Irritator
| Irritator | |||||
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| Zeitraum | |||||
| Untere Kreide | |||||
| ca. 110 Mio. Jahre | |||||
| Fossilfundorte | |||||
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| Wissenschaftlicher Name | |||||
| Irritator | |||||
| Martill et al., 1996 | |||||
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Irritator ist eine Gattung theropoder Dinosaurier mit bislang nur einer beschriebenen Art und gehört wahrscheinlich zu den Spinosauriden. Das bis zu acht Meter lange Tier lebte vor ungefähr 100 Mio. Jahren in der Kreidezeit im heutigen Südamerika.
Von diesem Dinosaurier wurde bisher nur der etwa 80 Zentimeter lange Schädel im Romualdo-Member des Albium der Santana-Formation gefunden. Da dieser den Schädeln von Suchomimus und Spinosaurus stark ähnelte, nimmt man jedoch an, dass er, wie diese, verlängerte Dornen an den Rückenwirbeln besaß. Sein krokodilartiges, mit kleinen scharfen Zähnen besetztes Maul war an den Fischfang angepasst, er war jedoch ein Opportunist, der ähnlich den heutigen Krokodilen auch andere Tiere jagte. Eine ebenfalls in der Santana-Formation gefundene fossile Halswirbelsäule eines Flugsauriers mit einem darin enthaltenen abgebrochenen Zahn von Irritator legt ein solches Verhalten nahe[1].
Diese Art wird heute allgemein als identisch mit Angaturama limai angesehen, der zur gleichen Zeit am gleichen Ort gelebt hat und von dem nur der vorderste Teil eines Schädels bekannt ist. Einzelne Wissenschaftler nehmen sogar an, dass es sich bei den beiden Fossilien um Teile des Schädels desselben Individuums handelt.
Fossilbeschreibung
Merkmale des Irritator-Fossils
Irritator wurde 1996 von den Paläontologen Martill, Cruikshank, Frey, Small und Clarke erstmalig beschrieben. Diese Beschreibung basierte auf dem Fund eines Schädels aus der Santana-Formation im östlichen Brasilien im südlichen Teil des Bundestaates Ceará im Araripe-Becken. Er lag in der Romualdo-Schicht, die der Unteren Kreidezeit zugeordnet wird.
Den Fund hatten private Sammler gemacht. Diese hatten versucht, den fossilen Schädel durch eine gipsähnliche zu vervollständigen, wodurch die Rekonstruktion durch die Präperatoren sehr aufwändig wurde. Über eine Computertomographie konnte zudem festgestellt werden, adss der Schädel künstlich verlängert wurde, indem Teile des Oberkiefers an den Zwischenkiefer montiert wurden. Heute wird das Fossil in der Sammlung des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart unter der Katalognummer SMNS 58022 aufbewahrt.
Der Schädel ist fast vollständig erhalten und zeichnet sich vor allem durch seine ungewöhnlich lange und gebogene Schnauzenregion aus, die seitlich stark komprimiert ist. Die Gesamtlänge des Schädels beträgt 84 Zentimeter Er besitzt einen deutlichen Sagittalkamm und eine einzigartige Einbettung der sehr stark gebogenen Zähne, die einen mesolingualen Zahnwechsel anzeigt, bei dem neue Zähne zwischen die aktuell genutzten Zähne geschoben werden. Das Supratemporalfenster des Schädels ist zudem fast vollständig reduziert.
Angaturama limai Kellner & Campos, 1996
Angaturama limai aus der gleichen Zeit wie Irritator challengeri wurde im Februar 1996 von Alexander W. A. Kellner und Diogenes A. Campos erstmalig ebenfalls auf der Basis eines Fossils aus der Santana-Formation beschrieben und wird heute mehrheitlich als Synonym zu Irritator angesehen. Es handelte sich wahrscheinlich um einen nicht ausgewachsenen Irritator challengeri. Das Fossil bestand nur aus dem Vorderteil des Schädels, der sich dadurch auszeichnet, dass er sehr schmal ist und einen prämaxillaren Sagittalkamm trägt.
Das Fossil wurde als der erste bekannte Überrest eines Dinosaurierschädels aus Brasilien beschrieben,[2] die Beschreibung des Irritator challengeri erfolgte jedoch zu einem Zeitpunkt als die des Angaturama sich noch im Fachreview befand und stellte damit tatsächlich die erste Dinosaurierbeschreibung aus der Santana-Formation da. Für den Fall, dass Angaturama und Irritator tatsächlich als Angehörige der gleichen Art angesehen werden, wäre Irritator challengeri somit der genutzte wissenschaftliche Name (Prioritätsregel).
Rekonstruktion
Obwohl von Irritator nur ein Schädel vorhanden ist, ist eine relativ realistische Rekonstruktion des gesamten Tieres möglich. Die Paläontologen profitieren in diesem Fall stark von den Arten, die in die nähere Verwandtschaft des Irritator eingeordnet werden und von denen sehr vollständige Skelette existieren oder existiert haben (das Skelett des Spinosaurus wurde im 2. Weltkrieg zerstört). Über einen Merkmalsvergleich können viele Merkmale beim Irritator als Plesiomorphien, also bereits in der gemeinsamen Stammart vorhandene Merkmale, vorrausgesetzt werden - darunter vor allem die Haltung und Gestaltung der Gliedmassen sowie der allgemeine Körperbau und die Körperhaltung.
Wenn beispielsweise der Spinosaurus als Schwesterart biped und landlebend war und dies auch für alle anderen Arten Spinosauroidea zutrifft, kann man diese Merkmale auch für den Irritator annehmen - es ist extrem unwahrscheinlich, dass Irritator apomorph diese sehr zentralen Merkmale in stark abgewandelter Form ausgebildet hat. Im Prinzip kann man also fast alle Merkmale, die die nahe verwandten Arten Baryonyx, Spinosaurus und Suchomimus gemeinsam haben auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als beim Irritator als existent vorrausetzen - dadurch ist eine Grundrekonstuktion möglich. Nicht möglich ist dagegen beispielsweise die gesicherte Annahme eines Rückensegels, das nur für Spinosaurus nachgewiesen ist; da jedoch auch Suchomimus stark verlängerte Rückenfortsätze hatte, ist zumindest dieses Merkmal für Irritator anzunehmen.
Lebensweise
Irritator challengeri ernährte sich wie die in großer Zahl in der Santana-Formation gefundenen Flugsaurier wahrscheinlich von Fischen, die er in dem ehemals dort gelegenen See jagte. Irritator war dabei wahrscheinlich wie die heutigen Krokodile ein Nahrungsgeneralist, der neben den Fischen auch alle anderen Tiere fraß, die er fangen konnte. Durch eine fossilisierte Halswirbelsäule eine Flugsauriers mit einem darin steckenden Zahn, der Irritator zugeordnet wird, gilt als gesichert, dass auch Flugsaurier zu seinem Nahrungsspektrum gehörten.[1]
Für eine Ernährung, die hauptsächlich auf Fischfang basiert, stellt die bei allen Spinosauriden verlängerte und sehr schmale Schnauze mit den relativ gleichförmigen spitzen Zähnen ein deutliches Indiz dar. Es handelt sich dabei um eine Konvergenz, die auch bei vielen anderen Tiergruppen beobachtet werden kann, die sich im Laufe der Evolution an Fische als Nahrung angepasst haben. So findet man diese Ausgestaltung vor allem bei Krokodilen (sehr stark ausgeprägt etwa beim Ganges-Gavial) aber auch bei Walen, und vielen ausgestorbenen Meeresreptilien wie den Ichthyosauriern und den Plesiosauriern.
Vor allem bei Irritator sowie bei Suchomimus wird vor allem eine Konvergenz zu den Krokodilen regelmäßig diskutiert, die bei Suchomimus (= „Krokodilsnachahmer“) sogar namensgebens ist.[3] Einzelne Fossilien der Spinosauriden wurden in der Vergangenheit sogar irrtümlich für Krokodilsfossilien gehalten und beschrieben, so etwa Baryonyx-Fossilien aus Portugal, die ursprünglich als Suchosaurus beschrieben und erst 2007 als Baryonyx erkannt wurden.[4]
Fundlokalität und Paläoökologie
Die Santana-Formation, in der beide Fossilien gefunden wurden, entstand mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch die Sedimentation eines flachen Binnensees, der mit Süß- oder Brackwasser gefüllt war. Bezüglich der Salinität herrscht vor allem aufgrund der dort gemachten Fossilienfunde bislang Uneinigkeit, so sprechen einige Fische für ein salzfreies oder salzarmes Wasser, andere für Salzwasser. Die Insektenfunde stellen eher ein Indiz für Süßwasser dar, der Fund der Schildkröte Santanachelys gaffneyi wiederum lässt Salzwasser vermuten. Die größte Anerkennung findet daher die Theorie, nach der es sich um eine brackige Lagune handelte, die mit dem Meer in Verbindung stand. Das Klima war tropisch-warm und soll dem heutigen Klima in Brasilien weitestgehend entsprochen haben.
Systematik
Irritator challengeri wurde von seinen Erstbeschreibern 1996 in die Maniraptora innerhalb der Tetanurae eingeordnet. Hier sollten sie eine eigene Familie Irritatoridae innerhalb der Bullatosauia darstellen. Angaturama wurde dagegen in die Spinosauridae als neue Gattung eingeordnet. Diese Einordnung übernahmen Sues et al. 2002 ebenfalls für die mittlerweile als Synonyme erkannten Fossilien, sodass sie heute als allgemein akzeptiert angesehen werden muss.
Serano et al. stellten 1998 bei der Erstbeschreibung des Suchomimus tenerensis einen phylogenetischen Stammbaum der Spinosauridae dar, der selbige in die zwei Unterfamilien Spinosaurinae und Barynychinae aufteilte und Irritator als Schwesterart der Gattung Spinosaurus definierte.[5] Bestätigt wurde diese Darstellung von dal Sasso et al. 2006.[6] Demnach stellen Suchomimus und Baryonyx, dessen einziger Vertreter Baronyx walkeri 1986 aus England beschrieben wurde,[7] die Barynychinae dar, während Irritator und Spinosaurus als Spinosaurinae diesen gegenübergestellt wurde. Sasso et al. fügen den Barynychinae zudem den 1998 beschriebenen Cristatusaurus lapparenti [8] hinzu, der in der ursprünglichen Darstellung von Serano et al. noch nicht beschrieben war. Als Schwestergruppe der gesamten Spinosauridae werden die Torvosauridae mit den Gattungen Torvosaurus und Eustreptospondylus benannt, die jedoch heute den Megalosauridae zugeschlagen werden.
---- Spinosauroidea |-- Megalosauridae '-- Spinosauridae |-- Barynychinae | |-- Baryonyx (Baronyx walkeri) | '-- Suchomimus | '-- Spinosaurinae |-- Spinosaurus (S. aegypticus und S. maroccanus) '-- Irritator (Suchomimus tenerensis)
Begründet wird dieser Stammbaum vor allem durch Merkmale der Schädelmorphologie, da dieser Teil des Skeletts bei den meisten Arten zumindest teilweise vorhanden ist. Die Spinosauroidea werden primär durch die Ausbildung der kräftigen Vordergliedmaßen mit einer sichelartigen Daumenkralle begründet. Die zur Spezialisierung auf den Fischfang erfolgte Verlängerung der Schnauzeregion durch eine parallele Verlängerung sowohl der Maxillare wie auch der Prämaxillare, die spezifische Ausgestaltung der äußeren Nasenhöhle sowie die Bildung eines sekundären Munddaches sind sehr gewichtige Apomorphien, die die Monophylie der Spinosauridae absichern. Bei den Spinosaurinae kam es zu einer Rekuktion der Anzahl der Prämaxillaren und maxillaren Zähne mit einer damit einhergehenden Vergrößerung der Zahnabstände sowie die fast gerade Ausbildung der Zähne, die sowohl bei Irritator als auch bei Spinosaurus vorhanden ist. Spinosaurus wird gegenüber Irritator hauptsächlich über die starke Vergrößerung der Rückenfortsätze der Wirbelsäule und das dadurch gebildete Rückensegel begründet[5] – wie diese beim Irritator ausgesehen hat ist allerdings nicht bekannt.
Etymologie
Martill et al. beschrieben in ihrem 1996 erschienenen Beitrag sowohl die Gattung als auch die bislang einzige bekannte Art innerhalb der Gattung. Die Namensgebung der Gattung Irritator wurde von den Autoren mit der Irritation begründet, die sie fühlten, als sie die ungewöhnliche Länge der Schnauze des Fossils bemerkten.[9] Namensgebend für die Art war der fiktive Professor Challenger in Arthur Conan Doyles Roman The Lost World,[10] wodurch der Irritator als zweite Art neben dem Flugsaurier Arthurdactylus conandoylei, der ebenfalls in der Santana-Formation gefunden wurde, in seiner Benennung auf Conan-Doyle hinweist.
Angaturama wurde von Kellner und Campos für die Benennung des von ihnen beschriebenen Fossils gewählt, weil das Wort in der Sprache der Tupi für „edel“ steht. Das Epitheton limai stellt eine Würdigung der Arbeit des brasilianischen Paläontologen Murilo Rodolfo de Lima dar, der das Fossil gefunden und den Erstbeschreibern übergeben hat.
Belege
Zitierte Belege
Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:
- ↑ a b Eric Buffetaut, David Martill, François Escuillié: Pterosaurs as part of a spinosaur diet. Nature 430, Juli 2004; Seite 33 (Volltext)
- ↑ Alexander W.A. Kellner, Diogenes A. Campos: First Early Cretaceous theropod dinosaur from Brazil with comments on Spirosauridae. Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen 199, 1996; Seiten 151–166
- ↑ Thomas R. Holtz Jr: Dinosaurs as crocodile mimics. Science, New Series 282 (5392) (13. November 1998); Seiten 1276–1277.
- ↑ Ecic Buffetaut: The spinosaurid dinosaur Baryonyx (Saurischia, Theropoda) in the Early Cretaceous of Portugal. Geological Magazine (Published online by Cambridge University Press 11. September 2007) (Abstract)
- ↑ a b Paul C. Sereno, Allison L. Beck, Didier B. Dutheil, Boubacar Gado, Hans C. E. Larsson, Gabrielle H. Lyon, Jonathan D. Marcot, Oliver W. M. Rauhut, Rudyard W. Sadleir, Christian A. Sidor, David D. Varricchio, Gregory P. Wilson, Jeffrey A. Wilson: A Long-Snouted Predatory Dinosaur from Africa and the Evolution of Spinosaurids. Science, New Series 282 (5392) (13. November 1998); Seiten 1298–1302. (Volltext)
- ↑ Cristiano dal Sasso, Simone Maganuco, Eric Buffetaut, Marco A. Mendez: New information on the skull of the enigmatic theropod Spinosaurus, with remarks on its sizes and affinities. Journal of Vertebrate Paleontology 25(4), 2006; Seiten 888–896.
- ↑ A. J. Charig, A.C. Milner: Baryonyx, a remarkable new theropod dinosaur. Nature 324, 1986; Seiten 359–361
- ↑ P. Taquet, D.A. Russell: New data on spinosaurid dinosaurs from the early Cretaceous of the Sahara. Comptes Rendus de l'Academie des Sciences Series IIA Earth and Planetary Science Paris 327, 1998; Seiten 347–53.
- ↑ „from irritation, the feeling the authors felt (understated here) when discovering that the snout had been artificially elongated“, Zitat Martill et al. 1996
- ↑ „from Prof. Challanger, the ficticious hero and dinosaur discoverer of Sir Arthur Conan-Doyle's Lost World“, Zitat Martill et al. 1996
Literatur
- D.M. Martill, A. R. I. Cruickshank, E. Frey, P. G. Small, and M. Clarke: A new crested maniraptoran dinosaur from the Santana Formation (Lower Cretaceous) of Brazil. Journal of the geological society 153 (1), 1996; Seiten 5–8. (Abstract)
- Hans-Dieter Sues, Eberhard Frey, David M. Martill, Diane M. Scott: Irritator challengeri, a spinosaurid (Dinosauria : Theropoda) from the Lower Cretaceous of Brazil. Journal of Vertebrate Paleontology 22 (3), 2002; Seiten 535–547 (Abstract)
