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Feststoffraketentriebwerk

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Start einer Scout-Feststoffrakete

Bei einer Feststoffrakete besteht der Antriebssatz aus fester Materie; der Sauerstoff für die Verbrennung wird gebunden als fester Stoff mitgeführt. Im Gegensatz dazu gibt es die Flüssigkeitsrakete, bei der sowohl der Sauerstoff als auch der Treibstoff in flüssiger Form mitgeführt und in einem Raketentriebwerk, nachdem sie gemischt wurden, verbrannt werden; sowie als Kombination aus beiden Typen die Hybridrakete.

Vorteile

Feststoffraketen haben prinzipbedingt verschiedene Vorteile gegenüber Flüssigkeitsraketen. So kommen sie – sieht man von Anwendungen mit schwenkbaren Düsen ab – gänzlich ohne bewegliche Teile aus. Auch enthalten sie ihren Treibstoff zu jeder Zeit, so dass Lager- und Betankungseinrichtungen nicht benötigt werden.

Der Treibstoff selbst ist – namensgebend für den Antrieb – fest und somit wesentlich einfacher zu handhaben als flüssige oder gasförmige Treibstoffe: Er kann in dieser Form weder entweichen und so möglicherweise gesundheits- bzw. umweltschädlich wirken, noch mit Rohr- oder Behälterwandungen chemisch reagieren. Auch Instabilitäten durch schwappenden Flüssigtreibstoff fallen beim Festtreibstoff weg (siehe Pogoeffekt). Durch verschiedene Formgebungen des Treibsatzes kann die sogenannte Abbrandcharakteristik, also die Schubentwicklung über die Brenndauer gesehen, sehr einfach beeinflusst werden. Nebenbei bringen die meisten Treibsatzformen mit sich, dass sich der Schwerpunkt während des Abbrands verhältnismäßig wenig ändert, was wichtig für die Flugstabilität ist.

Feststoffraketen können durch entsprechende Formgebung des Brennstoffblocks einen enormen Schub erreichen, viel größer als der, den ein vergleichbar großes Flüssigtriebwerk erzielen könnte. Jedoch sinkt durch den schnellen Abbrand die Brennzeit.

Durch all diese Vorteile sind Feststoffraketen sehr zuverlässig und leistungsstark, sowie preiswert zu entwickeln, herzustellen, zu warten und zu verwenden.

Aber auch Feststoffraketen können versagen. So wurde die Challenger-Katastrophe 1986 durch einen fehlerhaften Dichtungsring in einem der Booster verursacht.

Nachteile

Sie sind schwerer als vergleichbar große Flüssigtreibstoffraketen, die leer transportiert und erst bei Bedarf betankt werden können.

Die Verbrennungsprodukte von Festtreibstoffraketen werden meistens mit einer niedrigeren Geschwindigkeit ausgestoßen als die Verbrennungsprodukte von Flüssigtreibstoffraketen. Da sich der Schub nach der Formel Treibstoffmasse pro Zeit x Ausströmgeschwindigkeit = Schubkraft errechnet, arbeiten Feststoffraketen weniger effektiv als Flüssigtreibstoffraketen was dazu führt, dass die Endgeschwindigkeit einer Feststoffrakete nach dem Brennschluss geringer ist als die einer Flüssigtreibstoffrakete mit gleicher Anfangstreibstoffmasse.

Nach dem Start einer Feststoffrakete kann weder der Schub noch die Brenndauer beeinflusst werden.

Das gesamte Innere einer Feststoffrakete ist gleichzeitig auch ihre Brennkammer. Bei der Verbrennung des Treibstoffes treten sehr hohe Drücke auf. Deswegen müssen die Wände aus relativ schwerem Stahl bestehen. Da mit steigender Größe der Rakete die Belastung der Brennkammerwand bei gleichem Innendruck immer mehr zunimmt, müssen die Wände immer dicker und damit schwerer werden. So steigt die Leermasse einer Feststoffrakete im Vergleich zur Gesamtmasse mit zunehmender Größe immer weiter an, während sie bei Flüssigtreibstoffraketen immer weiter sinkt.

Feststoffraketen sind nicht sehr umweltfreundlich. Bei der Verbrennung des Treibstoffes entstehen u.a. Chlorgas und Chlorwasserstoff, außerdem verbraucht die Erzeugung des Aluminiums für das Aluminiumpulver viel Energie.

Geschichte

Test der Rettungsraketen eines Apollo-Raumschiffs

Die ersten Feststoffraketen waren vermutlich von den Byzantinern im siebten nachchristlichen Jahrhundert gebaut worden. Sie bestanden aus Bambus als Raketenkörper und einer Mischung aus Salpeter und Schwefel als Treibstoff.

Vermutlich unabhängig davon wurden von den Chinesen im 13. Jahrhundert Raketen entwickelt, welche mit Schwarzpulver angetrieben wurden. Dort wurden sie unter anderem auch für militärische Zwecke verwendet. In Europa wurden sie später bekannt, ihre Hauptbedeutung hatten sie hier aber erst nur als Feuerwerkskörper.

Der britische Offizier William Congreve entwickelte Anfang des 19. Jahrhunderts eine Rakete für den militärischen Gebrauch. Durch den Fortschritt bei der Artillerie erlebte die Rakete aber eher ein Schattendasein. Erst zum Ende des 19. Jahrhundert wurde wieder verstärkt in diesem Bereich geforscht und entwickelt.

Als erster erfolgreicher Start einer Feststoffrakete in Europa wird ein Raketentest von Karl Poggensee und Reinhold Tiling genannt.

Heute

Feststoffraketen werden heute unterschiedlich genutzt, sowohl für militärische als auch zivile Zwecke wie die Luft- und Raumfahrt.

Sie werden wegen ihres geringen Preises insbesondere zur Starthilfe ("Booster") für Raketen und Flugzeuge sowie in kleinen Oberstufenantrieben eingesetzt. Außerdem finden sie wegen ihrer hohen Maximalbeschleunigung als Rettungsraketen Verwendung, um bemannte Raumschiffe schnell aus dem Gefahrenbereich einer versagenden Trägerrakete zu bringen.

Als Oxidator wird zum Beispiel Ammoniumperchlorat (NH4ClO4) eingesetzt, das beim Verbrennen zu 2 H2O + N + O2 + Cl zerfällt. Der freiwerdende Sauerstoff und Chlor reagiert dann mit Aluminium (Al2O3 & AlCl3) und einem Kohlenwasserstoff (Kunststoff), wobei nochmals Energie frei wird. Der Massenanteil des Aluminiums beträgt bis zu 30 Prozent.

Ausblick

In Zukunft wird geplant, das hohe Leergewicht großer Feststoffraketen zu senken, indem der Werkstoff Stahl durch kohlefaserverstärkte Kunststoffe ersetzt wird. Dadurch könnte die Leermasse großer Feststoffraketen drastisch gesenkt werden. Berechnungen ergaben, dass allein durch diese Verbesserung des Voll- zu Leermasseverhältnisses die GTO-Nutzlast der Ariane 5 um 2 t steigern könnte.

Diese leichten Werkstoffe könnten auch reine Feststoffraketen ermöglichen, die große Satelliten wirtschaftlich in erdnahe Umlaufbahnen transportieren.

Siehe auch