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Willy Brandt

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Willy Brandt (* 18. Dezember 1913 in Lübeck; † 8. Oktober 1992 in Unkel am Rhein; ursprünglich Herbert Ernst Karl Frahm) war ein deutscher sozialdemokratischer Politiker.

 
Datei:Muenze 2dm brandt.jpg
Rückseite 2 DM-Münze: Willy Brandt

Von 1957 bis 1966 war er Regierender Bürgermeister von Berlin, von 1966 bis 1969 Bundesminister des Auswärtigen und Stellvertreter des Bundeskanzlers sowie von 1969 bis 1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Für seine Ostpolitik, die auf Entspannung mit den osteuropäischen Staaten ausgerichtet war, erhielt er am 10. Dezember 1971 den Friedensnobelpreis.

Leben

Willy Brandt ist Sohn von Martha Frahm und John Möller. Seinen Vater lernte er nie kennen; er wuchs bei seiner Mutter und seinem Großvater auf.

Brandt war von 1941 bis 1948 mit Carlotta Thorkildsen verheiratet und hatte mit ihr die gemeinsame Tochter Ninja (*1940). Nach der Scheidung heiratete er noch 1948 die verwitwete Rut Bergaust, geborene Hansen. Aus dieser Beziehung gingen drei Söhne hervor, Peter (*1948), Lars (*1951) und Matthias (*1961). Nach 32 Jahren Ehe ließen sich Rut und Willy Brandt 1980 scheiden. 1983 heiratete Brandt die Historikerin und Publizistin Brigitte Seebacher (*1946).

Brandt trat 1929 der sozialistischen Jugend und ein Jahr später der SPD bei. Ein Jahr später 1931 wechselte er jedoch zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), einer linkssozialistischen Splittergruppe.

1932 machte er das Abitur am Johanneum in Lübeck. Nach Hitlers Machtübernahme 1933 wurde die SAP verboten. Die Partei beschloss, im Untergrund gegen die Nationalsozialisten zu kämpfen. Willy Brandt wurde beauftragt, in Oslo eine Zelle der Organisation aufzubauen. Er emmigrierte über Dänemark nach Norwegen.

Er legte sich 1934 den Decknamen Willy Brandt zu, den er 1947 auch offiziell übernahm.

Unter dem Decknamen Gunnar Gaasland kehrte er für den Zeitraum zwischen September und Dezember 1936 als Student wieder nach Deutschland zurück und war danach 1937 als Kriegsberichterstatter im spanischen Bürgerkrieg tätig.

1938 erfolgte die Ausbürgerung durch die nationalsozialistische Regierung, weshalb er sich um die norwegische Staatsbürgerschaft bemühte. Während der deutschen Besetzung Norwegens im 2. Weltkrieg geriet er 1940 vorübergehend in deutsche Gefangenschaft. Da er aber bei seiner Ergreifung eine norwegische Uniform trug und auch nicht enttarnt wurde, konnte er nach seiner baldigen Freilassung nach Schweden fliehen. Im August 1940 wurde ihm die norwegische Staatsbürgerschaft von der Botschaft in Stockholm zugesprochen. Er blieb in Stockholm bis zum Ende des Krieges.

1945 kehrte Brandt als Korrespondent für skandinavische Zeitungen nach Deutschland zurück und wurde 1948 wieder deutscher Staatsbürger. 1949 ließ er sich seinen Decknamen Willy Brandt als offiziellen Namen vom Polizeipräsidium Berlin anerkennen.

politische Karriere

Seine politische Karriere begann 1949 als Berliner Abgeordneter für die SPD im ersten Deutschen Bundestag. Insgesamt gehörte Brandt dem Bundestag von 1949 bis 1957, von 1961 bis zum 27. Dezember 1961 und von 1969 bis zu seinem Tode, also 31 Jahre lang, an. 1950 wurde er auch Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er legte dieses Mandat erst am 6. April 1971, also knapp zwei Jahre nach seiner Wahl zum Bundeskanzler, nieder. 1955 wurde er in der Nachfolge Otto Suhrs Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses. 1957 wurde er dann, wieder in der Nachfolge Otto Suhrs, zum Regierenden Bürgermeister gewählt, ein Amt, das er bis 1966 innehatte.

In diesem Amt erlangte Brandt auf Grund seines entschlossenen Handelns während des Chruschtschow-Ultimatums (1958) und nach dem Mauerbau 1961 eine enorme Popularität. Vom 1. November 1957 bis zum 31. Oktober 1958 war Brandt Bundesratspräsident.

Von 1958 bis 1963 war er auch Landesvorsitzender der SPD Berlins. Bei der Bundestagswahl 1961 trat Brandt erstmals als Kanzlerkandidat seiner Partei gegen Konrad Adenauer an. Die SPD legte zwar deutlich zu, zur Regierungsübernahme reichte es jedoch noch nicht. 1964 übernahm er dann den Bundesvorsitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, den er bis 1987 innehatte. Er trat so die Nachfolge des verstorbenen Erich Ollenhauer an.

Ebenso unterlag er bei der Bundestagswahl 1965 Bundeskanzler Erhard.

Nach dessen Rücktritt 1966 wurde Kurt Georg Kiesinger CDU zum Bundeskanzler gewählt, der eine Große Koalition mit der SPD bildete.

Brandt übernahm das Amt des Außenministers und Vizekanzlers.

Bundeskanzler

Nach der Bundestagswahl 1969 wählte der Bundestag Brandt zum vierten Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Willy Brandt bildete eine Koalition mit der FDP, dem Umstand, dass die sozialliberale Koalition lediglich über eine Mehrheit von nur sechs Stimmen verfügte, zum Trotz. Vizekanzler und Außenminister wurde Walter Scheel (FDP).

Brandts Amtszeit ist verbunden mit dem Stichwort der Ostpolitik, die den kalten Krieg unter der Losung "Wandel durch Annäherung" abmindern und die Berliner Mauer durchlässiger machen sollte.

Der Kniefall von Warschau (1970) am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 leitete symbolisch die Entspannungspolitik ein, die in den so genannten Ostverträgen mit Polen und der Sowjetunion mündete. Hinzu kamen später der Grundlagenvertrag mit der DDR und ein Abkommen mit der Tschechoslowakei. Dafür erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis.

Mit dieser so genannten "Neuen Ostpolitik", die Willy Brandt gemeinsam mit Walter Scheel gegen den entschiedenen Widerstand der Mehrheit der CDU/CSU-Opposition durchsetzte, bemühte er sich um eine „Entspannung in Europa“.

Die Geschichts- und Politikwissenschaft sieht darin heute eine Wegbereitung für den Zusammenbruch der kommunistischen Regierungen in Osteuropa und die Wiedervereinigung Deutschlands. Seinerzeit wurde ihm von konservativer Seite vorgeworfen, damit eine unnötige Anerkennung der DDR betrieben zu haben. Sie sahen die Entspannungspolitik nicht als Weg zum Zusammenbruch der Staaten des Ostblocks, sondern konstatieren im Ergebnis einzig eine Aufwertung der dortigen Regierungen.

Gleichzeitig ging es ihm um innenpolitische Reformen in der Sozial-, Bildungs- und Rechtspolitik. "Mehr Demokratie wagen" war das Motto, mit dem Brandt die innenpolitische Stagnation der Nachkriegszeit überwinden wollte. Auch aufgrund der Ölkrise von 1973 in Folge des Israelisch-Arabischen Jom-Kippur-Krieges sind diese Reformen nur teilweise realisiert worden.

Datei:Willy Brandt und Nixon.jpg
Willy Brandt und Richard Nixon

Seit Amtsantritt der Regierung Brandt hatten bis zum Jahr 1972 so viele Abgeordnete der SPD und der FDP zur Unionsfraktion gewechselt, darunter der ehemalige Bundesminister Erich Mende, dass der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel im April 1972 sich sicher glaubte, Willy Brandt mittels eines konstruktiven Mißtrauensvotums ablösen zu können, da die CDU/CSU-Fraktion infolge der Fraktionswechsel rechnerisch über eine knappe absolute Mehrheit verfügte. Für seine Wahl zum Bundeskanzler fehlten ihm bei der Abstimmung jedoch zwei Stimmen. Später wurde bekannt, dass die DDR mindestens einen Abgeordneten der CDU bestochen hatte. Da allerdings auch die SPD/FDP-Koalition im Bundestag über keine handlungsfähige Mehrheit mehr verfügte, stellte Brandt im September 1972 die Vertrauensfrage, bei welcher sich absprachegemäß die Bundesminister enthielten, so dass die Vertrauensfrage negativ beantwortet wurde und Bundespräsident Gustav Heinemann auf Antrag Brandts den Bundestag auflöste.

Bei den nun stattfindenden Neuwahlen im November 1972 wurde die Regierung Brandt eindeutig bestätigt und verfügte nunmehr über eine handlungsfähige breite Mehrheit im Bundestag. Die SPD wurde mit 45,8 % der Stimmen erstmals stärkste Bundestagsfraktion, ein Ergebnis, das auch im Ausland als Volksabstimmung über die Ostverträge verstanden wurde, für deren parlamentarische Ratifizierung jetzt der Weg frei war.

Am 6. Mai 1974 trat Brandt – für die Öffentlichkeit überraschend – aufgrund der Spionage-Affäre um seinen persönlichen Referenten Günter Guillaume als Bundeskanzler zurück.

Politische Beobachter sind sich jedoch einig, dass die Agentenaffäre nur der Auslöser für den geplanten Rücktritt war. Als tatsächliche Ursache für den Rücktritt werden allgemein Amtsmüdigkeit und Depressionen Brandts angenommen, die auch parteiintern zu Kritik an seinem unentschlossenen Führungsstil führte. So sorgte der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner während eines Moskaubesuchs im Sommer 1973 für Aufsehen, als er zu Journalisten sagte: "Der Bundeskanzler badet gerne lau".

Zum Nachfolger Brandts als Bundeskanzler wurde Helmut Schmidt gewählt, Willy Brandt selbst blieb aber Vorsitzender der SPD, diese Ämtertrennung bezeichnete Schmidt später als Fehler.

nach dem Rücktritt als Bundeskanzler

1976 wurde Brandt Präsident der Sozialistischen Internationale (bis 1992), 1979 Mitglied des Europäischen Parlaments (bis zum 1. März 1983). 1987 trat er vom Parteivorsitz der SPD zurück, nachdem an seiner Nominierung von Margarita Matthiopoulos als Kandidatin für das neuzubesetzende Amt der Parteisprecherin harsche parteiinterne Kritik geäußert wurde.

Auf dem außerordentlichem Parteitag am 14. Juni 1987 wurde Brandt zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit gewählt; zu seinem Nachfolger als Parteivorsitzender wurde Hans-Jochen Vogel gewählt.

Brandt gehörte weiterhin dem Bundestag an und eröffnete nach der Bundestagswahl 1987 als Alterspräsident den Bundestag, nachdem er bereits 1983 zweitältester Bundestagsabgeordneter nach seinem Parteifreund Egon Franke gewesen war und ihm dieser den Vortritt bei der Eröffnung gelassen hatte. Den ersten gesamtdeutschen Bundestag eröffnete Brandt 1990 ebenfalls als Alterspräsident. Mit dem Erreichen der Deutschen Einheit ging für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung.

1991 wurde bei ihm Darmkrebs diagnostiziert, dessen Stadium bereits weit fortgeschritten war.

Willy Brandt starb 1992 am 8. Oktober in Unkel. Am 17. Oktober 1992 gedenkt der Bundestag ihm in einem Staatsakt. Er ist Ehrenbürger der Stadt Lübeck sowie von Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Potsdamer Chaussee im Bezirk Zehlendorf neben dem seines Vorgängers Ernst Reuter.

Zitat über ihn

Willy Brandts Leben ist ein deutsches Schicksal dieses Jahrhunderts. Ein Leben voller Risiken der Existenz, geprägt von gutem Gelingen, harten Rückschlägen und neuen Ufern. Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D.

Zitate

  • "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört." (Wiedervereinigung)
  • "Berlin wird leben und die Mauer wird fallen!" (Sommer 1989)
  • "Macht das Tor auf!"
  • "Arbeit ist der Umweg zu allen Genüssen."
  • "Für mich war und ist Europa ohne den Osten ein Torso."
  • "Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden."
  • "Zu oft mit der Faust auf den Tisch schlagen, bekommt der Faust schlechter als dem Tisch."
  • "Krieg - ultima irratio."
  • "Wer nur vier oder fünf Flaschen Wein im Keller hat, hat relativ wenig, wer aber vier oder fünf Flaschen im Kabinett hat, hat relativ viel."
  • "Die Demokratie darf nicht so weit gehen, dass in der Familie darüber abgestimmt wird, wer Vater ist."
  • "Nicht der Krieg, der Frieden ist Vater aller Dinge."
  • "Man kann nie so kompliziert denken, wie es plötzlich kommt."
  • "Sozialismus ohne Hoffnung ist wie Kirche ohne Glauben."

Werke

  • Mein Weg nach Berlin, Kindler Verlag, München 1960.
  • Friedenspolitik in Europa, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1968.
  • Begegnungen und Einsichten 1960-1975, Hoffmann und Campe, Hamburg 1976. ISBN 3-455-08979-8
  • Erinnerungen, Propyläen Verlag, Frankfurt am Main 1989. ISBN 3-549-07353-4

siehe auch

Literatur

  • Mathiopoulos, Margarita und Darchinger, Jupp: Willy Brandt, Bilder aus dem Leben eines großen Europäers, Droemer Knaur, München 1993. ISBN 3-426-26745-4
  • Merseburger, Peter: Willy Brandt, 1913-1992. Visionär und Realist, DVA, Stuttgart 2002. ISBN 3-423-34097-5
  • Schöllgen, Gregor: Willy Brandt. Die Biographie, Propyläen Verlag, Berlin 2001. ISBN 3-549-07142-6
  • Rut Brandt: Freundesland - Erinnerungen, Hoffmann und Campe, 1992
  • Seebacher-Brandt, Brigitte: Willy Brandt, Piper Verlag, 2004. ISBN 3-492-04383-6

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