Muselmann (KZ)

Muselmann (Plural Muselmänner; früher ein Synonym für Muslime und heute abwertend verwendet) wurden in der Lagersprache der Konzentrationslager des Nationalsozialismus Häftlinge genannt, die durch Unterernährung bis auf die Knochen abgemagert waren und hungerbedingt in der Regel charakteristische Verhaltensänderungen zeigten.
Möglicherweise ist der Ursprug der Bezeichnung Muselmann für die zu Tode erschöpften Gefangenen in dem Kinderlied: "C-a-f-f-e-e trink nicht so viel Caffee" von Carl Gottlieb Hering zu finden. Denn in dem kurzen Text des Liedes heißt es weiter: "nicht für Kinder ist der Türkentrank, schwächt die Nerven, macht dich SCWACH UND KRANK. Sei doch kein Muselmann der das nicht lassen kann!"
Die Bezeichnung Muselmann kommt hier möglicherweise von der stereotypen Schaukelbewegung mit dem Oberkörper, die schwerst traumatisierte Menschen oft zeigen (Jaktation), und die an Bewegungen beim muslimischen Gebet erinnerten. Eine andere Deutung bezieht sich auf den Fatalismus der gefolterten Menschen. Abgesehen von der Phase, in der die Konzentrationslager durch die Alliierten befreit wurden, hatte ein Mensch, der das Stadium eines "Muselmanns" erreicht hatte, praktisch keine Chance zu überleben. Wenn er nicht an Entkräftung, Hunger oder Krankheit starb, wurde er von der SS "selektiert" und dann ermordet.
In ähnlicher Weise deutet es Imre Kertész in seinem "Roman eines Schicksallosen" an[1].
Eine andere Erklärung des Begriffs stammt daher, dass der Erschöpfte jede Möglichkeit in Anspruch nahm, Kräfte zu sammeln, indem er so viel wie möglich sitzen blieb und die dünne Decke über seinen gebeugten Kopf zerrte. „In dieser Aufmachung glich er einem Muselmann im Gebet. Der Faustschlag eines SS-Mannes, ein Hieb mit dem Knüppel des Aufsehers genügten, um ihn so zu erledigen, dass er bei der nächsten "Selektion" unweigerlich geschnappt wurde.“ [2]
Viktor Frankl berichtet in seinen Erinnerungen, dass dieser Begriff auch von den Lagerinsassen selbst häufig füreinander verwendet wurde[3]. Er stellt dies in den Zusammenhang mit Entwicklungen wie den Kapos und leitet diese Phänomene von der allgemeinen Barbarisierung des Menschen unter den Bedingungen wie Lagerhaft, Zwangsarbeit und Unterernährung her.
Eugen Kogon weist darauf hin, dass der Fatalismus der Muselmänner nicht aus einer inneren Stärke heraus kam, sondern "weil sie gebrochen waren".
Eine ausführliche Diskussion zum Begriff des Muselmanns und seinen Implikationen findet sich bei Giorgio Agamben, der auch zahlreiche Quellen anführt.
Literatur
Giorgio Agamben: Der "Muselmann". In: Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge. Frankfurt: Suhrkamp, 2003, S. 36-75. Eugen Kogon, "Der SS-Staat"
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ Imre Kertész, Christina Viragh: Roman eines Schicksallosen, rororo, 1999. ISBN 349922576X, S. 154
- ↑ Quelle: Wolfgang Scheffler, Judenverfolgung im Dritten Reich, S. 78
- ↑ V. E. Frankl: ...trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. dtv. München 1982, 22. Auflage. S. 39f: Er zitiert einen Auschwitz-Mithäftling und Kollegen mit den Worten: "Wißt Ihr schon, was man bei uns einen Muselman nennt? Eine Jammergestalt, einen Herabgekommenen, der kränklich aussieht, abgemagert ist und körperlich nicht mehr schwer arbeiten kann. Über kurz oder lang, meist über kurz, wandert jeder Muselman ins Gas!" S. 76 (Dachau): "... dort gab es kein Krematorium, also auch keine Gaskammern. Und dies bedeutete, daß einer, der zum 'Muselman' geworden war, nicht schnurstracks ins Gas gebracht werden konnte, sondern erst, wenn ein sogenannter Krankentransport nach Auschwitz zusammengestellt wurde."