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Frau von Haraldskær

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Frau von Haraldskær

Die Frau von Haraldskær ist eine eisenzeitliche Moorleiche, die nahe dem Rittergut Haraldskær südlich von Jelling in Jütland (Dänemark) im Moor von Juthe gefunden wurde.

Auffindung

Arbeiter entdeckten die Frau von Haraldskær am 20. Oktober 1835 beim Ausheben eines Grabens. Der gut konservierte Körper war durch hölzerne Haken an den Knien und Ellenbogen im Torf fixiert. Dicke Äste über Brust und Unterleib waren ebenfalls mit Haken befestigt. Der Kopf der Frau lag in Richtung Osten mit dem Gesicht nach oben. Nach Entfernung aller Haken konnte der Leichnam sowie Kleidungsreste geborgen werden. Letztere waren aus Schafwolle gewebt und durch Einweben dunklerer Fäden gemustert, außerdem mit Fransen verziert. Ein Pelzumhang war aus vielen Stücken zusammengenäht. Das heute als Kopfbedeckung der Moorleiche bezeichnete Haarnetz in Sprangtechnik kann allerdings nicht sicher diesem Fund zugeordnet werden, da es erst später als Teil des Haraldskærfundes bezeichnet wurde.

Frühe Spekulationen

St. Nicolai Kirche in Vejle

Nach der Entdeckung der Moorleiche kreisten erste Vermutungen über ihre Identität um die Person der norwegischen Königin Gunhild, die im 10. Jahrhundert die Frau von Erik I. Blutaxt gewesen war. Die Jomsvikinga Saga erzählt, der dänische König Harald I. Blauzahn hätte Gunnhild ermorden und im Moor versenken lassen. Diese Deutung wurde dadurch untermauert, dass die Frau ein kostbares Gewand trug und der Fundort in alter Zeit Gunnelsmose, also Gunhilds Moor, genannt worden war. Das Rittergut Haraldskær soll außerdem von Harald Blauzahn gegründet worden sein, und es liegt nahe dem alten dänischen Königshof in Jelling. Der Glaube, die Leiche Königin Gunnhilds gefunden zu haben war so populär, dass der dänische König Friedrich VI. selbst den Eichensarg stiftete, in dem die Frau von Haraldskær noch heute in der St. Nicolai Kirche im Zentrum Vejles ruht.

Ein junger Student, der später berühmte Archäologe J. J. A. Worsaae, widersprach dieser Deutung. Nach seiner Auffassung handelte es sich um einen Fund aus der Eisenzeit. Das führte zu einer heftig ausgetragenen Kontroverse. Erst die 1977 vorgenommene Altersbestimmung mittels Radiokarbonmethode, nach der die Moorleiche aus der Zeit um 500 v. Chr. stammt, gab Worsaae endgültig Recht.

Untersuchungsergebnisse

Rittergut Haraldskær im Jahre 1857

Der Erhaltungszustand der Toten ist aufgrund der anaeroben Bedingungen am Fundort außerordentlich gut. Die Haut und die langen Haare haben die für Moorleichen typische braune Färbung. Sämtliche Zähne sind vorhanden. Nicht nur das vollständige Skelett ist erhalten, sondern auch die inneren Organe. Nach dem Eintrocknen hat die Frau von Haraldskær heute eine Größe von etwa 158 cm. Die Haut ist sehr runzelig, was darauf hindeutet, dass die Frau zu Lebzeiten recht beleibt gewesen sein muss, worauf auch die gut erhaltenen Brüste hindeuten. Das Alter zum Zeitpunkt des Todes wird auf etwa 50 Jahre geschätzt.

Im Jahr 2000 wurde eine erneute Untersuchung der Frau von Haraldskær durchgeführt. Der Mageninhalt bestand aus ungeschälter Hirse und Brombeeren. Am Hals fand man Abdrücke eines Seils, die den Schluss zulassen, die Frau sei erdrosselt oder erhängt worden. Es könnte sich bei ihr um das Opfer einer rituellen Tötung handeln, worauf auch die Bestattung im Moor statt der üblichen Verbrennung hindeutet.

Die Frau von Haraldskær in der Literatur

Jens Christian Hostrup, ein Freund Worsaaes, benutzte den Streit um die Identität der Frau von Haraldskær als Stoff für sein Stück Ein Spatz im Kranichtanz. Steen Steensen Blicher ließ sich vom Fund der Moorleiche 1841 zu seinem Gedicht Königin Gunhild (dän. Dronning Gunhild) anregen.

Quellen

  1. Peter Vilhelm Glob: Die Schläfer im Moor. Winkler, München 1966
  2. Miranda Aldhouse Green: Menschenopfer - Ritualmord von der Eisenzeit bis zum Ende der Antike. Magnus Verlag. Essen 2003. ISBN 3884000098
  3. Wijnand van der Sanden: Mumien aus dem Moor - Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Drents Museum / Batavian Lion International. Amsterdam 1996. ISBN 9067074160
  4. Bodies of the Bogs: Haraldskaer Woman , Archaeology, Archaeological Institute of America, December 10, 1997