Nationalanarchismus
Als Nationalanarchismus bezeichnen einige rechtsextreme Einzelpersonen ihr nationalrevolutionären Aktivitäten und Weltanschauungen. Der Begriff geht auf den berliner Rechtsextremisten und "selbsternannten Nationalanarchisten" (Telepolis) Peter Töpfer zurück. Mit der Umdeutung des Anarchismus zum Zwecke der Holocaustleugnung und des Geschichtsrevisionismus bedienen sie eine Strategien der Querfront und sind fest im rechtsextremistischen Milieu um die NPD und Neonazi-Kadern der Freie Kameradschaften wie Christian Worch verankert. [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
Die Querfrontstrategie bedient sich des Begriffs "Anarchismus" aus politischen Gründen, die nicht als anarchistische Theorie anerkannt wird (Etikettenschwindel). [8] Seit Beginn der 1990er-Jahre wird eine "subkulturelle Entwicklung zu sogenannten autonomen Nationalisten" innerhalb der Szene der "Freien Kameradschaften" festgestellt. [9]
Ideologie
Töpfer, rechtsextremistischer Aktivist und Initiator des nationalanarchisticher Aktivitäten in Deutschland, bezeichnet in enger Anlehnung an den Nationalbolschewismus seine Ideologie als „anarchistischer Nationalismus“, den er als „brauner Anarchismus“ definiert. [10] Ausgeprägter ist bei den Freien Kameraden der Begriff "Autonome Nationalisten" [11].
Multikulturelle Ideen werden abgelehnt. Eine eher von den Autonomen bekannte Ästhetik (schwarz-rote Fahnen, entsprechende Kleidung, Palästinensertuch) und Jargon wird übernommen und oft mit neonazistischer Symbolik vermischt.[12].
Personen und Publizistik
Der Nationalanarchismus in Deutschland geht zurück auf den Rechtsextremen Peter Töpfer, der auch als Sprecher beziehungsweise als einziger Vertreter der Bewegung in der Öffentlichkeit auftritt. Seit 1995 gab er gemeinsam mit Andreas Röhler im Verlag der Freunde das Blatt Sleipnir heraus, das wegen den Holocaust leugnender Ausführungen und Verdacht auf Volksverhetzung mehrmals beschlagnahmt wurde.[13]
Das Blatt war Forum für Rechtsextreme wie Christian Worch oder Reinhold Oberlercher und Holocaustleugner wie Fred Leuchter, Gerd Honsik oder Germar Rudolf. Zu den Autoren gehörte auch Ingrid Weckert (Grabert Verlag), die die von Michael Kühnen begründete Antizionistische Aktion in München leitete. [14] Um derartige Beiträge als seriös darzustellen, wurde versucht, auch Beiträge linker Autoren in das Blatt "zu schummeln".[15] [16]: " Er (Töpfer) setzte neben bekannten Rechtsextremen immer wieder ungefragt linke Autoren in das Heft." [17] Betroffen von diesem publizistischen Missbrauch seitens der Holocaustleugner-Szene waren auch prominente Autoren wie Ralph Giordano sowie Hans Magnus Enzensberger, die sich wie der Transit Verlag erfolgreich gegen die unwissentlichen Abdrucke in Sleipnir wehren konnten. Erklärtes Ziel der nationalrevolutionären Blattmacher ist es, unter der Berufung auf die Meinungsfreiheit auch bei Liberalen und Linken Unterstützung für die Publikation von Holocaustleugnern zu erhalten: "Mit Hinweis auf den übergeordneten Wert der Meinungsfreiheit wird die Linke aufgefordert, wahlweise die Leugner des Holocaust selber oder deren Freiheit, die Leugnung des Holocaust zu publizieren, oder auch nur deren Verteidiger zu verteidigen." [18] Töpfer nimmt an Veranstaltungen und Aufmärschen der NPD teil und berichtet im Internet und in Nazipublikationen darüber. Seit 1995 erfolgten bei Töpfer und Röhler mehrfach Hausdurchsuchungen statt, bei denen 2.300 rechtsextremistische Schriften beschlagnahmt werden. Begründet wurden die Durchsuchungen wegen der Leugnung des Holocaust. [19] [20] Aus dem Verlagsbüro, dass sich Töpfer mit der Redaktion der rechtsextremen "Unabhängigen Nachrichten" teilte, beschafften sich auch Antifaschisten Informationen über die Arbeit und Struktur von Sleipnir. [21] [22] Töpfers Hauptbetätigungen verlagerten sich auf das Internet. Die Internetseite seiner Berliner Gruppe warb u.a. für den Gedenkmarsch zum „Bombenholocaust“ am Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden. 2004 gab er die Gründung eines Komitees Freiheit für Horst Mahler und seine Mitangeklagten vom Deutschen Kolleg! bekannt. [23]
Eine enge Zusammenarbeit besteht auch zu Michael Koth von dem „Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS)“, einer weiteren Querfront-Organisation aus dem Umfeld der NPD und extremen Rechten. Gemeinsame Aktivitäten firmierten unter der Bezeichnung Bündnis nationaler linke im nationalen Widerstand und AG Antifaschismus im nationalen Widerstand. [24] [25] Koth ist Vorsitzender der Partei der Arbeit Deutschlands (PdAD), ein Ableger der nordkoreanischen PdAK. [26]
Kritik
Kritiker sehen einen unüberbrückbaren Widerspruch von Anarchismus und Nationalismus: Die anarchistischen Prinzipien (Egalitarismus, Ablehnung von Herrschaft und Zwang) seien mit nationalanarchistischen Sehnsüchten nach ethnischer Homogenität unvereinbar. Die historisch relevante anarchistische Bewegung sei immer multikulturell gewesen und habe sich stets entschieden gegen den Rechtsextremismus und Rassismus gewandt: z. B. im Spanischen Bürgerkrieg 1936.
Nationalanarchismus sei entgegen seinem Selbstverständnis keine Unterströmung des Anarchismus, da sich die angeblich angestrebte Anarchie nur auf Ethnien beziehe. Er sei in Wirklichkeit einfach nur eine Spielart von Rassismus. Es handele sich dabei größtenteils um ein Internet-Phänomen. Vertreter der Strömung seien bereits vorher als Rechtsextreme aufgefallen.[27] Der Nationalanarchismus, d. h. das Begriffskonstrukt, gilt unter Kritikern daher als Werbemaßnahme von Rechts, ähnlich wie der „Sozialismus“ im Nationalsozialismus (siehe auch Querfront).
Quellen
- ↑ Innenministerium NRW: Sleipnir - Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik
- ↑ die tageszeitung v. 2.12.1999
- ↑ Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana – Nr. 5, 1. Quartal 2004 [1]
- ↑ Röpke, Andrea, Speit, Andreas (Hg.) 2004: Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis. Ch.Links, Berlin. Vgl. auch [2]
- ↑ "Blick nach Rechts" Nr.25/26 S.6
- ↑ Ernst Corinth: Vom Punk zum Neonazi? Karl Nagel letztes Gefecht. In: Telepolis. Magazin der Netzkultur (Heise Verlag) - 13.4.2001 [3]
- ↑ Hugin und Munin: Links? Rechts? - Revolutionär! Die nationalrevolutionäre und antisemitische Zeitschrift Sleipnir sucht das Bündnis mit der deutschen Linken. Jungle World v. 10. März 1999 [4]
- ↑ Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana – Nr. 5, 1. Quartal 2004 [5]
- ↑ Röpke, Andrea, Speit, Andreas (Hg.) 2004: Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis. Ch.Links, Berlin. Vgl. auch [6], Siehe auch Verfassungsschutz NRW
- ↑ "Blick nach Rechts" Nr.25/26 S.6
- ↑ [7] # Embleme und Logos extrem rechter Organisationen, in: Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Hrsg.): Versteckspiel. Lifestyl, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen, Berlin 2002, S. 10/11, Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana – Nr. 5, 1. Quartal 2004. Zitat eines "Nationalanarchisten": Wir sind anarchistische Nationalsozialisten, autonome Nazi-Anarchos (P. Töpfer auf nationalanarchismus.org)
- ↑ [8] # Embleme und Logos extrem rechter Organisationen, in: Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Hrsg.): Versteckspiel. Lifestyl, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen, Berlin 2002, S. 10/11, Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana – Nr. 5, 1. Quartal 2004. Zitat eines "Nationalanarchisten": Wir sind anarchistische Nationalsozialisten, autonome Nazi-Anarchos (P. Töpfer auf nationalanarchismus.org)
- ↑ Innenministerium NRW: Sleipnir - Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik
- ↑ Jungle World v. 10. März 1999 [9]
- ↑ Jungle World v. 10. März 1999 [10]
- ↑ Stressfaktor, Februar 2005
- ↑ Stephanie Jürgens: Alter Geist im neuen look. Februar 2005. Berlin. [[11]]
- ↑ Jungle World v. 10. März 1999 [12]
- ↑ Jungle World v. 10. März 1999 [13]
- ↑ Stressfaktor, Februar 2005
- ↑ Stressfaktor, Februar 2005
- ↑ Jungle World v. 10. März 1999 [14]
- ↑ "Blick nach Rechts" Nr.25/26 S.6
- ↑ Stressfaktor, Februar 2005
- ↑ Jungle World v. 10. März 1999 [15]
- ↑ Jungle World v. 10. März 1999 [16]
- ↑ Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! (pdf)
Literatur
- Michael Klarmann: Hitlers Black Blocs. Nazis antiautoritär. Über "autonome Nationalisten". Konkret 9/2007
- Röpke, Andrea, Speit, Andreas (Hg.) 2004: Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis. Ch.Links, Berlin.
- Embleme und Logos extrem rechter Organisationen, in: Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Hrsg.): Versteckspiel. Lifestyl, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen, Berlin 2002, S. 10/11
- Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana – Nr. 5, 1. Quartal 2004 [17]
- Fabian Lemke: Pogo fürs Volk. Selbst Punks und Anarchisten scheinen keine Probleme mehr mit einer rot-braunen Zusammenarbeit zu haben. Jungle World Nr. 40/2002 [18]
- Blick nach Rechts Nr.25/26 S. 6
- Ernst Corinth: Vom Punk zum Neonazi? Karl Nagel letztes Gefecht. In: Telepolis. Magazin der Netzkultur (Heise Verlag) - 13.4.2001 [19]
- Hugin und Munin: Links? Rechts? - Revolutionär! Die nationalrevolutionäre und antisemitische Zeitschrift Sleipnir sucht das Bündnis mit der deutschen Linken. Jungle World v. 10. März 1999 [20]
Weblinks
- Ein Protagonist
- Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana – Nr. 5, 1. Quartal 2004
- Fabian Lemke: Pogo fürs Volk. Selbst Punks und Anarchisten scheinen keine Probleme mehr mit einer rot-braunen Zusammenarbeit zu haben. In: Jungle World Nr. 40/2002