Lippfische
Lippfische | ||||||||||||
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Vorlage:Taxonomy | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Labridae | ||||||||||||
Cuvier, 1816 |
Die Lippfische (Labridae) sind eine Familie aus der Ordnung der Barschartigen (Perciformes). Lippfische sind oft außergewöhnlich farbenfroh und zeigen eine große Vielfalt in Größe, Gestalt und Farben. Mit mehr als 65 Gattungen und über 500 Arten sind sie nach den Grundeln (Gobiidae) die zweitgrößte Familie mariner Fische und die drittgrößte der Barschartigen (Perciformes).
Verbreitung
Lippfische leben weltweit in den Meeren der tropischen, subtropischen und gemäßigten Klimazonen, immer an Küsten und meist an Fels- und Korallenriffen. Keine Art lebt pelagisch im offenen Meer oder der Tiefsee. Den größten Artenreichtum weist das Meer um Australien auf, wo 42 Gattungen mit 165 Arten zu Hause sind.[1]
Im Mittelmeer und im angrenzenden östlichen Atlantik leben zwanzig Arten, davon sechs Arten auch in Teilen der Nordsee. Der Gefleckte Lippfisch (Labrus bergylta), die Goldmaid (Symphodus melops) und der Klippenbarsch (Ctenolabrus rupestris) kommen auch an der deutschen Nordseeküste vor.
Merkmale


Lippfische haben eine schlanke, zylinderförmige oder auch hochrückige Gestalt. Kleine Arten sind meist schlank mit zigarrenförmigem, strömungsgünstigem Körper, größere Arten sind hochrückig. Viele Arten sind farbenprächtig, bei vielen Arten ist zudem ein starker Sexualdimorphismus hinsichtlich der Färbung vorhanden. Der Körper ist von oft großen Cycloidschuppen bedeckt, das Seitenlinienorgan kann gerade, gebogen durchgehend oder unterbrochen sein. Lippfische können ihre Augen unabhängig voneinander bewegen. Das Maul ist oft mit deutlichen Lippen (Name!) versehen und weit vorstreckbar (protactil). Bei der Gattung Gomphosus ist es schnabelförmig ausgezogen. Die Zähne sind meist klein, einige Gattungen wie Anampses oder Macropharyngodon haben einige vergrößerte Zähne, die dem Zerbeißen hartschaliger Beute dienen, oder dem Festhalten am Partner bei der Paarung[2]. Im Schlund sind die unteren Schlundknochen Y-förmig verwachsen und mit runden, stumpfen Zähnen besetzt. Die oberen Schlundknochen des 2. bis 4. Kiemenbogens sind ebenfalls miteinander verwachsen und gelenkig mit dem Schädel verbunden. Zusammen mit den unteren Schlundknochen bilden sie eine sogenannte Schlundzahnmühle, die dem Zerkleinern harter Nahrung dient. Die Rückenflosse ist ungeteilt und hat 8 bis 21, vorne recht schwache Hartstrahlen. Der hintere Teil ist stets kürzer als der vordere und wird von 6 bis 21 Weichstrahlen gestützt. Die Afterflosse hat 2 bis 6 Hartstrahlen und 7 bis 18 Weichstrahlen. Die Bauchflossen sitzen weit vorne kurz hinter den Brustflossen. Die meisten Lippfische werden 25 bis 80 Zentimeter lang und haben 23 bis 42 Wirbel.
Der größte Lippfisch ist der Napoleon-Lippfisch (Cheilinus undulatus), der eine Länge von 2,30 Metern und ein Gewicht von bis zu 191 kg erreichen kann [3]; der kleinste ist mit einer Länge von sechs Zentimetern Minilabrus striatus aus dem Roten Meer. Lippfische schwimmen durch gleichzeitige Schläge der Brustflossen (labriform) und benutzen die Schwanzflosse, außer auf der Flucht, nur zur Steuerung.
Ernährung

Lippfische ernähren sich im allgemeinen carnivor von allerlei wirbellosen Tieren, Fischlaich oder kleineren Fischen. Größere Lippfischarten knacken mit ihren kräftigen Zähnen hartschalige Wirbellose wie Krebse, Seeigel und Muscheln. Die Arten der Gattung Choris schlagen ihre Beute gegen Steine, um sie zu aufzubrechen. Andere Lippfische, zum Beispiel Vertreter der Gattungen Anampses und Stethojulis, durchsieben den Sand nach Würmern, kleinen Weich- und Krebstieren. Viele Lippfische begleiten auch die räuberischen Stachelmakrelen, Rochen oder die ständig den Sand durchkauenden Meerbarben, um flüchtende und aufgewirbelte kleine Tiere zu erbeuten. Zwerglippfische wie Cirrilabrus und Parcheilinus jagen im Freiwasser zusammen mit Fahnenbarschen und Riffbarschen der Unterfamilie Chrominae nach Zooplankton. Pseudocheilinus-Arten jagen kleine Tiere auf dem Meeresgrund oder in Spalten zwischen Felsen und Korallen. Diese Tiere können ihre Augen unabhängig voneinander bewegen und haben geteilte Pupillen, so dass sie mit einem Auge wahrscheinlich dreidimensional sehen können.
Bekannt sind die Putzerlippfische (Labrichthyini), die von der Haut und den Kiemen größerer Fische Parasiten, hauptsächlich Copepoden und Isopoden, entfernen. Auch die Jungen von Bodianus betätigen sich als Putzer. Putzerlippfische der Gattungen Labropsis und Larabicus putzen nur als Jungtiere und ernähren sich später von Korallenpolypen. [4] [5] Papageifische weiden Fadenalgen von Korallenstöcken ab und schädigen die Korallen dabei oft erheblich. Die spezialisierten Lippfische der Tribus Odacini fressen die Algen ihrer gemäßigten Heimatgewässer um Australien und Neuseeland.
Verhalten
Die kleinen und mittelgroßen Lippfischarten sind lebhafte Schwimmer, die immer in Bewegung sind. Die großen Arten sind eher ruhig und behäbig. Alle sind tagaktiv und ziehen sich nachts in Felshöhlen zurück oder graben sich in den Boden ein.
Festlegung des Geschlechts


Fast alle Lippfische wechseln im Laufe ihres Lebens das Geschlecht. In der jugendlichen Initialphase sind sie noch nicht geschlechtsreif und unterscheiden sich in Farbe, oft auch in der schlankeren Körperform von den adulten Tieren. So werden sie von ausgewachsenen, revierbildenden Männchen nicht aus ihrem Territorium verjagt. Bei Erreichen der Geschlechtsreife sind die meisten Lippfische zunächst weiblich. Nur bei einigen Arten wird ein kleiner Teil zu Primärmännchen, die männliche Gonaden haben, aber äußerlich wie Weibchen aussehen. Geschlechtsreif leben Lippfische je nach Art einzeln, in kleinen umherstreifenden Gruppen, in denen die Weibchen immer die Mehrzahl stellen, oder, wie die Putzerlippfische und die Zwerglippfische, in festen Revieren. Zwerg- und Putzerlippfische sowie viele andere Arten leben in Haremsverbänden mit einem dominanten Sekundärmännchen und mehreren, meist zwei bis acht Weibchen. Sekundärmännchen sind immer ehemalige Weibchen, die ihr Geschlecht gewechselt haben und unterscheiden sich meist durch Körpergröße, Farbenpracht und ausgezogene Flossenfilamente von Weibchen und Primärmännchen.
Fortpflanzung

Alle indopazifischen und viele atlantische Lippfische sind Freilaicher, die keine Brutpflege betreiben und die Keimzellen in das freie Wasser abgeben. Viele im Harem lebende Arten laichen jeden Tag in der Abenddämmerung, andere nur bei ablaufender Springflut, damit die befruchteten Eizellen in den offenen Ozean gespült werden. Nach einer Balz steigen die Lippfischmännchen dazu mit einem oder mehreren Weibchen auf, stoßen auf dem Gipfel ihrer Schwimmstrecke die Keimzellen aus und verschwinden gleich wieder in ihrem Revier. Bei diesem Vorgang verbergen sich auch Primärmännchen unter den laichwilligen Tieren. Sie werden vom Revierbesitzer wegen ihres weibchenartigen Äußeren nicht als Konkurrenten erkannt, und erhalten so die Chance, auch einige Eier zu befruchten. Sekundärmännchen sind meist recht kurzlebig, verbrauchen sich durch das Laichgeschäft und werden eher von Raubfischen erbeutet, da sie durch ihre prächtigen Farben auffallen oder durch die Balz abgelenkt sind. Stirbt das Sekundärmännchen einer Gruppe, so wandelt sich das stärkste Weibchen innerhalb weniger Tage in ein Männchen um. Ihre Gonaden werden zu männlichen, ihre Farbe ändert sich und die Flossen wachsen. Schon nach kurzer Zeit laicht sie mit den Weibchen der Haremsgruppe.
Eine völlig andere Fortpflanzungstrategie verfolgen einige Lippfischarten der im Mittelmeer und im Nordatlantik lebenden Unterfamilie Labrinae. Sie sind brutpflegend und legen ihre Eier in Mulden in den Bodengrund oder, wie Stichlinge, in Nester aus Algen und anderen Pflanzenteilen. Die Eier werden vom Männchen bis zum Schlupf der Jungen bewacht.
Geschlüpfte Lippfischlarven sind nur wenige Millimeter groß und leben zunächst pelagisch im offenen Wasser. Erst nach der Metamorphose zum juvenilen Fisch suchen sie Seegraswiesen, Algenbiotope, Fels- und Korallenriffe auf.
Äußere Systematik und Stammesgeschichte
Die Lippfische bilden zusammen mit den als Aquarienfische bekannten Buntbarschen (Cichlidae), den Riffbarschen (Pomacentridae) und den ausschließlich nordpazifischen Brandungsbarschen (Embiotocidae) die Unterordnung der Lippfischartigen (Labroidei) innerhalb der Ordnung der Barschartigen (Perciformes).
Mit Eolabroides aus der Monte Bolca-Formation lassen sie sich fossil seit dem mittleren Eozän nachweisen. Pseudovomer lebte vom Miozän bis zum Pliozän. Die heute noch existenten Gattungen angehörenden Labrus agassizi und Symphodus salvus stammen aus dem Miozän aus Österreich bzw. Moldawien.[6]
Innere Systematik
Die Systematik der Lippfische ist noch unsicher und umstritten. Es wurden eine Reihe von Unterfamilien und Triben aufgestellt, die aber keine allgemeine Anerkennung gefunden haben.
Eine phylogenetische Untersuchung aus dem Jahre 2005 bestätigte aber die meisten aufgestellten Taxa und stellt die Schweinslippfische (Hypsigenyae) an der Basis der Klade allen anderen Lippfischen als Schwestergruppe gegenüber. Die in den gemäßigten Gewässern um Südaustralien und Neuseeland lebenden und bisher eine eigene Familie bildenden Odacini zählen als Tribus zu den Schweinslippfischen. Auch die Papageifische (Scarinae), bisher ebenfalls eine eigene Familie, zählen demnach als Schwestertaxon der Prachtlippfische (Cheilinini) zu den Lippfischen. Weitere Untertaxa der Lippfische sind die Labrini, die Zwerglippfische (Pseudocheilini), die Messerlippfische (Novaculini) sowie die Junkerlippfische (Julidinae), zu denen die meisten Arten einschließlich der Putzerlippfische gehören.[7]
Folgendes Kladogramm zeigt die wahrscheinlichen Verwandtschaftsverhältnisse der Lippfische.

Lippfische (Labridae) ├─Schweinslippfische (Hypsigenyae) einschließlich Odacini └─NN ├─NN │ ├─Labrini │ └─Klade Scarinae/Cheilinini │ ├─Papageifische (Scarinae) │ └─Prachtlippfische (Cheilinini) ├─Zwerglippfische (Pseudocheilini) └─NN ├─Matapterus reticulatus └─NN ├─Klade Cheilio/Novaculini │ ├─Zigarren-Lippfisch (Cheilio inermis) │ └─Messerlippfische (Novaculini) └─Junkerlippfische (Julidini) einschließlich Putzerlippfische (Labrichthyini)
Gattungen


Die Gattungen der Lippfische (ohne Papageifische und Odacini) [8].
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Quellen
Einzelnachweise
Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil aus den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:
- ↑ Family Labridae parrotfishes, rainbowfishes, and wrasses The Animal Diversity Web, The University of Michigan
- ↑ Ellen Thaler: Zum Verhalten der Gattung Macropharyngodon, in Koralle Nr. 10. August/September 2001. ISSN-1439-779X.
- ↑ Cheilinus undulatus Fishbase
- ↑ E. Thaler: Lippfische. In: Koralle. Meerwasseraquaristik-Fachmagazin. Nr. 10, August/September 2001. , ISSN 1439-779X
- ↑ Dieter Eichler, Robert F. Myers: Korallenfische Zentraler Indopazifik, Jahr Verlag, Hamburg, 1997, ISBN 3-86132-225-0
- ↑ K. A. Frickinger: Fossilien Atlas Fische, Mergus-Verlag, Melle, 1999, ISBN 3-88244-018-X
- ↑ M. W. Westneat, M. E. Alfaro: Phylogenetic relationships and evolutionary history of the reef fish family Labridae. Molecular Phylogenetics and Evolution 36 (2005): S. 370–390, PDF
- ↑ Labridae Cuvier, 1816 ITIS
Literatur
- Joseph S. Nelson, Fishes of the World, John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7
- Kurt Fiedler, Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band II, Teil 2: Fische, Gustav Fischer Verlag Jena, 1991, ISBN 3-334-00339-6
- Helmut Debelius, Rudie H. Kuiter: Lippfische. Ulmer Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-8001-3973-1
- Baensch/Patzner: Mergus Meerwasser-Atlas Band 1, Mergus-Verlag, Melle, ISBN 3-88244-110-0
- E. Lieske, R.F. Myers: Korallenfische der Welt, 1994, Jahr Verlag, ISBN 3-86132-112-2
- Kuiter / Debelius: Atlas der Meeresfische, Kosmos-Verlag, 2006, ISBN 3-440-09562-2
- Bent J. Muus: Die Meeresfische Europas. In Nordsee, Ostsee und Atlantik.. Franckh-Kosmos Verlag, ISBN 3440078043
- Matthias Bergbauer, Bernd Humberg: Was lebt im Mittelmeer?, 1999, Franckh-Kosmos Verlag, ISBN 3-440-07733-0
- Lippfische. In: Koralle. Meerwasseraquaristik-Fachmagazin. Nr. 10, August/September 2001. , ISSN 1439-779X