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Walbeobachtung

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Walbeobachtung an der Küste von Bar Harbor, Maine
Große Tümmler (Tursiops truncatus) in der Straße von Gibraltar vor Tarifa

Unter Walbeobachtung / Whale Watching versteht man die Beobachtung von Walen in ihrem natürlichen Lebensraum.

Die Menschen selber, die Wale beobachten, werden entweder als Wal- beziehungsweise Delfinbeobachter oder entsprechend als Whale-Watcher bezeichnet.

Arten der Walbeobachtung

Es werden verschiedene Bootstypen für die Walbeobachtung eingesetzt: Hier ein Schlauchboot (Modell: Zodiac) auf der Passamaquoddy Bay

Whale Watching vom Boot aus ist die häufigste Art, sich den Walen und Delfinen zu nähern - rund 75% der weltweiten Walbeobachtung findet von Booten aus statt. Es gibt weltweit auch eine große Anzahl von Beobachtungspunkten an Land, von denen man sehr gute Beobachtungen machen kann. Der große Vorteil des landgestützten Whale Watching ist, dass es die Tiere in keiner Weise stört.

Eine vergleichsweise exklusive (und teure) Art des Whale Watching ist die Beobachtung vom Flugzeug oder Helikopter aus, dies macht aber weniger als 1 % des Gesamtaufkommens aus. Eine weitere Form des Whale Watching ist das Schwimmen mit Walen oder Delfinen.

Der größte Teil (ca. 70-80%) des heutigen Whale Watching basiert nach wie vor auf der Beobachtung von großen Walen wie Grauwale im Pazifik,Blauwale im Nordatlantik, Glattwale vor Südafrika oder Buckelwale vor Australiens Küste.

Die Beobachtung von Delfinen und anderen kleinen Walen nimmt an Bedeutung zu. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr ortstreue Delfinpopulationen bekannt werden. Außerdem sind solche Populationen in der Regel verlässlicher anzutreffen als wandernde Großwale, was sie für kommerzielle Anbieter besser "erschließbar" macht.

Touristische Entwicklung des Walbeobachtung in neuerer Zeit

Die kommerzielle Walbeobachtung nahm 1955 in Kalifornien ihren Anfang. Bis zum Jahre 1982 gab es, vor allem in den USA und in Kanada, nur zwölf Länder, in denen Walbeobachtungstouren auf dauerhafter Basis angeboten wurden. Aber bereits 1992 wurde in 45 Ländern und Territorien kommerzielle Walbeobachtung angeboten. Die Zahl der Whale Watcher lag zu jenem Zeitpunkt bei 4,5 Millionen. 1995 waren es schon 65 Länder/Territorien und 5,4 Millionen Walbeobachter.

Die letzte umfassende Erhebung des weltweiten Whale Watching-Geschäftes im Jahr 2001 ergab, dass sich die Entwicklung praktisch ungebremst fortgesetzt hat und inzwischen eine mächtige Industrie entstanden ist. Das durchschnittliche weltweite Wachstum hatte sich gegen Ende der 90er Jahre sogar noch leicht erhöht, im Schnitt lag es von 1991-1998 bei 12,1%. (Einzelne Kontinente und Nationen zeigten in bestimmten Jahren Wachstumsraten bis über 200%). Die Branche wuchs damit etwa drei bis vier Mal so schnell wie der Tourismus insgesamt und war (beziehungsweise ist) damit der am schnellsten wachsende Tourismuszweig überhaupt – und ein Ende dieses Aufschwungs ist nicht in Sicht. Die Zahl der Walbeobachter wurde 1998 auf 9 Millionen geschätzt, für 2002 dürfte sie nicht unter 12 Millionen gelegen haben.

Die Anzahl der Länder, in denen heute Whale Watching angeboten wird, ist auf über 87 gestiegen und an rund 500 Orten ist Walbeobachtung möglich. Whale Watching ist inzwischen zu einem weltumspannenden Geschäft mit mehreren Milliarden US-Dollar Einnahmen geworden.


Chancen des Walbeobachtungstourismus

Whale Watching bietet eine Reihe von Möglichkeiten, wie es zu einem verbesserten Schutz der Wale und Delfine beitragen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass die Prinzipien der Nachhaltigkeit eingehalten werden, das heißt die Nutzung der Meeressäuger auch langfristig ökologisch verträglich ist. Die Chancen von Walbeobachtungstourismus sind:

  • Wichtige Einnahmequelle für Küstenorte, –regionen und Nationen
  • Wertvoller Beitrag zur Erhöhung des Umweltbewusstseins (Sensibilisierung)
  • Beitrag zum Wissen beziehungsweise zur wissenschaftlichen Forschung & Schutzbemühungen
  • Direkte Erfahrung kann "Herzen bewegen" und zu Verhaltensänderungen führen
  • Alternative zu Delfinarien: "So sind Wale und Delfine wirklich"
  • Beitrag zum positiven (touristischen) Image von Orten, Regionen (Nationen)

Auswirkungen des Walbeobachtungstourismus auf Wale und Delfine

Kurzfristigen Auswirkungen (engl.: short-term effects) sind alle jene Effekte, die unmittelbar auftreten und somit prinzipiell beobachtbar sind.

  • Veränderungen des Verhaltens der Tiere, zum Beispiel Änderung der Schwimmgeschwindigkeit oder –richtung, verlängerte Tauchzeiten, und so weiter
  • Tiere einer Gruppe können durch Boote voneinander getrennt werden (vor allem Mütter von ihren Jungtieren)
  • Jedes Boot mit Motor ist auch ein akustischer Störfaktor, der unter Wasser ausgesendete Schall kann schnell zu einer Beeinträchtigung der Kommunikation der Tiere untereinander führen
  • Gefahr von Kollisionen zwischen Schiffen und Walen & Gefahr von Verletzungen durch Schiffschrauben
  • Eventuelle Übertragung von Krankheiten vom Menschen auf die Tiere (besonders beim Schwimmen mit Delfinen)

Jegliche überzogene Darstellung der Tiere im Vorfeld einer Tour führt zu bestimmten Erwartungen bei den Touristen. Diese Erwartungen erzeugen Druck auf den jeweiligen Anbieter, diese Erwartungen auch zu erfüllen. Das wiederum führt häufig zu einem rücksichtslosen Verhalten gegenüber den Tieren (zum Beispiel die Nichteinhaltung von Mindestabständen).

Langfristige Auswirkungen (engl.: long-term effects) zeigen sich erst über längere Zeiträume – manchmal erst nach Jahren oder Jahrzehnten. Sie sind wissenschaftlich sehr schwer zu erfassen, daher sind solche Effekte am besten durch vorbeugende Maßnahmen zu vermeiden.

  • Andauernde Bedrängung und/oder Lärm führt zu Stress
  • Stress führt zu erhöhter Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Infektionen
  • Verringerung der Reproduktionsrate
  • Rückgang von Populationen
  • Verschiebung ihres Verhaltensspektrums (zum Beispiel durch eingeschränkte Möglichkeit zu Nahrungssuche oder Ruhephasen)
  • Populationen verlagern ihren Lebensraum oder wandern ab

Gesetzliche Bestimmungen

Die Zahl der Länder, die Gesetze für die Walbeobachtung erlassen haben beziehungsweise an deren Einführung arbeiten, nimmt stetig zu. Jedoch gibt es selbst in Mitteleuropa noch einige Nationen ohne solche Bestimmungen. Internationale verbindliche Vorschriften gibt es noch nicht. Weder die EU noch andere multinationale Organisationen haben sich bisher eingehend mit dem Thema beschäftigt. Die Einführung von Whale Watching-Gesetzen unterliegt bisher prinzipiell nationaler, oft sogar bundesstaatlicher oder territorialer Autorität. Dementsprechend vielgestaltig sind die einzelnen Gesetzestexte. Allerdings gibt es einige charakteristische Regeln wie zum Beispiel die Einhaltung eines Mindestabstandes (typischerweise 100m), eine maximale Anzahl von Booten (typischerweise höchstens drei Boote im Umkreis von 300 Metern der Tiere), eine Höchstdauer der Begegnungen (zum Beispiel höchstens 30 Minuten), die Verpflichtung zu einer niedrigen Geschwindigkeit, das Verbot von abrupten Richtungs- und Geschwindigkeitsänderungen und dergleichen. In einigen Ländern ist es mittlerweile auch verboten, mit Cetaceen zu schwimmen.

Wo gesetzliche Vorschriften eingeführt wurden, gibt es meist ein Lizenzierungsverfahren für Anbieter. Labels beziehungsweise Logos können der Erkennung autorisierter Anbieter dienen, etwa in Form einer Fahne oder einem Aufdruck auf dem Rumpf. Gute gesetzliche Vorschriften erkennt man außerdem daran, dass die Anbieter einen gewissen Prozentsatz der Einnahmen in spezielle Fonds abführen, aus denen wissenschaftliche Forschungen und öffentliche Bildung oder die Unterhaltung von Besucherzentren finanziert werden.

Es gibt immer noch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Whale Watching an einigen Orten keinerlei Beschränkungen unterliegt. Da die Durchsetzung der Gesetze ein langwieriger und schwieriger Prozess ist, kann durch die rapide Entwicklung der Branche die Situation entstehen, dass die Regulierung mühsam hinterherhinkt, wie zum Beispiel auf Teneriffa (Kanarische Inseln).

Einen guten Anbieter erkennt man im Zweifelsfalle daran, dass er eine Selbstverpflichtung (oder Code of ethics) verfolgt, egal ob es in dem jeweiligen Land Gesetze zur Regulierung des Walbeobachtungstourismus gibt oder nicht.

Mögliche Maßnahmen

  • Begrenzung der Anzahl von Whale Watching-Booten und die Anzahl der Anbieter
  • Betreiber müssten über ein Lizenzierungsverfahren den hohen Standard ihrer Touren unter Beweis stellen, bevor sie zum Whale Watching zugelassen würden. Gezielte Aufklärung und Information der Whale Watching Gäste und die Einbindung wissenschaftlicher Forschung wären hier die maßgeblichen Kriterien.
  • Geschwindigkeitsbegrenzungen für den Schiffsverkehr
  • Einführung eines allgemein gültigen Verhaltenskodex für Whale Watching-Boote und private Nutzer gleichermaßen
  • Abgabe eines bestimmten Prozentsatzes des Tourenpreises zur Finanzierung von Forschung und Öffentlichkeitsarbeit
  • Durchsetzung durch Überwachung der Aktivitäten von der Küste aus sowie durch Kontrollboote und Inkognito-Beobachter (dies wird zum Beispiel in Neuseeland bereits mit Erfolg durchgeführt)
  • Verpflichtung zur turnusmäßigen Erneuerung der Lizenzen trüge dazu bei, dass die Anbieter immer den neuesten Stand des Wissens vermitteln und den Qualitätsstandard der Touren hoch halten.
  • Aktivitäten, die innerhalb solchen Gebieten verboten werden sollten: Hochseeangeln und der Einsatz von Jetskis, Wasserskis und ähnliche Funsportarten. Der Einsatz von Schnellfähren ist ebenfalls unvereinbar mit einem entsprechenden Schutzstatus.

Wichtig ist außerdem, die einheimische Bevölkerung ausreichend aufzuklären und in den Prozess einzubinden. Nur wenn die Menschen, die mit den Meeressäugern den Lebensraum teilen, davon überzeugt sind, dass sich Schutzmaßnahmen auch auf lange Sicht auszahlen, wird ein Schutzgebiet Erfolg haben.

Orte für Walbeobachtung

Quellen und Literatur zum Thema

  • Carwardine, M. (1996): Wale und Delphine. Erlebte Unterwasserwelt. Verlag Delius Klasing, Bielefeld. Das beste Bestimmungsbuch auf dem Markt.
  • Carwardine, M.; Hoyt, E.; Ewan Fordyce, R.; Gill, P. (2000): Wale, Delphine & Tümmler. Könemann, Köln. Sehr ausführlich und informativ.
  • Carwardine, M. (2003): Wale und Delfine in europäischen Gewässern. Beobachten, bestimmen, erleben. Delius Klasing, Edition Naglschmid, Bielefeld. Whale Watching in Europa; mit Beschreibung aller in europäischen Gewässern vorkommenden Arten.
  • Frey, Silvia (2003): Whale Watching – verantwortungsvoll und behutsam. Bericht der ASMS, Schweiz.
  • Gill, P. & Burke, C. (1999): Whale Watching in Australian and New Zealand Waters. New Holland Publ., Sydney.
  • Hoyt, E. 2001. Whale Watching 2001: Worldwide tourism numbers, expenditures, and expanding socioeconomic benefits. International Fund for Animal Welfare. Yarmouth Port, MA, USA. pp. i-vi, 1-158.
  • Hoyt, E. (2003): Walbeobachtung in Europa. Ratgeber der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS). Mit wertvollen Hinweisen zu den meisten europäischen Whale Watching-Anbietern. Sehr empfehlenswert.
  • IFAW, Tethys Research Institute & Europe Conservation (1995). Report of the workshop on the scientific aspects of whale watching. Montecastello di Vibio, Italy. 30 March - 4 April 1995, 45 pp.
  • Ritter, F. (2004): Wale beobachten - Ein Leitfaden zum sanften Whale Watching in Europa und Übersee. Conrad Stein Verlag, Outdoor Handbuch, Band 25.
  • Ritter, F. (2003): Interactions of Cetaceans with Whale Watching Boats – Implications for the Management of Whale Watching Tourism. M.E.E.R. e.V., Berlin. Umfassender Forschungsbericht, zu den Forschungen des M.E.E.R. e.V..