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Kadenz (Harmonielehre)

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Die Kadenz (v. lat.-it.: cadere = fallen) ist in der Musik eine besondere Abfolge von Akkorden.

Schlusskadenz

Vollkadenz in C-Dur mit der Stufenfolge T-S-D-T

Als Kadenz im spezielleren Sinne (der Zeit der Wiener Klassik) bezeichnet man die Schlusswendung eines Musikstückes oder eines Abschnittes in Akkorden. Am häufigsten ist der Fall um eine Quinte von der Dominante auf die Tonika (Authentischer Schluss) in der Basstime. Die oberen Stimmen folgen dem Prinzip des kleinsten Schrittes und der Leittönigkeit aufwärts, was heißt dass in der Folge D-T die Stimmen den Leittönen folgen sollen, so Dominantterz zu Grundton der Tonika. Alle anderen Stimmen sollen kleine Schritte machen, zum Beispiel eine große Sekunde abwärts, oder sogar auf dem gleichen Ton stehen bleiben. In diesem Zusammenhang mit dem Bass spricht man auch von Quintfall. Typisch ist die diesem Harmonienpaar vorangehende Subdominante in der Vollkadenz. Die Vollkadenz führt den gesamten Tonvorrat der Tonalität vor, also alle Töne der Tonleiter kommen in den drei Akkorden T, S, und D vor. Dabei enthält die Subdominate (z.B. in C-Dur) den Begrenzungston f zur b-Seite der Tonalität hin und die Dominate den Begrenzungston h (allg. b) zur #-Seite (Kreuzseite) hin. Oft wird die Dominante als Dominantseptakkord gespielt, was den Drang zur Tonika noch verstärkt. Auch die Wendung T-S folgt einem dominantischen Prinzip, der Bass fällt eine Quinte, die Tonikaterz steigt mit dem Leitton zum Grundton der Subdominante. Das ist eine Umdeutung von T-D-T T-D-T durch Klammerung T-(D-T-D)-T zu D-T-D, dort wird D mit T und T mit S ersetzt. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich ein Verbot der Verbindung D-S.

(T = Tonika, S = Subdominante, D = Dominante)

Formen der Kadenz sind:

  • Authentischer Schluss: D-T
  • Authentische Kadenz: T-D-T
  • Vollkadenz: z.B. T-S-D-T oder T-Sp-D-T mit der Subdominantparallele (Sp) also z. B. d-Moll statt F-Dur
  • Plagaler Schluss: S-T
  • Plagale Kadenz: z.B. T-S-T, auch T-S(moll)-T
  • Trugschluss: Z.B. In C-Dur: C-Dur (Tonika) - G-Dur (Dominante) - a-Moll (Tonikaparallele) T-D-Tp
    • Halbschluss endet auf D oder S (geht also nicht mehr zu T zurück). Er ist nur in eingeschränktem Sinn eine Kadenz.

Bemerkenswert ist, dass sich allein mit der authentischen Kadenz das Gerüst ganzer Kunstwerke aufbauen läßt. Zum Beispiel ist Schuberts "Schlafe, schlafe, holder süßer Knabe" nur mit der Folge T-D-T aufgebaut. Ebenso beispielsweise das Volkslied, eines von vielen, "Ein Vogel wollte Hochzeit machen".

Die Erweiterungen der Vollkadenz lassen sich darauf zurückführen die mittlere (unmotivierte) Vebindung S-D zu "dominantisieren". Dabei kommen Umdeutungen und Modulationen ins Spiel. Die Mollkadenz ist überhaupt erst mit diesen Erweiterungen zu verstehen.

Die genaue historische Entwicklung nachzuzeichnen ist sehr schwierig, da aus dem Generalbasssytem sich eine Denkmethode der Harmonielehre ausprägte, die die Würdigung bestimmter Satzelemente erschwert oder verbietet. Die verschiedenen Kadenzerweiterungen, die zum Beispiel für einen guten Choralsatz nötig sind, lassen oft gleiche Wurzeln nicht mehr erkennen.[1]

Erweiterte Kadenz

Als Kadenz im allgemeineren Sinne bezeichnet man ein mehr oder weniger kurzes Harmonie-Abfolgeschema, in dem die Akkorde durch Abschnitte des Quintenzirkels wandern, bis es auf der beabsichtigten Schlusstonart ankommt. Eine solche erweiterte Kadenz kann auch das harmonische Grundgerüst für eine Modulation bilden. Ein Beispiel für eine nicht modulierende erweiterte Kadenz (vgl. Quintfallsequenz):

C - G - a - e - F - C - F - G - C

Die verwendeten Akkorde kommen alle im Quintenzirkel um die Tonika (hier C-Dur) angeordnet vor. In funktionaler Schreibweise lautet dieses Beispiel:

T - D - Tp - Tg - S - T - S - D - T
(T = Tonika, S = Subdominante, D = Dominante, P = Parallele, G = Gegenklang; Großbuchstabe = Dur, Kleinbuchstabe = Moll.)

Hintergrund

Bei einer Dur- oder Moll-Tonleiter lassen sich auf jeder Stufe (jedem Ton) so genannte leitereigene Dreiklänge erstellen, die jeweils aus dem gewählten, dem übernächsten und dem nochmals zwei Töne höheren Ton bestehen. Eine Dur-Tonleiter hat also folgende leitereigene Dreiklänge:

Stufe Dreiklang Funktion Funktionssymbol
I Dur Tonika T
II Moll Subdominantparallele Sp
III Moll Dominantparallele oder Tonikagegenklang Dp oder Tg
IV Dur Subdominante S
V Dur Dominante D
VI Moll Tonikaparallele Tp
VII vermindert verkürzter Dominantseptakkord

In einer (natürlichen) Molltonleiter sieht es folgendermaßen aus:

Stufe Dreiklang Funktion Funktionssymbol
I Moll Tonika t
II vermindert
III Dur Tonikaparallele tP
IV Moll Subdominante s
V Moll Moll-Dominante* d
VI Dur Subdominantparallele oder Tonikagegenklang sP oder tG
VII Dur Dominantparallele dP

*) In der Praxis wird statt der leitereigenen Moll-Dominante meistens ihre Dur-Variante durch Erhöhung der Terz in diesem Dreiklang (=Leitton zur Tonika) gebraucht.

Einzelnachweise

  1. Im Großen und Ganzen begrifflich nach Lars Ulrich Abraham, Harmonielehre, 2 Bände, Musikverlag Hans Gerig, Köln (vormals im Laaber Verlag erschienen)

Siehe auch