Lechenich

Lechenich ist ein Stadtteil von Erftstadt im Rhein-Erft-Kreis, 20 km westlich von Köln gelegen. Der Ort hat 11.953 Einwohner (Stand 31. Dezember 2006). Lechenich liegt am Kreuzungspunkt der B 265 mit den Landstraßen L 162 und L 263. Die nächste Autobahn-Anschlussstelle ist „Erftstadt“ an der A 1/61.
Aus der Geschichte von Lechenich
Römerzeit

Römerzeit
Die Geschichte von Lechenich beginnt in römischer Zeit. Westlich der heutigen Altstadt bestand in römischer Zeit damals im Gebiet der heutigen Erper Straße / Herriger Straße und Vilskaul / Heddinghovener Straße eine kleine Siedlung, die Lechenich den Namen gab. Im Bereich der Großen Jüch lag damals ein Tempelbezirk, in dem Matronen (Fruchtbarkeitsgöttinnen) verehrt wurden. Um das Jahr 200 ließ die dort ansässige Familie des Lucius Jalechenius ihren Matronen, den Matronen Lachnechiae, einen Weihestein errichten. Aus den Namen Lachnechiae und Jalechenius ist unschwer Lechenich abzuleiten.
Frühes Mittelalter
In fränkischer Zeit fiel das Gebiet um Lechenich an den fränkischen König und kam von ihm an die Kölner Kirche. Die fränkische Siedlung mit einem großen Herrenhof lag südwestlich der heutigen Altstadt. Fränkische Grabfunde vom Ende des 5. Jahrhunderts belegen die Siedlung.
Um 650 war der fränkische Herrenhof oder Fronhof im Besitz des Kölner Bischofs Kunibert.
Die Kölner Erzbischöfe bauten in den folgenden Jahrhunderten den Herrenhof in Lechenich zu einer Turmhügelburg, einer Motte (Burg)|Motte, aus. Sie wurde von Wassergräben, die von dem vorbei fließenden Bach gespeist wurden, geschützt. Nach ihrer Zerstörung wurde eine mächtige von Wassergräben umgebene Burg erbaut.
Der Erzbischof von Köln als Landesherr
Die alte Burg
Seit dem 12. Jahrhundert versuchten die Landesherren ein zusammenhängendes Staatsgebiet/Territorium zu schaffen, das in Ämter eingeteilt war. Beamte sollten statt der Vögte zentrale Aufgaben der Verwaltung und der Rechtsprechung übernehmen. Im Jahre 1138, der ersten datierten Erwähnung Lechenichs, wird der erzbischöfliche Ort die erzbischöfliche Burg als curia bezeichnet. Daraus ist zu schließen, dass dort Verwaltungsaufgaben wahrgenommen wurden. 1185 zog der Erzbischof nach dem Tod des Vogts die Vogtei in Lechenich ein. Ein erzbischöflicher Schultheiß, 1190 erstmals genannt, nahm mit den Schöffen in der erzbischöflichen Burg an der heutigen Erper Straße alle Gerichtsrechte wahr.
Bis ins 13. Jahrhundert kam es zu Territorialkämpfen zwischen den Erzbischöfen von Köln und den Grafen von Jülich, in denen der Burg in Lechenich große Bedeutung zukam. Die Burg, das „castrum“ Lechenich, wurde mehrmals belagert, konnte jedoch nicht eingenommen werden.
Die mittelalterliche Stadt
Am heutigen Markt hatte sich eine Siedlung entwickelt, zu der um 1250 etwa dreißig Häuser gehörten. Wahrscheinlich war es überwiegend eine Kaufmannssiedlung. Es ist davon auszugehen, dass in Lechenich schon Märkte stattfanden, wie es in späterer Zeit belegt ist.
Erzbischof Konrad von Hochstaden plante eine Stadt mit der Marktsiedlung als Zentrum. Die Lage an der Fernstraße Bonn-Aachen und zwischen zwei Bächen war bestens geeignet für eine befestigte und durch Wassergräben geschützte Stadt. Erzbischof Konrad von Hochstaden gelang es 1256, alle Gerichtsrechte in Lechenich an sich zu bringen. In einem umfangreichen Gütertausch mit dem Kölner Stift St. Aposteln erwarb er Besitzungen und Rechte des Stiftes, darunter die Steuern von den Häusern am Markt, die bisher das Stift St. Aposteln erhalten hatte. .
Mit dem Bau der planmäßig angelegten Stadt auf rechteckigem Grundriss wurde unter Konrad von Hochstaden begonnen. Die relativ kleine Stadt wurde durch hohe Mauern und von Wassergräben, die die Stadt umschlossen, geschützt. Die Wassergräben, die viel breiter und tiefer waren als die heutigen Gräben, reichten bis zur Mauer. Sie wurden vom damals noch stark fließenden Mühlenbach gespeist und hatten einen Abfluss in den Rotbach. Der Zugang in die Stadt war nur durch die beiden Stadttore möglich.
Die alte Pfarrkirche (1155 genannt) an der Erper Straße, die Nachfolgerin der ersten Fachwerkkirche, wurde aufgegeben. Eine neue Pfarrkirche wurde in der Nähe des Marktes an der heutigen Stelle erbaut und dem Stift von St. Aposteln inkorporiert. 1271 war die Verlegung abgeschlossen.
Erzbischof Siegfried von Westerburg verlieh Lechenich am 15. September 1279 städtische Privilegien.
Die Stadtgründung ging eindeutig vom Landesherrn aus, der auch mit der Verleihung der Stadtrechte seine Macht behielt. Der Amtmann , der die vorgeschlagenen Schöffen, später auch die Ratsmitglieder bestätigte und Anweisungen gab, blieb für die Stadt maßgebend.
Im Jahre 1282, wenige Jahre nach der Verleihung der Stadtrechte, hatte die Stadt schon ein Siegel, das den heiligen Petrus zeigt. Sie wuchs in den folgenden Jahrzehnten auf etwa 90 steuerpflichtige Häuser und Hofstätten unterschiedlicher Größe, wie aus einer erzbischöflichen Steuerliste aus der Zeit um 1293 zu ersehen ist.
In der Stadtrechtsurkunde war kein Bürgermeister vorgesehen; dennoch hatte Lechenich im 15. Jahrhundert einen Bürgermeister und einen Stadtrat. Ein Bürgermeister ist im Jahre 1450 erstmalig erwähnt. Er vertrat die Stadt auf dem Landesparlament|Landtag und regelte mit den Schöffen und dem Rat die städtischen Angelegenheiten. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert gibt es ein Rathaus oder Bürgerhaus.
Zerstörung und Wiederaufbau von Burg und Stadt
Die noch im Bau befindliche Stadt wurde 1301 zusammen mit der Burg auf Befehl König Albrechts vom Grafen von Jülich und seinen Verbündeten zerstört. Die Mauern und Tore wurden nach 1306 wieder aufgebaut.
Im Jahre 1306 begann der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg mit dem Neubau einer Burg in der Nordostecke der heutigen Altstadt. Als Festungsstadt bildeten Burg und Stadt eine Einheit. In zahlreichen Urkunden und Berichten heißt es stets: „Burg und Stadt Lechenich“ oder „Schloss und Stadt Lechenich“. Die Burg bildete noch einmal eine Festung in der Festung mit den sie umschließenden Wassergräben.
Der Wohnturm (Donjon) wurde zwischen 1306 und 1317 errichtet. Das Hochschloss wurde unter Erzbischof Walram von Jülich als Residenz gebaut und unter seinem Nachfolger Erzbischof Wilhelm von Gennep vollendet.
Die Landesburg als Residenz, Verwaltungs- und Gerichtszentrale
Die große Zeit Lechenichs war im 14. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das Schloss gehörte zu den bevorzugten Aufenthaltsorten des Erzbischofs Walram von Jülich. Auch in den Landfriedensverhandlungen der Landesherren „Zwischen Maas]] und [[Rhein“ in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts spielte Lechenich als Verhandlungsort eine große Rolle.
Das Amtshaus der Vorburg war Verwaltungssitz und Gerichtsort des Amtes Lechenich,zahlreiche Hexenprozesse fanden hier zwischen 1626 und 1631 statt.
Krieg und Zerstörung 16. und 17. Jahrhundert
Im 16. und 17. Jahrhundert war Lechenich wegen seiner strategischen Bedeutung als Festungsstadt in die Pläne der kriegführenden europäischen Mächte einbezogen. 1583 wurden im sogenannten truchsessischen oder Kölner Krieg Stadt und Schloss Lechenich durch die Truppen des Domkapitels eingenommen. Einige Jahre später wurde Lechenich durch die Niederländer, die Verbündeten des abgesetzten Erzbischofs und Gebhard I. Truchseß von Waldburg, geplündert.
Während der Belagerung Lechenichs im Dreißigjährigen Krieg durch hessische, weimarische und französische Söldner war das Schloss von April bis Mai 1642 Zufluchtsort für alle Lechenicher Einwohner, die mit ihrer Habe und ihrem Vieh mehrere Wochen dort ausharrten. Beim Abzug der Belagerer, die das Schloss nicht einnehmen konnten, hatten Stadt und Schloss große Schäden erlitten, die nur zum Teil wieder behoben wurden.
Jahrzehntelang war Lechenich in den Kriegen Ludwig XIV. von Frankreich, mit dem der Kölner Kurfürst verbündet war, Garnison. Zeitweise lagen hier französische, dann bis 1679 kaiserliche Soldaten, nachdem 1673 Lechenich von den kaiserlichen Truppen unter Feldmarschall Montecuccoli belagert und eingenommen worden war, danach bis 1689 wieder französischen Truppen. Anschließend wechselte bis 1715 die militärische Besatzung mehrfach. Der Stadtrat war zu der Zeit entmachtet. Der Schlosskommandant oder der Stadtkommandant gab die Anweisungen.
Erste kurkölnische Landgendarmerie
Anfang des 18. Jahrhunderts verunsicherten versprengte militärische Trupps, sogenannte Partisanen, die Bevölkerung. Es folgten Überfälle von organisierten Banden und „Diebesgesindel“. Um sie zu bekämpfen, richtete Kurfürst Clemens August 1751 eine berittene Polizeitruppe ein, die seit 1754 ihr Standquartier in Lechenich hatte. Diese berittene Landgendarmerie genannt „Husarenkompanie“ war von 1765 bis 1794 im heutigen Hotel und Restaurant „Husarenquartier“ untergebracht.
Stadtbrände
Stadtbrände haben die Lechenicher Bevölkerung mehrmals schwer getroffen, beim Abzug der Belagerer 1642 und der Franzosen 1689, die auch das Schloss anzündeten. Ferner von Stadtbränden 1702, 1722 und 1744, wobei 1702 und 1722 fast alle Häuser verbrannten und viele Menschen in den Flammen umkamen, während 1744 nur ein Teil der Häuser in der Nähe der Kirche betroffen war. Nach dem Brand von 1744 wurde der Neubau einer Kirche zwingend notwendig. Sie wurde von 1746-1749 als barocke Hallenkirche erbaut.
Schulbildung und das Franziskanerkloster
Schon 1478 unterrichtet in Lechenich ein Küsterlehrer. Der Unterricht fand in der Regel in den Wintermonaten statt, im Sommer wurden die Kinder in der Landwirtschaft beschäftigt. Im 17. und 18. Jahrhundert gab es Stiftungen, von deren Einkünften das Schulgeld für arme Kinder bezahlt wurde.
Im Zeitalter der Aufklärung strebten die Landesherren eine bessere Schulbildung für die Kinder an. Ausgebildete Lehrer, die eine Prüfung abgelegt hatten, wurden eingestellt. In Lechenich wurde 1783 eine höhere Schule in dem 1655 erbauten Franziskanerkloster in der Klosterstraße eingerichtet. Sie wurde von Franziskanern geleitet. Auch die Elementarschule war im Kloster untergebracht. Ein Pater unterrichtete die Jungen, eine Lehrerin die Mädchen.
Lechenich blieb bis zum Ende Kurkölns Verwaltungs- und Gerichtszentrale des Amtes Lechenich.
Französische Herrschaft
Unter französischer Verwaltung 1794-1814 wurden die alten Strukturen beseitigt. Lechenich verlor seine Stadtrechte. Bei der Neuordnung der Gerichte 1798 erhielt Lechenich ein Friedensgericht für kleine Rechtsfälle. Für Kriminalfälle war das Gericht in Bonn zuständig.
1798 wurde auf dem Marktplatz in Lechenich ein Freiheitsbaum gepflanzt. Bei der Schaffung neuer Verwaltungsbezirke nach französischem Vorbild wurde Lechenich mit seinen Vororten eine Mairie und Sitz der Verwaltung im Kanton Lechenich. Zum Kanton Lechenich gehörten die Mairien (Bürgermeistereien) Erp, Friesheim, Gymnich, Lechenich, Liblar, Lommersum und Weilerswist.
Einwohnerlisten
Um 1800 hatte Lechenich etwa 220 Häuser mit etwa 1030 Einwohnern, darunter 260 Kinder unter 12 Jahren. Lechenich war noch nicht über die alte Stadt hinausgewachsen. Vor den Toren lagen lediglich ein Bauernhof, die Stadtmühle, eine Ölmühle und das Haus eines Weißgerbers. Innerhalb der Stadt wohnten Geschäftsleute und Handwerker, Bauern und Tagelöhne]. Es gab einen Arzt und einen Apotheker, einen Chirurgen und einen Sanitätsoffizier. Der Friedensrichter und ein Notar sowie der Gerichtssekretär wohnten in Lechenich, auch die Gendarmerie mit drei Gendarmen und einem Brigardier waren in Lechenich zusammengefasst. Im Franziskanerkloster lebten 16 Mönche. Die jüdische Gemeinde bestand aus acht Familien.
Säkularisation
1802 wurden geistliche Herrschaften und Institutionen aufgehoben (Säkularisation) und ihr Besitz beschlagnahmt. In Lechenich wurden die geistlichen Besitzungen zwischen 1804 und 1809 verkauft, darunter das kurfürstliche Schloss und das Franziskanerkloster mit der Klosterkirche.
Preußische Zeit
Neueinteilung der Verwaltungsbezirke
Der Wiener Kongress 1815 brachte die Rheinlande an Preußen. 1816 erfolgte die Einteilung der Rheinprovinz in Regierungsbezirke und Kreise. Lechenich wurde Kreisstadt des Kreises Lechenich, zu dem die ehemaligen Kantone Lechenich und Zülpich gehörten. Der erste Landrat Bärsch suchte vergebens nach geeigneten Verwaltungsgebäuden. Es gelang ihm nicht, die Schlossgebäude und die Gebäude des Franziskanerklosters zurückzukaufen. Die Franziskanerkirche und ein Teil der Klostergebäude waren abgerissen worden. Es blieb nur Das ehemalige Husarenquartier wurde Landratsamt. Unter Landrat Bilefeldt wurde die Kreisverwaltung 1827 nach Euskirchen verlegt.
Ein reges Vereinsleben hatte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Der 1847 gegründete „Dombau-Hülfsverein“ hatte nur eine kurze Lebensdauer. Auch der Kriegerverein besteht heute nicht mehr. Geblieben sind die St. Sebastianusschützen, die 1842 ihre Statuten erneuert haben, der 1850 gegründete Männergesangverein, der Gartenbauverein, der 1881 als Obstverein gegründet wurde und die 1891 gegründete Freiwillige Feuerwehr.
Veränderungen nach Mitte des 19. Jahrhunderts
Lechenich war von überregionalen Straßennetz abgeschnitten, nachdem 1822 der Plan, die alte Römerstraße als Bezirksstraße Köln-Lechenich-Zülpich auszubauen, nicht ausgeführt worden war und stattdessen Bezirksstraßen von Köln und Bonn nach Euskirchen geführt worden waren. 1854 gelang es, den Anschluss an den überörtlichen Verkehr zu erreichen und die weiterführende Bezirksstraße Neuss-Kerpen nach Lechenich durch die Frenzenstraße zu führen und 1857 von Lechenich die Straße Derkum-(Euskirchen) durch die Klosterstraße zu führen, wobei die Mauerreste der Stadtmauer an der Frenzenstraße abgebrochen und die Stadtmauer an der Klosterstraße durchbrochen wurde. Ähnliches geschah 1901 beim Ausbau der Luxemburger Straße, als die Tore einseitig durch Abbruch des Pförtnerhauses und des Spritzenhauses freigelegt wurden.
Unter Bürgermeister Kiel setzte eine rege Bautätigkeit ein, die sein Nachfolger Bürgermeister Busbach fortführte. Der Oberbau des Bonner Tores aus Backstein mit Zinnenkranz wurde 1853 restauriert und erhielt Arrestzellen. Bis zum Neubau des Amtsgerichtes diente das Tor als Gefängnis. 1855/57 wurde ein neues Pfarrhaus gebaut, an dessen Stelle das Pfarrzentrum St. Kilian getreten ist. 1862 wurde das jetzige Rathaus, in den auch wieder das Friedensgericht untergebracht war, nach Plänen von Dombaumeister Zwirner im neugotischen Stil]] neu erbaut. Die Grundsteine von 1752 und 1862 sind im Treppenhaus des Rathauses eingemauert. Das Herriger Tor wurde 1862 ebenfalls nach Plänen von Dombaumeister Zwirner in neugotischem Stil wieder aufgebaut. Das Haus Kretz wurde 1862 ebenfalls im neugotischen Stil erbaut. Auch die Pfarrkirche wurde neugotisiert. Im Bereich des ehemaligen Hof des Deutschen Ordens wurde eine neue Volksschule gebaut, die 1869 bezogen wurde. Das Schulgebäude ist Mitte der 1960er Jahre abgerissen worden. An der Stelle befindet sich heute ein Parkplatz.
Eine wichtige Neuerung war 1867 die Stiftung eines Armenhospitals für die Bürgermeistereien Lechenich und Liblar in dem zur Bürgermeisterei Lechenich gehörenden Frauenthal durch das Ehepaar Münch. Das Marienhospital genannte Haus diente auch der übrigen Krankenversorgung. Es wurde von einem Kuratorium geführt, dessen Vorsitzender der Lechenicher Pastor war.
Gescheiterter Reichsbahnanschluss
Als bekannt wurde, dass die Reichsbah] eine Strecke von Köln nach Euskirchen plante, stellte der Gemeinderat 1869 einen Antrag an die rheinische Eisenbahn AG, den Bahnhof der neuen Eisenbahnstrecke in die Eifel nach Lechenich in die Nähe des Bliesheimer Weges (heute An der Patria) zu verlegen. Der Antrag blieb erfolglos. Die Strecke wurde 1870/71 über Weilerswist geführt. In Lechenich begrüßte man deshalb den Bau der Euskirchener Kreisbahnen, die seit 1895 von Euskirchen über Lechenich zum Bahnhof Liblar fuhren. Durch den fehlenden Reichsbahnanschluss ist an Lechenich die industrielle Entwicklung vorbei gegangen.
Technischer Fortschritt
Unter Bürgermeister Franz Busbach erhielt Lechenich 1877 einen Telegrafenanschluss und 1901 eine Wasserleitung, die von Brühl über Liblar nach Lechenich führte. 1902 waren alle Haushalte an die Leitung angeschlossen. Bis dahin hatten die Einwohner Wasser aus den öffentlichen Brunnen bzw. Pumpen auf dem Markt oder aus Privatbrunnen geholt. Ein weiterer technischer Fortschritt war 1910 der Anschluss an die Elektrizität, durch den seit 1912 alle Haushalte mit elektrischem Strom versorgt wurden.
Lechenich als Zentrum des Nordkreises Euskirchen
Zentrum der Stadt war der Marktplatz, auf den alle wichtigen Straßen zuliefen. Seit 1926 führten Buslinien der Post von Köln über Brühl, Liblar, Lechenich nach Zülpich. In Lechenich war die Umsteigestation für weitere Linien in Orte der Umgebung. Die Euskirchener Kreisbahnen|Euskirchener Kreisbahn, "Bähnchen" oder im Volksmund auch "Flutsch" genannt, hielt ebenfalls am Markt und führte nach Liblar, Zülpich und Euskirchen. 1955 wurde die Bahn stillgelegt.
Lechenich behielt bis zu Beginn der 1960er Jahre seinen landwirtschaftlichen Schwerpunkt mit einer zentralen Funktion für den Nordkreis Euskirchen. Der 1897 eröffnete Landwarenhandel, die 1899 gegründete Molkerei und die 1913 gegründete Krautfabrik Patria (Zuckerrübenverarbeitung) zeugten von der landwirtschaftlichen Prägung. Daneben arbeiteten auch viele Einwohner in den nahe gelegenen Braunkohlegruben.
Mit einer städtischen Höheren Schule versuchte man an eine alte Tradition aus kurkölnischer Zeit anzuknüpfen und die Sonderstellung im Nordkreis des Kreises Euskirchen zu betonen. Die seit 1869 bestehende städtische Höhere Schule erhielt 1905 ein neues Schulgebäude in der Nähe der Kirche. Die Höhere Schule bestand von 1920 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Privatschule.
Das Amtsgericht betonte ebenfalls Lechenichs besondere Stellung im Nordkreis.

Nach der Auflösung der Friedensgerichte und der Umwandlung in Amtsgerichte war das Amtsgericht 1879 nach Euskirchen verlegt worden. Auf Antrag Lechenichs erhielt die Gemeinde als Zentrum von fünf Bürgermeistereien 1897 wieder ein Amtsgericht. Die Gemeinde Lechenich hatte das Grundstück zur Verfügung gestellt und das Gerichts- und Gefängnisgebäude auf Kosten der Gemeinde errichten lassen.
Auch die seit 1879 erscheinende „Lechenicher Zeitung“, eine Werbezeitung, zeigte Lechenichs Bedeutung für den Nordkreis. 1931 wurde ein Freibad an der Erper Straße gebaut, das vom Mühlenbach gespeist wurde. Das Bad, 1956 geschlossen, war eines der frühesten Freibäder im Kreis Euskirchen.
Mehrere Anträge der Gemeinde Lechenich, wieder als Stadt anerkannt zu werden, waren von der Regierung abgelehnt worden. Erst 1943 wurde Lechenich als «historische Stadt» anerkannt und erhielt das Recht, den Titel «Stadt Lechenich» zu führen.
Weimarer Republik
Besatzungszeit
Nach dem 1. Weltkrieg wurde Lechenich 1919 von Engländern, von 1920 bis 1926 von Franzosen besetzt.
Erwerbslosigkeit und ihre Folgen
Ende der 1920er bis Anfang der 1930er Jahre zahlreiche Lechenicher Familien von der Arbeitslosigkeit betroffen. In den Braunkohlegruben, aber auch in anderen Betrieben, waren Arbeiter entlassen worden. Einige gingen „stempeln“, andere suchten sich Gelegenheitsarbeit mit häufigem Wechsel.
Der Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP standen die meisten Lechenicher mit ihrer katholischen Zentrumstradition zunächst distanziert gegenüber, auch die Anhänger der SPD blieben überwiegend ihrer Partei treu. Die Erwerbslosen und die deutschnational Gesinnten hofften, dass die NSDAP ihre Lage verbessern würde.
Die Herrschaft der Nationalsozialisten
Das Schicksal der jüdischen Gemeinde Siehe: Hauptartikel Jüdische Gemeinde Lechenich
Am 10. November 1938 wurde die Synagoge in der Judenstraße in Brand gesteckt, die jüdischen Geschäfte und Wohnungen demoliert. Jüdische Familien, die nicht ausgewandert waren, wurden zunächst in einem Judenhaus in Lechenich untergebracht, dann nach Gymnich oder Friesheim in die Judenhäuser verlegt. Von dort wurden sie 1942 deportiert. Die meisten kamen in den Vernichtungslagern ums Leben.
Damit endete eine lange jüdische Tradition, die nachweislich bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Die Synagoge für alle Juden des Amtes Lechenich befand sich schon in kurkölnischer Zeit in der Judenstraße. Der Jüdische Friedhof|Judenfriedhof lag außerhalb der Stadt in der Nähe des Mühlenbaches an der Durchgangsstraße nach Gymnich. Im 19. Jahrhundert vergrößerte sich die jüdische Gemeinde, zu der bedeutende Persönlichkeiten wie der Besitzer des Schlosses Baron Bleichröder gehörten. Mehrere Juden waren Mitglieder des Gemeinderates. 1886 wurde eine Synagoge in der Judenstraße gebaut. Die 1905 errichtete jüdische Schule hatte nur bis 1920 Bestand. 1892 wurde der jüdische Friedhof am heutigen Römerhofweg angelegt. Den Friedhof, der 1940 verkauft worden war, erhielt die jüdische Gemeinde Köln 1946 zurück.
Neuanfang nach 1945

Die britische Militärregierung, die die amerikanische Besatzung abgelöst und die ihr zugewiesene britische Besatzungszone übernommen hatte, verkündete 1946 die Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Hauptstadt Düsseldorf. Bei den ersten demokratischen und freien Wahlen im Herbst 1946 wurde in Lechenich überwiegend CDU gewählt. Seit 1949 ist Nordrhein-Westfalen ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Lechenich, das nach 1815 als Gemeinde und Bürgermeisterei bzw. als Amt weiter bestanden hatte, blieb auch nach der Gründung Nordrhein-Westfalens weiter bestehen bis zur Kommunalreform 1969.
Aus Mangel an Hartgeld ließ die Stadt Lechenich am 25. August 1947 Notgeld drucken, das bis zur Währungsreform am 20. Juni 1948 mit der Einführung in DM in Umlauf war.
Neue Schulbauten außerhalb des alten Zentrums
Die 1946 als städtische Schule eingerichtete Höhere Schule wurde 1968 zum Vollgymnasium mit Abitur ausgebaut. Das Gebäude am Kirchplatz wurde abgerissen, nachdem seit den 1960er Jahren außerhalb des alten Stadtzentrums in mehreren Bauabschnitten in der Dr. Josef-Fieger-Straße ein neues Gymnasium entstanden war. Dort wurde auch ein Freibad und eine Schwimmhalle gebaut.
Anfang der 1960er Jahre entstand ebenfalls außerhalb des alten Stadtzentrums eine neue Volksschule am Amselweg/Dr.-Fieger-Straße, die 1968 nach der Schulreform Hauptschule wurde. Neue Grundschulen wurden am Kölner Ring und in der Südstadt gebaut. 1974 wurden das Schulzentrum mit Hauptschule und Gymnasium durch eine Realschule vervollständigt.
Kommunale Verwaltungsreform und ihre Folgen
In den 1960er Jahren beschloss die Landesregierung, die kleineren Verwaltungen zu wenigen großen Verwaltungseinheiten zusammenzufassen. Im Nordkreis Euskirchen sollten die Stadt und das Amt Lechenich, das Amt Liblar, das Amt Friesheim und das Amt Gymnich eine neue Verwaltungseinheit bilden. Einige Politiker, die den Ausbau Lechenichs als Zentrum der neuen Verwaltungseinheit nicht wollten, bestritten die zentrale Funktion Lechenichs. Sie wollten, dass die neue Verwaltungseinheit einen neuen Namen erhalten sollte. Sie konnten sich im Landtag durchsetzen. Die neue Stadt erhielt den Kunstnamen Erftstadt.
Das Gesetz zur Neugestaltung des Kreises Euskirchen trat am 1. Juli 1969. Lechenich wurde ein Stadtteil der neugebildeten Stadt Erftstadt und verlor seine Selbstständigkeit.
Seit der Neueinteilung der Kreise 1975 gehört die Stadt Erftstadt zum Erftkreis, heute Rhein-Erft-Kreis.
Eine neue Verwaltungs- und Dienstleistungszentrale entstand auf Liblarer Seite am Holzdamm. Einige Abteilungen der Stadtverwaltung Erftstadt, darunter das Standesamt, sind noch in Lechenich untergebracht.
Trotz heftiger Proteste der Bevölkerung beschloss der Landtag die Auflösung des Amtsgerichtes Lechenich zum 31.12.1983 und die Zuweisung zum Amtsgericht Brühl. Für Lechenich war die Auflösung des Amtsgerichtes verbunden mit dem Verlust einer Jahrhunderte alten Gerichtstradition. Lediglich ein Notariat blieb in Lechenich.
Veränderungen der Bevölkerungsstruktur
In den letzten 50 Jahren haben in Lechenich erheblich Veränderungen stattgefunden. Die Jahre sind vor allem geprägt durch einen starken Bevölkerungszuwachs. Lechenich hatte vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 3900 Einwohner, im Jahre 1960 waren es etwa 5500. Dieser Zuwachs war überwiegend durch die Heimatvertriebenen entstanden, denen in der Zeit des städtischen Aufbaus nach der Währungsreform Bauland zur Verfügung gestellt worden war. Der größte Zuwachs erfolgte in den Jahren nach der kommunalen Verwaltungsreform. Lechenich hat im Jahre 2006 etwa 11900 Einwohner, von denen mehr als die Hälfte in den letzten 35 Jahren nach Lechenich gezogen ist.
Neue Wohnsiedlungen entstanden auf den früher landwirtschaftlich genutzten Flächen. Sie haben das Stadtbild erheblich verändert. Lechenich hat seine landwirtschaftliche Prägung völlig verloren.
Die Neubürger kamen überwiegend aus allen Gegenden Deutschlands, doch auch Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten wohnen inzwischen in Lechenich. Viele Bürger fanden gerade die alte Stadt sehr anziehend und ein Angebot, das ihren Bedürfnissen entsprach. Für Pendler war die Verkehrsanbindung zu den Arbeitsplätzen in Köln oder in den Industriewerken der Umgebung sehr geeignet. Familien mit Kindern entschieden sich wegen des günstigen Schulangebotes für den Wohnort Lechenich.
Auch die Bevölkerungsstruktur und Erwerbstätigkeit haben sich stark verändert. Um berufstätige Eltern mit Kindern zu entlasten, wurden neue Kindergärten und Kindertagesstätten gebaut und eingerichtet. Seniorenheime und Altenwohnheime bestehen seit den 1980er und 1990er Jahren, 2006 ist ein Hospiz in Frauenthal eingerichtet worden, dessen Krankenhaus erweitert worden ist und das immer noch für die medizinische Versorgung der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt.
1966 wurde eine evangelische Kirche mit Gemeinderäumen gebaut. Für die katholischen Christen entstand 1979 das Pfarrzentrum St. Kilian. Viele ökumenische Veranstaltungen finden heute in Lechenich statt.
Vereinsleben
In Lechenich gibt es weiterhin zahlreiche Vereine, von denen die ältesten die St. Sebastianus Schützenbruderschaft, der Männergesangverein, der Gartenbauverein und die freiwillige Feuerwehr sind. Diese wurde 1891 auf Initiative des Bürgermeisters Franz Busbach gegründet; als erstes Gerätehaus diente ein Schuppen im Schlosswall. 1894 wurde ein Steigeturm errichtet und ein neues Gerätehaus an der Herriger Straße bezogen; am 23. Januar 1901 bildete sich eine eigene Löscheinheit für das Dorf Konradsheim. Die Inbetriebnahme der Wasserleitung im November 1902 erforderte das Ersetzen der alten Hanfschläuche durch gummierte Schläuche.Den ersten Weltkrieg überlebten nur 23 von 64 Feuerwehrleute; der zweite Weltkrieg bedeutete unter anderem auch den Verlust sämtlicher Gerätschaften einschließlich der Feuerspritze und der beiden Fahrzeuge.
Es gibt in Lechenich weitere Vereine mit einer alten Tradition wie der VfB Erftstadt e.V., dass TC. "Gloria" Lechenich e.V. 1920 und die Lechenicher- Narrenzunft und zahlreiche neu entstandene Vereine. Viele Einwohner Lechenichs sind Mitglieder in Sportvereinen. Neue Sportstätten sind entstanden. Karnevalsgesellschaften, Bürgergesellschaft, Mundartspielkreis und anderen Vereinigungen spielen eine Rolle im gesellschaftlichen Leben.
Handel und Gewerbe
Fast alle in Lechenich ansässigen Geschäftsleute haben sich in der seit 1979 bestehenden Interessengemeinschaft AHAG zusammengeschlossen. Die AHAG bietet viermal im Jahr verkaufsoffene Sonntage an, übernimmt die Stadtbeleuchtung in der Advents- und Weihnachtszeit und veranstaltet jährlich einen Weihnachtsmarkt. Außerhalb des Stadtkerns haben sich große Handelsketten und Discounter angesiedelt. Am Ortsrand in Richtung Liblar ist ein Gewerbegebiet entstanden, das in der Nähe des Römerhofes erweitert wird.
Die heutige Altstadt
In der Altstadt hat sich die Wohnqualität sehr positiv entwickelt. Neubauten sind entstanden und Altbauten wurden restauriert oder umgebaut und den heutigen Bedürfnissen entsprechend eingerichtet. Der mehrmals ungestaltete Marktplatz hat seine alte Funktion durch einen regelmäßig stattfindenden Wochenmarkt wieder erhalten. Auch das Bürgerfest der Bürgergesellschaft und der Weihnachstmarkt der AHAG finden auf dem Marktplatz statt.
Seitdem die Altstadt durch die Ortsumgehungsstraße, die im Dezember 2002 für den Verkehr freigegeben worden ist, vom Durchgangsverkehr entlastet ist, werden Pläne zu einer Umgestaltung der Altstadt diskutiert.
Siehe auch
Literatur
- Karl Stommel: Geschichte der kurkölnischen Stadt Lechenich, Euskirchen 1960 (Veröffentlichungen des Vereins der Geschichts- und Heimatfreunde des Kreises Euskirchen e.V., Reihe A; 5)
- Frank Bartsch, Hanna Stommel: Lechenich. Von der Römerzeit bis heute. Eine illustrierte Stadtgeschichte, Erftstadt-Lechenich: Buchhandlung Heinz Pier 2004 ISBN 3-924576-07-6
Siehe auch
Weblinks