Gambino-Familie
Bei der Gambino-Familie (engl. Gambino Family oder Gambino Crime Family) handelt es sich um eine der sogenannten Fünf Familien der Cosa Nostra New Yorks. Sie stellt damit eine der fünf Gruppen dar, aus der die Mafia in New York besteht.
Geschichte
Von der Camorra zur Mafia
Die Vorläufer der Familie lassen sich bis zurück nach Enrico Alfano, der 1907 nach Italien abgeschoben wurde, und seinem Nachfolger Pellegrino Morano führen: Morano begann als Anführer der Camorra in Brooklyn 1914 einen Krieg mit den sizilianischen Mafia. So legte er sich insbesondere mit der Morello-Familie an, die als Vorläufer der Genovese-Familie gelten kann. Diese stellte mit Giuseppe Morello soetaws wie den ersten „Capo de tutti Capo“ (italienisch: Boss aller Bosse) in New York City. Allerdings mußte dieser 1909 mit seinem Schwager Ignazio Saietta von der Black Hand Gang eine Gefängnisstrafe wegen der Verbreitung von Falschgeld antreten. Offenbar hoffte Morano mit der Beseitigung von Nicholas Morello, der die Nachfolge seines einsitzenen Bruders übernommen hatte, die Auseinandersetzung gegen die Sizilianer zu gewinnen. 1916 wurde Nicholas Morello ermordet. Allerdings wurde Morano auf Grund dieser Ermordung verhaftet, verurteilt und 1919 nach Italien abgeschoben. Dadurch schwand der Einfluß der Camorra, die Gruppe von Morano wurde von dem Sizilianer Salvatore „Toto D'Aquila“ übernommen, der damit als erster eigentliches Oberhaupt der später als Gambino-Familie bezeichneten Mafia-Clans gelten kann.
Die Auseinadersetzung zwische Sizilianer und Nichtsizilianern sollte später immer wieder eine Rolle in den internen Auseinandersetzungen spielen, siehe insbesondere die spätere Öffnung der Unione Siciliana für Nicht-Sizilianer. Andererseits verfügte die US-amerikanische Mafia und andere italienische Gruppen im Gegensatz zur Heimat nicht über das illegale Gewaltmonopol, sondern standen in Konkurrenz mit anderen ethnischen Gruppen, insbesondere den Iren und den Angehörigen der Kosher Nostra; aus diesem Grund wurde die Mitgliedschaft nicht nur nach Herkunft geprägt, wie etwa in Italien oder auf Sizilien, sondern war taktisch bestimmt.
Toto D'Aquila war bereits auf Sizilien Mitglied der ursprünglichen Mafia gewesen, bevor er in die USA auswanderte und war damit ein sogenannter Mustache Pete, da er neben italienischen Käse, Olivenöl etc. auch die sizilianische Mafia in die USA einführte. Bereits aus 1906 und 1909 existierten polizeiliche Erkenntnisse über seine Aktivitäten. Am 28. Oktober 1928 wurde er von Killern Joe Masserias erschossen.
Alfred Mineo und der „Krieg von Castellammare“
D'Aquila blieb nicht der einzige Tote; Masseria (Genovese-Familie) und Salvatore Maranzano versuchten sich in einer Auseinandersetzung, die als Krieg von Castellammare bezeichnet wird, ebenfalls als „Boss aller Bosse“ durchzusetzen, was ihnen allerdings ebenfalls misslang und letztendlich zur Bildung des National Crime Syndicate führte. Nachfolger von D'Aquila wurde Alfred Mineo.
„Al“(fred) Mineo war ein enger Verbündeter von Joe Masseria, der sich in der Morello-Familie durchgesetzt hatte; der 1919 entlassene Peter Morello (alias Guiseppe Morello) galt als sein Capo, womit Masseria durchaus als Oberboss der gesamten Cosa Nostra in New York City zum damaligen Zeitpunkt angesehen werden kann.
In der Auseinandersetzung zwischen Masseria und dem Führer der aus Castellammare del Golfo stammenden sizillianischen Mafioso Salvatore Maranzano („Krieg von Castellammare“) 1930/1931 wurde Mineo bereits im November 1930 erschossen. Diese Ermordung gilt als einer der Auftakte dieser Auseinadersetzung, die faktisch mit der Ermordung von Peter Morello begann.
Der Nachfolger von Mineo wurde Frank Scalise, der zum Ende des Mafiakrieges allerdings seinerseits abtreten musste, da Masseria erschossen worden war und seine Partei unterlegen war. Die Leitung der später Gambino-Familie genannten Gruppe übernahm Vincent Mangano, ein eher älteren Traditionen verpflichteter Mafioso.
Die Familie unter Vincent Mangano
Mangano hatte erheblichen Einfluss auf die Gewerkschaften der Dockarbeiter, weshalb die Familie die illegalen Aktivitäten in den Docks und Häfen kontrollierte. Der von ihm und dem Vizepräsidenten der International Longshoremen's Association Emil Camarda begründete, offiziell nur amerikanischen Interessen dienende City Democratic Club, wurde Treffpunkt der von „Kosher Nostras“ bestimmten Murder Inc.. Deren Boss Albert Anastasia ging dort regelmässig ein und aus. Anastasias und Manganos Interessen kolledierten mit der Zeit zunehmend. Schließlich wurde Manganos Bruder Philip am 19. April 1951 ermordet aufgefunden; Mangano selbst verschwand auf ungeklärte Weise. Anastasia übernahm die Leitung der Organisation.
Die Familie unter Albert Anastasia
Anastasias Macht beruhte auf der Kontrolle der Hafenanlagen in Brooklyn und der Leitung des Killerkommandos der Mafia, der früheren Murder Inc. Er war verbündet mit Frank Costello, dem Boos der später als Genovese-Familie bekanntgewordenen Mafia-Clans , der zugleich als Nachfolger von Lucky Lucianos als Oberhaupt der Kommission des National Crime Syndicate fungierte. In der Mafia-Familie Costellos schickte sich dessen Stellvertreter Vito Genovese an, diesen zu verdrängen. Insgeheim war Genovese mit dem Stellvertreter Anastasias, Carlo Gambino und Joe Profaci, dem Boss der als Colombo-Familie bekanntgewordenen Mafia-Familie, verbündet. Am 2. Mai 1957 erfolgte ein Attentat auf Costello, in dessen Folge Costello zurücktrat und Genovese seine Funktionen übernahm. Am 25. Oktober 1957 wurde Anastasia während eines Friseurbesuches vermutlich von Mitgliedern von Profacis Gruppe ermordet und Gambino übernahm die Leitung der Familie, die heute nach ihm benannt ist.
Die Familie unter Carlos Gambino
Carlos Gambino ernannte nach seiner Machtübernahme Aniello Dellacroce zu seinem Unterboss. Dieser war lange ein enger Mitarbeiter Anastasias in der Nachfolgeorganisation von Murder Inc. gewesen und konnte so einer Opposition von Anhängern Anastasias entgegenwirken. Gambino und Dellacroce bauten das Geschäft der Familie erheblich aus und konnten ihren Einfluss durch politisch geschickte Schachzüge schließlich auch auf zwei der anderen Mafia-Familien ausdehnen.
Ausgehend vom traditionellen Einfluss auf die Docks engagierte sich die Familie im Rauschgiftschmuggel. Ausgebaut wurde dieser Einfluss durch den Capo Anthony Scotto der Familie, der erheblichen Einfluss in der International Longshoremen's Association aufbauen konnte. Gemeinsam mit der Lucchese-Familie verdrängten sie andere Gruppen von illegalen Aktivitäten um den John F. Kennedy International Airport und dehnten ihren Einfluss auf die Müllabfuhr New Yorks und im Garment District aus. Neben den illegalen aktivitäten beteiligte sich Carlos Gambino an Pizzerien, Nachtclubs, Textil- Bau- und Transportunternehmen. Das gute Verhältnis zur Lucchese-Familie wurde unternauert, indem Gambinos Sohn Thomas Gambino 1962 Franca Lucchese heiratete, die Tochter des Bosses der Luchese-Familie Tommy Lucchese.
Als Joseph Bonnano und der Boss der späteren Colombo-Familie Joe Mogliocco in den frühen 1960er-Jahren mit dem Versuch scheiterten, die Macht in der Kommission zu übernehmen, indem sie Carlos Gambino, Tommy Lucchese und die Mafia-Bosse von Buffalo und Los Angeles beseitigten, wurde die Angelegenheit vor die Kommission der amerikanischen Mafia gebracht. In der Folge mussten Bonanno und Mogliocco abtreten. Moglioccos Nachfolger Joe Colombo war weitestgehend abhängig von Gambino, da er aus eigener Kraft seine Familie nicht in den Griff bekam. Nachdem 1967 Lucchese sich zurückzog, unterstützte Gambino auch dessen Nachfolger Carmine Tramunti, der allerdings im wesentlichen nur formell das Oberhaupt der Lucchese-Familie war.
Die Familie unter Paul Castellano
In den 1970er Jahren verschlechterte sich Gambinos Gesundheit und er baute seinen Schwager und Cousin Paul Castellano als Nachfolger gegen den aus Sicht der Traditionalisten der Familie geeigneteren Aniello Dellacroce auf. Zum Zeitpunkt des Todes Gambinos war die Familie daher gespalten. Es standen sich eine Brooklyn- und eine Manhattan-Fraktion gegenüber. Während die Brooklyn-Fraktion zu Castellano neigte, hing die Manhattan-Fraktion Dellacroce an. Beide Teile vertraten auch eine unterschiedliche Strategie. Während die Brooklyn-Fraktion eher zu Delikten der Wirtschaftskriminalität neigte, verfolgte Delacroces Fraktion die üblichen kriminellen Betätigungen. Castellanos Strategie war letztlich die bereits von Gambino betriebene Methode, illegales Geld in legale Geschäftsfelder zu investieren.
Der Rückhalt bei der Manhattan-Fraktion schwand mehr und mehr. Problematisch wurde schließlich das Verbot Castellanos, sich am Drogenhandel zu beteiligen. Verstöße sollten nach einer Rücksprache mit dem Boss der Genovese-Familie Vincent Gigante durch Mitglieder dieser Familie durchgeführt werden. Castellano hatte dieses Verbot erlassen, da er eine erhöhte Aufmerksamkeit der staatlichen Stellen und Behinderungen bei sonstigen Aktivitäten befürchtete. Allerdings waren Mitglieder der Manhattan-Fraktion auch entgegen Castellanos ausdrücklichem Verbots im Drogengeschäft tätig. Als Abhörmaßnahmen des FBI 1983 dreizehn Mitglieder der Gambino-Familie mit Rauschgiftgeschäften in Verbindung brachten, spitzte sich das Problem zu. Das FBI hatte unter anderem Telefonate von Angelo Ruggiero abgehört, die auch den Capo John Gotti und dessen Bruder Gene Gotti belasteten. Castellano drängte darauf, Einsicht in die Mitschnitte zu erhalten, um sein Verbot gegebenenfalls durchzusetzen. Versuche Ruggieros und John Gottis, über Dellacroce Castellano hiervon abzubringen, gelangen 1984 und 1985, scheiterten aber schließlich an Dellacroces fortgeschrittener Krebserkrankung. Nachdem Dellacroce am 2. Dezember 1985 verstarb, standen die Gottis entgültig vor der Alternative, entweder selbst getötet zu werden oder Castellano zu beseitigen. Am 16. Dezember wurde Castellano zusammen mit seinem Chauffeur vor einem Steak-Restaurant in Manhattan von vier Männern erschossen.
Die Familie unter John Gotti
Nach dem Tod Castellanos übernahm John Gotti, auf den das Attentat zurückging, die Leitung der Gambino-Familie. Seine Zeit als Boss der Familie sollte von großer Presseaufmerksamkeit geprägt sein. Er galt lange als „Teflon-Don“. Gotti war gerne in der Presse präsent, was traditionellere Mafiosi, wie etwa Vincent Gigante, ablehnten. Gotti leitete seine Geschäfte vor allem aus dem Hinterzimmer des „Ravenite Club“ in Little Italy und hielt dort regelrecht Hof.
Gottis Machtübernahme war in anderen Mafia-Familien auf Ablehnung gestoßen, mit denen er den Coup nicht abgesprochen hatte. Am 13. April 1986 kam es zu einem Bombenattentat, dass Gotti gegolten hatte, bei dem aber nur sein Underboss Frank DeCicco getötet wurde.
Den Ruf als „Teflon-Don“ erlangte Gotti, nachdem diverse Gerichtsverfahren gegen ihn mit Freisprüchen endeten. Gründe hierfür waren ein bestochener Geschworener und ein bezahlter Spitzel Gottis bei der New Yorker Polizei. Allerdings ermittelte das FBI gegen Gotti bewusst unabhängig von Polizei und Staatsanwaltschaft. Hierzu bediente sich das FBI umfangreichen Abhörmaßnahmen und einiger Informanten. Als Gotti seinem Underboss Sammy Gravano mehr und mehr Misstrauen entgegenbrachte − er betrachtete ihn unter anderem als zu gierig − und deshalb den Gedanken der Ermordung äußerte, konfrontierte das FBI Gravano hiermit und mit Ermittlungsergebnissen gegen ihn. Gravano sagte daraufhin gegen Gotti aus. Am 2. April 1992 wurde Gotti daufhin zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt.
Nachdem John Gotti inhaftiert wurde leitete er die Familie von seiner Zelle aus, indem er Nachrichten über seine Brüder und seinen Sohn John A. Gotti, genannt „Junior“ weitergab. Das tägliche Geschäft wurde indessen im wesentlichen von den Capos John D'Amico und Nicholas Corozzo übernommen, letzterer soll auf Drängen von John Gottis jüngeren Bruder Gene Gotti die Position eines Acting-Boss übernommen haben. Kurz vor Weihnachten 1996 wurde Corozzo allerdings bereits verhaftet und zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Leitung der Familie wurde daraufhin vom Sohn John Gottis übernommen, bevor auch er 1998 zu einer Freiheitsstrafe von 77 Monaten verurteilt wurde. Als John Gotti am 10. Juni 2002 im Gefängnis starb wurde sein Bruder Peter Gotti zum Boss. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gambino-Familie erheblich an Größe und Bedeutung verloren. Von einer Stärke von etwa 250 Vollmitgliedern war die Familie auf eine Stärke von 150 Vollmitgliedern abgesunken. Von den 21 im Jahre 1991 für die Familie tätigen Capos waren nur noch fünf aktiv. Dreizehn der ehemaligen Capos waren eingesperrt.
Weblinks
- Die Gambino-Familie auf crimelibrary.com (Englisch)
- The Gambino Crime Family auf ganglandnews.com (Englisch)