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Jean Fouquet

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Selbstporträt Jean Fouquets. Emaillemedaillon, ursprünglich auf dem Rahmen des Diptychons von Melun (um 1455, heute Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten).

Jean Fouquet (* um 1420 in Tours; † zwischen 1478 und 1481) war ein französischer Buch- und Tafelmaler. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler an der Schwelle von der Spätgotik zur Frührenaissance.

Über Fouquets frühe Jahre ist wenig Greifbares bekannt. Die Forschung ist davon abgerückt, das Atelier des sogenannten Bedford-Meisters in Paris als Ausbildungsort anzusehen, und vermutet heute eher eine Lehrzeit bei dem wohl in Nantes ansässigen sogenannten Jouvenel-Meister, dessen Werke einst als Jugendarbeiten Fouquets galten. Zwischen 1445 und 1447 bereiste Fouquet Italien und lernte in Rom Fra Angelico, Filarete und andere Renaissancekünstler des Quattrocento kennen, deren Einfluss in späteren Malereien nachweisbar ist. Seit den 1450er Jahren stand er im Dienst König Karls VII. und Ludwigs XI., dessen Hofmaler er 1475 wurde. Zu seinen Auftraggebern zählten aber auch hohe Beamte des Staates wie der Kanzler Guillaume Juvénal des Ursins und Étienne Chevalier, der Schatzmeister des Königs. Für diesen schuf er mit dem sogenannten Stundenbuch des Étienne Chevalier (nach 1448) und dem Diptychon von Melun (um 1455) zwei der bekanntesten Werke der französischen Buch- und Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts. Vom Rahmen des Diptychons stammt ein Emaillemedaillon mit einem Selbstbildnis Fouquets. Weitere herausragende Werke sind Illustrationen der Grandes Chroniques de France (etwa 1450-1460), der sogenannte Münchener Boccaccio (De claris mulieribus, um 1458) und das für den Herzog von Berry um 1465 vollendete Manuskript der Antiquités judaiques des Josephus Flavius, in dem ein Eintrag François Robertets Fouquet als Illustrator ausweist. Bis 1478 ist er in Tours nachweisbar, 1481 wird er dort als tot bezeichnet.

Fouquets Werk gilt als eigenständige Synthese der französischen Maltradition, der italienischen Frührenaissance und des niederländischen Realismus. Besonders die perspektivischen Konstruktionen, die Lichtführung und die historische Genauigkeit seiner Bilder erweisen Fouquet als einen der bedeutendsten Maler seiner Zeit. Zahlreiche Erwähnungen in der frühen Kunstliteratur und in Dokumenten geben von dem hohen Ansehen Auskunft, das Fouquet sowohl in Frankreich als auch in Italien genoss. Die Zahl der erhaltenen Buchmalereien übertrifft die der Tafelbilder deutlich, jedoch ist die Zuschreibung einiger Werke zu Fouquets eigenhändigem Œuvre umstritten.

Leben

Jugend und frühe Jahre

Das Bildnis des Hofnarren Gonella gilt als frühestes Werk Fouquets (Wien, Kunsthistorisches Museum, vermutlich zwischen 1439 und 1446).

Jean Fouquet wurde zwischen 1415 und 1422 in Tours geboren. Seinen Geburtsort bezeugt gegen 1500 François Robertet im Kolophon einer von Fouquet illustrierten Handschrift der Antiquités judaïques.[1] Das Jahr seiner Geburt läßt sich dagegen nur grob durch die Datierung seiner ersten Bilder und durch ein Selbstporträt Fouquets auf dem Rahmen des um 1455 entstandenen Melun-Diptychons abschätzen.

Fouquets Ausbildung und sein Frühwerk sind Gegenstand einer jahrzentealten wissenschaftlichen Kontroverse,[2] die bis heute nicht beendet ist. Lange Zeit wurden die Buchillustrationen des sogenannten Jouvenel-Meisters Fouquet zugeschrieben, inzwischen werden beide Künstler unterschieden. Besonders Eberhard König hat sich um die Händescheidung der stilverwandten Werke bemüht und hält eine Lehre Fouquets bei dem möglicherweise in Nantes ansässigen Jouvenel-Meister für wahrscheinlich.[3] Die ältere, Paul Durrieu folgende Fouquet-Forschung, die auch heute noch Anhänger hat, nimmt dagegen an, dass dieser seine Ausbildung in Paris erhielt, möglicherweise beim sogenannten Bedford-Meister. Claude Schaefer hat die Hypothese aufgestellt, dass Fouquet bei dem Hofmaler Jacques de Littemont gelernt haben könnte.[4]

Frühe Buchmalereien Fouquets haben sich bisher nicht nachweisen lassen und es erscheint fraglich, ob er überhaupt Illustrationen vor seiner Italienreise ausführte oder zunächst ausschließlich Porträts malte. Er dürfte allerdings mit älteren Werken in den Bibliotheken von Tours und Bourges vertraut gewesen sein. Insbesondere die Illustrationen des Boucicaut-Meisters und des Bedford-Meisters weisen stilistische Ähnlichkeiten zu späteren Arbeiten Fouquets auf. Dass dieser später für Etienne Chevalier Illustrationen des Boucicaut-Meister retuschierte, fügt sich in diese Verflechtungen ein.

Als frühestes Werk Fouquets gilt ein Porträt des Hofnarren Gonella,[5] dessen Entstehung noch vor seiner Italienreise angenommen wird. In der Stilanalyse kommen Kunsthistoriker wie Otto Pächt oder Claude Schaefer zu dem Ergebnis, dass sich Fouquet in diesem Bild intensiv mit der Porträtkunst der niederländischen Meister auseinandersetzte. Wie die Portraits der Flamen weist das Bildnis des Narren einen geradezu überspitzten Realismus auf. Welcher Art Fouquets Verbindungen zur Kunst der südlichen Niederlande waren, ob er etwa den Genter Altar des Jan van Eyck oder dessen Porträts aus eigener Anschauung kannte, lässt sich nicht belegen.

Als wichtiger Einfluss auf Fouquets Behandlung von Licht und Farbe kommt auch die Glasmalerei in Betracht, besonders die der Kathedralen von Tours und Bourges. Ebenso wichtig können bemalte Freiplastiken gewesen sein. Über Fouquet selbst ist bekannt, dass er die von Littemont gestaltete Totenmaske Karls VII. bemalte. Genau können solche Abhängigkeiten freilich nicht untersucht werden, da sich kaum farbige Fassungen von Skulpturen erhalten haben.

Italienreise

Stich von 1568 nach Fouquets Porträt Eugens IV. im Kloster Santa Maria sopra Minerva in Rom. Im 17. Jahrhundert wurde das heute nicht mehr existierende Gemälde ersetzt.

Fouquet reiste als junger Maler nach Rom und eröffnete damit die Tradition der Italienfahrten großer Künstler. Ob er die kostspielige und aufwändige Reise als Begleiter einer diplomatischen Mission antrat oder sie aus persönlichen Gründen unternahm und privat finanzierte, ist nicht geklärt.[6] 1445 wird als frühester Zeitpunkt für Fouquets Romreise angesehen, da dessen späteres Werk Einflüsse Fra Angelicos aufweist,[7] der seit dem Mai dieses Jahres in Rom arbeitete. 1448 pachtete Fouquet in Tours einen dem Kapitel von St. Martin gehörenden Wohnturm. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss er also nach Frankreich zurückgekehrt sein.

Fouquet malte auf Leinwand ein heute nicht mehr erhaltenes Porträt des Papstes Eugen IV. mit zwei Vertrauten. Das Bildnis befand sich über der Tür der Sakristei des Klosters Santa Maria sopra Minerva, in dem auch Fra Angelico wohnte. Um einen solchen Auftrag zu erhalten, verfügte Fouquet sicherlich bereits über die Anerkennung als ein Künstler, der die in Italien bewunderte virtuose und naturgetreue Porträtmalerei der Südniederländer beherrschte.

Außer Fra Angelico traf Fouquet nachweislich Filarete, der ihn noch Jahre später als buen maestro maxime a retrarre del naturale pries.[8] Zweifelsohne traf Fouquet auch moderne italienische Künstler wie Benozzo Gozzoli, Brunelleschi oder Donatello und studierte zumindest ältere wie Masaccio.

Ein anderer bedeutender, in späteren Buchillustrationen häufig wiederkehrender Eindruck waren die antiken und zeitgenössischen Bauten Roms und Florenz', das er auf der Hin- und Rückreise besucht haben muss. Besonders in Florenz konnte er die neuen Entwicklungen der italienischen Frührenaissance aufnehmen. Die Skizze nach der Natur, die Fouquet in der französischen Kunst seiner Zeit eine isolierte Stellung eintrug, wird er auch für das Antikenstudium genutzt haben. Da Fouquet beispielsweise in den Illustrationen zum sogenannten Livius der Sorbonne eine detailgetreue Wiedergabe des Forum Romanum als Bildhintergrund malte, muss er auf seiner Italienreise Skizzen- bzw. Musterbücher angelegt haben.

Aufträge für Étienne Chevalier

Étienne Chevalier mit dem hl. Stephan (Stundenbuch des Étienne Chevalier).
Thronende Maria lactans (Stundenbuch des Étienne Chevalier).

1448 ist der Kauf eines Hauses in Tours belegt, zu diesem Zeitpunkt muß Fouquet also wieder nach Frankreich zurückgekehrt sein. In den 1450er Jahren schuf er für den königlichen Schatzmeister Étienne Chevalier zwei der herausragenden Werke der französischen Kunst im 15. Jahrhundert: Die Buchmalereien im sogenannten Stundenbuch des Étienne Chevalier und das großformatige Diptychon von Melun. Fouquet porträtierte seinen Auftraggeber in beiden Werken, jeweils in betender Haltung mit dessen Schutzpatron, dem heiligen Stephanus.

Das Stundenbuch des Étienne Chevalier

Begräbniszug (Stundenbuch des Étienne Chevalier).

Das sogenannte Stundenbuch des Étienne Chevalier[9] wird nach Fouquets Rückkehr aus Italien angesetzt und wurde wahrscheinlich vor 1457 vollendet, da er ab dieser Zeit andere bedeutende Aufträge auszuführen hatte.[10] In den Miniaturen ist die Mitarbeit eines Gesellen sichtbar, ein Bild blieb unvollendet.[11] Die Buchmalereien galten der Forschung wegen Fouquets meisterhafter Beherrschung der räumlichen Darstellung und Lichtführung sowie wegen der Lebendigkeit und Originalität der Miniaturen seit jeher nicht nur als ein Hauptwerk des Künstlers, sondern der Buchmalerei des 15. Jahrhunderts schlechthin.[12]

Das Stundenbuch blieb in der Familie Chevalier, bis es Ende des 18. Jahrhunderts verkauft und auseinandergeschnitten wurde, so dass heute nur noch 47 einzelne Miniaturen erhalten sind, von denen die meisten bis zum Bildrand beschnitten und auf Holztafeln aufgeklebt sind. Vierzig Blätter gelangten aus dem Besitz der Familie Brentano, die sie 1805 in Basel erworben hatte, in den Besitz des Musée Condé im Schloss Chantilly. Sieben weitere Miniaturen befinden sich in der Bibliothèque nationale de France[13], im Louvre[14] und im Musée Marmottan in Paris, in der Londoner British Library[15] und in Upton House[16] sowie im New Yorker Metropolitan Museum. Ein 1981 entdecktes Textblatt erlaubt die Rekonstruktion des Buches in groben Zügen.[17]

Diptychon von Melun

Etienne Chevalier mit dem hl. Stephan
(Diptychon, linker Flügel, Berliner Gemäldegalerie)
Die thronende Madonna mit dem Christuskind
(Diptychon, rechter Flügel, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen)

Das Diptychon von Melun ist ein zweiteiliges Tafelbild (Diptychon), das Jean Fouquet um 1456 gemalt hat.[18] Der linke Flügel des Andachtsbildes befindet sich heute in der Berliner Gemäldegalerie, der rechte im Koninklijk Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen. Das Diptychon ist neben einem Bildnis König Karls VII., das sich im Pariser Louvre befindet, und neben zwei weiteren Tafelbildern das einzige überlieferte großformatige Werk Fouquets.

Der Auftraggeber Étienne Chevalier kniet auf dem linken Flügel im Gebet neben seinem Namenspatron, dem heiligen Stephanus. Der Name Estienne ist in goldenen Lettern in den Marmorpfeiler hinter dem Kopf des Stifters gemeißelt. Der palastartige Raum ist ganz im Stil der italienischen Renaissance gestaltet, möglicherweise ist er ein Abbild des als besonders prächtig beschriebenen Hauses des Schatzmeisters. Dieser ist in einen reichen, pelzbesetzten roten Mantel gekleidet. Stephanus ist mit seinen Attributen dargestellt: Einem Stein, der ihm bei seinem Martyrium die tödliche, auf dem Bild ebenfalls dargestellte Kopfwunde beigebracht hat, und einem Evangelienbuch, auf dem der Stein ruht. Der Flügel aus Eichenholz hat eine Größe von 93 x 85 cm. Die rechte Gesichtshälfte Étienne Chevaliers und ein großer Teil des Gewandes Stephanus' waren beschädigt und wurden übermalt. Eine grundlegende Restaurierung erfolgte 1983.

Der rechte Flügel stellt eine gänzlich andere, überirdische Sphäre dar, die ganz in den Farben blau-weiß-rot gehalten ist: Die Madonna mit dem Jesuskind thront vor einer Schar roter und blauer Seraphim und Cherubim, die den Herrschersessel tragen. Ihre entblößte linke Brust entspricht zwar dem Motiv der Maria lactans, der nährenden Muttergottes, jedoch säugt Maria das Christuskind auf ihrem Schoß nicht. Dieses weist mit dem linken Zeigefinger auf den Stifter als Zeichen, dass seine Gebete und die Fürsprache Stephanus' Gehör finden. Der Antwerpener Flügel, wie der Berliner aus Eichenholz, mißt 91,8 x 83,3 cm.

Laut einer 1775 datierten Inschrift auf der Rückseite des Bildes und einer Äußerung Denis Godefroys Mitte des 17. Jahrhunderts[19] soll Maria die Züge Agnès Sorels tragen, der 1449 verstorbenen Mätresse König Karls VII. Sie galt ihren Zeitgenossen als „schönste Frau der Welt“[20] und als so aufreizend gekleidet, dass sich ein Bischof über ihr Décolleté beschwerte, das den Blick bis auf die Brustwarzen freigab.[21] Auch Étienne Chevalier wurde von Agnès kräftig gefördert und soll ihr zugetan gewesen sein. Die Identifizierung der Madonna mit der Mätresse des Königs bestimmt bis heute die Rezeptionsgeschichte des Bildes, obwohl Schaefer 1994 zeigen konnte, dass es sich dabei höchstwahrscheinlich um eine Legende handelt. Stattdessen folge die Darstellung der Madonna einem unpersönlichen Schönheitsideal der Zeit.[22] Weder die Entblößung der Brust noch die mögliche Darstellung der Mätresse des Königs als Muttergottes dürften die Zeitgenossen Fouquets als Blasphemie oder als lasziv empfunden haben. Einerseits war die Maria lactans ein altes Bildmotiv, andererseits galt Agnès als Frau, die sich höchste Verdienste um Frankreich erworben und den König in ähnlicher Weise zum Kampf gegen England bewegt hatte wie 1429 Johanna von Orléans.

Gemäldetechnische Untersuchungen ergaben, dass sich unter Fouquets Bildnis König Karls VII. ebenfalls eine Madonna befand, die der von Melun gleicht. Claude Schaefer vermutet deshalb, dass Fouquet wegen des königlichen Auftrags die bereits begonnene Arbeit unterbrochen und aufgeschoben habe.[23]

Emaillemedaillon Selbstbildmis Jean Fouquets (Pars, Louvre)
Emaillemedaillon Einsetzung der Witwenpfleger (ehem. Berlin, Kunstgewerbemuseum Köpenick, Kriegsverlust).

Ein berühmtes Selbstbildnis Fouquets auf einem Emailmedaillon, das sich heute im Pariser Louvre befindet, ist der seltene Fall eines signierten Selbstporträts eines Künstlers des 15. Jahrhunderts. Wahrscheinlich stammt das Medaillon vom Rahmen des Diptychons. Dies wird auch für eine zweite Emaille aus dem Kunstgewerbemuseum Köpenick in Berlin vermutet, die im Zweiten Weltkrieg verlorenging. Der Historiker Denis Godefroy hatte 1661 das Diptychon, das er noch an seinem originalen Standort in der Stiftskirche sah, genau beschrieben und dabei auch Medaillons im Rahmen erwähnt.[24] Dass es sich bei den beiden Exemplaren in Paris und Berlin um diejenigen aus Melun handelt, gilt als wahrscheinlich, kann aber nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden. Sowohl die Einbeziehung der Medaillons, als auch die Idee, sich selbst mit einem Selbstporträt ein Denkmal zu setzen, ist für französische Maler des 15. Jahrhunderts ungewöhnlich und geht auf Vorbilder der italienischen Renaissance, insbesondere auf Filarete, zurück. Der Durchmesser des runden Selbstporträts Fouquets beträgt 6,8 cm, das Medaillon in Berlin hatte einen Durchmesser von 7,5 cm.

Jahrhundertelang befand sich das Bild in der Kirche Notre Dame in Melun, der Geburtsstadt Étienne Chevaliers südlich von Paris. Es hing über der Grabstätte Étienne Chevalies sowie dessen vor ihm verstorbener Frau und sollte „auf ewig“ sein Andenken bewahren. Zu diesem Zwecke hatte er das Bild gestiftet und testamentarisch dafür gesorgt, dass jeden Morgen um sechs Uhr eine Seelenmesse für ihn gelesen wurde. Als die Domherren 1775 Geld zur Restaurierung ihrer Kirche benötigten, verkauften sie das Bild entgegen den letztwilligen Bestimmungen des Stifters. Nach der französischen Revolution tauchten die einzelnen Teile des Diptychons im Kunsthandel auf. Ein Antwerpener Bürgermeister kaufte den rechten Flügel in Paris, seit 1840 hängt er im Koninklijk Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen. Der deutsche romantische Dichter Clemens Brentano entdeckte den linken Flügel bei einem Kunsthändler in Basel. Brentano erkannte als erster die Ähnlichkeit zu den Miniaturen des Stundenbuchs des Étienne Chevalier, das sich im Besitz seines Bruders, des Frankfurter Bankiers Georg Brentano, befand und das erst kurz zuvor Fouquet zugeschrieben worden war. 1896 gelangte das Bild in die Berliner Gemäldegalerie. Das konkrete Wissen um die Zusammengehörigkeit des Berliner und des Antwerpener Bildes war nach dem Verkauf von 1775 verlorengegangen, doch kamen entsprechende Vermutungen wieder auf. Diese wurden 1981 durch Untersuchungen am Holz der Diptychon-Teile bestätigt – zwei Bretter der Berliner und ein Brett der Antwerpener Tafel stammen von derselben Eiche, die um 1446 gefällt wurde.[25]

Forschungsgeschichte und Rezeption

Die erste umfassende Veröffentlichung zu Fouquet legte 1866/67 L. Curmer vor.[26] Um die Jahrhundertwende folgten die ersten systematischen, stilkritischen Darstellungen des Gesamtwerks von P. Leprieur [27] und G. Lafenestre[28], die H. Bouchot weiterverfolgte[29] Bereits 1861 hatte A. de Montailon erkannt, dass Fouquet zwischen 1443 und 1447 in Rom gewesen sein mußte.[30] Zwischen 1904 und 1923 war es besonders Paul Durrieu, der die Fouquet-Forschung beförderte.[31] So war bald nach der Jahrhundertwende ein großer Teil des Œuvres Fouquets erschlossen.

Otto Pächt beschäftigte sich seit den 1930er Jahren mit Fouquet und veröffentlichte 1941 einen grundlegenden Aufsatz über seinen Stil.[32] 1974 konnte er die Fachwelt davon überzeugen, Fouquet das Wiener Gonella-Bildnis zuzuschreiben.[33] Eberhard König bemühte sich seit den 1970er Jahren intensiv um die Ordnung der immer zahlreicher gewordenen Handschriften, die Fouquet zugeschrieben wurden, und um eine exakte Händescheidung innerhalb der Manuskripte.[34]

1993 konzipierten François Avril, der gemeinsam mit Marie-Thérèse Gousset und Bernard Guenée 1987 die Grandes Chroniques de France herausgegeben hatte, [35] und Nicole Reynaud eine große Ausstellung zur französischen Buchmalerei zwischen 1440 und 1520, die auch Fouquet umfassend würdigte. Die Ausstellung und der veröffentlichte Katalog[36] überschnitten sich zeitlich mit der Drucklegung der bis dahin umfassendsten Monographie zu Jean Fouquet, in der Claude Schaefer seine jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Maler zusammenfasste.[37] 1971 hatte Schaefer das Stundenbuch des Etienne Chevalier herausgegeben[38] und 1972 mit einer Arbeit über Fouquet habilitiert.[39] François Avril veröffentlichte 2003 eine ebenso umfangreiche und detaillierte Monographie über Fouquet.[40]

Werkverzeichnis

Angaben nach Claude Schaefer.[41] Dort finden sich auch Einzelheiten zu den häufig umstrittenen Zuschreibungen und Datierungen, die hier nur verkürzt wiedergegeben werden. Unsichere Zuschreibungen sind mit * markiert, verlorene Bilder kursiv gesetzt. Nicht aufgelistet werden die bei Schaefer ebenfalls aufgeführten neun Werke aus dem Fouquet-Umkreis, fünf Glasfenster, die nach seinen Entwürfen ausgeführt wurden, zehn strittige oder definitiv aufgegebene Zuschreibungen, spätere Bilder und Stiche, die auf verschollenen Bildern Fouquets beruhen sowie Schriftquellen, die weitere acht Bilder Fouquets bezeugen. Darüber hinaus verzeichnet Schaefer etliche Buchmalereien aus dem Umkreis Fouquets.

Tafelbilder

Abbildung Bezeichnung Datierung Aufbewahrungsort Beschreibung
Bildnis des Hofnarren Gonella vermutlich zwischen 1439 und 1446 Wien, Kunsthistorisches Museum Wien Eichenholz, 24 x 36 cm
Bildnis des Papstes Eugen IV. mit zwei Vertrauten zwischen Mitte 1446 und Mitte 1448 verloren, früher über der Tür der Sakristei von Santa Maria sopra Minerva in Rom; nur in zwei Kopien erhalten
Diptychon von Melun, linker Flügel um 1456 Berlin, Gemäldegalerie Eichenholz, 93 x 85 cm
Diptychon von Melun, rechter Flügel um 1456 Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Eichenholz, 91,8 x 83,3 cm
Bildnis Karls VII. um 1450 Paris, Louvre Eichenholz, 86 x 71 cm
Pieta in Nouans um 1450 Nouans-les-Fontaines Eichenholz, 21 x 23 cm
Porträt des Guillaume Juvénal des Ursins wahrscheinlich nach 1465 Paris, Louvre Eichenholzbretter, 96 x 73 cm
Porträt Ludwigs XI.* Standort unbekannt, früher Schloß Saint Roch Eichenholz, 22 x 15 cm
Bildnis der Marie d'Anjou Kopie in Paris, Bibliothèque nationale de France, Estampes, Oa 14, fol. 15

Zeichnungen, Emaillemedaillons, Entwürfe für Glasfenster und Wandteppiche

Abbildung Bezeichnung Datierung Aufbewahrungsort Beschreibung
Die Schlacht bei Formigny* zwischen 1453 und 1455 Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. fr. 22335 Nachzeichnung einer sechsteiligen Serie von Wandteppichen eines Tischlers Gobert
Selbstbildnis um 1456 Paris, Louvre Emaillemedaillon, früher am Rahmen des Diptychons von Melun
Die geflügelten Hirsche* (Entwurf Fouquet zugeschrieben) Rouen, Musée des antiquités Wandteppich, 3,47 x 3,80 m
Ein päpstlicher Legat New York, Metropolitan Museum, Rogers Fund 49, 38 Metallstift und Steinkreide auf grundiertem Papier, 19,8 x 13,5 cm.
Datei:Guillaum Jouvenel Zeichnung.jpg
Bildnis des Guillaum Jouvenel des Ursins Berlin, Kupferstichkabinett, 4367 Steinkreide mit roten, braunen und gelbrötlichen Höhungen auf graublau grundiertem Papier, 26,7 x 19,5 cm.
Monogramm des Laurens Girard* Paris, Musée National du Moyen Âge Rundscheibe

Buchmalerei

Abbildung Bezeichnung Datierung Aufbewahrungsort Beschreibung
Stundenbuch für Gebrauch von Angers London, British Library, n.a. lat. 3211 (Zwei Miniaturen von der Hand Fouquets (S. 67 und S. 241), die übrigen vom Jouvenel-Maler)
Stundenbuch des Etienne Chevalier Nach 1448 Chantilly, Musée Condé, London, British Library, Add. 37421; New York, Metropolitan Museum; Paris, Bibliothèque nationale de France, n.a. lat. 1416; Paris, Louvre, Departement des Arts graphiques, R. F. 1679, M. I. 1093; Paris, Musée Marmottan; Upton House, Lord Bearsted (National Trust)
Stundenbuch der Adélaïde von Savoyen Um 1455 bis 1460 Chantilly, Musée Condé, Ms. 76
Stundenbuch für den Gebrauch von Paris um 1416/1418 London, British Library, Add. 16997 fol. Illustrationen des Boucicaut-Meisters von Fouquet retuschiert
Stundenbuch des Simon de Varie Um 1455 Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, ms. 74 G 37 und ms. 74 G 37a; Malibu, J. Paul Getty Museum, ms. 7
Grandes Chroniques de France Etwa 1450-1460 Paris, Bibliothèque nationale de France, fr. 6465
Boccaccio, Des Cas des Malheureux Nobles Hommes et Femmes München, Bayerische Staatsbibliothek, cod. gall. 6
Stundenbuch des Jean Robertet Um 1460-1465 New York, Pierpont Morgan Library, M. 834
Stundenbuch Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, ms. 74 G 28
Stundenbuch des Charles de France Vor 1465 Paris, Bibliothèque Mazarine, ms. 473; New York, The Cloisters, 2, Einzelblätter, 58.71a, b
Flavius Josephus, Les Antiquités judaïques Um 1465 Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. fr. 247
Flavius Josephus, Les Antiquités judaïques Paris, Bibliothèque nationale de France, n.a. fr. 21013
Statuten des St.-Michael-Ordens Wahrscheinlich 1469 Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. fr. 19819
Sog. Livius der Sorbonne Paris, Bibliothèque nationale de France, fr. 20071 und 20072
Geschichte des Altertums nach 1470 Amsterdam, Rijksprentencabinet, Inv. A 1943 (a); Paris, Louvre, Département des Arts graphiques, R.F. 4143, 5271, 29493 und 29494 (d-e) (Fünf Blätter)
Sog. Stundenbuch der Anne de Baudricourt Paris, Bibliothèque nationale de France, n.a. lat. 3187
Sog. De Veauce-Stundenbuch Amsterdam, Bibliotheca Philosophica Hermetica, BPH 74
Stundenbuch für den Gebrauch von Tours Früher Sammlung Metcalf, 247 fol., heutiger Aufbewahrungsort unbekannt
Stundenbuch für den Gebrauch von Maine Um 1480 Paris, Bibliothèque de l'Arsenal, ms. 417 89 fol.

Literatur

  • François Avril (Hg.): Jean Fouquet. Peintre et enlumineur du XVe siècle. Ausstellungskatalog Bibliothèque Nationale de France. Paris 2003. ISBN 2-7177-2257-2
  • Die Bilder der Grandes Chroniques de France. Mit Beiträgen von François Avril, Marie-Thérèse Gousset u. Bernard Guenée. Mit der originalen Wiedergabe aller 51 Miniaturen von Manuscrit français 6465 der Bibliothèque nationale in Paris und 60 Schwarzweiß-Abbildungen. Graz, Akademische Druck- u. Verlagsanstalt 1987. ISBN 3-201-01381-1
  • Eberhard König: Französische Buchmalerei um 1450. Der Jouvenelmaler, der Maler des Genfer Boccaccio und die Anfänge Jean Fouquets. Berlin, Mann 1982. ISBN 3-7861-1311-4
  • Eberhard König: Jean Fouquet, in: Lexikon des Mittelalters, Band 4 (1989), Sp. 676-677.
  • Claude Schaefer (Hg.): Das Stundenbuch des Etienne Chevalier. München u.a., Praeger 1971. ISBN 3-7796-8502-7
  • Claude Schaefer: Jean Fouquet. An der Schwelle zur Renaissance. Dresden, Verlag der Kunst 1994. ISBN 3-364-00306-8

Einzelnachweise

  1. Jean Fouquet, natif de Tours in Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. fr. 247., zitiert nach C. Schaefer 1994, S. 352.
  2. Besonders P. Durrieu, La question des œuvres de jeunesse de Jean Fouquet, in: Recueil de mémoires publié par la Société nationale des Antiquaires de France à l'occasion de son centenaire, Paris, 1904, S. 111-119 und E. König 1982.
  3. König 1982.
  4. Schaefer 1994, S. 21.
  5. Zuschreibung seit O. Pächt, Die Autorschaft des Gonella-Bildnisses, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlung in Wien, 1974, S. 39-88.
  6. Eine Abwägung der in der Forschung vorgebrachten Theorien findet sich bei Schaefer 1994, S. 18.
  7. Vgl. Schaefer 1994, S. 18.
  8. Schaefer 1994, S. 27.
  9. Commons: Das Stundenbuch des Étienne Chevalier – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  10. So Schaefer 1994, S. 307.
  11. Schaefer 1994, S. 307.
  12. Stellvertretend E. König 1989, Sp. 676.
  13. n.a. lat. 1416.
  14. Departement des Arts graphiques, R.F. 1679.
  15. Add. 37421.
  16. Collection Lord Bearsted.
  17. Schaefer 1994, S. 306-308.
  18. Nach einer dendrochronologischen Untersuchung war die Holztafel ab 1456 bemalbar. Vgl. P. Klein, Dendrochronological studies on panels by Jean Fouquet. In: ICOM Committee for Conservation, 7th Triennial Meeting, Kopenhagen, 10.-14.09.1984.
  19. „Manche meinen, das Bildnis sei nach den Zügen der Agnès Sorel gemalt.“ D. Godefroy, Histoire de Charles VII, Paris 1661. Übersetzung nach Schaefer 1994, S. 146.
  20. Rose-Marie und Rainer Hagen: Als Mutter Maria posiert des Königs Mätresse, in: Meisterwerke im Detail, Band 2, S. 56, Taschen Verlag, Köln u.a. 2003.
  21. Hagen, S. 56.
  22. Schaefer 1994, S. 145ff.
  23. Schaefer 1994, S. 139.
  24. D. Godefroy, Histoire de Charles VII, Roy de France, Sous-Chantre de S. Denys, Paris 1661. Abdruck bei C. Schaefer, S. 356.
  25. P. Klein, Dendrochronological studies on panels by Jean Fouquet. In: ICOM Committee for Conservation, 7th Triennial Meeting, Kopenhagen, 10.-14.09.1984.
  26. L. Curmer, Oeuvre de Jehan Foucquet, 2 Bände, Paris 1866-1867.
  27. P. Leprieur, Jean Fouquet, in: Revue de l’art anc. et mod., 1897, I, S. 25-41, II, S. 15-29, 146-160, 347-359.
  28. G. Lafenestre, Jean Fouquet, Paris 1905.
  29. u.a. H. Bouchot, Jean Fouquet, in: Gazette des beaux-arts, 3e période, t. IV, 1890, S. 237-281 und 416-426.
  30. A. de Montailon, Jehan Foucquet et son portrait du pape Eugène IV d’après les tèmoignages d’Antonio Filarete et de Vasari, in: Archives de l’artfrançaise, 2e série I, 1861, S. 454-468.
  31. u.a. Paul Durrieu, Les Antiquités judaïques et le peintre Jean Fouquet, Paris 1908; ders., Le Boccace de Munich, München 1909.
  32. Otto Pächt, Jean Fouquet. A Study of his Style, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, vol. IV, 1940-1941, S. 85-102.
  33. Otto Pächt, Die Autorschaft des Gonella-Bildnisses, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien, 1974, t. 70, S. 39-88.
  34. Besonders: Eberhard König, Französische Buchmalerei um 1450, Berlin 1982.
  35. Avril 1987.
  36. Katalog Les manuscrits à peintures en France. 1440-1520. Paris 1993.
  37. Schaefer 1994.
  38. Claude Schaefer (Hg.): Das Stundenbuch des Etienne Chevalier. München u.a., Praeger 1971.
  39. C. Schaefer: Recherches sur l'iconologie et la stylistique de l'art de Jean Fouquet. Lille 1972.
  40. Avril 2003.
  41. Claude Schaefer 1994, S. 289ff.

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