Konradihaus (Schelklingen)
Das Konradihaus oder auch St. Konradihaus in Schelklingen ist eine Einrichtung zur Jugendhilfe. Es liegt etwa 25 Kilometer von Ulm entfernt am Ostrand der Schwäbischen Alb. Es verfügt über etwa 12 Gruppen im Kernbereich sowie 5 Außenwohngruppen, davon 2 für Jungen (Blaubeurerstraße, Hofgut Oberschelklingen), eine für Mädchen (Schillerstraße) und zwei gemischte (Goethestrasse, Lützelberg). Es hat eine Schule zur Erziehungshilfe, sowie ein Ausbildungszentrum. Derzeit hat es eine Kapazität von 153 Plätzen.
Konzept
Die Jugendlichen leben im Konradihaus in Gruppen mit höchstens 9 Jugendlichen, die von je 4 Fachkräften, Erziehern und Sozialpädagogen, betreut werden. Alle Gruppen außer der Außenwohngruppe Schillerstraße und Goethestraße sind reine Jungengruppen, die WG (Wohngruppe) Schillerstraße ist eine Mädchengruppe, und die WG's Goethestraße und Lützelberg sind koedukativ, also gemischt.
Das Leben im "Koni" bietet den Jugendlichen mehr Freiheiten als in vielen anderen Einrichtungen, ist allerdings auch mit mehr Eigenverantwortung verbunden. Es gibt zahlreiche Freizeitangebote, so zum Beispiel Fußball, Basketball (in Zusammenarbeit mit der ebenfalls bei Schelklingen befindlichen Urspringschule)und eine einmal pro Woche geöffnete Teestube, in der Darts, Billard, Taifun, sowie alkoholfreie Getränke und Knabbereien angeboten werden. Auch pädagogisches Reiten wird im Koni angeboten. Es gibt auch zahlreiche Vereine in Schelklingen, die Jugendliche aus dem "Koni" aufnehmen, die einzige Ausnahme bildet hier der Schützenverein, der Waffenmissbrauch befürchtet. Ebenso hat Schelklingen eine kleine aber sehr gut ausgestattete Bücherei, in der sich die Jugendlichen Bücher, CDs, Videos und DVDs sowie PC-Spiele und anderes ausleihen können.
Das "Koni" verfügt über 2 Geschäfte, die Bäckerei und den Hofladen, und die Werkstätten nehmen auch Aufträge von Privatkunden an.
Das Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung gestaltet sich zeitweise schwierig, denn obwohl das Konradihaus seit 125 Jahren in Schelklingen heimisch ist, haben viele Bewohner der Kleinstadt Vorbehalte gegen die Jugend aus dem Haus. Das wohl auch, weil es immer wieder zu Vorfällen kommt, in denen Jugendliche sich kriminell betätigen oder betrunken Ärger machen, auch die Jugend sieht sich durch die "fremden" Jugendlichen im Koni manchmal bedroht, und es kommt zu Auseinandersetzungen, die auch schon in Schlägereien endeten. Natürlich suchen die Jugendlichen auch normale Kontakte zu den einheimischen Jugendlichen, was auch zu Ärger mit deren Eltern führen kann, insbesondere bei einheimischen Mädchen, deren Eltern nicht wollen, dass ihre Töchter Beziehungen mit den "Konis" führen. Aus jedem Jahrgang bleiben einige Jugendliche in Schelklingen wohnen, aber sie bilden eher eine Außenseitergruppe. Es bestehen auch viele Kontakte zwischen den Jugendlichen aus Urspring und dem "Koni", was von den Leitungen beider Einrichtungen nicht immer gern gesehen wird, da es dabei auch zu Drogengeschäften kommt. Abschließend ist zu sagen, das viele Jugendliche aus gestörten Verhältnissen in Schelklingen auf ein Leben außerhalb des Heimes vorbereitet werden, und dabei oft eine schöne Zeit erleben.
Geschichte
Das Haus wurde im Jahre 1878 als "Rettungshaus für ältere, verwahrloste Knaben" erstmals erwähnt, als Standort wurde damals das ehemalige Gasthaus "Zum Hecht" in der Schelklinger Ortsmitte ausgewählt. Dieses wurde dem damaligen Besitzer für 18.000 Reichsmark abgekauft und am 11. September 1889 feierlich als St. Konradihaus eingeweiht. Bereits im Jahre 1890 lebten 102 Kinder, damals nur Jungen, dort. In den Jahren 1902 bis 1904 wurde das Haus dann erweitert, ausgebaut, und bekam eine Badeanstalt und einen Stall. Damals wurden dort mehr als 120 Jugendliche betreut. 1909 kam eine Filiale in Pfauhausen dazu, die später eigenständig und ein Heim zur Betreuung behinderter Menschen wurde. 1912 kam ein Arbeitssaal dazu, und somit wurde Platz für bis zu 160 Jugendliche geschaffen
1914 wurde ein weiterer Schlafsaal eingeweiht und Teile des Hauses in ein Soldatenheim und Lazarett umgewandelt. 1918/1919 forderten die ortsansässigen Bauern mit Unterstützung des Soldatenbundes erfolglos die Auflösung und Enteignung des Konradihauses. 1927 wird das "Hofgut Oberschelklingen" bei Hausen ob Urspring gekauft. 1928 wird das Hofgut an Strom und Wasser angeschlossen, was für ein derart abgelegenes Gehöft zur dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit war.
1929 wird zum 50. Jubiläum der Sportplatz im Längental eröffnet, der heute vom ortsansässigen Fußballverein benutzt wird. 1940 werden 40 Kinder und Betreuer aus einem anderen Pflegeheim aufgenommen. Das NS-Reichskommissariat beschlagnahmt 1941 die Anstalt. Alle Jugendlichen bis auf wenige Zöglinge im Hofgut Oberschelklingen werden in ihre früheren Wohnorte entlassen. 1945 wird die Landwirtschaft auf dem Talgut, einer Zweigstelle des Hofguts, in Eigenregie wiederaufgenommen.
Nachkriegszeit bis heute
Im Jahre 1948 wird das Konradihaus wiedereröffnet, und nimmt bis 1949 wieder 80 Jugendliche auf, darunter viele Flüchtlingskinder, ein Maler- und ein Gipserbetrieb werden eingerichtet, die Umgestaltung des Hauses beginnt 1952, mit der Einrichtung von Wohngruppen. Damals sind sowohl die Prügelstrafe als auch psychischer Druck noch erzieherische Maßnahmen. 1956 werden die ersten mechanischen Werkstätten eröffnet, das Haus verfügt inzwischen wieder über 150 Plätze. 1962 wird das Talgut abgerissen, und an dieser Stelle die heutige Schwimmhalle und eine Schlosserei gebaut. In der alten Schlosserei wird eine Kegelbahn eingerichtet. Bis 1966 werden 17 Berufe zur Ausbildung angeboten. 1972 wird wieder eine Schule am St. Konradihaus eröffnet, 1974 das Ferienhaus Oberschmeien gekauft und ein Hartplatz für Ballsportarten eingerichtet. 1977 wird das Ausbildungszentrum eröffnet, das bis heute fast unverändert besteht. 1979 war die Eröffnung des neuen Schulgebäudes mit neuer Turnhalle. 1980 bietet das St. Konradihaus folgende Ausbildungsberufe an: Bäcker, Elektroinstallateur, Kunst- und Bauschlosser, Landwirt, Maler und Lackierer, Maschinenbauer, Schreiner. In der Schillerstraße in Schelklingen entsteht die erste Außenwohngruppe mit zehn Plätzen für männliche Jugendliche, inzwischen ist dort eine Mädchenwohngruppe.
1981 wird das Schülerwohnheim Ehingen eröffnet, das aber keinen pädagogischen Zweck hat, sondern für Berufsschüler mit Blockunterricht gedacht ist. Die barmherzigen Schwestern beenden nach 100 Jahren ihren Einsatz im Konradihaus. 1985 wird ein fachpsychologischer Dienst eingerichtet, der den Jugendlichen psychologische Lebenhilfe bietet. 1986 wird das Hofgut erweitert. 1989-91 wird das Hallenbad erneuert und erweitert, und die Cafeteria als Sitzungs- und Veranstaltungsraum eingerichtet. Von 1989 bis 1992 wird ein anderes Jugendheim eingerichtet, aber wieder aufgegeben. 1991 wird die Außenwohngruppe "am Lützelberg" eröffnet. 1994 wird das Betreute Jugendwohnen mit zunächst 8 Plätzen eingerichtet, die Außenwohngruppe "Blaubeurer Straße" eröffnet, und die Wohngruppe "Schillerstraße" zur Mädchenwohngruppe umgebaut. In einer Fachwerkstatt werden lernbehinderte Jugendliche aus der Umgebung betreut.
Von 1995 bis 2000 wurde der gesamte Kernbereich und alle Wohngruppen komplett saniert und umgestaltet, sowie auf dem Hofgut ein Freilauf-Rinderstall fertiggestellt und in Betrieb genommen.
Im Sommer 1999 wurde das Konradihaus vom Selbstmord des 18-jährigen Mark-Alexander erschüttert, der sich bei der Felskapelle an einem Baum erhängte. Dies führte zu übereiligen und teilweise seltsamen Reaktionen der Heimleitung. So wurde ein Jugendlicher, der trotz Verbot der Heimleiterin zur Beerdigung fuhr, vom betreuten Jugendwohnen ausgeschlossen, obwohl sein Wechsel dorthin schon beschlossen war. Ein anderer Jugendlicher wurde nach einem Tablettenmissbrauch, der als Suizidversuch ausgelegt wurde, von BJW wieder auf eine Gruppe verlegt, und ein Junge, der eine Art "Todesliste" erstellt hatte, landete in der psychiatrischen Landesklinik Weisenau. Letztendlich führte der Suizid zu einem Wechsel in der Heimleitung und zu einer teilweisen Beschneidung der Freiheiten der Jugendlichen. Es wird aber auch wesentlich mehr auf Anzeichen geachtet, ob es den Kindern schlecht geht, und reagiert, um den Jugendlichen rechtzeitig zu helfen.
In den 90er Jahren war der Kontakt der Jugendlichen zu den Einwohnern Schelklingens auf einem fast normal zu nennenden Level angelangt, da gerade die älteren Jugendlichen sich um eine Normalisierung der Verhältnisse bemühten. Diese wurden allerdings im Sommer 2001 vollkommen zunichte gemacht, als mehrere Jugendliche unter Alkoholeinfluss einen älteren Obdachlosen im Streit so stark verprügelten, das dieser in der Folge an seinen schweren Verletzungen verstarb. Die Täter wurden zu Jugendstrafen zwischen einem und fünf Jahren verurteilt sowie mit sofortiger Wirkung aus dem Konradihaus entlassen. Leider sind seither die Stadtbewohner sehr misstrauisch und lassen keine näheren Kontakte mehr zu, wobei es natürlich Ausnahmen geben dürfte.