Schleiereule
Schleiereule | ||||||||||||
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Die Schleiereule (Tyto alba) ist eine Vogelart aus der Ordnung der Eulen (Strigiformes) und der Familie der Schleiereulen (Tytonidae).
Aussehen
Die Schleiereule ist eine 33-35 cm lange, hell gefärbte, langflügelige und langbeinige Eule. Sie erreicht eine Flügelspannweite von bis zu 76 cm und hat einen recht kurzen Schwanz. Männchen und Weibchen ähneln einander sehr; Weibchen sind im jedoch etwas größer und etwas dunkler gefärbt.
Die Unterarten T. a. alba aus Westeuropa, Südeuropa und Nordwest-Afrika, T. a. ernesti aus Sardinien und Korsika und T. a. erlangeri aus Südwestasien sind auf der Unterseite weiß. Die mitteleuropäische Unterart T. a. guttata ist unterseits gelb-bräunlich gefärbt. Der Gesichtsschleier ist bei allen Unterarten weiß, die Oberseite goldbraun gemustert. Der Schnabel ist blassgelb, Augen und Klauen sind dunkel. Weltweit wurden (abhängig von der Quelle) bis zu 35 Unterarten beschrieben, die in den Maßen und der Färbung entsprechend variieren.
Verbreitung
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Die Schleiereule ist in zahlreichen Unterarten in Afrika, Europa, Südwest- und Südasien, Australien, Südamerika und den wärmeren Teilen Nordamerikas verbreitet. In Europa kommt die Schleiereule nordwärts bis Schottland und Dänemark, nach Osten bis in die Ukraine vor.
Lebensraum
Die Schleiereule besiedelt halboffenes Gelände mit einzelnen Bäumen, wie Savannen, Halbwüsten und Baumsteppen. Sie ist vor allem in Niederungsgebieten anzutreffen, nur ganz selten dringt sie in Mittelgebirgslagen vor. In der ausschließlich kultivierten (hemeroben) Kulturlandschaft Europas besiedelt sie ähnliche halboffene und strukturreiche Landschaften, die reich an Gehölzen sind wie Weideland, Heide oder anderes Kulturland wie Hutewälder. Im Siedlungsbereich ist sie vereinzelt auch in Dörfern (Altbäume, Scheunen)oder totholzreichen alten Friedhöfen anzutreffen.
Während ihrer Ruhezeit am Tage sitzt sie an versteckten Plätzen in Scheunen, Ruinen, in Baumhöhlen oder Felsspalten. Wird sie während des Tages von Kleinvögeln entdeckt, zeigen diese ihr gegenüber ein deutliches aggressives Verhalten (sogenanntes "hassen").
Schleiereulen sind ziemlich ortstreu und verharren auch in strengen Wintern mit hoher Schneedecke sehr lange in ihren angestammten Gebieten. Zusammen mit der vergleichsweise schlechten Nahrungsauswertung und der geringen Fettspeicherung führt diese wenig ausgeprägte Neigung zu Wetterfluchten oft zu katastrophalen Bestandseinbrüchen, die bis zum Erlöschen regionaler Vorkommen führen können.
Nahrung und Jagdverhalten
Die Schleiereule macht in der Dämmerung und nachts Jagd auf kleine Nagetiere wie Feldmäuse, Wühlmäuse, Ratten und kleine Kaninchen oder auch auf Vögel, Frösche, Spitzmäuse und Insekten. Bei ungünstigen Wetterbedingungen sowie während der Jungenaufzucht dehnt sie ihre Jagdzeit auch auf den Tag aus.
Zur Ortung der Beute verlässt sie sich hauptsächlich auf das Gehör. Der Gesichtsschleier verstärkt die Schallsammlung für das Gehör. Aufgrund dieser Eigenschaft nutzt sie praktisch alle nachtaktiven und geräuschverursachenden Kleinsäuger in ihrem Revier als Nahrung.
Während der Jagd gleitet sie oft nur wenige Meter über dem Erdboden; ihr Flug ist dabei nahezu geräuschlos. Beobachtungen lassen darauf schließen, dass sie dabei regelmäßige Flugrouten einhält und dabei besonders Hecken, Zäunen und Gräben entlangfliegt. Hier findet sie mehr Beute als über sonstigem Kulturland. Entdeckt sie während des Jagdflugs Beute, läßt sie sich aus dem Flug plötzlich herabfallen und ergreift mit den Klauen die Beute.
Seltener sitzt sie auf Pfosten oder Baumstümpfen an und läßt sich beim Auftauchen von Jagdbeute lautlos herabgleiten.
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Fortpflanzung
Brut
Die Schleiereule brütet meist in Gebäuden, zum Beispiel Kirchtürmen, Schlössern, Ruinen oder Scheunen. Natürliche Brutplätze in Höhlen sind in Mitteleuropa die Ausnahme. Die 3-12 Eier werden etwa 30 Tage lang vom Weibchen bebrütet. Es beginnt bereits vom ersten Ei an zu brüten, sodass die Jungvögel nach und nach in Abständen von zwei bis drei Tagen schlüpfen. Die ungleich großen Jungvögel werden dann von beiden Elternteilen mit Nahrung versorgt und sind nach etwa zwei Monaten flügge. Die Jungvögel wechseln aus ihrem Dunenkleid direkt in das Gefieder der erwachsenen Tiere.
Die Schleiereule brütet nur bei ausreichendem Nahrungsangebot, sodass Bruten regional über mehrere Jahre ausfallen können. In guten Mäusejahren kommt es jedoch zu bis drei oft verschachtelten Bruten pro Saison.
"Training" der Jungvögel
Junge Schleiereulen beginnen ab dem 31. Lebenstag ihre Jagdtechniken zu üben. In einer morgendlichen und abendlichen Aktivitätsphase laufen sie - sofern der Brutort dafür ausreichend Platz bietet - bis zu zwei Meter umher und trainieren "Mäuselsprünge". Ab dem 39. Lebenstag nimmt der Aktivitätsdrang noch weiter zu.
Bei optimalen Brutorten wie beispielsweise einer Scheune oder dem Dachboden eines Kirchturms verlassen sie über Stunden den engeren Brutraum und erkunden ihrem unmittelbaren Lebensraum. Ab dem 44. Lebensraum trainieren sie rund zwei Meter weite Flattersprünge.
Wanderungsbewegungen der Jungvögel
Im Herbst wandern die Jungvögel ab; Ringfundauswertungen zeigen, dass etwa 2/3 aller Wanderungsbewegungen innerhalb eines Radius von 50 km um den Geburtsort enden. Die Wanderungen können jedoch auch erheblich weiter führen. In Baden-Württemberg beringte Vögel wurden noch im ersten Lebensjahr beispielsweise an der holländischen Küste, in Südfrankreich oder in Spanien wieder aufgefunden. Zu sehr starken Wanderungsbewegungen kommt es immer dann, wenn sehr hohe Schleiereulen-Bestände mit einem Zusammenbruch der Feldmaus-Population zusammentrifft. In Jahren, in denen sich Feldmäuse sehr stark vermehren, siedeln sich die Jungvögel in nächster Nähe zu den Elterntieren an. (Gradation)
Gefährdung in Mitteleuropa

In Mitteleuropa ist die Schleiereule in den letzten Jahrzehnten deutlich seltener geworden. Zum Bestandsrückgang haben dabei einige sehr kalte und schneereiche Winter beigetragen. Der Rückgang ist aber auch auf Reihe von Faktoren zurückzuführen, die den Lebensraum und die Brutorte der Schleiereule negativ beeinflußt haben:
Moderne landwirtschaftliche Produktionsmethoden
Insbesondere die moderne Ackerbewirtschaftung hat über die Einschränkung der Lebensräume für Feld- und Wühlmäuse auch indirekt die Lebensräume für Schleiereulen eingeschränkt:
- Noch in den 1950er bzw. 1960er Jahren blieben nach der Getreideernte die Strohbüschel - oft wochenlang - auf den Feldern in Gruppen zusammengestellt stehen. Von den angrenzenden Wiesenflächen, Ödländern und Feldrainen war eine rasche Besiedelung der Stoppeläcker durch die Feldmäuse möglich. Häufig hielten sich die Feldmäuse gerade unter den aufgestellten Strohbüscheln auf und hatten dort die beim Mähdrusch ausgefallenen Getreidekörner zu großen Lagern zusammengetragen. Das ansonsten deckungsarme Stoppelfeld bot mit den aufgestellten Strohbüscheln als Ansitzwarten optimale Jagdmöglichkeiten für die Schleiereulen gerade in der Hoch- und Spätsommerzeit, in der durch die Jungenaufzucht ein hoher Nahrungsbedarf besteht und in der Zweitbruten vorbereitet bzw. ausgelöst werden. (Hölzinger, S. 1059f)
Bei den heute verwendeten Anbaumethoden wird das Stroh sehr kurz nach der Ernte von den Feldern geräumt und das Stoppelfeld umgepflügt. Größere Feldmauspopulationen können unter diesen Bedingungen nicht mehr überleben.
Begleitet wurden diese Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktionsmethode durch die Flurbereinigung. Hecken wurden entfernt und Feldraine, Ödländer und Feuchtgebiete umgewandelt. Damit fehlen Feldmäusen und anderen Kleinsäugern Lebensraum beziehungsweise Überwinterungsmöglichkeiten. Und parallel dazu verlor die Schleiereule damit auch ihre typischen Winterjagdgebiete.
Gleichzeitig wirkt sich durch den hohen Anteil von Wühlmäusen in der Nahrung auch der Einsatz von Pestiziden negativ auf die Schleiereule aus.
Straßenbau
Zusammenhängende Ödlandstreifen, die Kleinsäugern ausreichend Lebensraum bieten, finden sich aufgrund der Flurbereinigungsmaßnahmen in vielen Gebieten heute nur noch entlang von Straßen. Schleiereulen nutzen diese deswegen bevorzugt als Jagdgebiet mit der Folge, dass Schleiereulen vermehrt ein Verkehrsopfer werden. Das Schleiereulen häufig ein Opfer des Straßenverkehrs werden, ist aber auch darauf zurückzuführen, dass Feldwege immer mehr asphaltiert wurden und damit von Autos verstärkt genutzt wurden.
Zersiedelung und Verstädterung
Die Baupolitik mit Neubausiedlungen im Umland der Städte hat ebenfalls dazu geführt, dass den Schleiereulen Lebensraum verloren gegangen ist. Ortsnahe Habitate mit Streuobstwiesen, Bauerngärten und Hecken, die einen fließenden Übergang von Städten zur Feldflur darstellten, sind heute nur noch selten zu finden. Neubausiedlungen grenzen heute meist unmittelbar an landwirtschaftlich intensiv genutzte Feldfluren an. Schleiereulen besiedeln diese Gebiete nicht mehr, selbst wenn sie ausreichend Brutplätze anbieten. In einer Untersuchung des Institut für Ökologie und Naturschutz wurden im Jahre 1987 für Baden-Württemberg festgehalten, dass Gebiete wie das mittlere Neckartal, der Bereich von Esslingen/Plochingen/Stuttgart, der Großraum rund um die Stadt Ludwigsburg, die Filderhochfläche und der Bereich Böblingen/Sindelfingen/Herrenberg nicht mehr als schleiereulentauglich einzustufen sei.
Nistplatzmangel
Schleiereulen brüten bevorzugt in menschlicher Nähe und nutzen dabei u.a. Scheune, Ställe und Kirchtürme. Moderne Stallungsgebäude verzichten auf die traditionellen "Uhlenlöcher"; Ortskernsanierungen führten zum Abbruch alter Gebäude mit Schleiereulen-Brutplätzen und Kirchtürme - früher ein häufiger Brutplatz von Schleiereulen - wurden zunehmend vergittert und waren damit Schleiereulen nicht mehr zugänglich. Eine Untersuchung für 390 Gemeinden in Baden-Württemberg zeigt, dass im Zeitraum von 1947 bis 1982 72% der Gemeinden ihre Kirchtürme so umbauten, dass diese für Schleiereulen nicht mehr zugänglich waren. Diese Entwicklung hat sich vor allem seit den 1960er Jahren verstärkt; moderne Glockenläutanlagen sollten vor Eulenkot geschützt werden und verwilderten Haustauben keine Brutgelegenheit geboten werden.
Schutzmaßnahmen
In vielen Gebieten haben Schutzmaßnahmen, Bruthilfen und erfolgreiche Wiederansiedlungen zu einer Erholung der Bestände geführt, so dass optimale Schleiereulenhabitate zur Zeit wieder gut besiedelt sind. Die Bestandszahlen der 1950er Jahre sind jedoch bis jetzt nicht wieder erreicht.
Für erfolgreiche Schutzmaßnahmen war vor allem eine bessere Verständnis der Brutbiologie der Schleiereule notwendig. Aufgrund von Infrarot-Aufnahmen und von Beobachtungen an gefangenen Schleiereulen weiß man, dass in zu engen Nistkästen der Kot sehr schnell das Gefieder der Jungvögel verklebt. Den Jungvögeln fehlt dort darüberhinaus der Raum, in dem sie ihre Jagdtechniken eintrainieren können, so dass diese Vögel weit weniger in der Lage sind, die erste Zeit ihrer Selbständigkeit zu überleben. Wichtig ist außerdem, dass den Jungvögeln in der Nähe des Brutortes weitere Unterschlupfmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Schleiereulen beginnen bei ausreichendem Nahrungsangebot frühzeitig mit einer zweiten Brut und die Altvögel vertreiben sehr schnell die Jungvögel. Diese benötigen in den ersten Tagen in der Nähe des Brutortes geschützte Ruheplätze.
Seit den 1970er Jahren wurden Maßnahmen unternommen, vor allem die Kirchtürme wieder Schleiereulentauglich rückzubauen. Dabei wurden Bauweisen entwickelt, die zum einen wertvolle Bauanlagen vor Eulenkot schützen und gleichzeitig verhindern, dass sich wilde Haustauben ansiedeln. Vorteilhaft dabei ist, dass Schleiereulen bereits sehr enge Einflugöffnungen von nur 15 x 20 cm annehmen. Ein anschließender Brutraum in einer Größe von mindestens 2m x 2m gewährleistet, dass den Jungvögeln ausreichend Raum zur Verfügung steht.
Trotz dieser Fortschritte bei den Schutzmaßnahmen fehlt die Schleiereule gebietsweise nach den Kältewintern der 1960er und 1970er Jahren noch immer. Dies gilt zum Beispiel für weite Teile Österreichs. Die Eingriffe in die Lebensräume der Schleiereule läßt sich nicht durch die Schaffung geeigneter Nisthilfen kompensieren. Die Schleiereule profitiert jedoch von Neuanlagen von Hecken, vom verstärkten Schutz der verbliebenen Streuobstwiesen und von Stilllegungsprogrammen landwirtschaftlicher Flächen, wenn sie in Ödland verwandelt werden.
Mensch und Schleiereule
Als Jäger von Mäusen und Ratten wird die Schleiereule vielerorts von Landwirten geschätzt. Traditionell gebaute Scheunen und Ställe haben deshalb in vielen Regionen sogenannte Eulentüren oder Eulenlöcher, die den Vögeln Zugang zu geeigneten Brutplätzen bieten.
Mit dem jahrtausendelangen Kulturfolger verbindet sich jedoch auch viel Aberglaube. Eine an die Scheunentür genagelte Eule soll Unheil vom Hof abwenden und ihn vor Blitzeinschlag und Feuer schützen. Ihr Ruf kündigt in manchen Regionen den Tod an, in anderen Regionen weist Eulengeschrei auch auf eine bevorstehende Geburt.
Der Aberglaube differenziert dabei meistens nicht zwischen den einzelnen Eulenarten. Da die Schleiereule mit ihrem bevorzugten Brutplatz in Scheunen, Ställen, Ruinen und Kirchtürmen als Art jedoch in der größten Nähe zum Menschen lebt, war bzw. ist sie in abergläubische Rituale am ehesten involviert.
Sonstiges
Die Schleiereule ist Vogel des Jahres 1977
Weblinks
Literatur
- John A. Burton (Hrsg); Eulen der Welt - Entwicklung - Körperbau - Lebensweise, Neumann-Neudamm Verlag Melsungen, 1986, ISBN 3-7888-0495-5
- Jochen Hölzinger Hrsg); Die Vögel Baden-Württembergs, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Institut für Ökologie und Naturschutz, Ulmer Verlag Stuttgart, 1987, ISBN 3-8001-3440-3, S. 1054 - 1069
- Hanns Bächtold-Stäubli, Eduard Hoffmann-Krayer (Hrsg): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Walter de Gruyter Verlag 1987, ISBN 3-11-011194-2 (Unveränderter photomechanischer Nachdruck der Ausgabe von 1927), Band 2, Stichwort Eule
- Mebs: Eulen und Käuze. Alle europäischen Eulen und Käuze, Franckh-Stuttgart 1987, Seiten 68-73, ISBN 3-440-05708-9
- Mebs/Scherzinger: Die Eulen Europas, Franckh-Stuttgart 2000, ISBN 3-440-07069-7
- Schneider/Eck: Schleiereulen, Neue Brehm-Bücherei Band 340, Spektrum Verlag Hedelberg (Reprint Westarp Wissenschaften) 1995, ISBN 3-89432-468-6