Lotoseffekt

Der Lotuseffekt bezieht sich auf die Unbenetzbarkeit biologischer Oberflächen, unter anderem bei der Lotuspflanze. Auf der Blüte und den Blättern wird selbst extrem gut haftendes Farbpulver von Wasser einfach weggespült, nicht einmal Klebstoff auf Wasserbasis bleibt an der Oberfläche haften. Auch andere Pflanzen, wie beispielsweise die Kapuzinerkresse oder Kohlrabi zeigen diesen Effekt. Es wird vermutet, dass der Effekt der Pathogenabwehr (Bakterien, Pilzsporen) dient.
Nachdem Prof. Barthlott von der Universität Bonn feststellte, dass manche Pflanzen im Herbarium häufig schmutzig waren, wogegen Individuen anderer Arten auch nach Jahren stets sauber blieben, untersuchte er dieses Phänomen genauer. Der Grund liegt in der besonderen Oberflächenstruktur aus hydrophoben Wachsen im Mikro- und Nanobereich (die chemo-physikalisch Grundlagen wurden von W. Barthlott und C. Neinhuis in den 1990er Jahren beschrieben). Wassertropfen haben aufgrund ihrer Oberflächenspannung die Tendenz zur Kugelbildung und damit nur eine sehr kleine Kontaktfläche. Die Adhäsion zwischen Blattoberfläche und Wassertropfen ist deswegen so gering, dass das Wasser leicht abperlen kann. Aufliegende Schmutzpartikel – die ebenfalls nur eine kleine Kontaktfläche besitzen – werden dadurch mitgerissen und weggespült. Durch die zentrale Bedeutung der Oberflächenspannung wässriger Lösungen für die Minimierung der Kontaktfläche wird verständlich, dass der Lotuseffekt in dieser Form nicht bei stark benetzenden Lösungsmitteln auftreten kann.
Anwendungen
Es ist mittlerweile gelungen die Oberflächenstruktur in Nanomaßstab auch künstlich nachzubilden, kommerzielle Produkte sind selbstreinigende Dachziegel und selbstreinigende Fassadenfarbe. Es ist auch gelungen, einen Autolack mit Lotuseffekt herzustellen, leider sind die optischen Eigenschaften wirtschaftlich unerwünscht, der Lack wirkt wegen der erhöhten Rauheit zu matt. Für Solarmodule sind Flüssigkeiten zum Auftragen auf die obere Glasscheibe erhältlich. Beim Trocknen wird eine Schicht mit Lotuseffekt gebildet, die spätere Schmutzablagerungen erfolgreich verhindert. Da der überwiegende Teil der Solaranlagen netzgekoppelt arbeitet, spielt hier der erzielbare finanzielle Nutzen ein Rolle, der sich im Bereich der Kosten dieser Flüssigkeiten bewegt.
Siehe auch: Bionik, Biomimetik
Literatur
- Wilhelm Barthlott, Zdenek Cerman, Anne Kathrin Stosch: Der Lotus-Effekt: Selbstreinigende Oberflächen und ihre Übertragung in die Technik. Biologie in unserer Zeit 34 (5), S. 290–296 (2004), ISSN 0045-205X