Friesennot
Film | |
Titel | Friesennot |
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Produktionsland | Deutschland |
Originalsprache | Deutsch |
Erscheinungsjahre | 1935 |
Länge | 96 Minuten |
Stab | |
Regie | Peter Hagen |
Drehbuch | Werner Kortwich |
Produktion | Hermann Schmidt |
Musik | Walter Gronostay |
Kamera | Sepp Allgeier |
Schnitt | Wolfgang Becker |
Besetzung | |
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Friesennot ist ein deutscher Film von Willi Krause aus dem Jahr 1935. Krause, damals Reichsfilmdramaturg, arbeitete unter seinem Pseudonym Peter Hagen.
Handlung
In abgelegenen russischen Wäldern lebt eine deutsche Dorfgemeinschaft, deren Gründer ihre friesische Heimat einst verlassen hatten, um ihrer Religion nicht abschwören zu müssen. In diese Gemeinschaft kehrt nach langer Abwesenheit Christian Kröger zurück, der krank ist und vor seinem Tod seine Tochter Mette wiedersehen will. Die Nachrichten, die er „von draußen“ mitbringt, sind beunruhigend und handeln von Krieg, Hunger und einer „neuen Obrigkeit“. Während die Männer des Dorfes sich auf Verteidigung und Kampf einstellen, beharrt der glaubensstarke Gemeindevorsteher Jürgen Wagner darauf, dass jede Obrigkeit von Gott eingesetzt sei. Kröger stirbt, bevor im Dorfe Einigkeit erzielt werden kann.
Währenddessen wird das Friesendorf von den neuen kommunistischen Machthabern auf einem ihrer Erkundungsflüge entdeckt. Kommissar Tschernoff wird mit einem Trupp in das Dorf entsandt, um den Vorsteher zur Abgabe von Naturalien für die Hungernden zu drängen und zugleich auch für die Sache der Revolution zu gewinnen. Auch nach der Entsendung der Abgaben machen die Russen keine Anstalten, das Dorf wieder zu verlassen. Während Tschernoffs Absichten redlich sind – als ehemaliger zaristischer Offizier sieht er die Revolution insgeheim als Unrecht an; außerdem ist er in Mette verliebt, die seine Gefühle offenbar erwidert -, beginnen seine Männer, das Dorf auszuplündern. Tschernoff gelingt es, Wagner weiterhin zu beschwichtigen, sogar ein allgemeines Versöhnungsfest wird gefeiert. Währenddessen jedoch bereitet Klaus Niegebüll, Mettes Ziehvater, die Bewaffnung der Dorfbewohner vor. Als die Russen bei einer Durchsuchung seines Hauses drei Pistolen entdecken, lenkt der Dorfschmied, Hauke Peters, den Verdacht der Bauern auf die „Verräterin“ Mette, die von ihrem Ziehvater daraufhin ins Moor und damit in den Tod getrieben wird.
Ein neuer Kommissar, Krappin, übernimmt die Herrschaft über das Friesendorf. Er lässt das Bethaus, das Tschernoff bisher geschont hatte, besetzen und von seinen Männern schänden. Erst als auch Mettes Freundin Hilde Winkler vergewaltigt und ermordet wird, schließt auch Wagner sich dem bewaffneten Widerstand an. Es kommt zu einem Blutbad, in dessen Verlauf sowohl Tschernoff als auch Wagner erschossen werden. Da Wagners letzte Worte „Eine neue Heimat suchen!“ lauten, lässt Niegebüll das Dorf niederbrennen.
Historischer Hintergrund
Der Film ist im Wesentlichen der Situation der russlanddeutschen Mennoniten nachempfunden. Diese ursprünglich aus Friesland stammende Religionsgruppe zeichnete sich gerade in ihren Kolonien auf russischem Boden durch eine konsequente Gewaltlosigkeit und unbedingten Pazifismus aus. Wegen Unterdrückung oder Wehrpflicht in der Heimat emigrierten die Mennoniten aus Friesland nach Polen und nach der dritten Polnischen Teilung nach Russland. Wegen erneuten Konflikten mit der Obrigkeit und der Ausweitung der Wehrpflicht auf Russlanddeutsche setzten sich einige Mennoniten in die Wildnis Sibiriens und der Uralgegend ab. Die "Friesen" des Films Friesennot sind daher auch zutreffend als ausgesprochen abgeschottet und eigenbrötlerisch dargestellt. Im Film wird aber auch angedeutet, dass der unbedingte Pazifismus der Dorfgemeinschaft lediglich durch die Ferne von anderen Menschen erreichbar wird.
Produktion und Rezeption
Der Film „Friesennot“ wurde Mitte Mai 1935 in der Lüneburger Heide gedreht (Außenaufnahmen); die Innenaufnahmen folgten Anfang September in den Tobis-Studios Berlin-Grunewald. Bei der Zensurvorlage in der Filmprüfstelle erhielt der Film am 11. November Jugendverbot und am 15. November 1935 das Höchstprädikat „Staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll“; das Jugendverbot wurde - vermutlich nach geringfügigen Schnitten - gleichzeitig in eine beschränkte Jugendfreigabe (ab 14 Jahren) umgewandelt. Den Verleih übernahm die Reichspropagandaleitung der NSDAP, Hauptamt Film, den Weltvertrieb die Tobis-Cinema. Uraufgeführt wurde der Film am 19. November 1935 gleichzeitig im Berliner und im Leipziger Ufa-Palast. Aus Joseph Goebbels’ Tagebüchern ist zu ersehen, dass er und Hitler von "Friesennot" begeistert waren.
Dies kann durchaus erstaunen, denn der Film ist mit der nationalsozialistischen Philosophie weitgehend inkompatibel. Die sehr ursprünglich dargestellten Friesen dieses Films sind absolute Pazifisten und tiefgläubig. Im Mittelpunkt steht die Liebesbeziehung zwischen der "nordischen" Halbrussin Mette und dem kommunistischen Kommissar Tschernoff, der deutliche asiatische Züge trägt. Tschernoff und Mette sind eigentlich die einzigen durchweg gutherzigen Hauptakteure des Films, was dem Streifen eine gewisse Dramatik verleiht, da Tschernoff - obgleich er der Überzeugung nach keineswegs Stalinist ist - doch von einem gewissen Pflichtgefühl gegenüber seinem Amt getragen wird. Der Film problematisiert in erster Linie die philosophische Frage nach der Verpflichtung gegenüber der Obrigkeit. Hier weicht "Friesennot" klar von der sonstigen Linie nationalsozialistischer Filme ab, da weder die Unterordnung unter den Staat, noch die Unterordnung unter einen charismatischen Führer als die richtige Lösung dargestellt werden. Bemerkenswert ist auch, dass die Grenze zwischen "gut und böse" nicht entlang der ethnischen Grenze verläuft, sondern zwischen einzelnen Menschen. Russen, selbst Kommunisten sind nicht zwangsläufig schlecht, Deutsche nicht zwangsläufig gut. Provokateure, die eine Spirale der Gewalt in Gang setzen, kommen auf beiden Seiten vor. Selbst auf die in der NS-Propaganda übliche Gleichsetzung von Judentum und Bolschewismus wurde in diesem Film vollständig verzichtet, Antisemitismus kommt nicht einmal andeutungsweise vor.
Am 6. März 1939 wurde das Höchstprädikat entzogen und durch das niedrigere Prädikat „Staatspolitisch und künstlerisch wertvoll“ ersetzt, das der Film bis zum 31. Dezember 1942 behielt, obwohl er bereits am 7. September 1939, also kurz nach Beginn des deutschen Polenfeldzugs, mit Rücksicht auf den russischen Bündnispartner verboten wurde. 1941, nach dem Beginn des Russlandfeldzugs, wurde er unter dem Titel „Dorf im roten Sturm“ wieder aufgeführt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden alle Kopien des Films vom Oberkommando der alliierten Siegermächte beschlagnahmt und seine Aufführung unter Verbot gestellt. Der FSK wurde der Film, der keine Chance auf eine Freigabe hat, nie vorgelegt. Allerdings ist diese Freigabe seit 2005 wiederum auch nicht erforderlich, weil die Nutzungsrechte des Films 70 Jahre nach der Erstellung ausliefen und daher das Werk aus zivilrechtlicher Sicht frei kopiert und vertrieben werden darf. Strafrechtliche Bedenken gegenüber dem Film bestehen nicht, da er weder pornografische, noch besonders brutale Szenen enthält und entgegen einem verbreiteten Irrtum keine spezifisch nationalsozialistische Propaganda enthält. Eine Kopie befindet sich u. a. im Bestand des Bundesarchivs.
Siehe auch
Literatur
- Klaus Kanzog, "Staatspolitisch besonders wertvoll". Ein Handbuch zu 30 deutschen Spielfilmen der Jahre 1934 bis 1945, München (Schaudig & Ledig) 1994