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Stasi 2.0

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Datei:Stasi 2.0.png
Logo der Protestbewegung

Der Begriff Stasi 2.0 ist ein politisches Schlagwort, das sich Anfang 2007 zunächst im Internet innerhalb der Blogosphäre entwickelte. Die mit diesem Schlagwort verbundene politische Protestkampagne kritisiert verschiedene innenpolitische Vorhaben der deutschen Regierung, darunter insbesondere die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagenen Onlinedurchsuchungen von privaten Computern oder die sogenannte Vorratsdatenspeicherung. Die Wortwahl „Stasi 2.0“ spielt dabei sowohl auf die totalitäre staatliche Überwachungspolitik der ehemaligen DDR durch die Stasi an, als auch auf den Begriff des „Web 2.0“, der für die neuesten Fortschritte der Internet-Technologie steht.

Begriffsgeschichte

Stasi 2.0 ist ein netzkultureller Begriff, der gegen die Bedrohung digitaler Bürgerrechte gerichtet ist. Der Begriff entstand im Rahmen der netzpolitischen Konferenz „re:publica 07 – Leben im Netz“ in Berlin vom 11. bis 13. April 2007. Stasi 2.0 dient dabei als Protest-Tagging, um die „Opposition gegen die umfassende Datenspeicherung“ fortzuführen. Im Mittelpunkt des Protestes stehen die innenpolitischen Forderungen des Innenministers Wolfgang Schäuble. Als Logo dieser Protestbewegung dient die sogenannte „Schäuble-Schablone“.[1]Über den Begriff wurde auch in konventionellen Massenmedien wie der Tagesschau[2] und in einer Beilage der Süddeutsche Zeitung[3] berichtet.

Aktion Stasi 2.0 - Der Staat weiss jetzt alles

Protest gegen die Sicherheitspolitik des Innenministeriums

Der Begriff bezieht sich vor allem auf die der deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seinem Vorgänger Otto Schily (SPD) vertretene Sicherheitspolitik – insbesondere auf die diskutierten und teilweise bereits praktizierten Überwachungsmaßnahmen Onlinedurchsuchungen und Vorratsdatenspeicherung, aber auch auf nicht technisch bedingte Maßnahmen wie zum Beispiel die bereits zuvor von der Staatssicherheit der DDR bekannte Sammlung von Körpergeruchsproben und dem Unterbindungsgewahrsam von Globalisierungskritikern vor und während dem G8-Gipfel in Heiligendamm.[4]

Kurz nachdem der Begriff entstanden war, äußerten sich Aktivisten vor dem Berliner Reichstagsgebäude im Rahmen einer Kunstaktion unter dem Motto Stasi 2.0 – Der Staat weiß jetzt alles[5] besorgt, während das Kabinett des Bundestages am 18. April 2007 den Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung beschloss. Mittels großformatiger Schilder wurden dabei symbolisch sensible Informationen der Bürger preisgegeben und auf mögliche Folgen der Vorratsdatenspeicherung aufmerksam gemacht.[6]

Symbol der Protestbewegung

Datei:Stasi 2.0 Stencil.jpg
„Stasi 2.0“-Stencil

Ein von dem Weblog dataloo veröffentlichtes Motiv [7] in Form einer Sprühschablone mit dem Begriff Stasi 2.0 und dem Konterfei von Wolfgang Schäuble entwickelte sich unter dem Namen „Schäublone“ zum Logo der Protestbewegung. Mittlerweile existiert auch ein entsprechendes als „Platterone“ bezeichnetes Motiv mit dem Innenminister Österreichs Günther Platter. Außerdem wurden 19 weitere Politikerportraits veröffentlicht.[8] Dieses Logo wird bei Demonstrationen gegen staatliche Überwachungsmaßnahmen eingesetzt, wie beispielsweise bei den politischen Kunstaktionen des Chaos Computer Club[9] einem Aktionstag anlässlich des Besuches von Herrn Schäuble in Bremen[10], oder einer Protestaktion auf der Internationalen Funkausstellung Berlin, 2007, vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung[11]. Das Motiv findet zunehmende Verbreitung als gesprühte Schablonenkunst (Stencil) oder Aufkleber (Sticker) im öffentlichen Raum zahlreicher Städte (Streetart).[12] und existiert dort auch in mehreren weiterentwickelten Varianten[13].

Trotz Bedenken seiner Rechtsabteilung gegen das Motiv übernahm der Leipziger Onlineservice Spreadshirt nach zuvoriger Ablehnung doch die Produktion und den Versand von T-Shirts mit dem Motiv der „Schäublone“. Spreadshirt-Gründer und CEO Lukasz Gadowski setzte sich nachhaltig für den Druck ein: Ich respektiere Schäuble und habe Verständnis für die sensible Sicherheitslage. Aber mit Satire müssen Politiker einfach rechnen.[14] Der Versand spendete bis Ende Juni 2007 pro verkauftem Shirt fünf Euro an den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung wobei insgesamt über 11.000 Euro zusammenkamen.[15]

Ende August wurde ein Autofahrer der das Motiv sichtbar mit sich führte von der Polizei wegen Beleidigung angezeigt, das Bild beschlagnahmt und der Fall an die Münchner Staatsanwaltschaft weitergeleitet.[16]

Kritik

Kritiker betrachten die Bezeichnung als unangemessene Überspitzung und unzulässige Verharmlosung des Ursprungsbegriffs „Stasi“, auch im Hinblick auf deren Opfer, weshalb er im Sprachgebrauch eines Teils der Gegner staatlicher Überwachung wie z. B. Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen nicht verwendet wird.

Andere Kritiker sehen die Kritik zu sehr auf Politiker fixiert. Dabei würde die der Politik zugrunde liegende Kontrollmentalität in der Gesellschaft nicht berücksichtigt werden. Demnach gebe es nicht nur die Interessen des Staates nach Kontrolle, sondern auch eine „Blockwart“-Mentalität innerhalb der Gesellschaft.[17] Geraten wird, die Gründe für diese Mentalität näher zu analysieren: „Wer in der Zeitung über seine Nachbarn lesen will, was sie für sexuelle Gepflogenheiten haben oder wie gemeinschaftsfeindlich sie sich der unkorrekten Mülltrennung schuldig machen, der hat wenig Skrupel, was einen starken, schützenden Staat angeht.“ [17] Zu einer kritischen Betrachtung gehöre auch die Frage, welche Maßnahmen besonders wenig Beachtung in der Gesellschaft erfahren. So sei der Bundesgrenzschutz geräuschlos vom „kleinen Bundesgrenzschutze zur riesigen Bundespolizei“ erweitert worden. Angesprochen wird dabei die Mentalität in der Gesellschaft gegenüber „Fremden“ und „Minderheiten“, wie Einwanderer.[17]

Des Weiteren drohe die Verharmlosung verfassungsfeindlicher Ideologien, wie politischen und religiösen Extremismen, die sich selbst als „Opfer“ der Verfassungsschutzes darstellten und sich so das Image unterdrückter „Widerstandskämpfer“ gäben.

Commons: Stasi 2.0 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. re:publica: Vom Kalklagern zum Sprengen, heise online 13.4.07
  2. Kreative Überwachungsgegner im Netz, Tageschau.de Fiete Stegers v. 3.7.2007 [1]
  3. http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/378419
  4. Schäuble und die Schnüffelpolizei, heise online Florian Rötzer 23.05.2007 [2]
  5. Bericht und Pressemitteilung der Kunstaktion „Stasi 2.0 – Der Staat weiß jetzt alles“
  6. Filmbeitrag der Märkischen Allgemeinen
  7. "Schäublone", Originalmotiv auf dataloo.de
  8. agitprop-font
  9. STASI 2.0 Aktion am Brill
  10. Aktionstag anlässlich des Besuches von Bundesinnenminister W. Schäuble in Bremen
  11. Anti-Schäuble Aktion auf der IFA
  12. Stasi 2.0 – Schäuble-Portrait in der Streetart
  13. Verschiedene Stasi 2.0-Stencils
  14. Vorwahl der anderen – Spreadshirt spendet Datenschützern
  15. Stasi 2.0-Shirt-Spendenaktion bringt über 11.000 Euro netzpolitik.org
  16. Schäublone auf dem Auto - Thomas im Visier der bayerischen Polizei
  17. a b c http://jungle-world.com/seiten/2007/36/10552.php