angriffe in der Dada-Zeitschrift und beleidigte bestimmte politische Persönlichkeiten.
Jedoch brachte der Berlin-Dada auch eine neue Technik im Bereich der bildenden Kunst hervor: die Fotomontage. In Zürich hatte man zwar die Collage schon benutzt, jedoch nur Zeitungsausschnitten oder Reste von Schachteln, Stoff- und Papierfetzen verwendet. In Berlin wurde nun erstmals ein völlig realistisches Foto mit anderen zu einem neuen Kunstwerk verarbeitet. Hannah Höch und Raoul Hausmann waren die Ersten, die diese Neuerung ausprobierten. Neue Wege beging man auch in der Richtung der Dichtung. Die Lautgedichte, die Hugo Ball, Richard Huelsenbeck und Hans Arp in Zürich rezitierten wurden weiterentwickelt.
Man Veranstaltete insgesamt zwölf Matineen in Berlin. In manchen dieser Matineen wurde das Publikum als Idioten bezeichnet und als Abschaum behandelt.
1920 fand der Höhepunkt des Berlin-Dadas statt: Es war die erste internationale Dada-Messe. Auf ihr trafen sich Dadaisten aller gesellschaftlichen Schichten und politischen Gesinnungen. Thema dieser Messe war natürlich unter anderem der Hass gegen jede Autorität. Die innerhalb des Dadaismus entstanden Zeitschriften, Handzettel, Plakate usw. wurden dort gezeigt und machten die Pluralität der Bewegung sehr deutlich.
Der Hannover-DADA
Zentrale Figur des Hannover-Dada war Kurt Schwitters. Da er aus schwer nachvollziehbaren Gründen in den Kreis der Berliner Dadaisten nicht aufgenommen wurde, verzichtete er auf das Wort Dada und bezeichnete seine eigene Kunst mit dem Wort „MERZ“, eine Silbe, die er für eine Collage aus dem Wort „Commerzbank“ herausgeschnitten hatte. Wie die Dadaisten gingen seine Intentionen in Richtung Antikunst.
Kurt Schwitters verstand sich sehr gut mit Hans Arp, da beide eine ähnliche Vorstellung von Dadaismus und ANTI-Kunst hatten. Das zeigte sich nicht nur in der Ähnlichkeit der Lautgedichte, sondern auch in den Inhalten ihrer Reden. Besonders Kurt Schwitters hatte ein Talent für Vorträge und Reden. Er gab auch bald darauf eine Zeitschrift heraus mit dem Namen „MERZ“. Kurt Schwitters stellte selbst eine Theorie für das Dichten auf; eine Art eigene Logik, die er als „Schwitters-Logik“ bezeichnete. Diese Logik schrieb für das Gedicht im Allgemeinen vor: „Nicht das Wort ist ursprünglich Material der Dichtung, sondern der Buchstabe.“ Danach ist das Wort im Ersten eine Komposition von Buchstaben, Zweitens Klang, Drittens Bezeichnung (Bedeutung) und Viertens Träger von Ideenassoziationen.
Kurt Schwitters war auf allen Gebieten der Kunst vertreten und versiert dazu. Er collagierte, malte, komponierte, schrieb und dichtete alle möglichen Dinge. Seine Idee von Kunst unterschied sich aber in der Idee von Hugo Ball. Kurt Schwitters war nicht das Gesamtkunstwerk wichtig, sondern vielmehr die Verschmelzung von allen Kunstformen zu einer einzigen. Der Künstler ist ein Künstler auf allen Gebieten der Kunst. Er lebt Dada voll aus und konzentriert sich mit allen seinen Sinnen darauf. Zur von den Dadaisten angepriesenen Einbeziehung des Zufalls hat er folgendes angemerkt: „Es gibt keine Zufälle. Eine Tür kann zufallen, aber das ist kein Zufall, sondern ein bewusstes Erlebnis der Tür, die Tür, die Tür, der Tür…“. Er bestätigt damit die dadaistische Idee, dass Zufälle nicht existieren, auf die groteske und satirische Art des Dadaismus.
Sein größtes und außerordentlichstes Kunstwerk war der „Merz-Bau“. Eine Raumgestaltung seltenster Art. Er hatte zahlreiche kleine Hohlräume in einem Zimmer geschaffen, die alle von unterschiedlichster Größe, Form und Richtung waren. Er selbst nannte sie „Höhlen“. Als der Raum voll mit diesen Höhlen war, musste er die Decke durchbrechen um damit weiterzumachen. Jede dieser Höhlen stand für eine seiner persönlichen Gedanken und Erinnerungen. So gab es zum Beispiel eine Arp-Höhle, in der er die Erinnerungen an Hans Arp aufbewahrte. So auch eine gerauchte Zigarette und ein Fläschchen Urin.
Der Köln-DADA
Was Kurt Schwitters für Hannover war Max Ernst für Köln. Er lernte den Maler Johannes Theodor Baargeld kennen und veröffentlichte mit ihm die dadaistische Zeitschrift „Der Ventilator“. Jedoch wurde diese bald durch die britische Besatzungsbehörde verboten, da sie sich zu kritisch gegenüber Kirche, Volk und Staat geäußert hatte.
Hans Arp, Max Ernst und Johannes Theodor Baargeld veranstalteten auch hier eine Dada-Ausstellung, die allerdings von der Polizei geschlossen wurde, da angeblich sexuell Anrüchiges dort zu sehen gewesen war. Man setzte sich aber gegen die Justizbehörden durch.
Der Paris-DADA
Als Tristan Tzara 1919 nach Paris gereist war, fand er in der dortigen kulturellen Avantgarde bereits eine kritische und rebellische Stimmung vor. Es war nicht wie in Berlin eine vollkommen neue Konfrontation mit den Ideen von Dada und der ANTI-Kunst, sondern die Künstler waren einerseits durch Dichter wie Guillaume Apollinaire beeinflusst, der schon ein Jahr zuvor die herkömmlichen Sprach- und Dichtungsformen in Frage gestellt hatte. Zum anderen wurden sie auch durch die Erfahrungen des Zürich-Dada geprägt, der in Paris flüchtig bekannt war. Anders war hier auch die Tatsache, dass beim Paris-Dada fast ausschließlich Dichter und Literaten eine Rolle Spielten. Man beschränkte sich dort fast nur auf das Gedichte-Schreiben und Rezitieren.
Doch Paris sollte auch der Schauplatz sein, wo Dada sich selbst zerstörte. Die Dadaisten wurden zunehmend engstirniger und zerstritten sich untereinander. Jeder ging seine eigenen Wege und hatte seine eigene Meinung.
1922 veranstaltete man den „Kongress von Paris“, der als allgemeine Auflösung des Dadaismus gilt. Das Problem war, dass viele die an diesem Kongress teilnahmen, letztendlich gegen Dada waren und die eigentlichen Dadaisten sich nicht untereinander einigen konnten, wie es weitergehen sollte. Man wollte auf diesem Kongress eine weitere „Dada-Bombe zünden“, jedoch André Breton, auf den man sich verlassen hatte, griff stattdessen Tristan Tzara massiv an, und so kam es auch hier zum Streit zwischen ehemaligen Freunden. Später gab es noch teilweise handgreifliche Auseinandersetzungen auf Dada-Veranstaltungen, auf denen André Breton auf die Bühne kletterte und Darsteller während der Aufführung angriff.
Der Post-DADA
Später trafen sich noch einige Dadaisten, wie Hans Arp, seine Frau Sophie Taeuber-Arp, Theo van Doesburg und Andere in Weimar und in Straßburg. Hans Arp hatte einen Auftrag bekommen, ein Restaurant dort zu gestalten und er lud noch ein paar seiner Freunde dazu ein.
Ausdrucksweisen
Dada zerstörte die getrennten Ausdrucksweisen der Künste und führte verschiedene künstlerische Disziplinen zusammen, die z. T. anarchisch miteinander verbunden wurden: Tanz, Literatur, Musik, Kabarett, Rezitation und verschiedene Gebiete der Bildenden Kunst wie beispielsweise Bild, Bühnenbild, Graphik, Collage, Fotomontage.
Die Dadaisten entdeckten den Zufall als schöpferisches Prinzip. Hans Arp hatte lange in seinem Atelier am Zeltweg an einer Zeichnung gearbeitet. Unbefriedigt zerriss er das Blatt und ließ die Fetzen auf den Boden flattern. Als sein Blick nach einiger Zeit zufällig wieder auf die Fetzen fiel, überraschte ihn die Anordnung. Sie besaß den Ausdruck, den er die ganze Zeit vorher gesucht hatte. Arp wandte das Prinzip auch auf seine Lyrik an: „Wörter, Schlagworte, Sätze, die ich aus Tageszeitungen und besonders aus Inseraten wählte, bildeten 1917 die Fundamente meiner Gedichte. Öfter bestimmte ich auch mit geschlossenen Augen Wörter und Sätze ... Ich nannte diese Gedichte Arpaden.“
Der Dadaist
Der Dadaist ist ein Künstler, bei dem das Produkt als solches nebensächlich ist. Er ist ein Geistesreisender, der immer neue Erfahrungen macht. Ein Zeichen dafür, dass Dadaismus doch produktiv im herkömmlichen Sinne der bildenden Kunst ist, zeigt der groteske Humor, der sich in den Gedichten und Bildern wieder findet. Auch die Ironie, die die Künstler in ihre Werke einfließen lassen, spricht für modale Präsenz von „Sinn im Unsinn“.
Bedeutung und Einfluss
Der Dadaismus war in vielerlei Hinsicht ein sehr großer und radikaler Schritt in der Kunstgeschichte. Er brachte viele Neuerungen in der Technik der bildenden Kunst hervor, wie er auch dafür gesorgt hatte, das zahlreiche Tabus in der Kunstszene gebrochen wurden und die Kunst nicht mehr nur Abbild der Wirklichkeit ist sondern viel mehr. Man bereitete auch den Weg zum Surrealismus vor. Einige wenige Dadaisten wurden zu Surrealisten, die sich weniger auf das ANTI konzentrierten, sondern sich eher mit der sinnlich wahrgenommenen Welt befassten und damit, wie man sie am besten verwirren kann. Man ließ die reale Welt mit der Traumwelt verschmelzen und begann den Betrachter vor unlösbare rhetorische Rätsel zu stellen.
Der Dadaismus schien schließlich in den 20ern eines natürlichen Todes durch Desinteresse zu sterben und hinterließ in der Konkreten Lyrik oder dem Lettrismus einflussreiche Nachkommen. Zudem gehen auf den Dadaismus die moderne Performance (vgl. auch Fluxus) und die Idee des Readymade zurück.
Man findet die Dadaistische Idee des Ready-Mades von Marcel Duchamp in der heutigen Kunst häufig wieder. Sie dient aber nicht mehr Zerstörung von Kunst im Allgemeinen, sondern eher als Anlass zum sinnlichen Genuss und als Aufhänger zu inhaltlicher Interpretationen. Doch ist diese Idee in der heutigen Kunst allgegenwärtig und man wird beim Streifzug durch jedes Kunstmuseum bei den zeitgenössischen Werken viele Readymades entdecken. So einen Schock zu wiederholen, wie es Marcel Duchamp mit seiner „Fontäne“ oder seiner „Kohlenschaufel“ damals getan hatte, ist jedoch unmöglich. Das ist passé und selbst damals beim zweiten oder dritten Betrachten schon vorbei gewesen. Nun ist jedoch das passiert, was die Dadaisten niemals wollten, nämlich, dass sie jetzt auch im Museum hängen, neben den Bildern von Pablo Picasso und Paul Klee. Sie wollten eigentlich nur das zerstören, zu dem sie heute manchmal selbst geworden zu sein scheinen, nämlich das Altbackene und Etablierte.
Auch der Einfluss auf die Musik (Schlager „Da da da“ von Trio) ist umstritten – wie alles bei Dada. Zumindest auffallend ist, dass der deutsche Schlager der 1920er Jahre in erheblichem Maße von dadaistisch anmutenden Unsinnstexten Gebrauch macht (etwa bei den Comedian Harmonists); selbst aus dieser Zeit stammende Kinderlieder (wie das bekannte Drei Chinesen mit dem Kontrabass) untermauern die These, dass Dada in einem gewissen Ausmaß gesellschaftsfähig geworden war.
Dada kann auch als künstlerische Reaktion auf die Erschütterungen der Zeit des Ersten Weltkrieges verstanden werden. Der Zerstörung aller gültigen Werte und bürgerlichen Normen durch den Ersten Weltkrieg sowie der daraus resultierenden kulturellen Leere wurde eine freie, respektlose Kunst entgegengestellt, die den Bürger beispielsweise mit Publikumsbeschimpfung provozieren sollte.
Der Dadaismus konnte sich trotz des Zerstörungsklischees eine Nische schaffen und bis heute überleben. Er wird besonders von einigen Kabarettisten als sarkastische Kritik am Kunstbetrieb gepflegt. Bedeutendster Vertreter in der Nachkriegszeit war Ernst Jandl (vom Vom zum Zum, Ottos Mops).
Auch einige aktuell Kulturschaffende bedienen sich des dadaistischen Gedankenguts, so zum Beispiel
- die Band Dada ante portas (Dada vor den Türen), welche wie die Wurzel der Dada-Kultur aus der Schweiz stammt
- die kulturelle Bewegung Eigenwillig Creative Alternative in der Schweiz der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts
- Jonas Odell, der für die britische Band „Franz Ferdinand“ ein Musikvideo im Dada-Stil gedreht hat („Take me out“)
- der japanische Noise-Künstler Merzbow, der sich nicht nur nach einem Dada-Kunstwerk benannte, sondern auch verschiedene Techniken des Dada („Found sounds“...) in seine Konstruktionen einbaut.
- Jörg Immendorff und Chris Reinecke in ihrem Aktionsprogramm LIDL
- Mit „Dada in Berlin“ veröffentlichte die (ost-)deutsche Punkrock-Band Die Skeptiker 1988 einen Song zu dem Thema; gleichzeitig auch die Einstellung der sogenannten anderen Bands der damaligen DDR symbolisierend.
- Helge Schneider, dessen Improvisationen, Wortspiele und Lautmalereien („Lernen, Lernen, Popernen“) dadaistische Assoziationen wecken.
- Die Stuttgarter Band Freundeskreis verwendetet viele dadaistische Stilemente in der Lyrik auf ihrem Debutalbum "Quadartur des Kreises". "ANNA, wie war das da bei Dada", "...les Dada, wenn ich auf meinem Bett hock...", "Komik ist Tragik in Spiegelschrift".
Siehe auch
Zitate
- „Wir sagen 'Dada is Muss', aber wir schreiben 'Dada is Mus'... hier findet Kultur statt!“ (Friedhelm Kändler)
- „Bevor Dada da war, war Dada da“ (Hans Arp – Gottesbezug oder Hinweis auf Christian Morgenstern?)
- „Wir fanden Dada, wir sind Dada, und wir haben Dada. Dada wurde in einem Lexikon gefunden, es bedeutet nichts. Dies ist das bedeutende Nichts, an dem nichts etwas bedeutet. Wir wollen die Welt mit Nichts ändern“. (Richard Huelsenbeck 1916 im Cabaret Voltaire)
- „Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind.“ (Hugo Ball)
- „Wer sich nicht der geistigen Wirklichkeit verschließt, wird reich von ihr beschenkt. In der Tiefe lösen sich die Geschwüre der wuchernden Vernunft spurlos auf. Affen und Papageien sind die größten Feinde der Kunst und des Traumes. Die Menschen suchen mit ihrer Vernunft nach dem Schlüssel, der das Tor des Lebensgeheimnisses öffnet. Nie werden sie so in die pfauenfarbigen, unendlichen Räume eindringen, in denen die goldenen Flammen sich reigend umarmen.“ (Marcel Janco, erinnert von Hans Arp)
- „Unser Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann.“ (Francis Picabia, 1879–1953)
Bedeutende Dadaisten
- Hans Arp (1886–1966), Deutschland und Schweiz
- Johannes Theodor Baargeld (1892–1927), Deutschland
- Johannes Baader (1875–1955), Deutschland
- Hugo Ball (1886–1927), Schweiz
- Marcel Duchamp (1887–1968), Frankreich und USA
- Max Ernst (1891–1976), Deutschland und USA
- Elsa von Freytag-Loringhoven (1874–1927), Deutschland und USA
- George Grosz (1893–1959), Deutschland und USA
- Raoul Hausmann (1886–1971), Deutschland (Berlin)
- John Heartfield (1891–1968), Deutschland
- Hannah Höch (1889–1978), Deutschland
- Richard Huelsenbeck, (1892–1974), Schweiz und Deutschland
- Marcel Janco (1895–1984), Schweiz
- Hans Richter (1880–1976), Deutschland und USA
- Kurt Schwitters (1887–1948), Deutschland (Hannover) und England („Merzkunst“)
- Walter Serner (1889–1942), Italien, Frankreich, Schweiz
- Tristan Tzara (1896–1963), Schweiz, Frankreich
Literatur
- Hanne Bergius: Das Lachen Dadas. Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen. Anabas, Gießen 1993, ISBN 3870381418
- Richard Huelsenbeck (Hrsg.): Dada – Eine literarische Dokumentation. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1964, ISBN 3-499-55402-X
- Hermann Korte: Die Dadaisten. Rowohlt-Verlag, Reinbek ³2000, ISBN 3-499-50536-3
- Hans Richter: Dada – Kunst und Antikunst. Der Beitrag Dadas zur Kunst des 20. Jahrhunderts. M. DuMont Schauberg, Köln 1964, 1973, ISBN 3770102614
- Karl Riha (Hrsg.): Dada total. Manifeste, Aktionen, Texte, Bilder. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-059302-6
- DADA Zürich. Dichtungen, Bilder, Texte. Arche-Verlag, Zürich 1957, 1998, ISBN 3-7160-2249-7
- Reinhart Meyer u. a.: Dada in Zürich und Berlin 1916–1920. Literatur zwischen Revolution und Reaktion. Scriptor, Kronberg Ts 1973, ISBN 3-589-00031-7
- Gregor Schröer: „L’art est mort. Vive DADA!“ Avantgarde, Anti-Kunst und die Tradition der Bilderstürme. Aisthesis, Bielefeld 2005, ISBN 3-89528-484-X
- Dada. 113 Gedichte. Hrsg. von Karl Riha. Wagenbach, Berlin 2003, ISBN 3-8031-2477-8
- Günther Eisenhuber: Manifeste des Dadaismus. Analysen zu Programmatik, Form und Inhalt. in: Anja Ohmer (Hrsg.): Aspekte der Avantgarde. Bd 8. Weidler, Berlin 2006, ISBN 3-89693-464-3
- Klaus Groh: „Der Neue Dadaismus in Nordamerika“, Reihe wissenschaftlicher Texte, Band 13, Maro Verlag, Augsburg 1979, ISBN 3-87512-113-9
Weblinks
- mital-U.ch Dada Situationist
- ausführlicher Text über Dadaismus
- International Dada Archive Univ. of Iowa – sehr viele Abb. und Texte führender Dadaisten
- Dada online
- Dada-Eröffnungs-Manifest von Hugo Ball auf textlog.de