Eduard Mörike


Eduard Friedrich Mörike (* 8. September 1804 in Ludwigsburg; † 4. Juni 1875 in Stuttgart) war ein deutscher Lyriker der Schwäbischen Schule, Erzähler und Übersetzer sowie evangelischer Pfarrer.
Leben
Mörike wurde als siebtes Kind des Medizinalrates Karl Friedrich Mörike und der Pastorentochter Charlotte Dorothea geb. Bayer geboren. Er hatte insgesamt zwölf Geschwister. Ein Jahr nach dem Tod des Vaters begann er 1818 auf Wunsch der Familie ein theologisches Studium in Urach, das er am Tübinger Stift von 1822 bis 1826 fortsetzte. Zu seinen Studienfreunden gehörten einerseits Wilhelm Waiblinger, der ihm auch Kontakt zum alten Friedrich Hölderlin verschaffte, andererseits Ludwig Bauer, mit dem zusammen er das Fantasieland Orplid ersann. Dieser Dreierbund war spannungsreich: Bauer, den Mörike einst vor einem Angriff des betrunkenen Waiblinger in Schutz genommen hatte, warnte Mörike vor dessen dämonischem Einfluss, während Mörike anlässlich seiner Investitur als Pfarrer den inzwischen verstorbenen Waiblinger als „einen von Jesu Evangelium innigst durchdrungenen Diener“ bezeichnete.[1] Im Jahre 1823 begegnete Mörike Maria Meyer (1802–1865), einer sehr schönen Frau in Gesellschaft der Sektenstifterin Juliane von Krüdener. Mörike verliebte sich stürmisch in sie, beendete jedoch das Verhältnis, als er Näheres über sie erfuhr. Aus diesem Erlebnis entstand der Zyklus der Peregrina-Gedichte, von dem aus den Jahren 1824 bis 1867 zehn unterschiedliche Fassungen vorliegen.[2]
Nach seinem Examen durchlebte (und durchlitt) Mörike eine achtjährige „Vikariatsknechtschaft“ als Vikar und später Pfarrverweser: 1826 Oberboihingen, Möhringen; 1827 Köngen; 1829 Pflummern, Plattenhardt (dort Verlobung mit Luise Rau, der Tochter des verstorbenen Pfarrers, 1833 gelöst), Owen; 1831 Eltingen; 1832 Ochsenwang; 1833 Weilheim an der Teck, Owen, Ötlingen. Sein Dienst war von Dezember 1827 bis Februar 1829 durch Urlaub unterbrochen, den er aus gesundheitlichen Gründen beantragt hatte, vielleicht ausgelöst durch den Tod seiner älteren Schwester Luise. Dahinter steckten allerdings seine generellen Zweifel an einer kirchlichen Laufbahn:
„Du ahnest ohne Zweifel bereits den Grund jener unschmackhaften Stimmung. Das geistliche Leben ists. Ich bin nun überzeugt, es taugt nicht für mich… der Doktor [hat mir] einen Urlaub auf einige Zeit vom Consistorium ausgewirkt… Meine Gesundheit kann diß sehr wohl brauchen, aber hauptsächlich will ich die Zeit dazu benutzen mir durch irgend eine Arbeit das Zutrauen des Cotta zu erwerben um indessen durch Geschäft bei ihm einen Ausweg und von da vielleicht e. Anstellung bey einer Bibliothek zu finden.“
Mörike hätte sich also lieber der Schriftstellerei gewidmet, wagte es aber, anders als Hölderlin, nicht, sich als freier Schriftsteller durchzuschlagen: Einen Vertrag mit dem Verleger Friedrich Gottlob Franckh, der ihn zu regelmäßigen „erzählenden und anderen ästhetischen Aufsätze[n]“ in dessen „Damen-Zeitung“ verpflichtete gegen ein jährliches Honorar von 600 Gulden[4], löste Mörike nach wenigen Monaten wieder.
1834 endlich wurde Mörike Pfarrer in Cleversulzbach, wo seine Mutter († 1841) und seine jüngste Schwester Klara mit ihm im Pfarrhaus wohnten. Seine Predigten, die auf das Verständnis seiner Gemeinde zugeschnitten waren, ließen nicht erkennen, wie sehr Mörike mit der zeitgenössischen Theologie haderte. Nur in der Privatheit eines Briefes vom Dezember 1837 diagnostizierte Mörike gegenüber Friedrich Theodor Vischer einen nun „landkundig werdenden theologischen Bankerott“[5], womit er auf David Friedrich Strauß' Buch Leben Jesu anspielte und dessen von konservativen Kreisen (z.B. am Tübinger Stift) verurteilte historische Kritik an den Evangelienberichten. Weil der Poet Mörike für seinen Glauben nicht auf die Historizität dieser Berichte angewiesen war, nahm er Strauß' Buch unaufgeregt zur Kenntnis. Ein heute merkwürdig anmutend rationales Verhältnis hingegen hatte Mörike zu spukhaften Geräuscherscheinungen im Pfarrhaus, die er in einem Tagebuch aufzeichnete, das Justinus Kerner später veröffentlichte.[6] Nachdem Mörike sich aus gesundheitlichen Gründen beim Pfarrdienst mehrfach durch einen Vikar hatte unterstützen lassen, beantragte er, nachdem ihn das Konsistorium dazu aufgefordert hatte, 1843 die Versetzung in den Ruhestand, wozu ihm gnadenhalber eine Pension von jährlich 280 Gulden gewährt wurde (sein Pfarrergehalt hatte anfangs 600 Gulden betragen).[7]
Mörike ließ sich 1844, im Alter von 39 Jahren pensioniert, nach einem kurzen Aufenthalt in Schwäbisch Hall in Bad Mergentheim nieder. Seine Pension und gelegentliche Honorare reichten nicht zur Tilgung der Schulden, in die er durch Bürgschaften für seine Brüder geraten war, so z.B. für den Scheerer Amtmann Karl Mörike, der wegen aufrührerischer Umtriebe ein Jahr Festungshaft in Hohenasperg verbüßt hatte (in dem Verfahren musste Eduard als Zeuge aussagen). Deswegen dachte er zunächst nicht an eine Eheschließung und heiratete erst 1851 Margarethe von Speeth, die katholische Tochter seines Vermieters und Freundin seiner Schwester Klara, die weiterhin bei ihm wohnte. Der Konfessionsunterschied war allerdings der Grund dafür, dass Mörikes ältester Freund Wilhelm Hartlaub (Pfarrer im nahen Wermutshausen) sich von ihm distanzierte. Auch das Verhältnis zwischen Klara und Margarethe sollte sich später trüben.

Das Ehepaar zog nach Stuttgart, wo Mörike bis 1866 Literatur am Königin-Katharina-Stift unterrichtete, wie später auch in Lorch. Sie hatten zwei Töchter Fanny und Marie. 1852 verlieh die Universität Tübingen Mörike den Ehrendoktortitel. Bis 1855 entstanden seine letzten großen Prosawerke. Bis zu seinem Tode verfasste Mörike, abgesehen von wenigen Widmungs- und Gelegenheitsgedichten, kaum mehr Verse.
In der Zeit von 1867 bis 1873 wechselte der Dichter mehrmals Orte und Wohnungen. Spannungen zwischen Klara und Margarethe übertrugen sich auch auf das Ehepaar, und anlässlich der Verlobung der 18-jährigen Fanny kam es zum Streit, nach dem Margarethe vorübergehend auszog. 1873 entschied sich Mörike zur Trennung und zog mit Marie für kurze Zeit nach Fellbach, weswegen ihn die Stadt mit der regelmäßigen Verleihung des Mörike-Preises ehrt. In dieser Zeit betrug sein jährliches Einkommen immerhin 1955 Gulden[8]. Mörike wurde 1875, zwei Jahre nach dessen Eröffnung, auf dem Stuttgarter Pragfriedhof beerdigt.
Zeit seines Lebens war er ein begeisterter Sammler alltäglicher Gegenstände. Besonders gerne sammelte er Versteinerungen und so kam es, dass er wie ein Paläontologe über die Schwäbische Alb zog und alle Versteinerungen einsammelte. Zu Hause verglich er sie mit anderen Funden, oder las Fachliteratur. Allzu oft packte ihn aber dann auch die Muse und so entstanden Gedichte wie Der Petrefaktensammler. Bei seinen häufigen Umzügen war das Sammelgut einerseits lästig, andererseits waren es gute und schöne Geschenke für Freunde und Verwandte.
Eduard Mörike ist über Johannes Vaut (Schultheiß) und Elisabeth von Plieningen mit anderen schwäbischen Dichtern und Wissenschaftlern wie z.B. Friedrich Schiller verwandt.
Werk
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Mörike galt lange Zeit als ein typischer Vertreter des Biedermeier, der die vertraute und enge Heimat besingt. Heute erkennt man das Abgründige in seinem Werk, und die Modernität seiner radikalen Weltflucht. Die Arbeiten Mörikes zählen dabei zu den bedeutenden Werken der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts.
- Gedichte (1838, erweitert 1848 und 1864). Aus der Phase während des Vikariats, in der er versuchte, als freier Schriftsteller zu arbeiten, stammen u.a. die Gedichte Septembermorgen und Er ist's (eines der meistzitierten deutschen Gedichte).
- Maler Nolten (1832). Roman, in dessen von Intrigen bestimmter Handlung Mörike seine eigenen Verstrickungen verarbeitet, so z.B. seine Begegnung mit Maria Meyer (Peregrina) in der Figur der Elisabeth.
- Die Regenbrüder (Oper, von Ignaz Lachner komponiert, 1839)
- Idylle vom Bodensee oder Fischer Martin (Sieben Gesänge, 1846). Das Hexameter-Gedicht entstand in der Mergentheimer Zeit und machte Mörike über seine Heimat hinaus bekannt.
- Das Stuttgarter Hutzelmännlein (1855)
- darin: Die Historie von der schönen Lau
- Mozart auf der Reise nach Prag (Novelle, 1856)
- Der Schatz (1835)
- Der Bauer und sein Sohn (Märchen, 1839)
Mörike war ein exzellenter Kenner der griechischen und römischen Poesie und veröffentlichte mehrere Übersetzungen:
- Classische Blumenlese (1840)
- Übertragungen Theokrits, Bions und Moschos' (1855, gemeinsam mit Friedrich Notter)
- Anakreon und die sogenannten Anakreontischen Lieder (1864), wiederum – wie in der Classischen Blumenlese – als Bearbeitung einer bereits vorliegenden Übersetzung
Nachwirkung
- Denkmal in Stuttgart (4. Juni 1880)
- Nachempfundene Thematik in einem Tatort-Krimi: Die schöne Lau. (SWR)
- Vertonung von Gedichten Mörikes durch Hugo Wolf (Mörikelieder).
- Mörikeschule in Tübingen
- Mörikeschule (Grundschule) in Leonberg
Quellenangaben und Literatur
- ↑ In: Bernhard Zeller: Eduard Mörike: Du bist Orplid, mein Land! Das ferne leuchtet, Gedichte, Prosa, Briefe zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 2004, S. 14 ISBN 3-458-17224-6
- ↑ Mathias Mayer: Mörike und Peregrina. Geheimnis einer Liebe, S. 211ff. München: C. H. Beck 2004, ISBN 3-406-51657-2
- ↑ Du bist Orplid, S. 59f.
- ↑ Udo Quak: Reines Gold der Phantasie, S. 106. Eine Biographie. Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag 2004, ISBN 978-3-7466-2064-0
- ↑ Reiner Strunk: Eduard Mörike. Pfarrer und Poet, S. 113. Stuttgart: Calwer Verlag 22004, ISBN 978-3-7668-3876-6
- ↑ Strunk, S. 108
- ↑ Quak, S. 152, 181
- ↑ Quak, S. 266
- Braun, Helmut / Schwan, Rudolf / Uhlmann, Werner: Zu Cleversulzbach im Unterland, Eduard Mörikes Zeit in Cleversulzbach. Stuttgart: Betulius Verlag 2004
- Gebhardt, Armin: Schwäbischer Dichterkreis. Uhland, Kerner, Schwab, Hauff, Mörike. Marburg: Tectum 2004, ISBN 3-8288-8687-6
- Kluckert, Ehrenfried: Eduard Mörike. - Köln: Dumont 2004
- Lahnstein, Peter: Eduard Mörike. - München: List 1986
- Mörike-Handbuch / hrsg. von Inge und Reiner Wild. - Stuttgart : Metzler 2004
- Petzi, Erwin: Eduard Mörikes Kunst der schönen Täuschung. Frankfurt a.M. 2004
- Schmid-Lotz, Christa: Eduard Mörike. - Lahr: Kaufmann 2004
- Eduard Mörike: Eine phantastische Sudelei. Ausgewählte Zeichnungen. Hrsg. von Alexander Reck. Stuttgart: Betulius Verlag 2004 (120 Seiten mit über 100 farbigen Abbildungen)
Weblinks
- Vorlage:PND
- Werke von Eduard Mörike bei Zeno.org.
- Werke von Eduard Mörike im Projekt Gutenberg-DE
- Eduard Mörike. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 22, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 243.
- Eduard Mörike. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).*Linksammlung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
- KulturRegion Stuttgart feiert 200. Geburtstag von Mörike
- Aufsatz über Mörike in Bebenhausen
- Wirklichkeit und Dichtung: Zur frühen Dichtung von E.M. -- Dissertation Abstract
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Mörike, Eduard |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Lyriker, Erzähler und Übersetzer sowie Pfarrer |
| GEBURTSDATUM | 8. September 1804 |
| GEBURTSORT | Ludwigsburg |
| STERBEDATUM | 4. Juni 1875 |
| STERBEORT | Stuttgart |