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Hippokrates von Kos

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Hippokrates

Hippokrates von Kós (*um 460 v. Chr. auf der griechischen Ägäisinsel Kós; † um 375 v. Chr. in Larissa, Thessalien) war der berühmteste Arzt des Altertums und ein Zeitgenosse Platons; seine Lebenshöhe erreichte er zur Zeit des peloponnesischen Krieges.
H. stammte aus dem Geschlecht der Asklepiaden, die sich selbst auf den Heilgott Asklepios zurückführten; die Eltern hießen Heraklides und Phänarete. Nach seinem Vater lehrte ihn u.a. auch Herodikos von Selymbria und der Philosoph Demokrit von Abdera. Offenbar reiste H. als wandernder Arzt viel und weit durch Griechenland und Kleinasien. Er leistete einen großen Beitrag zur koischen Ärzteschule (siehe unten).

H. wurde schon zu Lebzeiten hochverehrt; koische Bronzemünzen aus der frühen Kaiserzeit tragen sein Bildnis. Seine Söhne Drakon und Thessalos, sowie sein Schwiegersohn Polybos führten die Familientradition fort. Er gilt als Begründer der Medizin als Wissenschaft, insbesondere der rational-empirischen Schulmedizin.
Im 2. Jh.n.Chr. kam es zu einer H.-Renaissance, zu dessen Weiterentwicklung und Krönung Galen entscheidend beitrug.


Corpus Hippocraticum

Seinen Namen tragen mindestens 60 Schriften, die als Corpus Hippocraticum bekannt sind. Das Entstehungsdatum dieser Schriften reicht vom 4. Jh.v.Chr. bis zum 1. Jh.n.Chr. Welche davon H. selbst verfasst hat, ist weitgehend unbekannt. Die Person H. wäre jedoch rein legendär, wenn man nicht davon ausgeht, dass er wenigstens Autor der Schriften Epidemien I, III und VII sowie des Prognostikon ist. Eventuell können ihm auch die Schriften Über die heilige Krankheit und das Traktat Über die Umwelt zugeschrieben werden; De fracturis/De articulis (chirurgischen Abhandlungen) dürften im Umfeld des H. entstanden sein.
"Adressaten der hippokratischen Schriften sind teils Ärzte, teils medizinische Laien. Manche Schriften haben aufklärerischen und polemischen Charakter, andere geben in knapper, listenartiger Form Therapieanweisungen, einige sind Aufzeichnungen von Krankengeschichten, wieder andere sollen dem Artz beim Erstellen von Prognosen helfen[; ...]." 1) Allen Texten des Corpus Hippocraticum ist der ionische Dialekt sowie das allgemeine Bestreben um eine Medizin, die auf der vernunftgemäßen Naturbeobachtung basiert, gemeinsam.


Ärzteschulen

Die koische und die knidische Ärzteschule unterschieden sich in ihrer Grundkonzeption: Die Koer gingen von einer Allgemeinerkrankung mit individuellen Abwandlungen aus, die Knidier von lokalisierbaren Einzelerkrankungen; sie waren viel therapiefreudiger, auch in operativ-chirurgischer Hinsicht als die Koer. Alte knidische Bestandteile im Corpus Hippocraticum kann man sich nur mit der Annahme einer koischen Schulbibliothek erklären, unter deren anziehende Wirkung auch Schriften der Nachbarinsel hineingerieten.

Die koische Schule wendete sich von den überkommenen magisch-religiösen Vorstellungen (vgl. Schamanismus) radikal ab und erklärt die Krankheiten naturphilosophisch, nämlich aus dem Ungleichgewicht der vier Körpersäfte (Blut, Schleim, rote und schwarze Galle). Die Beschränkung auf genau vier Kardinalsäfte rührt von der Elementlehre der vorsokratischen Naturphilosophie. Die Symptome werden nicht durch übernatürliche Ursachen hervorgerufen, sondern sie dokumentieren das Bestreben des Körpers, kranke Säfte unschädlich zu machen und auszustoßen. Dies kann der Arzt durch Lebensumstellung, Diät, Arzneimittel und operative Eingriffe unterstützen. Aus der hippokratischen Säftelehre waren zahllose Behandlungsmaßnahmen begründet, insbesondere die bis in die frühe Neuzeit übliche Anwendung von Aderlässen, Schröpfköpfen und Abführmitteln. Auch die Temperamentenlehre mit ihrer Unterscheidung in Melancholiker, Choleriker, Sanguiniker und Phlegmatiker geht darauf zurück.

Dass die pathologischen Vorstellungen der Hippokratiker heute nur noch historischen Wert haben, mindert die Anerkennung der Ärzteschule von Kós durch ihre heutigen Fachkollegen nicht. Hippokrates forderte vom Arzt körperliche und geistige Hygiene, persönliche Integrität, Vorsicht, Empathie und analytisches Denken. Die hippokratische Lehre, ein Arzt habe sich auf sorgfältige Beobachtung, Befragung und Untersuchung zu stützen und seine Diagnose und Therapie systematisch zu erarbeiten, mutet recht aktuell an (vgl. Evidenzbasierte Medizin). Die Wertschätzung der Anamnese (Vorgeschichte), der Lebensumstände und seelischen Situation des Patienten wird von der modernen Medizin uneingeschränkt fortgesetzt.


Eid des Hippokrates

Es ist umstritten, ob der Eid des Hippokrates - ein erstes sittliches Grundgesetz des Arztberufes - von Hippokrates selbst stammt.




Quellenangaben

1) Carolin M. Oser-Grote: „Aristoteles und das Corpus Hippocraticum“; Stuttgart, 2004, Franz Steiner Verlag Stuttgart; S. 20.


  • Hippokrates: „Der Wahre Arzt“, Übertragung von Wilhelm Capelle mit einem Essay von Karl Jaspers; 1959, Artemis Verlags-AG Zürich und Stuttgart.
  • Deichgräber, Karl: „Medicus gratiosus. Untersuchungen zu einem griechischen Arztbild. Mit dem Anhang Testamentum Hippocratis und Rhazes' De indulgentia medici “; Mainz, 1970, Franz Steiner Verlag Wiesbaden.
  • Deichgräber, Karl: „Hippokrates' De humoribus in der Geschichte der griechischen Medizin“; Mainz, 1972, Franz Steiner Verlag Wiesbaden.
  • Deichgräber, Karl: „Die Patienten des Hippokrates. Historisch-prosopographische Beiträge zu den Epidemien des Corpus Hippocraticum“; Mainz, 1982, Franz Steiner Verlag Wiesbaden.
  • Müri, Walter: „Der Arzt im Altertum. Griechische und lateinische Quellenstücke von Hippokrates bis Galen mit der Übertragung ins Deutsche“; 5. Aufl., 1986, Artemis Verlag München und Zürich.