Paternosteraufzug


Ein Paternosteraufzug, auch Umlaufaufzug und Personenumlaufaufzug genannt, ist eine Sonderform einer Aufzugsanlage zur Personenbeförderung. Beim Paternosteraufzug verkehren mehrere an einer Kette hängende Einzelkabinen (üblicherweise für 1 bis 2 Personen je Kabine) im ständigen Umlaufbetrieb. Die Kabinen werden am oberen und unteren Wendepunkt über große Scheiben in den jeweils anderen Aufzugsschacht umgesetzt. Die Beförderung von Personen beim Wendevorgang ist vorgesehen und gefahrlos. Die Beförderungsgeschwindigkeit beträgt ca. 0,30 bis 0,45 Meter pro Sekunde.
Geschichte
Das Prinzip stammt vom Paternosterwerk aus dem Bergbau, einem stationären Transportmittel mit einer endlosen Kette. Auch früher übliche Sackaufzüge mit vertikalem Endlosförderband hatten ein ähnliches Konstruktionsprinzip. Der heute bekannte Paternoster wurde in England entwickelt. Der erste Paternosteraufzug der Welt wurde 1876 im General Post Office in London zum Transport von Paketen eingebaut. Ab 1883 diente er der Personenbeförderung. Die Deutschlandpremiere des Paternoster war 1885 in Hamburg, als eine englische Anlage im Dovenhof installiert wurde. Paternosteraufzüge sind lediglich in Kontinentaleuropa und Großbritannien anzutreffen, in den USA sind solche Anlagen vollkommen unbekannt.
Herkunft des Namens
Der Name Paternoster steht mit dem katholischen Rosenkranz im Zusammenhang, einer Zählkette für Gebete. Beim Rosenkranz folgt auf 10 kleinere Kugeln für die Ave Marias eine davon abgesetzte für das Vater unser (lateinisch: Paternoster). Diese Zählkette ist früher auch als Paternosterschnur bezeichnet worden. Darüber hinaus nennt man auch die elfte Kugel, entsprechend dem dazugehörenden Gebet, Paternoster. Auf gleiche Weise sind bei einem Umlaufaufzug die Personenkabinen wie auf einer Schnur aufgefädelt.
Rechtssituation in Deutschland
Seit 1974 dürfen in Deutschland keine neuen Paternosteraufzüge mehr in Betrieb genommen werden. 1994 war eine Änderung der Aufzugsverordnung geplant, die eine Stilllegung der bestehenden Anlagen bis 2004 vorsah. Gegen diese Befristung erhob sich Widerstand, unter anderem durch einen eigens in München gegründeten „Verein zur Rettung der letzten Personenumlaufaufzüge“. Der Bundesrat hob deshalb die geplante Änderung auf, so dass sich bis auf weiteres die bestehenden Paternoster weiter drehen dürfen. Paternosteraufzüge müssen nach dem Stand der Technik betrieben werden. Die entsprechenden Technischen Regeln sind seit 1972 in der TRA 500 („Technische Regeln für Aufzüge – Personen-Umlaufaufzüge“) festgelegt (zuletzt 1985 geändert).
Vor- und Nachteile
Vorteile der Paternosteraufzüge sind die ständige Verfügbarkeit für beide Richtungen, dadurch ist ein schneller Wechsel zwischen nahe beieinander liegenden Stockwerken möglich. Eine Durchfahrt der Endpunkte für vergessliche Personen ist problemlos möglich. Eine Wartezeit entfällt, die Förderleistung ist ähnlich einer senkrecht eingebauten Rolltreppe sehr hoch.
Nachteilig sind die längeren Wechselzeiten zwischen weiter entfernten Ausstiegen. Ein Einbau in moderne Hochhäuser scheidet daher aus. Das Betreten und Verlassen der Kabinen während der Fahrt ist nicht für jeden Benutzer gleich gut möglich, die Unfallgefahr ist größer. Für behinderte Personen besteht Sturzgefahr, aber auch den durchschnittlichen, unachtsamen Menschen trifft es häufiger. Insbesondere ist eine Nutzung durch Rollstuhlfahrer nahezu unmöglich. Ein Lastentransport ist verboten. Es gab auch tödliche Unfälle dadurch, dass jemand unbedingt noch an einer Etage aussteigen wollte und dann eingeklemmt wurde. Das Aussteigen ist tunlichst zu vermeiden, wenn die Kabine die Etage schon deutlich passiert hat; im Zweifel fährt man eine Etage weiter und dann wieder zurück. Um ein Einklemmen zu verhindern, haben manche Aufzüge und ihre Einstiege nach oben öffnende Klappen.
Ein weiterer Nachteil ist die gegenüber herkömmlichen Aufzügen verminderte Brandschutzsicherheit, da sich im Falle eines Brandes das Feuer einfach über mehrere Stockwerke eines Hauses ausbreiten kann. Dies ist bei normalen Aufzügen wegen der oftmals als Brandschutztüren fungierenden Einstiegstüren nicht möglich.
Schließlich kann das Zusteigen zu Stoßzeiten schwierig sein, da häufig jede Kabine voll besetzt ist, wenn man nicht dort einsteigt, wo der Hauptharst einsteigt (Ebene des Haupteingangs), z. B. zu Arbeitsbeginn. In diesem Fall kann es nötig sein, in die entgegengesetzte als die gewünschte Richtung loszufahren, um sich einen Platz zu sichern, und einmal um die Umlenkung zu fahren.
Daher sind diese Anlagen zumindest im deutschsprachigen Raum nicht mehr bzw. nur noch für eine Übergangszeit zugelassen. Häufig finden sich Paternoster vor allem dort, wo der Benutzerkreis gleichbleibt, etwa in Behörden ohne Publikumsverkehr, so dass man voraussetzen kann, dass die Benutzer eine gewisse Übung im Umgang mit der Anlage haben. Oftmals erfolgt ein Umbau in langsamere, konventionelle Aufzugsanlagen. Es existieren jedoch zahlreiche denkmalgeschützte Anlagen; eventuell wird die Regelung den Betrieb der Altanlagen weiter erlauben.
Anlagen
Einige schöne Anlagen kann man beispielsweise noch sehen und befahren in:
- Aachen – Verwaltungsgebäude Bahnhofsplatz, Römerstraße (nur für Mitarbeiter)
- Augsburg – Finanzamt, Prinzregentenplatz 2 (nur für Mitarbeiter)
- Berlin – Auswärtiges Amt (ehemaliges Reichsbankgebäude); Axel-Springer-Haus; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften; Bundesministerium der Finanzen (2 Anlagen); Haus des Rundfunks; Neues Deutschland, Franz-Mehring-Platz am Ostbahnhof; Senatsverwaltung für Finanzen; Siemens (2 × Siemensdamm 50, 11 Stockwerke; Siemensdamm 62; Nonnendammallee 101 – alle jeweils nur für Mitarbeiter!); Deutsche Rentenversicherung Bund (Ruhrstraße 2); Rathaus Schöneberg; Peter-Behrens-Bau (NAG-Gebäude, später WF, bis vor kurzem Samsung) in der Ostendstraße 1 in Berlin-Oberschöneweide; Arbeitsamt Ost, Gotlindestraße; Verwaltungsgebäude des Kraftwerks Klingenberg; Verkehrslenkung Berlin, Gothaer Str.
- Bern – Vaucher Sportgeschäft, Marktgasse 27
- Bochum – Hauptverwaltung der Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ; im Bochumer Rathaus(nur am Vormittag in Betrieb)
- Bonn – Bundesrechnungshof (ehem. Auswärtiges Amt)
- Bremen – Bremer Baumwollbörse; Haus des Reichs (Senator für Finanzen; 3 x, Rudolf-Hilferding-Platz 1); swb-Zentrale (Theodor-Heuss-Allee 20)
- Budapest – Zentrale der Budapester Elektrizitätswerke ELMÜ
- Chemnitz – Rathaus; IHK Straße der Nationen; TLG Gewerbepark Kiremun (Bornaer Straße)
- Dortmund – altes Stadthaus (Inbetriebnahme 18. März 1931; Außerbetriebnahme 13. Oktober 2006, 12:03 Uhr); Kaufhof (Westenhellweg, Zugang durch das Treppenhaus, Update 8.9.2007 Kein freier Zugang, nur für Mitarbeiter); Staatsanwaltschaftsgebäude im Gebäudekomplex des Landgerichtes (Nachkriegsinstallation, nur begrenzter Publikumsverkehr, da durch Pförtner kontrollierter Nebeneingang)
- Düsseldorf – Finanzamt Roßstraße; Finanzamt Harkortstraße; Finanzamt Kaiserstraße; Versorgungsamt Roßstraße; Bezirksregierung Cecilienallee; Commerzbank Hauptstelle Breite Straße (nur für Mitarbeiter); Deutsche Bank Mitarbeitergebäude Eingang Breite Straße; Wilhelm-Marx-Haus; Polizeipräsidium, Jürgensplatz 5-7
- Duisburg – Rathaus; Stadthaus; Finanzamt Süd, Siemens PGI (Duisburg-Hochfeld)
- Essen – Deutschlandhaus
- Frankfurt am Main – I.G.-Farben-Haus von Hans Poelzig (8 x), heute Gebäude der Goethe-Universität (Campus Westend); ehemaliges Technisches Verwaltungsgebäude der Hoechst AG von Peter Behrens; Oberlandesgericht Frankfurt, Verwaltungsgebäude der BHF-Bank (nur für Mitarbeiter); alte Adlerwerke, Kleyerstr. 19 (nur für Mitarbeiter der Werbeagentur "young&rubicam")
- Gera – Staatsbauamt, Benutzung für jedermann möglich
- Graz – Wiener Städtische Allgemeine Versicherung, Landesdirektion Steiermark, Gürtelturmplatz 1, auch für Kunden benutzbar
- Görlitz – Rathaus
- Halle/Saale – Ratshof (Rathaus) am Markt, Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt in der Merseburger Straße 2, Hallesche Wohnungsgesellschaft in der Magdeburger Straße 36 , Ehemalige Reichsbahndirektion in der Ernst-Kamieth-Str. 2
- Hamburg – Bezirksamt Eimsbüttel (2 x: Grindelberg 62 u.66); Bezirksamt Hamburg-Nord (Kümmellstr. 7); DAK (Schauenburger Str. 27); Behörde für Inneres (Johanniswall 4, nur für Mitarbeiter und angemeldete Besucher); Finanzbehörde (2 x, Gänsemarkt 32); Slomanhaus (Nebeneingang Steinhöft 11); Axel-Springer-Haus (3 x, nur für Mitarbeiter); Verlagsgebäude Heinrich Bauer Verlag, Burchardtstraße; Hochbahnhaus (Steinstraße 20); Landgericht am Sievekingsplatz (Grundbuchhalle); Laeisz-Haus an der Trostbrücke; Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (Stadthausbrücke 8, derzeit nur für Mitarbeiter oder angemeldete Besucher möglich); Finanzamt Hamburg-Harburg (Harburger Ring 40); GIGA (Neuer Jungfernstieg 21); Paulsenhaus (Neuer Wall 72); Phoenix AG (Teil der Continental AG), Hannoversche Straße 88 (nur für Mitarbeiter); Columbia-Haus (Deichstraße 29); tesa AG, Quickborn Straße 24 (nur für Mitarbeiter)
- Hannover – Polizeidirektion Hannover, Zentraler Kriminaldienst, Hanomag-Gelände; Kaufhof – Ernst-August-Platz 5 (nur für Mitarbeiter)
- Jena – Zeiss-Werk; Carl-Zeiss Promenade
- Kiel – Rathaus; Landeshaus; Bildungsministerium; HOWE-Haus
- Klagenfurt – Hauptverwaltung der KELAG, Arnulfplatz 2
- Köln – WDR-Gebäude am Wallrafplatz (nur für Mitarbeiter); Rechtsanwaltskanzlei Linklaters, Börsenplatz 1 (nur für Mitarbeiter); Hansahochhaus (Saturn, 14 Stockwerke!); IHK; Kaufhof-Verwaltung Leonhard-Tietz-Str. (nicht öffentlich); VHS-Gebäude nahe Neumarkt; ehem. Firmenzentrale von Felten & Guilleaume (Schanzenstr. 28, Köln-Mülheim, heute öffentlich zugängliches Bürohaus, 5 Stockwerke); ehem. Bezirksamt „Dischhaus“ Innenstadt (Brückenstr.);Gebäude der Bezirksregierung Köln, Eingang Zeughausstraße 8
- Kornwestheim - ehemals Salamander Schuhfabrik
- Krefeld – Hauptgebäude der Fachhochschule Niederrhein
- Leipzig – Neues Rathaus
- Leverkusen – Bayer-Chemiepark (Gebäude I 1, P 1, Q18, W26, K10, K12, K17), Stadthaus (Gebäude zum 23.August 2007 geschlossen; Abriss steht bevor)
- Lippstadt - Zentrale der Hella KGaA Hueck & Co.
- Lünen – Rathaus (derzeit nur für Angestellte nutzbar)
- Mainz - technisches Rathaus (ehemalige Bundesbahndirektion)
- Marl – Chemiepark Marl, Gebäude 141 (derzeit nur für Angestellte nutzbar)
- München – Deutsches Patent- und Markenamt (Zweibrückenstraße 12); Polizeipräsidium München (Ettstr. 2); Altes Technisches Rathaus (Blumenstraße 28 b, öffentlich zugänglich); Großmarkthalle München - Kontorhaus 2 in der Großmarkthalle; Kaufhof München am Stachus (nur für Mitarbeiter); Süddeutsche Zeitung, Sendlinger Straße 9; Boston Consulting Group, Ludwigstraße 21
- Nürnberg – Siemens (Vogelweiherstraße, Gebäude 01 – nur für Mitarbeiter!); Kaufhof Königstraße (nur für Mitarbeiter)
- Oberhausen – Rathaus in Alt-Oberhausen; Technisches Rathaus in Oberhausen-Sterkrade
- Salzgitter – Hauptverwaltung der Salzgitter AG
- Stuttgart – Rathaus; Markthalle Stuttgart; Arbeitsgericht (Johannesstraße); Kaufhof am Hauptbahnhof (nur für Mitarbeiter); Robert Bosch GmbH – Werk Feuerbach (Geb. 320 – nur für Mitarbeiter); Allianz Lebensversicherungs-AG (Reinsburgstraße 19 – nur für Mitarbeiter); Literaturhaus (Breitscheidstr. 4); Universität Stuttgart (Seidenstraße 36)
- Wien – NIG (Neues Institutsgebäude der Universität Wien) (seit 16.07.2007 stillgelegt!); Rathaus (bei Stiege 6); Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 4 (ältester Paternoster Österreichs); Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Stubenring; Bundesministerium für Landesverteidigung; Bundesrechenzentrum, Hintere Zollamtsstraße 4
- Wiesbaden – SOKA-Bau; Statistisches Bundesamt
- Wuppertal – Rathaus im Stadtteil Barmen und Rathaus Elberfeld
Vor allem in Japan sind ganze vollautomatisch betriebene Parkhäuser in einem Paternoster-System in Betrieb. Mehr dazu unter dem Stichwort Automatisches Parkhaus.
Trivia
Ein (kurzes) filmisches Denkmal wurde dem Paternoster von Doris Dörrie in ihrem Film Männer gesetzt, literarisch verewigte ihn Heinrich Böll in seiner Satire Doktor Murkes gesammeltes Schweigen und Hans Erich Nossack in Paternoster.
Eine Legende ist die Vorstellung, dass die Kabinen sich am oberen Ende der Anlage umdrehen und kopfüber wieder hinunterfahren, sodass es sehr gefährlich sei, versehentlich höher zu fahren als zum obersten Stockwerk. Auf Grund dieses falschen Glaubens haben manche Menschen Angst, einen Paternoster zu benutzen. In einem Spot der Mainzelmännchen wurde diese Vorstellung scherzhaft dargestellt, ebenso in einem Film mit Charlie Chaplin.