Reenactment





Mit Nachstellung, Historische Darstellung oder Reenactment bezeichnet man die historisch korrekte Nachstellung von vergangenen Ereignissen wie beispielsweise Schlachten oder gesellschaftlich relevanten Ereignissen.
Per Definition handelt es sich um die bestmögliche, detailgetreue Wiedergabe einer Begebenheit in ihren Abläufen, historisch oder modern, möglichst am Originalschauplatz und zu den gleichen Bedingungen, die beim Originalereignis herrschten (z. B. Schlacht bei Hastings, Schlacht von Gettysburg). Ob dazu eine historisch belegte „Kostümierung“ unbedingt nötig ist, ist unter den Anhängern dieser Art der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit umstritten.
Die Theorie über das re-enactment (Wiederverfügung, Wiederaufführung, Wiederholungsspiel) geht auf Robin George Collingwood zurück. Nach dieser Theorie ist es die Aufgabe des Historikers, auf der Grundlage der überlieferten Quellen die Vergangenheit zu rekonstruieren, indem er erneut die Gedanken und Intentionen der handelnden Akteure durchspielt, die sich in den vergangenen Ereignissen ausdrücken. Der wissenschaftliche Ansatz ist daher eine wesentliche Voraussetzung für die Definition des modernen Reenactment.
Überblick
Zu den verschiedensten Anlässen werden schon seit römischer Zeit mehr oder minder korrekte Historiendarstellungen nachgespielt. Besondere Beachtung in diesem Zusammenhang spielen die seit dem Mittelalter weit verbreiteten Passionsspiele um Leiden und Tod von Jesus Christus. Zu Zeiten Kaiser Wilhelm II. kamen Historiendarstellung oder historische Umzüge besonders hoch in Mode. Als ältestes und mit rund 2.000 Teilnehmern wohl auch größtes regelmäßiges „Reenactment" der Welt hat sich die seit 1903 veranstaltete Landshuter Hochzeit erhalten, bei der über Tage hinweg die bayerische Stadt Landshut und ihre Einwohner die 1475 geschlossene Hochzeit zwischen der polnischen Königstochter Hedwig und dem Landshuter Herzogssohn Georg mit einem Umzug, Lanzenstechen, mittelalterlichem Leben und damaliger Musik feiern. Besonderer Wert wurde stets auf historisch belegte Bekleidung und Ausrüstung gelegt.
In den 1940er Jahren stellte die US-Armee im Zuge einer Studie der West Point Academy die Schlacht von Gettysburg nach. Dafür wartete man, bis sogar die Wetterbedingungen identisch waren; die Ausrüstung der Soldaten entsprach allerdings der US-Infanterie von 1943. Dennoch kann man dieses Ereignis als das erste große Reenactment in den Vereinigten Staaten betrachten.
Eine Veranstaltung, die nicht auf ein tatsächliches Ereignis in der Vergangenheit Bezug nimmt, wird – ungeachtet der Qualität von Ausstattung und Gewandung – nicht als Reenactment, sondern als Living History bezeichnet. Bisweilen wird Living History vom Reenactment dadurch unterschieden, dass in letzterem eher das Einzelereignis (oft eine Schlacht) oder die Momentaufnahme zählt, während Living History auf eine längere Aufrechterhaltung der historischen Darstellung abzielt. Diese Unterscheidung ist aber nicht einheitlich.
In diesem Zusammenhang sollte auch eine dritte Facette Erwähnung finden, die Experimentelle Archäologie, da Reenactment, Living History und Experimental-Archäologie so manches mal Hand-in-Hand arbeiten oder sich zumindest austauschen. Einzelpersonen oder Gruppen arbeiten oftmals eng über Jahre hinweg mit Museen und Gelehrten zusammen. Innerhalb dieser Gruppen beschäftigen sich Einzelpersonen zum Teil sehr intensiv mit bereits lange nicht mehr ausgeführten Handwerkstechniken und erarbeiten ihre Ausrüstung in enger Anlehnung an archäologische Befunde, so dass sie ihre jahrelangen praktischen Erfahrungen der Wissenschaft zur Verfügung stellen können.
Personen, die sich mit Reenactment beschäftigen, werden in der Szene umgangssprachlich als Reenactors bezeichnet. Diese Bezeichnung wird auch für die Anhänger der Living History verwendet.
Langsam setzen sich beide Begriffe Reenactment und Living History sogar bei Historikern durch. Eine andere Art der nicht-wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Geschichte wird insbesondere seit dem Historikertag 2002 (auf dem etwa auch die Darstellungsweise des Fernsehjournalisten Guido Knopp untersucht wurde) als Histotainment abgewertet.
Reenactment ist auch eine Technik im Dokumentarfilm, mit deren Hilfe fehlende Bilder von (in der Vergangenheit liegenden) Schlüsselszenen nachgestellt werden.
Quelle: http://www.jordheim.info
Kritik
Seit geraumer Zeit versuchen einige Gruppen, die sich des problematischen Themas „Waffen-SS“ angenommen haben, ideologisch einseitige Strömungen in den Reenactment-Bereich einfließen zu lassen. Untaten der SS werden dabei verharmlost oder geleugnet. Als Gegenmaßnahme haben daher seriöse Gruppen und Zusammenschlüsse Vereinbarungen unterzeichnet, welche sich ausdrücklich von nationalsozialistischem Gedankengut, ihren Trägern und Gruppen die sich das Thema SS zu eigen machen, distanzieren. Die „WWII Living History Agreement 2007“ (http://au.geocities.com/wwii_lh_agreement/ ) ist ein Beispiel und eine Konsequenz aus diesen Erfahrungen.
(Auf der Seite Diskussion:Reenactment befinden sich weitere Informationen und Erläuterungen. Dort besteht auch die Möglichkeit über diese Problematik zu diskutieren.)
Weblinks
- reenacting.eu - International website of living history. All time periods.
- Archäologie Online - Reenactment-Seite der Online-Zeitschrift
- Reenactment-Site - Erklärungen, Geschichten und Gruppen
- Renactment Combat Fighting - Diese Webseite geht näher auf die Kampf- und Schlachtsimulation mit Blankwaffen ein.