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Roma

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Dieser Artikel befasst sich mit der ethnischen Gruppe; zu anderen Bedeutungen siehe Roma (Begriffsklärung).


Roma (romanes: rom, Mann, Mensch, in Rumänien ist in Abgrenzung und zur eindeutigen Unterscheidung die Schreibweise "Rroma" gebräuchlich) ist der Oberbegriff für eine Reihe ethnisch miteinander verwandter, ursprünglich aus Indien stammender Gruppen. Die heutigen Angehörigen dieses Volkes leben als Minderheiten-Volksgruppen in allen Ländern Europas. Die gemeinsame, in Dialekte aufgespaltene Sprache ist das Romanes.

Eine Gruppe, die seit dem ausgehenden Mittelalter im deutschsprachigen Raum beheimatet ist, sind die Sinti. In einer zweiten Migrationswelle im 19. Jahrhundert gelangte ein weiterer Teil der Roma vorwiegend aus Ungarn nach Österreich und Deutschland. Aufgrund dessen wird gerade im Deutschen die Bezeichnung Roma auch nur für diese zweite Gruppe, sowie für die noch heute im osteuropäischen Raum beheimateten Roma verwendet. Die Wikipedia verwendet Roma jedoch als Bezeichnung für die Gesamtheit der Gruppen, unabhängig ihres Aufenthaltslandes. Als Sammelbezeichnung für alle im deutschsprachigen Raum lebenden Angehörigen des Volkes, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Einwanderung, hat sich in Deutschland der Begriff Sinti und Roma etabliert.

Ihnen allen ist die indische Herkunft gemeinsam, die sich neben historischen Überlieferungen auch durch die Ableitung ihrer Sprache vom Sanskrit belegen lässt.

Die hauptsächlich in Südosteuropa beheimateten Roma sind ihrerseits aufgespalten in eine größere Zahl von Stammesverbänden mit leicht unterschiedlichen Traditionen und vielfach einer traditionellen beruflichen Spezialisierung. Eine dieser Gruppen sind die Kalderasch.

Die Roma sind nicht zu verwechseln mit den Jenischen in Deutschland und der Schweiz und den Tinkern in Irland und Großbritannien, die ethnisch anderer Herkunft sind.

Die Weltpopulation der Roma mit den zugehörigen Untergruppen beträgt heute etwa zwölf Millionen, davon acht Millionen in Europa. Die größten Gemeinschaften befinden sich in den südosteuropäischen Ländern (jeweils 300.000 bis zu einer Million Roma; in Rumänien nach Schätzungen zwischen 1,5 und drei Millionen). Für Spanien schätzt man zwischen 400.000 und 700.000 Angehörige, etwa 300.000 für Frankreich. In der Bundesrepublik Deutschland leben nach Schätzungen 70.000 bis 110.000 deutsche Roma.

Während der Zeit des Nationalsozialismus waren die Sinti und Roma Opfer eines versuchten Genozids. Durch gezielte Massentötung in den Konzentrationslagern sollte das Volk ausgerottet werden. Sie waren damit zusammen mit anderen Gruppen Opfer des faschistischen Holocausts. 2004 soll ein Mahnmal für die Roma-Opfer des Holocausts in Berlin gebaut werden.

Roma leiden auch heute in Europa teilweise noch unter Verfolgung, insbesondere im Kosovo. Eine stille Diskriminierung ist dagegen in allen Ländern Europas allgegenwärtig. Roma weisen fast überall die höchsten Analphabetenquoten auf und leben vielfach in eigenen Romasiedlungen oder Ghettos, die oft im Zuge gezwungener Sesshaftmachung in minderer Qualität und mit schlechter Infrastruktur errichtet wurden. Manche Roma sind noch heute Staatenlose.

Sesshaftigkeit

Im Europäischen Durchschnitt leben etwa 60% der Roma sesshaft, ca 20% nomadisch, weitere 20% führen eine halb-sesshafte Lebensweise, bei der sich feste Wohnungen und Umherziehen jahreszeitlich abwechseln. Nach Ländern betrachtet sieht die Situation anders aus: In Schweden, Dänemark, Spanien und Österreich sind fast alle Roma sesshaft, wohingegen in England, Irland, Frankreich und Belgien die Roma primär keine festen Wohnsitze unterhalten.

Fremdbezeichnungen

Für die Roma haben sich in Europa zwei unterschiedliche Fremdbezeichnungen eingebürgert: Dies ist zum einen die Bezeichnung als Zigeuner, die in Deutschland, Italien (Zingaro), Portugal (Cigano), Teilen Frankreichs (Tsigane), Polen (Cygan), Ungarn (Cigány), Rumänien (Zigan), Griechenland (τσιγγάνος) und Russland (Цыган) sowie andererseits die Bezeichnung als Gitanen, die in Spanien (Gitanos), England (Gypsies) und ebenfalls in Teilen Frankreiches (Gitanes) und Griechenlands (γύφτοι) verwendet wird. Die erstere Bezeichnung beruht entweder auf einer Verwechslung der Roma mit der gnostischen Sekte der Athinganen, die auf dem Balkan verbreitet gewesen sein muss, oder stammt vom persischen Wort Ciganch (Musiker, Tänzer); auch das persische asinkan (Schmiede) wird gelegentlich genannt. Eine andere Vermutung besagt, das Wort "Zigeuner" stamme vom byzantinischen Wort für "Unberührbare" ab. (Daher wird es als diskriminierend abgelehnt.) Die zweite Bezeichnungsgruppe beruht auf der früheren Behauptung einiger Zigeuner, aus Ägypten vertrieben worden zu sein. Zu Beginn des 15.Jh. wiesen sie Geleitbriefe Kaiser Sigismunds (aus Lindau und vom 17.4.1423) sowie von Papst Martin V. (1422) vor. Ein Anführer nannte sich Thomas, Graf von Kleinägypten; ein anderer, Herzog Michael von Ägypten, hat von Friedrich III. am 15.4.1442 in Seefeld (Tirol) einen Schutzbrief erhalten. Herzog Andreas von Kleinägypten wies am 15.12.1423 einen - allerdings gefälschten - Geleitbrief von Papst Martin V. vor. In Teilen Norddeutschlands und skandinavischen Sprachen findet sich die Bezeichnung "Tatern" oder "Tattare", der eigentlich die Bedeutung "Tatar" hat. Möglicherweise hat hierzu die Vorstellung beigetragen, die Roma seien als Begleiter des tatarischen Vordringens z.B. unter Tamerlan nach Europa gelangt.

Die internationale Selbstbezeichnung aller Zigeuner auf der Welt ist indes "Roma".Bis ins 18. Jahrhundert wurde auch Fahrendes Volk allgemein als "Zigeuner" bezeichnet. Циганин), Griechenland (τσιγγάνος), Polen (Cygan), Rumänien (Tigan), Russland (Цыган), Skandinavien (z. B. schwedisch zigenare) und Ungarn (Tzigane) verbreitet. Eine weitere Fremdbezeichnung, die in anderen Teilen Europas verwendet wird, ist Gitanen (siehe Roma->Fremdbezeichnungen). Die Bezeichnung "Zigeuner" wird vom deutschen Zentralrat der Sinti und Roma als diskriminierend abgelehnt. In anderen europäischen Ländern wird dies jedoch bei den entsprechenden Begriffen z.T. nicht so gesehen. Wissenschaftlich betrachtet ist die Bezeichnung "Zigeuner" sogar vorzuziehen, da nur sie in allen Sprachen die Gesamtheit aller Stämme bezeichnet. Die Bezeichnung Zigeuner wird in Deutschland teilweise als diskriminierend betrachtet. Dies rührt einerseits aus einer offenbar noch immer verbreiteten Volksetymologie her, Zigeuner sei im Mittelalter aus "ziehende Gauner" entstanden, oder der Ähnlichlautung mit "Zieh, Gauner!". Unabhängig davon ist das Wort schlicht durch langen abwertenden Gebrauch negativ konnotiert. Es kann vermutet werden, dass es sich bei der Etymologie genau umgekehrt zu obiger Volksthese verhält: dass die allgemeine Einstellung gegenüber den Zigeunern zur Bildung des Wortes Gauner führte oder daran beteiligt war (neben einer Abstammung aus dem mittelalterlichen "Jonern" oder "Junern", umherziehenden Spielern), so meint zum Beispiel Avé-Lallemant.

Zum Begriff "Zigeuner"

Er wird von den Sprachwissenschaftlern meist entweder von dem persischen Wort 'Ciganch' (Musiker, Tänzer) oder dem byzantinisch-griechischen Wort 'Atsiganoi' (Unberührbare) abgeleitet. In Rumänien, Ungarn und anderen Ländern ist die Selbstbezeichnung 'Zigeuner' hingegen gebräuchlich. Angeblich soll eine negative sprachliche Assoziation ("ziehender Gauner") zu dem Tabu des Gebrauchs des Begriffs "Zigeuner" geführt haben. Dieser Aspekt ist fragwürdig. Eine Untersuchung über Ausländernamen und -bezeichnungen dürfte in allen Sprachen und Nationen negative Konnotationen der jeweiligen Fremdnation zeitigen. Die englische Bezeichnung "Gypsy" leitet sich von Ägypter ab.

Herkunft

Genaue Herkunft, Zeitpunkt und Ursachen der Abwanderung sind bis heute umstritten. Sie kamen vermutlich ab 1300 in kleineren Gruppen aus dem Nordwesten Indiens über den Nahen Osten, Griechenland, Balkan nach Mittel-, Ost-, West- und Nordeuropa. In vielen Teilen Westeuropas lebten sie bis in das 20. Jahrhundert hinein als Fahrende, in Südosteuropa (insbes. Bulgarien und Rumänien) dagegen meist als rechtlose Leibeigene. Erst im 19. Jahrhundert wurden sie aus der Abhängigkeit befreit. Den Roma verwandte oder ähnliche Volksgruppen leben auch in der Türkei und Ländern des Nahen Ostens.

Bekannte Persönlichkeiten

Insbesondere als Musiker sind einige Sinte und Roma zu großer Popularität gelangt. Als wohl bekannteste Namen seien hier Django Reinhardt, Manitas de Plata und Sándor Déki Lakatos aufgeführt aber auch der Rumäne Nicolae Neacsu oder die deutsche Sängerin Marianne Rosenberg sind hier zu nennen. Der kanadische Schriftsteller und Journalist Ronald Lee konnte mit seinem autobiographischen Roman "Verdammter Zigeuner" international Aufsehen erregen.