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Behinderung

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Von einer Behinderung spricht man bei individuellen Beeinträchtigungen, die umfänglich, schwer und langfristig sind.

Ursachen

Hinsichtlich der Ursachen lässt sich unterscheiden zwischen:

Behinderungen können auch als Kombination aus mehreren Ursachen und Folgen auftreten (Mehrfachbehinderung), oder weitere Behinderungen zur Folge haben, z.B. Kommunikationsbehinderung als Folge einer Hörbehinderung. Die Umweltbedingungen, insbesondere gesellschaftliche Einstellungen und Verhalten gegenüber den von Behinderung betroffenen Menschen, nehmen in modernen Ansätzen zur Definition des Begriffs einen größeren Raum ein.

Kategorien

Grundsätzlich lassen sich Behinderungen grob kategorisieren in:

Statistik

Das Statistische Bundesamt weist für das Jahr 2003 eine Zahl von 6 638 892 schwerbehinderten Menschen aus. Ein hoher Anteil von Ihnen (52 Prozent) sind ältere Menschen über 65 Jahre.

Von dieser Statistik werden allerdings nur diejenigen erfasst, die den rechtlichen Status eines Schwerbehinderten erfolgreich beantragt haben, etwa um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten. Diesen Schritt vermeiden jedoch viele Betroffene. Weil es hierzulande natürlich keine „Meldepflicht“ für Behinderungen gibt, lässt sich daher die tatsächliche Zahl der Menschen mit Behinderung in Deutschland nur schätzen. Die Schätzungergebnisse bewegen sich hierbei um die 10%-Marke, gemessen an der Gesamtbevölkerung. Nationale und internationale Statistiken weisen erhebliche Varianzen auf, da außerhalb des rechtlichen Rahmens nicht einheitlich und verbindlich festgelegt wurde, welche Kriterien für eine vorliegende Behinderung erfüllt sein müssen.

Erweiterte Definition – Schädigung bis Behinderung

Eine Behinderung ist auch immer als andauernde (ständige) Problematik, an der Gesellschaft teilhaben zu können, zu sehen („Behindert ist man nicht; behindert wird man“ Aktion Mensch). So erweitert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2001 den Behinderungsbegriff in der ICIDH-2 (International Classification of Functioning, Disability and Health) wie folgt:

  1. Schädigung: Beeinträchtigung einer Körperfunktion oder -struktur im Sinn einer wesentlichen Abweichung oder eines Verlustes,
  2. Beeinträchtigung der Aktivität: Aus der Schädigung resultierende Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, eine Aufgabe oder Tätigkeit durchzuführen,
  3. Beeinträchtigung der Partizipation: Ein nach Art und Ausmaß bestehendes Problem einer Person bezüglich ihrer Teilhabe in einem Lebensbereich bzw. einer Lebenssituation,
  4. Umweltfaktoren: Sie beziehen sich auf die physikalische, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der die Menschen ihr Leben gestalten.

Beispielhaft für eine erweiterte Begriffsdefinition unter Einbeziehung der Umwelt ist die Formulierung Alfred Sanders: „Behinderung liegt vor, wenn ein Mensch mit einer Schädigung oder Leistungsminderung ungenügend in sein vielschichtiges Mensch-Umfeld-System integriert ist“ (Eberwein, H.; Knauer, S.; Handbuch der Integrationspädagogik, Beltz 2002). Er führt Behinderung also nicht nur auf eine Schädigung oder Leistungsminderung eines/einer einzelnen zurück sondern auf die Unfähigkeit des Umfelds des betreffenden Menschen diesen zu integrieren.

Juristische Definition

Im bundesdeutschen Recht wird die Behinderung im Sozialgesetzbuch IX (dort: § 2 Abs. 1), so festgelegt: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist“.

Begriffsdiskussion

Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Definitionen des Behinderungsbegriffs, nicht zuletzt im ständigen Bemühen, eine (behindernde) Diskriminierung und Stigmatisierung schon bei der eingesetzten Sprache auszuschließen – schließlich werden Behinderte in spanischsprachigen Ländern auch heute noch häufig als „minusválidos“ (Minderwertige) bezeichnet. Mit dem Ziel einer „Political Correctness“ wurde gar versucht, den Begriff ganz zu verbannen bzw. durch Euphemismen wie „besondere Befähigung“ oder „besondere Bedürfnisse“ zu ersetzen. Aus den englischsprachigen Ländern kommt die begriffliche Umschreibung „people with special needs“, die sprachlich nicht nur bei uns etwas sperrig zu übersetzen wäre.

Von den zumeist selbst betroffenen Vertretern der Krüppelbewegung wird der Begriff Behinderung dagegen bewusst durch den alten, eigentlich verpönten Ausdruck „Krüppel“ ersetzt, um damit provozierend auszudrücken, was Nichtbehinderte nach ihrem Empfinden ohnehin über sie denken.

Letztlich ist Pragmatismus bei der Definition spätestens dann notwendig, wenn Kriterien für die Leistung von Hilfe durch die Gesellschaft festgelegt werden müssen (z.B. Schwerbehindertenausweis, Eingliederungshilfe, Rehabilitation, ...). Diese Situation wird in der sonderpädagogischen Fachdiskussion als Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma bezeichnet.

Der im süddeutschen und österreichischen Sprachgebrauch übliche Ausdruck „bresthaft“ für behindert wird heute als diskriminierend abgelehnt.

Hilfe und Selbstbestimmung

Die Gesellschaft ist aufgefordert, Strukturen zur Unterstützung von behinderten Menschen zu schaffen. In Deutschland findet dies Ausdruck in Artikel 3 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“.

Dieses Prinzip muss vom Staat in der Gesetzgebung, der Verwaltung und bei der Rechtsprechung berücksichtigt werden. So finden sich zahlreiche Regelungen zum Nachteilsausgleich und zum Schutz der Rechtsposition behinderter Menschen u.A. im Sozialrecht, im Steuerrecht, im Arbeitsrecht oder auch in Bauvorschriften, hier insbesondere zum Thema Barrierefreiheit.

Konzepte, Maßnahmen und Einrichtungen der Behindertenhilfe setzen schon bei Kleinkindern (Frühförderung), Kindern und Jugendlichen an, dem Fachgebiet der Sonderpädagogik und der Heilpädagogik. Auch für Erwachsene existieren Leistungsansprüche und Hilfsangebote im Bereich der Eingliederungshilfe im Alltag, im Beruf sowie im Bereich der medizinischen Rehabilitation.

Die Landschaft der Einrichtungen und der Konzepte der Behindertenhilfe ist breit aufgefächert, was auch Ergebnis der lebendigen politischen und wissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahrzehnte ist.

Seit dem späten 18. Jahrhundert betrachteten es vor allem kirchliche und andere karitative Einrichtungen als ihre Aufgabe, Kinder und Erwachsene mit einer Behinderung zu fördern und zu pflegen. Seit dem 19. Jahrhunderts wurde die Pflege und schulische Förderung staatliche Aufgabe.

Anfangs fand die Unterstützung behinderter Menschen überwiegend in dafür spezialisierten Einrichtungen wie Sonderschulen, Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), Internaten oder Heimen statt.

Im Zusammenhang mit reformpädagogischen Überlegungen bestehen heute auch integrative Ansätze, so z.B. integrative Kindergärten, integrative Schulen oder Integrationsfirmen. Dies sind reguläre Organisationen, in denen durch konzeptionellen, personellen und strukturellen Aufwand auch die Bedürfnisse behinderter Menschen berücksichtigt werden, wodurch gemeinsames Lernen und Arbeiten ermöglicht werden soll.

Behindertenspezische Regelungen sind notwendig in allen Lebensbereichen.

Sozialkritische Ansätze in den 1970er Jahren

Politisch engagierte Mitglieder der Selbsthilfevereine fühlten sich von Vertretern und Mitarbeitern historisch gewachsener Strukturen der Rehabilitation weniger gefördert und forderten mehr persönliche Freiheiten in Pflegeheimen und Sonderarbeitsplätzen. In den Folgejahren entstanden neue soziale Initiativen und Modelle zur eigenständigen Organisation von Pflege und Betreuung (unter anderem persönliche Assistenz, persönliche Budget, die Arbeitsassistenz im Beruf, oder die betriebliche Mitbestimmung in den Werkstätten für geistig und psychisch behinderte Menschen, die heute durch den Werkstattrat ausgeübt wird.

Rehabilitation

Als Rehabilitation werden alle Maßnahmen verstanden, die auf eine Integration von Menschen in die Gesellschaft abzielen. Die Leistungen der Rehabilitation sind in den Sozialgesetzbüchern verankert. Leistungen werden im Bereich der schulischen und beruflichen Ausbildung, der Medizin und der Förderung zur Teilnahme am sozialen Leben erbracht.

Seit einigen Jahren zeichnet sich ein Paradigmawechsel ab. Im Bereich der Rehabilitation wird eine Behinderung zunehmend als krisenhaftes Ereignis nicht nur für den Betroffenen sondern auch für seine Angehörigen und Freunde begriffen (Schuchhardt, 1982). Rehabilitation wird daher auch als Anbahnung eines Lernprozesses gedeutet, an dessen Ende nicht nur die Verarbeitung des Eintritts einer Behinderung durch die Betroffenen erfolgreich gemeistert werden könne, sondern auch die Umgebung des Behinderten „behindertengerecht“ mit den spezifischen Bedürfnissen und dem natürlichen „Andersein“ besser umgehen könne.

Zu den Maßnahmen, die solche Lernprozesse in gesellschaftlicher Hinsicht fördern können, gehören zum Beispiel Volkshochschulen, die einen Teil ihrer Lehrveranstaltungen bewusst integrativ anbieten.

Behindertenbeauftragte, Behindertenorganisationen und Selbsthilfegruppen

Die Interessen von Menschen mit Behinderungen sollen im Bund sowie in den Bundesländern, Städten und Gemeinden von Beauftragten für ihre spezifischen Belange vertreten werden.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Behindertenorganisationen, Verbänden und Selbsthilfegruppen, die entweder als Lobby Einfluss auf die Sozialpolitik versuchen zu nehmen oder dem Erfahrungsaustausch von Menschen mit Behinderungen dienen sollen.

Siehe auch