Ehrenamt
Ein Ehrenamt im ursprünglichen Sinn ist ein ehrenvolles und freiwilliges öffentliches Amt, das als nicht auf Entgelt ausgerichtetes Tun ausgeübt wird, von bestimmter Dauer und Regelmäßigkeit ist, meist außerhalb des eigenen Haushalts und im Rahmen von Vereinigungen, Initiativen, Institutionen geleistet wird. In manchen Fällen kann man dazu auch verpflichtet und es kann teilweise auch aberkannt werden. Es gibt für ein Ehrenamt kein Gehalt, oft aber eine Aufwandsentschädigung.
Beispiele für Ehrenämter
- Schöffen
- Ehrenamtliche Richter
- Schiedsleute
- gerichtlich bestellte Betreuer
- Wahlvorstände
- Mitglieder von Betriebsräten, Personalräten, Mitarbeitervertretungen und Jugend- und Auszubildendenvertretungen
- Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren, des Deutschen Roten Kreuzes, des Malteser Hilfsdienstes und anderer vergleichbarer Hilfsorganisationen sowie des Technischen Hilfswerks.
Seit einigen Jahren versteht sich Ehrenamt generell als unentgeltliches Handeln im gemeinnützigen Bereich und heißt zunehmend auch „Freiwilligenarbeit“, „bürgerschaftliches Engagement“ oder „zivilgesellschaftliches Engagement“. Im englischen Sprachraum heißt es durchgehend volunteering, was den freiwilligen Charakter betont. Hierzu gehört auch die Mitarbeit als einfaches Mitglied in Vereinen, die eine Vereinsatzung vorgeben kann und die verpflichtend oder mit Geld zu ersetzen ist.
Im weiteren Sinn ist Ehrenamt jede durch Wahl verliehene Funktion im Vorstand eines Vereins.
Umfang des Ehrenamtes in Deutschland
Jeder Dritte in Deutschland engagiert sich ehrenamtlich (siehe Ergebnisse vom Freiwilligensurvey oder der Enquête-Kommission zum bürgerschaftlichen Engagement). Ehrenamtliches Engagement ist mindestens so schwer zu definieren wie Arbeit, die Ergebnisse von Datenerhebungen zum Ehrenamt hängen davon ab.
Geschichte des Ehrenamts
In der gesamten abendländischen Tradition, sei es aus der Sicht der klassischen Antike oder der des Christentums, gehört der individuelle Beitrag zum allgemeinen Wohl unverzichtbar zu einem sinnerfüllten Leben. Schon in den Stadtgesellschaften der Antike Griechenlands war es Sache jeden männlichen Bürgers sich für das Gemeinwesen zu interessieren, für dessen Wohl zu engagieren und in den Versammlungen über die Belange der Stadt zu diskutieren. Da Sklaven (und Frauen) die produktiven Arbeiten ausführten, verfügten sie über genügend freie Zeit dafür (wie auch im Römischen Reich galt jedoch, dass die Arbeitenden vom öffentlichen Leben ausgeschlossen waren). Wer an solchen Versammlungen nicht teilnahm und sich auch den Angelegenheiten des Gemeinwesens verweigerte, war ein idiótes, also ein Privatmensch: „Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger,“ formulierte es der Athener Perikles etwa 500 vor Christus. Die Hochherzigkeit galt als eine jener Eigenschaften, derer sich vornehm gesinnte Männer befleißigen sollten. Aristoteles definierte sie als Freigiebigkeit, wobei die Größe des erbrachten Opfers in Relation mit dem betriebenen Aufwand gesetzt werden muss. Das Archontat, das Beamtentum, wurde im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Ehrenamt.
Auch im Römischen Reich und später in den italienischen Städterepubliken, die sich in Religion und Moral an der griechischen Philosophie orientierten, war die Tugend der aktiven Bürgerschaft, sich für das Gemeinwohl zu engagieren, stark ausgeprägt. So bezeichnete „Magistrat“ das durch Volkswahlen in den Komitien verliehene ordentliche staatliche Ehrenamt (honos; siehe dazu auch cursus honorum). Allerdings wurde dies meist ohne jede politische Einflussmöglichkeit zugeteilt und bekleidet. In der folgenden Zeit des Prinzipats wurde das Amt des Consulats zu einem Ehrenamt.
Eine andere Wurzel des sozialen Engagements findet sich in der christlichen Tradition im Liebesgebot der Bibel, das in der Frühzeit jedoch oftmals noch mit der Sicherung der eigenen Versorgung verknüpft war. Schon im Mittelalter wurde es durch die Versorgung von Armen mit Almosen vereinzelt umgesetzt. So verbindet etwa der zunächst als Ritterorden gegründete Johanniterorden, der seit 1099 in Jerusalem ein Spital für Arme, Alte und Kranke unterhielt, den christlichen Glauben zu wahren und Notleidenden zu helfen. Die Ehrenämter waren tatsächlich noch mit dem Erwerb von Ehre verbunden; adlige Personen, später auch Bürger mit hoher Bildung, gesellschaftlichem Ansehen und Reichtum konnten solche bekleiden und damit ihre Ehre noch erhöhen bzw. (im Falle der Bürger) erst erhalten. Die Titelverleihung war eine verbreitete Form zur Gewinnung von Vasallen, später auch zur Einbindung von Ständen.
In der Zeit nach der Reformation kann Ehre durch Dienst am Gemeinwesen verdient werden. Die Möglichkeit der Mitbestimmung des Bürgertums wurde zum ersten Mal in der Preußischen Städteordnung von 1808 festgeschrieben, die die kommunale Selbstverwaltung regelte und mit der auch die Bedeutung des Ehrenamts wuchs. Ehrenbeamte standen der sozial-karitativen Arbeit vor, ausgeführt wurde sie aber von Frauen.
Mit der Entwicklung des Bürgertums wurde jedoch das Ideal der republikanischen Gemeinwohlorientierung mehr und mehr durch Produktivität und Arbeit abgelöst. „Ein moralischer und tugendhafter Mensch wurde nicht mehr von seiner öffentlichen, für das Gemeinwohl einstehenden Tätigkeit her definiert, sondern von seiner ökonomischen Tätigkeit her bestimmt. Während dieser Zeit begannen sich die bürgerlichen Gesellschaften mehr und mehr als reine Interessengesellschaften zu verstehen, in denen der ursprüngliche politische Freiheitsbegriff auf die Freiheit, die eigenen ökonomischen Interessen durchzusetzen, verkürzt wurde.“ (Ehrenamt in kulturellen Institutionen im Vergleich zwischen den USA und Deutschland, Dissertation von Gesa Birnkraut, Hamburg 2003)
Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts entstanden offizielle und organisierte Armensysteme mit ehrenamtlichen Helfern, die als erste Ursprünge der modernen Sozialarbeit gelten können. Es stellt die eigentliche Form des heute noch verbreiteten sozialen Ehrenamtes dar. So entstand 1788 in Hamburg das „Hamburger Armensystem“: Die Stadt wurde in 60 Bezirke mit je drei ehrenamtlichen Armenpflegern eingeteilt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten ehrenamtlich tätige Bürger die kommunale Armenpflege und schafften damit die Grundlage für die moderne organisierte Sozialarbeit. Am 9. Juli 1852 erließ Elberfeld eine neue Armenordnung – als „Elberfelder System“ künftiges Vorbild der Armenpflege im gesamten Deutschen Reich. Die Stadt wurde in 26 wiederum in Quartiere unterteilte Bezirke aufgeteilt, wobei für jedes Quartier ein ehrenamtlicher Armenpfleger zuständig war. Aber auch die Bedeutung der beginnenden Frauenbewegung im 19. Jahrhundert für die ehrenamtliche Tätigkeit sollte nicht unterschätzt werden.
In der Zeit des Nationalsozialismus musste das Ehrenamt zwangsweise zum „Wohle des Volksganzen“ ausgeführt werden.
1957 gründete sich die Aktion Gemeinsinn e. V. in Bonn (während einer Spezialtagung über Werbung und Ethik in der Evangelischen Akademie Bad Boll): zur Förderung des Ehrenamts in der Bundesrepublik Deutschland nach dem amerikanischen Vorbild National Advertising Council.
Rolle des Ehrenamtes in Deutschland
In Deutschland sind 23 Millionen Menschen über 14 Jahren ehrenamtlich in Vereinen, Verbänden, Initiativen oder Kirchen tätig. Viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Lebens würden ohne Ehrenamtliche kaum mehr existieren. Neben Betreuung von Kindern und alten Menschen zählen dazu: Dienste bei Natur- und Umweltschutz, Agenda 21-Projekten, Tierschutz, Berghütten, Bewährungshilfe, Telefonseelsorge, Caritas und Diakonie, Hilfsorganisationen, Umsonstladen, Hausaufgabenhilfe; Helfer wie Grüne Damen und Herren in vielen Spitälern, Altenheimen und Behinderteneinrichtungen; in Sport, Kultur- und anderen Vereinen. Die Freiwilligen Feuerwehren, wichtigste Stütze der aktiven Gefahrenabwehr in Deutschland, haben ausschließlich ehrenamtliche Mitglieder. Auch den Katastrophenschutz der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten größtenteils ehrenamtliche Kräfte.
Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten oder der nebenberuflicher Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter Vorlage:Zitat de § Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§Vorlage:Zitat de §ff der Abgabenordnung) bis zur Höhe von 1.848 Euro jährlich (Stand 2007) sind steuerfrei (Vorlage:Zitat de § Nr. 26 Einkommensteuergesetz.
Das Jahr 2001 war das internationale Jahr der Freiwilligen mit zahlreichen Aktionen auf Bundes- und Landesebene. Bund, Länder aber auch Kommunen versuchen auf vielfältige Weise, die Freiwilligenarbeit bzw. das Ehrenamt zu stärken. Freiwilligenagenturen dienen dazu Einsatzstellen zu suchen und zu vermitteln.

Auch wenn außer dem Verlust des jeweiligem Gehaltes noch immens hohe Kosten wie für die Ausbildung zu einem Rettungshelfer bei Hilfsorganisationen anfallen können, überdies bezahlte Stellen vielerorts fehlen, werden Ämter trotzdem über längere Zeit betrieben, in manchen Fällen sogar zur Lebensaufgabe gemacht.
In Deutschland sind langfristige Bindungen an Ehrenämter üblich, obschon sich Konzentrationen des Ehrenamts, wie in Gewerkschaften und Kirchen leicht tendenziell aufzulösen scheinen. Fachleute sehen hierfür Gründe, verglichen mit den USA, wo sich öfter nur für bestimmte Projekte leichter Freiwillige finden. Beispielsweise um als Firma an einem Wochenende eine bestimmte Schule anzustreichen. In Frankfurt am Main etwa sind solche Kurzzeit-Aktionen als „Frankfurter Freiwilligentag“ bekannt. Die Definition des Ehrenamtes schließt oft auch die unbezahlte Familienarbeit mit alten Angehörigen ein und in den USA, aber auch in Deutschland, die Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr, wobei die Teilnehmer in den USA bis hin zu mehreren hundert Dollar Entschädigung bekommen können. In Deutschland erhalten die Freiwilligen Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld, die Übernahme der Versicherungskosten sowie gegebenenfalls Kindergeld.
Bei der Stellensuche, im Lebenslauf und in Bewerbungsgesprächen war bisher die Ausübung eines Ehrenamts gerne gesehen, weil es einem Bewerber eine soziale Kompetenz zusprach. Bei vielen Arbeitgebern ist es inzwischen unerwünscht, weil es nicht mehr in die moderne Personalpolitik passt: Der Bewerber könnte seine Arbeitszeit und -kraft vernachlässigen. Außerdem verschweigen viele Beschäftigte aus Angst um ihren Arbeitsplatz ihre freiwilligen Tätigkeiten.
Ehrenamt in anderen Ländern
Der Stellenwert des Ehrenamts in einem Land hängt von mehreren Faktoren ab, wie Geschichte, Tradition und Stand des öffentlichen Sozialsystems. Ein Beispiel für eine hohe ehrenamtliche Beteiligung der Bevölkerung sind die USA. Die ersten Pioniere waren sehr auf gegenseitige private Hilfe angewiesen. Die vorherrschenden Religionen in den USA bieten selten die Wohltätigkeit von Klöstern oder sonstigen religiösen Einrichtungen an. Die Demokratie ist schon relativ alt und das öffentliche Sozialsystem weniger als in Europa entwickelt.
Einigermaßen vergleichbare Zahlen über den Anteil der erwachsenen Bevölkerung in europäischen Ländern, die ehrenamtlich tätig ist, findet man auf der Website der europäischen Nichtregierungsorganisation CEV (Centre Européen du Volontariat/The European Volunteer Centre, siehe Weblinks) in Brüssel, die für verschiedene EU-Länder Studien über den Stand des Ehrenamtes macht. Die verwendeten Definitionen für die ehrenamtliche Tätigkeit sind allerdings uneinheitlich und entstammen nationalen Quellen. Immerhin scheint es plausibel, wenn unter den großen EU-Ländern das Vereinigte Königreich an der Spitze steht, gefolgt von Deutschland, Frankreich und Polen. So beträgt die Wertschöpfung durch soziale Arbeit in Deutschland mehr als 75 Milliarden Euro; in Frankreich entspricht diese etwa 750.000, in Italien 300.000 Ganztags- und Vollzeit-Arbeitsplätzen; in Großbritannien sind mehr als 200.000 gemeinnützige Organisationen bekannt.
Motive ehrenamtlich Engagierter
Hauptmotiv des freiwilligen Engagements ist das Bedürfnis der Bürger/innen zur gesellschaftlichen Mitgestaltung (wenigstens oder gerade im Kleinen). Dazu kommt der Wunsch nach sozialen Kontakten und sozialer Einbindung. Altruistische Motive, Spaß zu haben und mit sympathischen Menschen in Kontakt zu kommen, stehen im Vordergrund der konkreten Erwartungen an die freiwillige Tätigkeit. „Für drei Viertel ... ist es darüber hinaus wichtig, Kenntnisse und Erfahrungen zu erweitern. Ein möglicher beruflicher Nutzen ist dagegen nur für eine Teilgruppe von rd. 20 % von Bedeutung“ (Rosenbladt/Picot 1999). An der Situation hat sich 2004 nicht viel verändert. Allerdings nimmt bei jungen Leuten und Arbeitslosen die so genannte Interessensorientierung (eigene Interessen und Probleme sowie der berufliche Nutzen als Hintergrund des Engagements) deutlich zu. (Übernommen aus dem Artikel Freiwilligensurvey)
Oft gleicht die Art des Engagements bezahlte Berufstätigkeit aus: Wer beispielsweise in der Buchhaltung arbeitet, will ehrenamtlich mit Menschen zu tun haben. Auch werden Tätigkeiten gewählt, in denen man im „normalen Leben“ nicht gebrauchte fachliche Fähigkeiten und Kenntnisse anwenden kann, oder um im Falle von Arbeitslosigkeit überhaupt eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. Das CEV (siehe Weblinks) fand als zusätzliche Gründe das Streben nach „lebenslangem Lernen“ („a Lifelong Learning Policy“) und die Hoffnung auf einen Weg (zurück) in (Voll-)Beschäftigung („Volunteering as a route (back) to employment“).
Förderung des Ehrenamts
Der Staat fördert ehrenamtliches Engagement in unterschiedlicher Weise.
Steuerliche Förderung
Ehrenamtlich Tätige können Aufwandsentschädigungen erhalten. Oft sind sie pauschaliert und auch im Rahmen bestimmter Grenzen steuerfrei (Beispiele: Übungsleiterpauschalen bei gemeinnützigen Vereinen von z. Zt. bis zu 1848 Euro/Jahr nach (Vorlage:Zitat de § Nr. 26 Einkommensteuergesetz oder die Entschädigungen für Kommunalpolitiker oder Schöffen).
Versicherung
Vielfach versichern Vereine und Institutionen die ehrenamtlich Tätigen gegen Unfall- und Haftpflichtschäden. Die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg bieten darüber hinaus einen Versicherungsschutz für die, die bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit sonst keinen hätten. Eine gesetzliche Unfallversicherung besteht bei bestimmten ehrenamtlichen Tätigkeiten (vgl. (Vorlage:Zitat de § Abs. 1 Nr. 9-13 Sozialgesetzbuch VII)
Auszeichnungen

Bei den Vergabekriterien für Orden und Auszeichnungen spielt ehrenamtliches Engagement meist eine große Rolle (siehe auch oben zur Geschichte des Ehrenamts). Mit der so genannten „Ehrenamts-Card“ (E-Card) zeichnet etwa das Land Hessen Menschen aus, die seit mindestens fünf Jahren mindestens fünf Stunden pro Woche ehrenamtlich tätig sind. Sie bietet den Inhabern eine Reihe von Vergünstigungen; allerdings wird diese nur über ein Auswahlverfahren ausgehändigt: pro Jahr werden nur 1000 Stück davon vergeben. Der „Kompetenznachweis Ehrenamt” des Landes Hessen (und der „Frankfurter Nachweis über bürgerschaftliches Engagement" der Stadt Frankfurt am Main) steht hingegen für alle Menschen offen, die sich mindestens 80 Stunden im Jahr freiwillig engagieren. Sie dienen als Nachweise über im Ehrenamt ausgeführte und gewonnene Fähigkeiten und Kenntnisse und können potentiellen Arbeitgebern vorgelegt werden (siehe dazu jedoch auch oben zur Rolle des Ehrenamtes in Deutschland).
Besondere Aspekte ehrenamtlichen Engagements
Netzwerke
Verschiedene Vereine und Verbände haben sich zu Netzwerken zusammengeschlossen, um die Möglichkeiten und die rechtlichen Rahmenbedingungen für freiwillige Arbeit zu verbessern. Sie bieten auch Plattformen für Kommunikation und Informationsaustausch und binden Wissenschaft und Forschung ein, die sich mit Rahmenbedingungen und Wandel des Ehrenamtes im Dritten Sektor befasst und inzwischen auch eine umfangreiche Literatur zum Themenfeld hervorgebracht hat. Weiterhin gründeten sich in jüngster Zeit Projektbüros und lokale Netzwerke, die auch Beratungsangebote für Ehrenamtliche vorhalten (z. B. die hessische Landesehrenamtsagentur). Eine Variante des Ehrenamtes ist beispielsweise die Arbeit in Selbsthilfegruppen - zugleich eher ein Fall von gegenseitiger Hilfe (was in die schwierige Definition von wer hilft wem, was ist Freundschaft, was ist Ehrenamt, hinein reicht).
Internet und neue Medien
Die Arbeit vieler Open-Source- und Open-Content-Projekte, wie beispielsweise der Wikipedia, wird zum größten Teil ehrenamtlich geleistet und stellt so eine neue Form von bürgerschaftlichem Engagement dar, denn es entstehen öffentliche Güter in Form von freier Software und freien Inhalten, die allen unentgeltlich zur Verfügung stehen.
Auch das World Wide Web Consortium (W3C), bestehend aus Vertretern der Industrie wie etwa Microsoft, IBM, Apple, Adobe und Sun, ist ein ehrenamtlich arbeitendes Konsortium, das Standards für das Internet wie etwa dessen Barrierefreiheit entwickelt. (IHK WirtschaftsForum 06/07, Seite 32/33)
Zeitspende und Geldspende
Wer ein Ehrenamt hat, ist auch finanziell großzügiger - so fand eine Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Der Anteil der Spendensumme am Jahresnettoeinkommen ist indes weit unter dem Durchschnitt. Den Rahmen der Studie bildet ein vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördertes Projekt, Teilergebnisse lagen Ende 2005 vor (Fachtagung über den Aufbau einer nationalen Spendenberichterstattung).
Für aktuelle und differenzierte Angaben zum Spendenwesen wird eine ständige Spendenberichterstattung gefordert (wie in den USA, Großbritannien oder Kanada, mit verlässlichen Angaben über Spenden bis hin zu den Spendern, für eine aktive Zivilgesellschaft wäre das noch wichtiger).
Verstärktes bürgerschaftliches Engagement kann zur Stärkung des schwindenden Sozialkapitals, zum Empowerment des Individuums und zu einer neuen politisch gefärbten Kultur des „Einmischens“ und Mitgestaltens in Gesellschaft, Kultur und Umwelt führen (siehe auch partizipatorische Demokratie), die einer mit dem Versprechen der staatlichen Rundumversorgung entstandenen Konsum- und Anspruchshaltung und ihren Folgen entgegenwirkt.
Ehrenamt und soziale Verantwortung des Staates
Nach der bisher umfassendsten Untersuchung über einen Zusammenhang zwischen wohlfahrtsstaatlichen Aktivitäten und der Bereitschaft, sich persönlich ehrenamtlich zu engagieren (nachzulesen bei Robert D. Putnam, siehe Literatur), gibt es einen direkten Bezug zwischen ihnen. Diese Fallstudie, durchgeführt von den 1960er-Jahren bis zur Jahrhundertwende in Großbritannien, Schweden, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Spanien sowie den USA, Japan und Australien, berücksichtigte die unterschiedlichen Varianten und Ausprägungen sowohl des Wohlfahrtssystems als auch die des persönlichen Engagements in diesen Ländern.
Festgestellt wurde, dass die beiden Länder mit dem höchsten Werten staatlicher sozialer Verantwortung und Wohlfahrtspolitik, die Niederlande und Schweden, auch die höchsten Werte an unentgeltlichem Bürgerengagement aufweisen. In Frankreich zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen den Kurven politischer Entscheidungen, den Sozialstaat betreffend, und denen der Entwicklungen im Vereinssektor: die Spitzen- und die Tiefstwerte korrespondieren jeweils miteinander. Ähnliche Tendenzen wurden in den USA, in Schweden und Australien gefunden.
Zieht sich hingegen ein Staat aus seiner sozialen Verantwortung zurück, wie dies etwa in den USA und in Deutschland zu beobachten ist, sinkt die Bereitschaft sich ehrenamtlich zu betätigen. Wolfgang Engler, aus dessen Buch Bürger, ohne Arbeit diese Untersuchung zitiert wurde (S. 240ff), folgert daraus: „Soziales Kapital wird in der Lebenswelt gebildet, bleibt an soziale, rechtliche, infrastrukturelle Rahmenbedingungen gebunden ... Wo der Staat sozial abrüstet, abdankt, entfernen und entfremden sich die Menschen voneinander, ... schläft ihr sozialer Sinn unwiderruflich ein.“ Und nach Beobachtungen verschiedener Freiwilligenagenturen „wächst das Problembewusstsein bei den neuen Engagierten, dass ehrenamtliche Arbeit bezahlte Arbeit bei den wichtigen Aufgaben ersetzen könnte, die eigentlich der Staat zu finanzieren hat“ (zitiert nach Frankfurter Rundschau, S-Ausgabe, Thema des Tages, Seite F2 vom 15. Juni 2007).
Kritik
Ambivalenz der staatlichen Förderung
Kritisch ist der Stellenwert ehrenamtlicher Arbeit in der gesellschaftlichen Gegenwartssituation zu betrachten. Einerseits liegt nahe zu vermuten, dass unbezahlte Arbeit bei ständig steigender Verschuldung der öffentlichen Haushalte und steigenden Kosten im sozialen und Gesundheitsbereich einiges von den nicht mehr bezahlbaren Aufgaben übernehmen soll, die in den letzten Jahrzehnten in den Bereich staatlicher Fürsorge fielen. So wurden beispielsweise Sozialleistungen für kognitiv beeinträchtigte Personen in England mit der Begründung, die Versorgung würde durch ehrenamtliches Engagement kostengünstiger und selbständig organisiert, massiv gekürzt. Es können jedoch nicht alle sozialen Aufgaben ehrenamtlich organisiert werden, was sich in diesem Fall gezeigt hat.
Unter diesem Aspekt richtet sich Kritik gegen die Förderung ehrenamtlichen Engagements durch den Staat, um seinen Haushalt zu entlasten: Ehrenamtliche als willkommene „Melkkühe“, in Verbindung mit Kritik der Finanzierung seines Haushaltes (z. B. zu geringe Besteuerung der Reichen) oder der Verwendung der Haushaltsmittel (z. B. zu hohe Ausgaben für militärische Rüstung.)
Andererseits ist ehrenamtliches Engagement, das zugunsten derjenigen erbracht wird, die davon direkt profitieren, zu begrüßen oder eventuell sogar notwendig, wenn solche Arbeit wegen Unbezahlbarkeit sonst entfiele. Dass es „indirekte“ Profite gibt, etwa wenn Wohlhabende nicht ganz besonders und sei es über Stiftungen oder andere materielle Leistungen (neben Steuern) teilhaben - solche Gerechtigkeitsfragen sind kein Argument gegen staatliche Förderung ehrenamtlichen Engagements.
Daneben muss berücksichtigt werden, dass entsprechendes politisches Handeln auch das Ziel haben kann, Subsidiarität zu stärken.
Problematik der Integration in geldvermittelte Leistungssysteme
In gewisser Hinsicht kann also die Etablierung ehrenamtlichen Engagements Ausnutzungscharakter haben: auf gesamtgesellschaftlicher (wie vorstehend angedeutet), aber auch auf Organisationsebene: Ehrenamtliche z. B. stützen nicht nur indirekt einen zu umfangreichen Verwaltungsapparat einer gemeinnützigen Einrichtung, sie tragen auch zu deren Fortbestand bei. Umgekehrt kann der Einsatz von Ehrenamtlichen zu Lohndumping führen: Diejenigen, die für ihre Arbeit bezahlt werden, erhalten ein geringeres Entgelt, als angemessen wäre, indem sie zum Teil durch Ehrenamtliche ersetzt werden. (Obwohl oftmals eine Finanzierungsstrategie (nicht immer wirklich im Interesse des Gemeinwohls, sondern manchmal zur Bedienung partikularer Interessen), ist dies auch ein struktureller Nebeneffekt, insofern unentgeltliche Leistungen in geldvermittelten Leistungssystemen, so auch auf dem Arbeitsmarkt, ein Störfaktor sind.)
Der Lohndruck auf Professionelle und eventuell ihre Verdrängung vom Arbeitsmarkt ist ähnlich problematisch wie auch subventionierte Tätigkeiten, z. B. 1-Euro-Jobs.
Ehrenamtliche sind bisweilen ungenügend auf ihre Einsätze vorbereitet, schlecht ausgesucht oder schlecht betreut.
Definitionsprobleme und soziale Anerkennung
Der Begriff des Ehrenamts hat gegenüber anderen Bezeichnungen Vorzüge. Es muss eher Wohlhabenden „eine Ehre“ sein, anderen keine bezahlte Arbeit wegzunehmen. Oder die ehrenamtliche Tätigkeit ist ehrenvoll, wertet sozial auf, lässt statt monetärer Entgeltung soziale Anerkennung verdienen. Was nicht bei allen ehrenamtlichen Tätigkeiten und Leistungen in der Gesellschaft gleich erfolgt. Auch bei Aufwandsentschädigungen und kleinen Vergünstigungen unterscheiden sie sich sehr. Nur institutionalisierte Ehrenämter etwa haben auch Vergünstigungen wie Fahrgeld, regional Ehrenamtscards (so genannt in Hessen) für kostenlose oder ermäßigte Eintritte in Museen etc. (siehe link) Gleichwertiges informelles Engagement „im Dunkel“ fällt oftmals nicht auf (bei ohnehin motivierten, wohlhabenden Menschen auch stimmig). Während ehrenamtliches Engagement über den Klee gelobt wird, haben etwa Hausarbeit, Krankenpflege und Kindererziehung, je nach dem auch als unentgeltliche Dienste für die Gesellschaft zu verstehen, oft zu wenig Anerkennung.
Auch im Rahmen lohnabhängiger Beschäftigung entstehen oftmals informell zusätzliche Beiträge zum Gemeinwohl: etwa wo man - im Interesse eines gemeinnützigen Unternehmensziels - eine geringere Entlohnung oder unbezahlte Überstunden akzeptiert. Engagement am Arbeitsplatz kann einem Vergleich mit ehrenamtlichem Engagement manchmal standhalten.
Eine genaue Definition, was ehrenamtliches Handeln wesentlich ausmacht, im Unterschied zum Engagement anderer Sorte, ist daher kaum möglich, ohne dass Kritiker solcher Definition auftreten. Bei der Lektüre diesbezüglicher Literatur ist daher immer zu berücksichtigen, wie ehrenamtliches Handeln definiert wird, um darauf bezogene Untersuchungen richtig einzuordnen und zu bewerten.
Die (fachwissenschaftlichen) Begriffe bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliches Engagement oder Freiwilligenarbeit als Ersatz für "ehrenamtliches" Engagement haben die notorische Unschärfe des eigentlich gemeinten nicht aufheben können. Darüber hinaus ist die Frage entstanden, ob bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliches Engagement Synonyme sind oder nicht. Wenn man von Engagement in einer Bürgergesellschaft oder Zivilgesellschaft spricht, scheint die synonyme Verwendung gerechtfertigt. Hingegen ist Engagement für Bürgergesellschaft bzw. Zivilgesellschaft, etwa im Sinne von „mehr“ Bürgergesellschaft oder Zivilgesellschaft, oder im Sinne von Verbesserung entsprechenden gesellschaftlichen Lebens, nicht ohne weiteres gleichsetzbar, da diese Begriffe aus unterschiedlichen Traditionen politischen Denkens stammen.
Gegenüber dem „ehrenamtlichen Engagement“ sind „zivilgesellschaftliches“ oder „bürgerschaftliches Engagement“ umfassendere Begriffe, mit denen auch Engagement durch Geldspenden gemeint ist. Im Kontrast zu solchem Engagement hat ehrenamtliches Engagement den Charakter der Zeitspende.
Siehe auch
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
- Corporate Citizenship
- Crowdsourcing
- Europäischer Freiwilligendienst
- Freiwilliges Ökologisches Jahr
- New Work
- Soziales Engagement
- Sozialkapital und Soziales Vertrauen (zu soziologischen Theorieaspekten des Ehrenamts)
- Tag des Ehrenamts
Literatur
- Karin Beher, Reinhard Liebig, Thomas Rauschenbach: Strukturwandel des Ehrenamts. Gemeinwohlorientierung im Modernisierungsprozeß. Juventa Verlag, Weinheim und München 2000, ISBN 3-7799-1406-9
- Sebastian Gradinger: Service Clubs - zur Institutionalisierung von Solidarität und Sozialkapital. Universität Trier, 2006 [1]
- Gerhard Igl, Monika Jachmann, Eberhard Eichenhofer: Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement im Recht - ein Ratgeber. Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3575-0
- Ernst Kistler, Heinz-Herbert Noll, Eckhard Priller (Hg.): Perspektiven gesellschaftlichen Zusammenhalts. Empirische Befunde, Praxiserfahrungen, Meßkonzepte. Edition Sigma, Berlin 1999, ISBN 3-89404-459-4
- Lebendige Seelsorge, Heft 3/2006 der Zeitschrift zum Thema „Ehrenamt im Wandel“ [2]
- Harald A. Mieg, Theo Wehner: Frei-gemeinnützige Arbeit: Eine Analyse aus Sicht der Arbeits- und Organisationspsychologie (Harburger Beiträge zur Psychologie und Soziologie der Arbeit Nr. 33). Technische Universität Hamburg-Harburg, Arbeitswissenschaft, 2002 [3]
- Robert D. Putnam (Herausgeber): Gesellschaft und Gemeinsinn. Sozialkapital im internationalen Vergleich. Gütersloh 2001, ISBN 3892048401
- Doris Rosenkranz, Angelika Weber (Hg.): Freiwilligenarbeit. 2002, ISBN 3-7799-0732-1
- Rainer A. Roth: Das Ehrenamt. Freiwilliges unbezahltes Bürgerengagement in einer pluralistischen Gesllschaft. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München, 1997
- Andrea Schumacher: Im Anruf des Guten. Zur Wertorientierung des Menschen im kirchlichen Ehrenamt. Institut zur Förderung der Glaubenslehre, München 2002, ISBN 3-936909-99-7
- Christina Stecker: Vergütete Solidarität und solidarische Vergütung. Zur Förderung von Ehrenamt und Engagement durch den Sozialstaat. Reihe Bürgerschaftliches Engagement und Nonprofitsektor, Bd. 8., Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3484-3
- Stephan Würz: Freiwilligenarbeit in den USA. In: LandesEhrenamtsagentur Hessen (Hg.): Dokumentation der Fachexkursion Freiwilligenarbeit in den USA im Mai 2004. Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-00-015822-7 (auch mit amerikanischen Links und Literaturnachweisen)
Weblinks
- Bundesverwaltungsamt (Informationen zum Ehrenamt)
- CEV The European Volunteer Centre / Centre Européen du Volontariat (enthält u. a. viele Untersuchungsergebnisse zu Motiven ehrenamtlich Tätiger in unterschiedlichsten Ländern)
- Stuttgarter Zeitung online (Serie zu Ehrenamt mit Porträts von ehrenamtlich Beschäftigten)
- Virtuelle Ehrenamtsbiblithek (Literatur zum Ehrenamt zum Herunterladen)