Willard Van Orman Quine
Willard Van Orman Quine, der 1932 bei Whitehead promoviert hat (Ph.D.-Dissertation "The Logic of Sequences: A Generalization of Principia Mathematica.") und seit 1948 wie er Professor für Philosophie in Harvard war, hat viel zur Logik, Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie, Wissenschaftstheorie und Ontologie beigetragen.
Man wird ihn zuvorderst den Vertretern der Analytischen Philosophie in direkter Nachfolge so berühmter Persönlichkeiten wie Rudolf Carnap, Gottlob Frege, Bertrand Russell und Ludwig Wittgenstein zurechnen. Dieser Zweig der Philosophie dominierte die gesamte westliche Philosophie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; zuerst in den angelsächsischen Ländern.
Seine oft provozierende Kritik am logischen Empirismus des Wiener Kreises geht darauf zurück, dass er an dessen wissenschaftlicher Weltanschauung immer noch Dogmen ausmachte, die sich keineswegs empirisch rechtfertigen lassen. Auch einige sprachphilosophische Auffassungen verwirft er,so beispielsweise die Verifikationstheorie der Bedeutung.
Als Logiker und Philosoph war Quine schon zu Lebzeiten ein Klassiker der Philosophie. Einen lesenswerten Nachruf schreibt E. Döring in der ZEIT: (Rubrik Kultur; Ausgabe 02/2001): "Keine Seite konnte Quine für sich vereinnahmen. Überhaupt ist der Logiker Quine reflektiert genug gewesen, der süßen Simplizität der zweiwertigen Logik skeptisch gegenüberzustehen. Für ihn muss ein Satz keineswegs entweder wahr oder falsch sein, weil es keinen externen Maßstab gibt, der als tertium quid befinden könnte. Vielmehr konnte es für Quine überhaupt kein Kriterium geben, das als Richtschnur über Wahrheit oder Falschheit empirischer Theorien entscheiden könnte. Wie schon bei Kant lassen sich nur Vorstellungen mit Vorstellungen, Sätze mit Sätzen, Theorien mit Theorien vergleichen. Ein subjektunabhängiger Standpunkt, eine perspektivenfreie Neutralität ist niemals in Sicht. In welcher auch?"
Und weiter:
"Was immer wir in unseren Blick rücken, es sind hochgradig theoriebeladene Kontexte: Die Natur, die Realität oder die Wirklichkeit selbst, sozusagen nackt und unbefleckt, neutral oder unschuldig, steht uns nicht zur Verfügung; eine Entsprechung von Sachverhalt und Theorie gibt es nur innerhalb von Theorien. Deshalb konnte Quine sagen, das System der Wissenschaft mit seiner Ontologie sei eine von uns selbst gebaute Begriffsbrücke. Die so genannten Tatsachen, die angeblichen harten Fakten, sind allesamt Tat-Sachen; sie sind, viel wörtlicher, als einem lieb sein kann, nur Sachen der Tat, womit zumindest der artifizielle Charakter der Wissenschaft, ihr ontologischer Relativismus, in Erinnerung gerufen wird."
Bemerkenswerterweise wird Quine von Karl Popper und seinen Kritikern Thomas Kuhn, Imre Lakatos und Paul Feyerabend oder von den führenden Vertretern des kritischen Rationalismus, wie z. B. von H. Albert, in ihren Hauptwerken so gut wie nicht erwähnt und kaum zitiert. Zumindest was Popper und Kuhn betrifft, ist das offensichtliche Desinteresse nachvollziehbar, da diese beiden Wissenschaftsphilosophen wohl eher an jenem dynamischen Prozess interessiert waren, der zum Erwerb wissenschaftlicher Erkenntnisse führt, und nicht so sehr an der logischen Struktur des Ergebnisses der wissenschaftlichen Forschung. Eben an der logischen Struktur des Ergebnisses der wissenschaftlichen Forschung war aber Quine besonders gelegen. Deshalb ist es angebracht, seine bedeutenden erkenntnistheoretischen Beiträge insbesondere darüber sowie über die Rolle der Metaphysik gebührend und hinreichend eingehend herauszustellen.