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Katalytische drucklose Verölung

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Die katalytische drucklose Verölung (KDV) ist ein technisches Depolymerisationsverfahren. Künstliche oder natürliche Polymere und langkettige Kohlenwasserstoffe werden unter Zusatz eines zeolithischen Katalysators bei Temperaturen von weniger als 400 °C ohne Überdruck in kurzkettigere aliphatische Kohlenwasserstoffe, vergleichbar mit synthetischem Leichtöl (Dieselöl), umgewandelt. Der Wirkungsgrad ist sehr stark abhängig vom Ausgangsmaterial und liegt zwischen 30 % (bei Biomasse) und bis zu 90 % (bei hochkalorischen Kunststoffen und Ölen).

Als Haupteinsatzgebiet wird die Umwandlung von Abfällen in Kraftstoffe (Biodiesel) angesehen. Die Technologie befindet sich derzeit noch in der Entwicklung, Pilotanlagen sind seit 2004 in Mexiko und seit 2007 in Kanada in Betrieb.

Das KDV-Verfahren im Überblick

Ursprung

Der Ursprung des KDV-Verfahrens liegt in der verfahrenstechnischen Nachahmung der natürlichen Entstehung von Rohöl in der Natur. Erdöl ist ein in der Natur vorkommendes Gemisch aus vielen verschiedenen Kohlenwasserstoffen.

Man nimmt heute allgemein an, dass es letztlich aus tierischen und pflanzlichen Sedimenten vor Millionen von Jahren in abgeschlossenen Meeren entstanden ist. Die abgestorbenen Teile dieser Lebewesen sanken zu Boden und bildeten einen Faulschlamm, der unter Sauerstoffabschluss allmählich zersetzt und von weiteren Meeresablagerungen überdeckt wurde. Unter Druck und Wärme erfolgte so eine allmähliche Umwandlung der organischen Kohlenwasserstoffe in Erdgas und in die zahlreichen Bestandteile des Erdöls. Die im sogen. Muttergestein enthaltene Tonerden sollen bei der Entstehung katalytisch gewirkt haben. Bis heute sind noch nicht alle Vorgänge der Erdölentstehung geklärt.

Ausgangsmaterial (Input)

Als Ausgangsmaterial dienen alle hochkalorischen Stoffe, die Kohlenwasserstoffe enthalten.

  • Industrielle Wert- und Reststoffe: beispielsweise Altöle und Fettrückstände (Gäbelein), Gummireifen, Plastikmaterial (auch PVC), sortierter Müll (auch Krankenhausmüll), Klärschlämme
  • Biogene Reststoffe und nachwachsende biologische Rohstoffe: Pflanzenrückstände wie Mandelschalen, Raps (die gesamte Pflanze), Holz, Stroh, Tierabfälle

Vor der Reaktion muss das Ausgangsmaterial geshreddert werden und in kleiner Korngröße ( <1mm) vorliegen. Metalle, Steine und sonstige Verunreinigungen müssen entfernt werden. Darüberhinaus muss das Ausgangsmaterial trocken sein oder getrocknet werden, da es ansonsten bei der Einleitung in das heiße Öl zu spontaner Wasserdampfentwicklung kommt. Die für die Trocknung und Zerkleinerung erforderliche Energie verringert die Energiebilanz des Verfahrens.

Zusatzstoffe

Als Katalysator wird kristallisiertes Natrium-Aluminium-Silikat (Zeolithe) verwendet. Die benötigte Menge des Katalysators beträgt ca. 1–6 % des Inputs, abhängig vom jeweiligen Eingangsmaterial. Als Neutralisator wird Kalkhydrat (nur bei chlor- und fluorhaltigem Ausgangsmaterial, zur Regeneration des Katalysators) verwendet. Zusätzlich wird hochsiedendes Thermo-Öl zur Reaktionsvermittlung eingesetzt.

Katalysator und Neutralisator sind gängige, handelsübliche Produkte und chemisch unproblematisch zu handhaben.

Reaktionsprinzip

Der hochkonzentrierte mineralische Katalysator bewirkt bei hoher Temperatur und Luftabschluss in heißem Öl eine Umwandlung der Eingangsstoffe unter technisch kontrollierbaren Bedingungen.

Im Reaktionsbehälter (Separator) werden das trockene, stark zerkleinerte, Ausgangsmaterial (Input) und der Katalysator in heißem Thermo-Öl vermischt und auf bis zu 400 °C erhitzt. Das Ausgangsmaterial verliert bei diesen Temperaturen die feste Konsistenz und verflüssigt sich. Die meisten Kunststoffe schmelzen und emulgieren im Thermoöl.

Der zugemischte Katalysator (Molekularsieb) dockt mit seinen Y-Valenzen an die Kohlenwasserstoffketten an und verändert so die mechanische Stabilität der Kohlenwasserstoffketten. Aufgrund der Wärmebewegung zerbrechen die instabilen Ketten (cracken) zu kürzeren. Die chemische Reaktion ist im u. a. Link „Wirkungswiese von acidischen Zeolithe“ erklärt.

Aus dem heißen Ölgemenge verdampfen die entstandenen kurzkettigeren Kohlenwasserstoffe bei Siedetemperaturen von wenniger als 340 °C. Durch eine nachfolgende Destillationskolonne werden sie aus dem Dampf als Gemisch von aliphatischen Kohlenwasserstoffen (vom Typ C10-C22) gewonnen. Dieses Gemisch weist die Eigenschaften von herkömmlichem Dieselkraftstoff auf.

Sofern in der Eingangsmasse Schwefelverbindungen enthalten sind, müssen diese noch weiter entfernt werden. Halogene, die z. B. in PVC oder anderen Kunststoffen enthalten sind, werden durch den Neutralisator zu Salzen gebunden. Die bei der Reaktion nicht gecrackten Kohlenwasserstoffe sowie die übrigen, im Eingangsmaterial vorhandenen Stoffe, wie z. B. Metalle, Salze, Kohlenstoff, Lignine (bei Holz), aber auch verbrauchter und zersetzter Katalysator verbleiben im Reaktionsbehälter und werden mittels einer Schnecke ausgetragen. Das Gemisch aus verbrauchtem Katalysator und den sonstigen Reststoffen und Ölen muss weiter verarbeitet und entsorgt werden.

Durch die Temperaturen von weniger als 400 °C werden (im Gegensatz zur Pyrolyse) keine hochtoxischen Dioxine oder Furane aus halogenhaltigen Kunststoffen gebildet, da diese erst bei höheren Temperaturen entstehen. Durch den Katalysator und die Temperaturen von mehr als 250 °C sollten bei der Reaktion alle Bakterien, Viren und Prionen zerstört werden.

Kontrovers: Zur nachweislichen Zerstörung von Prionen in tierischen Abfallprodukten, so wie es die EU 1774/2002 Vorschrift (Richtlinie zur Verarbeitung von tierischen Abfallstoffen der Klassen K1-K3) erfordert liegen bis dato keine wissenschaftlich untermauerten Nachweise vor. Neuere Forschungen auf dem Sektor der Prionen gehen von deren Beständigkeit auch bei Temperaturen über 400 °C aus.

Endprodukte (Output)

Destillation

Durch den Destillationsvorgang entstehen folgende Produkte:

  • leichtflüchtige brennbare Kohlenwasserstoffe, (Aromaten) und Gase
  • Dieselöl, als Gemisch kurzkettiger aliphatischer Kohlenwasserstoffe
  • Wasser, als Prozesswasser (bedingt durch überschüssigen Sauerstoff, der Wasserstoff bindet)
  • geringe Mengen CO2 und CO durch die Reaktion des enthaltenen Kohlenstoffes mit organisch gebundenem Sauerstoff
  • Stickstoff und Ammoniak bei der Verarbeitung von tierischen, eiweißhaltigen Produkten

Die katalytische drucklose Verölung arbeitet mit Turbinen und selektivem Kristallkatalysator bei ca. 300°C. Dabei entstehen keine niedermolekularen Kohlenwasserstoffe, wenn die Anlage (Originalanlage) eine entsprechend vollständige Abtrennung der Produkte (Diesel) ermöglicht. Nur bei Nachbauten, die das Produkt wieder in die Reaktion verschleppen, können Gase, wie niedermolekulare Kohlenwasserstoffe, entstehen.

Bei der Verölung organischer Stoffe wird in der KDV-Anlage CO2 abgespalten, ebenfalls entsteht N2. CO und Ammoniak werden bei dem Niedertemperaturbetrieb mit Turbinen nicht erzeugt (entsprechend hohe Selektivität der Kristallkatalysatoren).

Kontrovers: Die beschriebene Form der Katalysatorkristalle würde ja eine gewisse 'Intelligenz' der Kristalle bedeuten, nämlich die genaue Depolymerisation von Kohlenwasserstoffmolekülen mit der genauen Kettenlänge von 'Dieselöl'. Selbst im unterlegten Patent ist von Mitteldestilaten und kurzketten Kohlenwasserstoffen die Rede. Der geneigte Leser sollte sich doch über die Funktionsweise der zeolithischen Reaktion informieren. Inwieweit eine mechanisch funktionierende Turbine die Entstehung von Mitteldestillaten verhindert sollte kritisch betrachtet werden.

Rückstände

Im Reaktionsbehälter verbleiben nach dem Vorgang folgende Stoffe:

  • Verbrauchter Katalysator
  • Salze aus der Reaktion des Neutralisators mit Halogenen
  • Mineralische Bestandteile des Eingangsmaterials
  • Metalle und Metallsalze, sofern im Eingangsmaterial vorhanden u. a. Schwermetallsalze aus Farbstoffen und Kunststoffen
  • Kohlenstoff

Die Rückstände der Reaktion, wie die gebildeten Salze, die einkristallisierten Schwermetalle und die anorganischen Aschebestandteile (Glas, Metall, Keramik) werden durch eine spezielle Wärmekammer abgetrennt. Aus der Wärmekammer kommen die Kohlenwasserstoffe als Dampf zurück in die Anlage und die anorganischen Stoffe werden aus der Wärmekammer über ein Austragsystem separiert. Mit dem in der Anlage gewonnen Wasser kann bei größeren Anlagen der Katalysator in der Suspension zurückgewonnen werden.

Kontrovers: Es ist wissenschaftlich nicht dokumentiert, dass Schwermetalle 'einkristallisiert' werden können. Eine Abtrennung nur in einer Wärmekammer und die gleichzeitige Abtrennung von 'Kohlenwasserstoffen'. die im Endprodukt sowieso nicht mehr enthalten sein dürften ist sehr suspekt.

Kontrovers: Zeolithe sind wasserunlöslich und suspendieren nicht.

Abgrenzung zur Pyrolyse

Die katalytische drucklose Verölung ist von der Pyrolyse wie folgt abzugrenzen: Im pyrolytischen Prozess kommt es bei Temperaturen von 450 bis 1200 °C zu weitgehender Crackung der C-C Bindungen und durch Cyclisierungen zu Aromaten unter anteiliger Bildung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) mit toxischen Eigenschaften.Bei der thermokatalytischen Umsetzung von z. B. organischer Masse destillieren aliphatische Kohlenwasserstoffe (Rohöle)bei Siedetemperatur aus dem Katalysereaktor. Zurück bleibt Aktivkohle und mineralische Salze.

Wissenschaftliche Bezeichnung

Nach dem ursprünglichen Erfinder des Verfahrens, dem Tübinger Professor Ernst Bayer, wird das Verfahren in der Wissenschaft als NTK – Niederdruck-Thermo-Konvertierung – bezeichnet.

Die nach dem NTK Verfahren produzierten Leichtöle sind, sofern Biomasse als Ausgangsstoff verarbeitet wird, als alternative Brennstoffe der zweiten Generation einzustufen.

Größe der KDV-Anlagen

Das KDV-Verfahren ist ein technisches Verfahren mittlerer Größe. Es ist derzeit nicht als private Kleinanlage im häuslichen Bereich geplant. Zur Zeit sind eine Anlage mit einem Output von 500 l/h und eine mit 5000 l/h konzipiert. Die Basistechnik (Separator, Destillation, Steueranlage) einer KDV500 benötigt eine Fläche von 12 m x 6 m bei einer Höhe von 9,5 m (durch die Destillationsanlage).

Entwicklung des Verfahrens

Grundlegende Forschungen zur chemischen Reaktion des Verfahrens wurden in den 1980er Jahren von Ernst Bayer an der Universität Tübingen geleistet und erstmals 1981 weltweit patentiert. Mittlerweile gehört das von Bayer als NTK (Niederdruck-Thermo-Konvertierung) bezeichnete Verfahren und die eingesetzten Katalysatoren zum Stand der Technik.

An der Fachhochschule Gießen wird u.a. von Prof. Dr. Stadlbauer, in Fortsetzung der Entwicklungen von Prof. Dr. E. Bayer, ein Reaktor präsentiert, der Klärschlämme und tierische Abfallprodukte verarbeitet. Dieser Reaktor wurde mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Osnabrück konzipiert und entwickelt und ist an verschiedenen Standorten im Bundesgebiet zur Erprobung im Einsatz. Zum Einsatz kommen Klärschlamm sowie tierische Abfallprodukte.

Weltweit wird an der Nutzung von hochkalorischen biogenen Stoffen und Kunststoffabfällen und deren Umwandlung zu Kraftstoffen nach dem NTK-Verfahren geforscht.

In Monterrey (Mexiko) wurde am 4. Dezember 2004 von der Firma Alphakat, geleitet von Christian Koch, die weltweit erste KDV-Anlage mit einer Leistung von 650–700 l/h in Betrieb genommen. Eine Anlage zur industriellen Anwendung mit gleicher Kapazität wurde im April 2007 in kanadischen Berrie eingeweiht.In Deutschland stehen zwei Forschungs- und Versuchsanlagen.

Kontrovers: Außer diversen Presseveröffentlichungen liegen keinerlei aussagefähigen wissenschaftlichen Publikationen zum KDV Verfahren vor. Analysen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Studien sind nicht öffentlich verfügbar und untermauert. Anwenderberichte der Anlage in Monterey sind im Internet nicht zu finden. Anwenderberichte der in Canada installierten Anlage sollten veröffentlich werden.

Medien und Politik

Seit ca. 2003 wurde über die katalytische drucklose Verölung in Zeitungen und im Fernsehen berichtet. Im Jahr 2005 kam ein Artikel der Bild-Zeitung in die Schlagzeilen, der als Ausgangsmaterial für das Verfahren fälschlicherweise Tierkadaver erwähnte (Schlagzeile: Deutscher Erfinder kann aus Katzen Benzin machen[1]).

Eine Kommentierung des Artikels erfolgte durch den unabhängigen, kritischen Internet-Informationsdienst BILDblog.

In den Vereinigten Staaten von Amerika fand eine Vorstellung des Systems auf einer Roadshow lebhaftes Interesse in der Presse. [2]

In verschiedenen Internetforen wird über die Technologie kontrovers diskutiert.

Referenzen

  1. Quelle: Bildblog.de
  2. Bericht der Seattle Times über eine Präsentation in den USA