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Nationalanarchismus

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Als Nationalanarchismus bezeichnen einige kleine rechtsextreme Gruppen ihre Weltanschauung. Sie verbinden darin politische Zielvorstellungen von „Nationalismus“ und „Anarchismus“, die sonst meist als unvereinbarer Gegensatz verstanden werden.

Diese Verbindung ist sowohl bei Nationalisten wie Anarchisten umstritten und wird oft als eine Art ideologischer „Etikettenschwindel“ abgelehnt. Entsprechende Gruppen existieren in verschiedenen Ländern, haben jedoch dort kaum politisch-gesellschaftliche Relevanz. Auch innerhalb des Neonazi-Umfelds spielen sie nur eine marginale Rolle. So wird seit Beginn der 1990er-Jahre eine "subkulturelle Entwicklung zu sogenannten autonomen Nationalisten" innerhalb der Szene der "Freien Kameradschaften" festgestellt. [1]

Herkunft und Ideologie

Der Begriff „Nationalanarchismus“ geht auf den Franzosen Hans Cany zurück, der sich um 1990 wohl als erster öffentlich als Nationalanarchist bezeichnete. Als gleichsinnige Begriffe werden auch „anarchistischer Nationalismus“ und „brauner Anarchismus“ verwendet.

Im „Nationalanarchismus“ werden verschiedene Einflüsse aus Nationalismus und Anarchismus miteinander vermischt und zu vereinen versucht. Die jeweiligen Nationalstaaten werden von den Nationalanarchisten nicht als ihre Nationen anerkannt, sowie die bestehenden „demokratischen“ Staatsorgane abgelehnt werden.

Multikulturelle Ideen werden abgelehnt. Eine eher von den Autonomen bekannte Ästhetik (schwarz-rote Fahnen, entsprechende Kleidung, Palästinensertuch) und Jargon wird übernommen und oft mit neonazistischer Symbolik vermischt.

Dabei wird konzeptionell auf die Strategie der Querfront zurückgegriffen, in der Absicht, quer zu den politischen Spektren und Ideologien " Gemeinsamkeiten zu finden und zu betonen". [2]

Ausländische Nationalanarchisten

Kleine nationalanarchistische Gruppen gibt es in ein paar Staaten Europas: so um Troy Southgate in Großbritannien und um Tim Mudde in den Niederlanden. Eine größere Gruppe besteht in Spanien: Sie betrachtet Adolf Hitler als ihr Hauptvorbild.

Derartige Gruppen aus derzeit 13 Ländern stehen laut Eigenangaben über eine Nationalanarchistische Internationale in Kontakt zueinander. Diese sei keine Organisation, sondern ein loses Netzwerk. Jede Gruppe behalte ihre volle Eigenständigkeit (Mikrostrukturalismus) und sei auch in sich nicht hierarchisch aufgebaut. Die ideologische Autonomie der nationalen Sektionen und der Mikrostrukturalismus der Nationalanarchistischen Internationale lasse in den einzelnen Gruppen auch eigene Anschauungen zu.

Die Gruppen, die sich selbst als „Bewegung“ bezeichnen, haben gesellschaftlich kaum Bedeutung und werden von der zeitgeschichtlichen Forschung nicht beachtet.

Deutsche Nationalanarchisten

Der Nationalanarchismus in Deutschland geht zurück auf den Rechtsextremen Peter Töpfer, der auch als Sprecher beziehungsweise als einziger Vertreter der Bewegung in der Öffentlichkeit auftritt. Seit 1995 gab er gemeinsam mit Andreas Röhler im Verlag der Freunde das Magazin Sleipnir heraus, das wegen den Holocaust leugnender Ausführungen und Verdacht auf Volksverhetzung mehrmals beschlagnahmt wurde.[3]

Das Blatt war Forum für Rechtsextreme wie Christian Worch oder Reinhold Oberlercher und Holocaustleugner wie Fred Leuchter, Gerd Honsik oder Germar Rudolf. Es wurde inzwischen eingestellt und Töpfers Hauptbetätigungen verlagerten sich auf das Internet. Auch an Veranstaltungen der NPD nahm er teil. Die Internetseite seiner Berliner Gruppe warb u.a. für den Gedenkmarsch zum „Bombenholocaust“ am Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden. 2004 gab er die Gründung eines Komitees Freiheit für Horst Mahler und seine Mitangeklagten vom Deutschen Kolleg! bekannt. Zitat Töpfer: Ich als Anarchist brauche überhaupt keine Rechtfertigung. [...] Und ich [...] entscheide ganz einfach und souverän, u.a. dass ich unter meinesgleichen leben möchte. [...] Ich habe keinen Bock auf 'Asylanten' aus aller Herren Länder: So einfach ist das.

Diesen rechtsextremen Hintergrund bestreiten Anhänger der Bewegung jedoch vehement. Um sich mit Linken zu verbinden, suchen sie Anschluss an die Anti-Globalisierungsbewegung und die Antifa, allerdings weitgehend erfolglos. Die deutschen Nationalanarchisten spalten sich mittlerweile in diverse regionale Gruppen auf.

Kritik

Kritiker sehen einen unüberbrückbaren Widerspruch von Anarchismus und Nationalismus: Die anarchistischen Prinzipien (Egalitarismus, Ablehnung von Herrschaft und Zwang) seien mit nationalanarchistischen Sehnsüchten nach ethnischer Homogenität unvereinbar. Die historisch relevante anarchistische Bewegung sei immer multikulturell gewesen und habe sich stets entschieden gegen den Rechtsextremismus und Rassismus gewandt: z. B. im Spanischen Bürgerkrieg 1936.

Nationalanarchismus sei entgegen seinem Selbstverständnis keine Unterströmung des Anarchismus, da sich die angeblich angestrebte Anarchie nur auf Ethnien beziehe. Er sei in Wirklichkeit einfach nur eine Spielart von Rassismus. Es handele sich dabei größtenteils um ein Internet-Phänomen. Vertreter der Strömung seien bereits vorher als Rechtsextreme aufgefallen.[4] Der Nationalanarchismus, d. h. das Begriffskonstrukt, gilt unter Kritikern daher als Werbemaßnahme von Rechts, ähnlich wie der „Sozialismus“ im Nationalsozialismus (siehe auch Querfront).

Literatur

  • Michael Klarmann: Hitlers Black Blocs. Nazis antiautoritär. Über "autonome Nationalisten". Konkret 9/2007
  • Röpke, Andrea, Speit, Andreas (Hg.) 2004: Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis. Ch.Links, Berlin.
  • Embleme und Logos extrem rechter Organisationen, in: Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Hrsg.): Versteckspiel. Lifestyl, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen, Berlin 2002, S. 10/11

Quellen

  1. Röpke, Andrea, Speit, Andreas (Hg.) 2004: Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis. Ch.Links, Berlin. Vgl. auch [1]
  2. Landeszentrale für politische Bildung Brandenburg [2], Fabian Lemke: Pogo fürs Volk. Selbst Punks und Anarchisten scheinen keine Probleme mehr mit einer rot-braunen Zusammenarbeit zu haben. Jungle World Nr. 40/2002 [3], Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! In: Campo de Criptana – Nr. 5, 1. Quartal 2004 [4]
  3. Innenministerium NRW: Sleipnir - Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik
  4. Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! (pdf)