Telefunken





Die Firma Telefunken wurde am 27. Mai 1903 als „Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie“ von Siemens & Halske (S & H) und der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) als Gemeinschaftsunternehmen für Funktechnik in Berlin gegründet. 1939 betrug die Belegschaft 23.500 Mitarbeiter. 1941 übernahm die AEG die Anteile von S & H und führte Telefunken als 100%ige Tochtergesellschaft weiter (ab 1955 „Telefunken GmbH“, ab 1963 „Telefunken AG“). 1967 fusionierte die Muttergesellschaft AEG mit der Telefunken AG zur AEG-TELEFUNKEN AG. Damit endete die eigenständige Existenz von Telefunken. Etwa 34.600 Telefunken-Mitarbeiter gingen auf AEG-TELEFUNKEN über. 1985 änderte der Konzern seinen Namen in AEG Aktiengesellschaft, 1996 ging die AEG durch Verschmelzung auf die damalige Daimler-Benz AG über.
Unternehmensgeschichte
Um die Jahrhundertwende arbeiteten in Deutschland zwei Gruppen von Forschern an der Entwicklung von Techniken zur drahtlosen Nachrichtenübermittlung. Die eine Gruppe um Adolf Slaby und Georg Graf von Arco entwickelte im Auftrag der deutschen Marine für die AEG, die andere unter Karl Ferdinand Braun im Auftrag des deutschen Heeres für Siemens.
Als die beiden Firmen begannen, sich um die Patente zu streiten, schlichtete Kaiser Wilhelm II. Auf dessen Drängen gründeten beide Firmen am 27. Mai 1903 die Firma Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m. b. H., die die strittigen Patente und Techniken erhielt. Diese wurde dann am 17. April 1923 die Firmierung in Telefunken, Gesellschaft für drahtlose Telegraphie umbenannt. Telefunken war die Telegraphenadresse der Gesellschaft. Erster technischer Direktor von Telefunken wurde Georg Graf von Arco.
Mit der Firmengründung legten am Beginn des Zeitalters der Funk- und Nachrichtentechnik die Firmen S&H und AEG ihre Kenntnisse und Aktivitäten zusammen, um für die zivile Schifffahrt, das Militär und die interkontionentale Nachrichtenübermittlung Funk- und Empfangsanlagen zu entwickeln und zu vermarkten. Ab 1923 baute Telefunken Sender für den Rundfunk und Radioapparate. Telefunken war mit dem 1932 gegründeten Tochterunternehmen Teldec bis zu dessen Verkauf 1987 auch einer der größten deutschen Schallplattenkonzerne.
Während des zweiten Weltkrieges war Telefunken Lieferant von Röhren, Sendern und eines Richtfunknetzes für die Reichswehr und entwickelte Radaranlagen und Peiler.
Nach dem Krieg wurden Produktionsstätten nach Westdeutschland verlagert und ausgebaut oder neu gegründet. So entwickelte sich Telefunken unter der "Starkstrom-Mutter" AEG zur "Schwachstrom-Tochter" mit den drei Geschäftsbereichen Nachrichten- und Datentechnik, Bauelemente sowie Rundfunk, Fernsehen und Phono. Telefunken hatte auf diesen Märkten während der Zeit der Eigenständigkeit und auch später im AEG-Konzern ansehnliche Erfolge.
1959 errichtete Telefunken ein modernes Halbleiterwerk in Heilbronn, wo ab April 1960 die Produktion begann. Das Werk wurde mehrfach erweitert, so 1970 um einen sechsstöckigen Neubau am Nordrand des Geländes. Hier arbeiteten zu Beginn der 1970er Jahre rund 2500 Menschen.
1967 wurde in Deutschland unter Federführung von Telefunken und Herrn Walter Bruch, der bereits vor dem Krieg bei Telefunken beschäftigt war das Farbfernsehen nach dem vier Jahre zuvor patentierten PAL System eingeführt. Das Pal System war eine im Gegensatz zu dem in den USA bereits 1953 eingeführten NTSC Farbsystems deutlich verbesserte Technik, bei der Farbverschiebungen bei der Übertragung ausgeschlossen wurden.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten des AEG-Konzerns erzwangen ab etwa 1970 das Ausgliedern von Geschäftsfeldern, die Beteiligung Dritter an Geschäftsbereichen bzw. den späteren Verkauf. Besonders infolge des Vergleichsverfahrens der AEG (August 1982 bis Oktober 1984) wurden wesentliche Kernarbeitsgebiete abgegeben. Manche Arbeitsgebiete von Telefunken werden noch heute in Nachfolge-Unternehmen erfolgreich weitergeführt, andere sind zwischenzeitlich vollständig eingestellt.
Mit den Modellen TR 4 und TR 440 wurden bei Telefunken in Konstanz Großrechenanlagen entwickelt, die in den Jahren 1970 bis etwa 1985 an vielen deutschen Universitätsrechenzentren im Einsatz waren. Die Großrechnerentwicklung und -Fertigung wurde 1974 an die Computer Gesellschaft Konstanz (CGK) ausgegliedert. Das Gebiet der Mittleren Rechner und Prozessrechner wurde in die Automatisierungstechnik der AEG eingegliedert.
Der Firmenname Telefunken trat noch bis 2005 in Namen von ausgegliederten bzw. verkauften Geschäftsbereichen auf. Der Markenname Telefunken wird auch heute noch verwendet. Die Namens- und Markenrechte liegen bei der Telefunken Licenses GmbH, einer 100%igen Tochter der EHG Elektroholding GmbH. Diese ist als Rechtsnachfolgerin der AEG im Besitz der DaimlerChrysler AG. Sowohl Namens- als auch Markenrechte werden vermarktet.
Im Jahre 2005 änderte die Telefunken SenderSysteme Berlin AG ihren Namen in Transradio SenderSysteme Berlin AG. Die Geschichte des Namens Transradio lässt sich bis auf das Jahr 1918 zurückverfolgen. Mit der Einführung des Duplex-Verkehrs bei Funkverbindungen im Jahre 1919 erlangte die Firma Transradio weltweite Anerkennung. Transradio ist spezialisiert auf Forschung, Entwicklung und Konstruktion von AM-, VHF/FM- und DRM-Sendern.
Im August 2006 erwarb das türkische Unternehmen Profilo-Telra, einer der größten europäischen Hersteller von TV-Geräten, von der Telefunken Licenses GmbH die Nutzungsrechte an der Marke Telefunken und produziert seitdem Fernseher unter dem Markennamen der Traditionsfirma.
Geschäftsfelder
Von 1903 bis 1996 wurde in den Werken von Telefunken bzw. in den zu AEG-TELEFUNKEN übergegangenen Abteilungen ein umfangreiches Produktspektrum von Geräten und Systemen entwickelt und produziert. Gemeinsames Kennzeichen ist die Kompetenz für Hochfrequenz- und Nachrichtentechnik und die dafür notwendige Bauteil- und Infrastrukturtechnologie. Unter anderem:
- Analogrechner
- Belegerkennung, Mustererkennung und Briefsortierung
- Datenkommunikationsnetze
- Digitalrechner für Vermittlungstechnik, Flugsicherung, wissenschaftliche, militärische Anwendungen
- Elektrische Bauelemente
- Elektroakustische Anlagen und Studioausrüstung
- Flugsicherungssyteme
- Führungs- und Waffeneinsatzsyteme
- Funk- und Datenkommunikation für Militäranwendungen
- Funkgeräte für Behörden- und Betriebsfunk
- Halbleiter, Schaltkreise, Solarzellen, Infrarotmodule
- Mobile Funktechnik
- Peiler und Ortung
- Phono- und Magnetbandgeräte, Bildplatte
- Radaranlagen für Boden-, Flug- und Schiffsüberwachung
- Radio- und Fernsehempfänger
- Richtfunk- und Satellitentechnik
- Schallplatten
- Sende- und Empfangsröhren, Wanderfeldröhren, Farbbildröhren
- Sender für Rundfunk und Fernsehen, DAB-Sender
- Spracherkennung
- Telefon-, Weitverkehrs-, Kabeltechnik
Standorte und Produktionsstätten
Bis in die 1930er Jahre wurde die Produktion nach einem Verteilungsschlüssel in den Werkstätten der beiden Muttergesellschaften vorgenommen. Der Firmensitz befand sich in Berlin-Kreuzberg, Hallesches Ufer.
Ab 1936 wurden eigene Produktionsstätten in Berlin-Steglitz, Görzallee und Berlin-Moabit, Sickingenstraße errichtet bzw. übernommen.
Während des zweiten Weltkrieges gab es weitere Produktionsstätten im Raum Berlin, in Thüringen, Sachsen, Mähren, Schlesien, auf Rügen. Aber auch in besetzten Gebieten des Baltikums und Polens in Reval, Riga, Krakau, Posen und Lodz sind Werke auch mit Zwangsarbeitern errichtet worden. Das Röhrenwerk Lodz wurde 1944 mit der Belegschaft nach Ulm verlegt.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden neue Firmenstandorte für Entwicklung und Produktion errichtet. Der Firmensitz befand sich zunächst in Berlin-Kreuzberg am Mehringdamm, 1958 wurde in Berlin-Charlottenburg am Ernst-Reuter-Platz das Telefunken-Hochhaus errichtet.
Die Produktion fand statt in:
- Backnang: Weitverkehrs- und Kabeltechnik
- Berlin- Moabit, Sickingenstr.: Rundfunk- und Fernsehrsender, Mobile Kommunikation
- Berlin-Moabit, Sickingenstr.: Röhren
- Berlin-Reinickendorf, Schwedenstr.: Phono- und Magnetbandgeräte
- Celle: Fernsehgeräte
- Eiweiler: Hochfrequenztechnik
- Hannover: Rundfunk und Fernsehgeräte
- Heilbronn: Halbleiter, Schaltkreise, Solarzellen, Infrarotmodule
- Konstanz: Rechnertechnik, Briefsortierung, Zeichenerkennungstechnik, Flugsicherung, Studio-Magnetbandgeräte, Geldausgabegeräte
- Offenburg: Weitverkehrstechnik
- Ulm, Donautal: Fernseh-Bildröhren
- Ulm, Elisabethenstr.: Radar-, Peil-, Ortungsanlagen, Sprech-und Datenfunkgeräte, Forschungsinstitut
- Ulm, Söflinger Str.: Röhren
- Wolfenbüttel: Elektroakustik
Literatur
- M. Friedewald: Telefunken und der deutsche Schiffsfunk 1903–1914. In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 46. Nr. 1, 2001, S. 27-57
- M. Fuchs: Georg von Arco (1869–1940) – Ingenieur, Pazifist, Technischer Direktor von Telefunken. Eine Erfinderbiographie. Verlag für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Berlin und München Diepholz 2003
- L. U. Scholl: Marconi versus Telefunken: Drathlose Telegraphie und ihre Bedeutung für die Schiffahrt. In: G. Bayerl, W. Weber (Hrsg.): Sozialgeschichte der Technik. Ulrich Troitzsche zum 60. Geburtstag. Waxmann, Münster 1997 (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, 7)
- Telefunken Sendertechnik GmbH: 90 Jahre Telefunken. Berlin 1993
- E. Thiele (Hrsg.): Telefunken nach 100 Jahren: Das Erbe einer deutschen Weltmarke. Nicolai, Berlin 2003
- Reinhard Klein-Arendt: Die Funkstation Nauen bei Berlin. In: Ulrich van der Heyden, Joachim Zeller (Hg.) „... Macht und Anteil an der Weltherrschaft.“ Berlin und der deutsche Kolonialismus. Unrast-Verlag. Münster 2005, ISBN 3-89771-024-2
Weblinks
- Telefunken
- Transradio
- 1903: Wilhelm II. gründet die Firma Telefunken
- Synergien zerbröselt. Das Lehrstück Telefunken. c't 8/2004, S. 56 (Geschichte des Unternehmens)
- Telefunken lebt auf der IFA 2006 wieder auf (Artikel bei Heise.de)