Zum Inhalt springen

Quintus Aurelius Symmachus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. September 2007 um 13:12 Uhr durch Benowar (Diskussion | Beiträge) (kleinere Umformulierung, siehe den Einwand von Benutzer:Nwabueze: http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Benowar#Symmachus). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Quintus Aurelius Symmachus (* um 340; † um 402) war ein spätantiker römischer Senator und prominenter Vorkämpfer der alten Religion gegen das Christentum. Er gilt als als der bedeutendste lateinische Redner seiner Zeit. Mit seinem Plädoyer für die traditionellen Kulte im Streit um den Victoriaaltar scheiterte er jedoch. Kompromittiert durch seine Unterstützung des Usurpators Eugenius zog er sich aus der Politik weitgehend zurück. Symmachus widmete sich der Herausgebertätigkeit, als das kulturelle Erbe der klassischen Antike vom Untergang bedroht war. Seine Anhänger und Nachfahren setzten auch im christlichen Rom diese Tradition fort.

Familie

Symmachus stammte aus einer hochangesehenen senatorischen Familie, sein Vater Lucius Aurelius Avianius Symmachus war Senator und von 364–65 Stadtpräfekt von Rom gewesen. Er selbst galt als der größte lateinische Redner seiner Zeit und bekleidete mehrere wichtige Ämter. Sein Sohn war Quintus Fabius Memmius Symmachus, der im Jahr 401 Prätor war. Weitere Verwandte waren Aurelius Anicius Symmachus, der von 418 bis 420 Stadtpräfekt von Rom war, und der gleichfalls berühmte Urenkel Quintus Aurelius Memmius Symmachus.

Leben

Unter Valentinian und Gratian

Politisch in Erscheinung tritt Symmachus das erste Mal im Jahr 369, als er an den Hof Kaiser Valentinians I. nach Trier reiste, um dem Kaiser eine vom Senat in Rom eingesammelte Steuer zu überbringen und ihm zum fünfjährigen Regierungsjubiläum zu gratulieren. Valentinian war noch nie in Rom gewesen und hatte auch noch keinen Kontakt zum Senat aufgenommen. Symmachus kam die ehrenvolle Aufgabe zu, dem Kaiser die Treue des Senats zu versichern und somit die Beziehungen zwischen dem Senat und dem Kaiserhof zu pflegen: Vor Valentinian und seinem Sohn, dem noch sehr jungen Mitkaiser Gratian, hielt Symmachus drei panegyrische Reden, wofür er mit einem Ehrenrang ausgezeichnet wurde.[1]

In Trier lernte Symmachus den Erzieher Gratians, Ausonius, kennen. Dieser war Rhetorikprofessor in Bourdeaux und ist als Dichter der Mosella, einem Gedicht über die Mosel, bekannt. Das eher oberflächliche Verhältnis zu seinem christlichen Glauben äußerte Ausonius in einem Gedicht, das im Kontext eines Trinkgelages die Zahl Drei metrisch und thematisch variiert und das mit dem Vers aufgelöst wird: „Dreimal zeche, die Dreizahl ist das Größte, dreifach ist der eine Gott![2] Unter den erhaltenen Briefen des Symmachus sind mehr als dreißig an Ausonius gerichtet, die ein Freundschaftsverhältnis erkennen lassen. Sie geben Einblick in die Kontaktpflege zwischen dem alten stadtrömischen Senatsadel und der aufstrebenden Provinzaristokratie.[3]

Auch die weitere Karriere des Symmachus verlief sehr erfolgreich: Er war 373–74 Prokonsul von Africa, der Kornkammer Roms und einer der wichtigsten Provinzen des Westens. Besonders zu Gratian scheint er ausgezeichnete Kontakte unterhalten zu haben, denn nach dem Tod Valentinians wurde ihm die überaus ehrenvolle Aufgabe zuteil, vor dem Senat eine Rede Gratians zu verlesen, in welcher der neuen Seniorkaiser des Westens (Gratians Halbbruder Valentinian II. war von Truppen ebenfalls zum Kaiser ausgerufen worden) seine Politik darlegte.

Symmachus im Streit um den Victoriaaltar

Constantius II. hatte im Jahre 356 ein allgemeines Opferverbot verfügt und ließ die Schließung der Tempel gesetzlich befehlen.[4] Ein Jahr später zeigte sich der Kaiser bei seinem Besuch in Rom sehr beeindruckt von der immer noch vorhandenen Pracht der alten Hauptstadt.[5] Ebenso wollte er wohl auch die heidnische Mehrheit im Senat nicht gegen sich aufbringen und ließ daher nur den Altar der Siegesgöttin Victoria aus dem Senatsgebäude entfernen, die Augustus dort hatte aufstellen lassen und die als Symbol der alten Staatsreligion galt. Eine Inschrift des praefectus urbi, Vettius Agorius Praetextatus, aus dem Jahre 367 oder 368, bezeugt die Wiederherstellung der Porticus Deorum Consentium und ihrer heiligen Bilder mir römischen Gottheiten auf dem Forum Romanum.[6] Sie ist die letzte bekannte Weihinschrift für ein heidnisches Gebäude gesetzt durch einen Stadtbeamten.

Symmachus war selbst ein Mitglied des Priester-Kollegiums, welches den Vorwurf des Keuschheitsvergehens gegen die Vestalische Jungfrau Primigenia untersuchte und diese „nach der Sitte der Vorfahren“ verurteilte,[7] worunter man das Lebendigbegraben der Vestalin bei der Porta Collina sowie die Hinrichtung des Liebhabers durch Geißelung auf dem Forum Romanum verstand. Das Amt der Vestalischen Jungfrau geht wohl auf die römische Königszeit zurück, sie war verantwortlich für die Pflege des Feuers im Tempel der Vesta, der Verlust ihrer Unschuld bedeutete die Besudelung Roms durch feindliche Mächte, wobei Wirkung und Ursache weitgehend synonym verstanden wurden.[8] Gratian stellte daraufhin im Jahr 382 die staatlichen finanziellen Zuwendungen an den Kult ein, was eine nicht geringe Rolle beim sich formierenden Widerstand der heidnischen Senatoren spielte. Die letzte Nachricht von einer vermutlich bereits emeritierten Vestalin stammt aus dem Jahr 394,[9] der christliche Dichter Prudentius beschrieb in einer polemischen Schrift wenig später, dass im Unterschied zu den christlichen Nonnen die aus ihrer 30jährigen Dienstzeit entlassenen Vestalinnen „ihren Betten keine Ruhe gönnen, in denen das zuchtlose Weib ihre nutzlose Verletzung und ihr verlorenes Feuer erseufzt.[10]

Julian hatte den Altar wiederaufstellen, Valentinian I. ihn wieder entfernen lassen. Aufgrund seines Protestes gegen diese Maßnahme wurde Symmachus 382 zunächst der Stadt verwiesen, doch 384, als Stadtpräfekt, wandte er sich in dieser Sache an den neuen Kaiser Valentinian II. Die rhetorische Qualität der von Symmachus verfassten Bittschrift galt schon den Zeitgenossen als unerreichbar, während Ambrosius in seiner Replik besonders hinter der Rom-Prosopopoiia des Senators zurückblieb: Symmachus, 3. relatio 9-10

Romam nunc putemus adsistere atque his vobiscum agere sermonibus: optimi principum, patres patriae, reveremini annos meos, in quos me pius ritus adduxit! utar caerimoniis avitis; neque enim paenitet. vivam meo more, quia libera sum! hic cultus in leges meas orbem redegit, haec sacra Hannibalem a moenibus, a Capitolio Senonas reppulerunt. ad hoc ergo servata sum, ut longaeva reprehendar? Videro, quale sit, quod instituendum putatur; sera tamen et contumeliosa emendatio senectutis. ergo diis patriis, diis indigetibus pacem rogamus. aequum est, quidquid omnes colunt, unum putari. eadem spectamus astra, commune caelum est, idem nos mundus involvit. quid interest, qua quisque prudentia verum requirat? uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum. Sed haec otiosorum disputatio est. Nunc preces, non certamina offerimus.
„Wir könnten uns vorstellen, dass die Göttin Rom mir beistünde und Euch mit den folgenden Worten ersuchte: ‚Beste unter den Kaisern, Väter des Vaterlandes, habt Ehrfurcht vor meinen Jahren, zu denen mich die gewissenhafte Einhaltung des Brauches geführt hat! Ich möchte die religiösen Feiern der Ahnen begehen, denn dies ist keine Sünde. Ich möchte nach meiner Tradition leben, da ich doch frei geboren bin! Diese Religion hat den Erdkreis meinen Gesetzen unterworfen, diese heiligen Bräuche haben Hannibal von den Mauern der Stadt, die Gallier vom Kapitol abgewehrt. Bin ich damals gerettet worden, damit ich nun im hohen Alter zurückgesetzt werde? Ich soll anfangen zu sehen, von welcher Art die von Euch als notwendig angesehenen Maßmahmen sind; doch spät und unerquicklich ist die Ausbesserung des Altertums. Daher bitte ich um Frieden für die Götter unserer Väter und die Götter der Heimat. Es ist Euch ja zugestanden, dass das Ziel der allgemeinen Verehrung als Einheit verstanden wird. Wir betrachten die selben Sterne, der Himmel ist uns gemeinsam, das selbe Weltall umgibt uns. Was macht es für einen Unterschied, unter welchem System ein jeder die Wahrheit erforscht? Auf einem Weg allein kann man nicht zu einem derart großen Geheimnis gelangen.‘ Doch würde es sich hierbei um ein akademisches Streitgespräch handeln. In der gegenwärtigen Lage trage ich Bitten, nicht Preisreden vor.“

Ambrosius, Erzbischofs von Mailand, stammte ebenfalls aus einer alten und angesehenen Familie. Er gilt als als bedeutender Kirchenleher und christlicher Exegetiker. Ambrosius übte auch großen Einfluss auf die Kaiser Gratian und Valentinian II. aus und wies sie zu einem harten Kurs gegenüber den heidnischen Senatoren an, die zwar vielleicht nicht mehr die Mehrheit im Senat stellten, aber dort immer noch stark präsent waren.[11]

Unter Kaiser Theodosius

Kaiser Theodosius I., seit 379 Kaiser im Osten und seit 383 Seniorkaiser, verordnete besonders im Jahe 391 scharfe Gesetze gegen alle nicht-monotheistischen Religionen, darunter das Opfer-, Tempel- und Religionsausübungsverbot.[12] Anders als die Christenverfolger des 3. Jahrhunderts, die städtische Beamte zur Ausrottung christlicher Gemeinden verpflichtet hatten, kümmerte sich Theodosius wenig um die Umsetzung dieser Gesetze.[13] Allerdings stellte er dem Bischof Theophilos in Alexandria Truppen zur Verfügung, um den Widerstand von Anhängern ägyptischer Religionen gegen die Zerstörung der prächtigen Tempel niederzuschlagen. Mönche und heilge Männer, die Tempel und Statuen zerstörten, zogen in Banden durch Länder des Ostens, so der schlaflose Alexandros mit seinem Asketen.[14] Der christliche Kommentator Rufinus schrieb: „Der Kult der heidnischen Bilder, der seit der Politik des Konstantin und seiner Nachfahren aufgegeben und zerstört wurde, ist unter der Regierung des Theodosius eingestürzt.[15] Im Osten wurden etwa ab 380, im Westen ab 393 in den christianisierten Gemeinden alle Tempel und Kultbilder zerstört oder entweiht, das Baumaterial teils in christlichen Bauten wiederverwendet oder Kirchen in den heiligen Bezirken errichtet.[16] Die benachteiligten Religionsgemeinschaften wurden dabei aus den Städten zurückgedrängt.[17] Friedrich Prinz schrieb von „kirchlichen Selektionsmechanismen …, die vielfach seit Kaiser Theodosius dem Großen (347–395) bis zur aktiven Vernichtung großer Bibliotheken mit paganen Schrifttum gingen.[18]

Gegenüber den zahlreichen Anhängern römischer und anderer synkretistischer Religionen im Senat verhielt sich Theodosius konziliant. So wurde Virius Nicomachus Flavianus, ein Verwandter und enger Freund des Symmachus und bekennender Nichtchrist, von Theodosius 390 zum praefectus praetorio ernannt, dem höchsten Zivilposten im spätrömischen Reich. Symmachus selbst war 384–85 Stadtpräfekt von Rom und bekleidete 391 das immer noch prestigeträchtige Konsulat.

Symmachus hatte sich allerdings für den Usurpator Magnus Maximus engagiert, der sich 383 gegen Gratian erhoben hatte, und ihm zu Ehren 388 sogar eine Lobrede halten. Als Theodosius den Usurpator kurz darauf vernichtete, konnte Symmachus, der sogar in einer christlichen Kirche Zuflucht gesucht hatte, sich nur mit Not verteidigen. Formal hätte Symmachus deswegen zum Tode verurteilt werden können, doch Theodosius reagierte wie so oft realpolitisch umsichtig. Bald genoss Symmachus die Gunst des Kaisers und durfte 391 sogar das Konsulat bekleiden. Offenbar hoffte Theodosius darauf, die westlichen Eliten für seine Politik zu gewinnen, was aber, wie die Unterstützung der nachfolgenden Usurpation des Eugenius durch heidnische Senatoren zeigt (siehe unten), nicht völlig gelang.[19]

Trotz mancher Rücksichtnahme auf die „Traditionalisten“ im Senat (was etwa die Bekleidung hoher Staatsposten durch Heiden noch in der Zeit des Theodosius belegt), so mussten die christliche Kaiser dennoch Wert darauf legen, dass ihre Position nicht durch den Senat, in dem noch immer viele Heiden vertreten waren, geschwächt würde. Zudem ging es auch um die finanziellen Zuwendungen, die den Heiden gestrichen wurden, wogegen sich nun Widerstand formierte. Letztendlich handelte es sich also nicht nur um einen ideologisch-symbolischer Streit zwischen Christentum und Heidentum, sondern um einen, in dem auch materielle Aspekte eine Rolle spielten. Allerdings sollte auch nicht eine teilweise vorhandene und wachsende christliche Intoleranz übersehen werden: Auch wenn etwa Ambrosius, der selbst klassisch gebildet war, privat gute Kontakte zu Heiden pflegte, kannte er im Grundsatz kein Nachgeben gegenüber dem Heidentum.

Als 392 Valentinian II. verstarb (vielleicht wurde er von seinem heidnischen Heermeister Arbogast ermordet, aber auch Selbstmord ist möglich) und Eugenius zum Kaiser erhoben wurde, schien es so, als würden die Hoffnungen der Heiden wahr werden: Eugenius war ein lauer Christ und stand den Heiden mit Wohlwollen gegenüber. Der bereits oben angesprochene Flavianus engagierte sich stark für Eugenius, und für kurze Zeit entfalteten sich ein letztes Mal im Westen die alten Götterkulte. Symmachus hielt sich jedoch sehr zurück, wohl das Scheitern von Magnus Maximus vor Augen. Und er sollte Recht behalten: Anfang September 394 schlug Theodosius das Heer des Eugenius in der Schlacht am Frigidus.

Damit triumphierte endgültig das Christentum, wenn sich Theodosius auch nach der Niederschlagung der Usurpation milde verhielt; es wurde bald schon eine Amnestie für die Eugeniusanhänger erlassen. Symmachus behielt bis zu seinem Tod die Stellung eines princeps senatus, widmete sich aber nun vor allem der Verwaltung seiner umfangreichen Güter in Italien und Africa sowie um die Herausgabe seiner Werke. Letzteres wurde erst von Symmachus’ Sohn vollendet.

Die in großer Zahl gefundenen Kontorniaten, münzähnlichen Funden, von ca. 355-410 zeigen auf der Vorderseite besonders christenfeindliche Kaiser sowie auf der Rückseite heidnische Gottheiten und Schriftsteller. Sie wurden von der heidnischen Senatsaristokratie geprägt und verwendet.[20]

Herausgebertätigkeit

Um 401 erwähnte Symmachus in einem Brief, dass er an einer Gesamtausgabe des 142-bändigen Werkes zur Geschichte der römischen Republik von Titus Livius arbeitete.[21] Die originalen Subskriptionen der ersten Dekade sind in Abschriften erhalten. Am Ende eines jeden Buches findet sich der folgende Eintrag:[22]

Victorianus v.c. emendabam domnis Symmachis
„Ich, Victorianus, vir clarissismus, war mit der Verbesserung beschäftigt im Hause des Symmachus“

Über den Subskripienten Victorianus ist außerdem bekannt, dass er eine lateinische Übersetzung der Biographie des Philostratos über den griechischen Wundertäter Apollonios von Tyana herausgab, die als Gegenschrift zu den kanonischen Evangelien über Jesus von Nazaret galt.[23] Die Überlieferung von Livius beruht auf der Ausgabe des Symmachus, deren Original allerdings verloren ist. Im Verona-Palimpsest[24] findet sich ein etwa gleichaltriger, unabhaengig entstandener Text, der aber von vergleichsweise minderer Qualität war. Die philologische Arbeit im Haus des Symmachus kann daher als sorgfältig eingeschätzt werden.[25]

Weitere Senatoren setzten diese Tradition im so genannten Symmachuskreis fort. Nicomachus Dexter und Virius Nicomachus Flavianus stellten Abschriften der Livius-Edition her. Außerdem blieben auf diese Weise Quintilian, Cornelius Nepos, Persius, Martial, Juvenal und Apuleius erhalten. Auch nach dem Übertritt von Bildungssenatoren zum Christentum wurden weitere Autoren gerettet, wie aus dem Schicksal der Handschriften des Horaz, Vergil, Pomponius, Valerius Maximus, Caesar, Plautus, Terenz und Sallust hervorgeht.[26] Macrobius beschrieb dieses Bemühen um die klassische Bildung in den Saturnalien. Die Praxis dieser Subskriptionen dauerte bis um die Mitte des 6. Jahrhunderts an. Sie lassen keine Opposition zum Christentum erkennen, sondern zeigen eher eine Beteiligung von Christen. Die Qualität der Texterstellung dieser Ausgaben war später stark rückläufig.[27] Alexander Demandt schrieb: „Die Fäden der Tradition sind dünn, und doch hängt an ihnen die gesamte weitere Entwicklung.“[28]

Die Briefe des Symmachus wurden von seinem Sohn in zehn Büchern herausgegeben. Sie sind eine wertvolle Quelle historischer Informationen zum römischen Reich des späten 4. Jahrhunderts. Sidonius Apollinaris ließ sich dadurch zur Herausgabe einer ähnlichen Briefsammlung inspirieren. H. Bloch geht davon aus, dass die Ausgabe der Briefe des Symmachus in zensierter Form erschien, aufgrund der Verstrickungen der Familie in die Usurpation des Eugenius und ihrer engen Beziehungen zu Nicomachus Flavianus.[29]. Symmachus schrieb vor 383 in einem Brief "an seinen Bruder Flavianus":[30]

Dehinc praesens status non sapientiam sed fortunam requirit. defectum annonae timemus pulsis omnibus, quos exerto et pleno ubere Roma susceperat. fac, ut his remediis convalescamus: quanto nobis odio provinciarum constat ista securitas! dii patri, facite gratiam neglectorum sacrorum! miseram famem pellite! quamprimum revocet urbs nostra, quos invita dimisit! plura tecum loqui, quam necesse est, de adversis communibus non libet. cura et valeas, et quidquid humana ope maius est, diis permitte curandum.
„So verlangt denn der gegenwärtige Zustand des Staates nicht die Philosophie, sondern den Reichtum. Wir fürchten eine Unterbrechung in der Kornversorgung, nachdem alle Menschen vertrieben worden sind, die Rom an seiner reichen und vollen Brust einst nährte. Ach, dass wir uns doch von diesen Heilmitteln wieder erholen könnten! Wie groß ist der Hass der Provinzen gegen uns, dem eine derartige Ruhe zu danken ist! Ihr Götter unserer Väter, seid gnädig gegenüber der Verwahrlosung von dem, was Euch geweiht ist! Verscheucht diese elende Hungersnot! Möge unsere Stadt alsbald die Menschen zurückrufen, die sie gegen ihren Willen verstoßen hat! Über mehr mit dir zu sprechen, als unbedingt notwendig ist, ist mir aufgrund der allgemeneinen Gegnerschaft nicht erlaubt. Sorge dafür, dass es dir gut geht, und was immer größer ist als menschliche Kraft, das vermache den Göttern zur Pflege.“

Antike Urteile

Der Senator und bedeutendste christliche Dichter der Antike, Prudentius, der in klassischen Schriften ausgebildet worden war und sogar Sympathie für Julian zeigte, verfasste nach 402 die polemischen zwei Bücher „Gegen Symmachus, der den Kult der heidnischen Bilder verteidigt“.[31] Er erkennt dessen rhetorisches Renommee an, benutzt dabei aber auch die übliche Polemik christlicher Autoren des lateinischen Westens.[32] Er nennt ihn: „Oh Zunge, strömend vom wunderbaren Quell der Worte, Zierde römischer Rhetorik, der sogar Tullius [Cicero] unterlegen ist, und der die Beredsamkeit diese reichen Perlen eingegegeben hat“. Da er aber nicht Gott lobe, sei er eine Schlange, die scheußliche Ungeheuer hervorbringe und das reine Wort mit Verbrechen beschmutze.[33] Auch bittet er den „Erlöser des römischen Volkes“ darum, dass jener nicht „mitten im Feuer verbrennen möge.“[34]

Datei:Codex Bobiensis.jpg
Codex Bobiensis. Diese Seite enthält einen Auszug aus Ciceros De repulica

Obwohl Symmachus als der bedeutendste Redner seiner Zeit galt, wurden seine Reden bis 1815 nicht mehr erwähnt. Angelo Mai, der sich auf Palimpsest-Funde spezialisiert hatte und dadurch in Fachkreisen berühmt wurde, fand die erhaltenen Fragmente in diesem Jahr in dem bedeutendsten Palimpsest, dem Codex Bobiensis, der auch ein Unikat von Ciceros de re publica enthält, in der Bibliothek des Vatikan. Die Reden des Symmachus waren im 7. Jahrhundert gelöscht und mit einer Kopie der Akten des Konzils von Chalcedon überschrieben worden. Indem Mai Chemikalien auf den Codex anwendete, um die ältere Schrift wiederherzustellen, veränderte er dessen Schriftbild dauerhaft und beschädigte den Codex.[35]

Forschungsmeinungen

Die historische Person des Symmachus sowie die sie umgebenden Zeitumstände sind unterschiedlich beurteilt worden. Herbert Bloch hielt 1959 einen Votrag zum Thema am University College London, der 1963 in einem viel zitierten Sammelband von Arnaldo Momigliano in englischer Übersetzung erschien. Er würdigte darin die Bittrede des Symmachus im Streit um den Victoriaaltar als „eines der ergreifendsten Zeugnisse des sterbenden Heidentums“.[36] Er erinnerte eingangs an die Weltkriege, wies auf die Möglichkeit eines weiteren Weltkrieges hin und „ohne die Seite der Heiden vertreten zu wollen“, wie er schrieb, kam er zu dem Urteil:[37]

„Es gab keinen folgeschwereren Zusammenbruch in der Geschichte der Menschheit als denjenigen, der durch das Ende der antiken Welt und den letzten Kampf zwischen Heidentum und Christentum bezeichnet wird – ein Kampf, der am Ende des 4. Jahrhunderts zu seinem Höhepunkt und dramatischen Ende kam.“

Bloch (1963), S. 193.

Auf Anregung des bedeutenden Forschers zu persischen und ägyptischen Relgionen der Antike, M.J. Vermaseren, veröffentlichte J. Wytzes 1977 ein Buch „Der letzte Kampf des Heidentums in Rom“, das auf seiner Dissertation von 1936 basierte. In dem Kapitel „Symmachus“ gab er die folgende Zusammenfassung:

„Es ist klar, dass Symmachus und die Seinen ihre Zeit nicht verstanden und ihre Bedeutung für das Bestehen und den Fortbestand des Reiches überschätzten. Sie suchten ihre Stärke in sterilen Nachahmungen von Kleinigkeiten, ohne die große Hingabe, die dem Imperium Gestalt gegeben hatte. […] Ihr Schwärmen für das Altertum beweist, dass man den Verfall des Reiches ahnte. Ein lebenskräftiges Zeitalter ist der Vergangenheit nicht zugewandt. Dass ihr geistiges Leben auf einem nicht eben hohen Niveau lag, darf man ihnen nicht vorwerfen. Wir kennen übrigens weder die Annalen des Flavianus noch die Betrachtungen, Aufzeichnungen und Schriften des Praetextatus. […] Aber wenn die Werke von Macrobius als Beweis und Gradmesser für ihr Interesse und Können dienen dürfen, dann kann man nur sagen: Hier liegt eine Kultur in den letzten Zügen. Der Hang zum Alten führte in einen geistigen Morast.“

Wytzes (1977), S. 131f.

Literatur

Ausgaben

Sekundärliteratur

  • Herbert Bloch: The Pagan Revival in the West at the End of the Fourth Century. In: Arnaldo Momigliano (Hrsg.), The Conflict Between Paganism and Christianity in the Fourth Century. Oxford 1963, S. 193–218.
  • Alexander Demandt: Die Spätantike. Handbuch der Altertumswissenschaft. 2. überarb. Aufl., Beck, München 2007.
  • Arnold Hugh Martin Jones, John Martindale, John Morris: The Prosopography of the Later Roman Empire. Bd. 1. Cambridge 1971, S. 865–870.
  • Richard Klein: Symmachus. Eine tragische Gestalt des ausgehenden Heidentums. Wiss. Buchges., Darmstadt 1971 (Impulse der Forschung, 2), ISBN 3-534-04928-4.
  • Hartmut Leppin: Theodosius der Große. Wiss. Buchges., Darmstadt 2003.
  • Cristiana Sogno: Q. Aurelius Symmachus: a political biography. Ann Arbor 2006.
  • Jelle Wytzes: Der letzte Kampf des Heidentums in Rom. Brill, Leiden 1977 (Études préliminaires aux religions orientales dans l’Empire romain, 56), ISBN 90-04-04786-7.

Anmerkungen

  1. Allgemein zur Biografie: Vorbemerkungen in der MGH Edition von Seeck (1883); Klein (1971); Jones u.a., PLRE I, S. 865ff.; Sogno (2006).
  2. Ausonius, Griphus ternarii numeri, hier online.
  3. Siehe Hagit Sivan: Ausonius of Bordeaux. Genesis of a Gallic Aristocracy. New York 1993, bes. S. 111ff.
  4. Codex Theodosianus 16,10,4 und 6.
  5. Ammianus Marcellinus 16,10. Bloch, S. 194.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum VI 102 = Hermann Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae 4003.
  7. Symmachus, Epistulae 8,147f. hier online
  8. Plinius, Epistulae 4,11.
  9. Hermann Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae 4151; Zosimos 5,38,3.
  10. Prudentius, Gegen Symmachus, der die Bilderverehrung verteidigt 2,1073f.
  11. Zur Person des Ambrosius siehe einführend: Ernst Dassmann: Ambrosius von Mailand. Leben und Werk. Stuttgart 2004. Zur Christianisierung der römischen Oberschicht und des Senats vgl. Michele R. Salzman: The Making of a Christian Aristocracy: social and religious change in the western Roman Empire. Cambridge/MA 2002, unter anderem S. 65ff.
  12. Codex Theodosianus 16,10,10-12. Zu Theodosius vgl. Leppin (2003).
  13. R.M. Errington, Christian Accounts of the Religious Legislation of Theodosius I. In: Klio 79 (1997), S. 398–443.
  14. Demandt (2007), S. 165
  15. Rufinus, Kommentar zur Kirchengeschichte des Eusebius 2,19.
  16. Johannes Hahn: Gewalt und religiöser Konflikt. Die Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.). Berlin 2004 (Klio Beihefte, N.F., Bd. 8); Eberhard Sauer: The Archaeology of Religious Hatred in the Roman and Early Medieval World. Stroud & Charleston 2003.
  17. Hartmut Leppin: Von Constantin dem Großem zu Theodosius II. Göttingen 1996.
  18. Friedrich Prinz, Europas geistige Anfänge, in: Die Zeit, hier online (Abschnitt: „Blenden wir wieder zurück“).
  19. Vgl. Leppin (2003), S. 144f., 205ff.
  20. Andreas Alföldi: Die Kontorniaten. Ein verkanntes Propagandamittel der stadtrömischen heidnischen Aristokratie in ihrem Kampfe gegen das christliche Kaisertum. Budapest 1943.
  21. Symmachus, Epistulae 9,13.
  22. Bloch, S. 215.
  23. Sidonius Apollinaris, epistulae 8,3.
  24. E.A. Lowe, Codices Latini Antiquiores, Bd. 4, Oxford 1947, #499.
  25. Bloch, 216.
  26. Demandt (2007), S. 489f.
  27. Leighton D. Reynolds und Nigel G. Wilson: Scribes and Scholars. A Guide to the Transmission of Greek and Latin Literature. 3. Aufl. Oxford 1991, S. 39-42.
  28. Demandt (2007), S. 492.
  29. Bloch, S. 211.
  30. Brief 2,7, zitiert nach Otto Seeck, hier online; Demandt (2007), S. 499, verweist auf diesen Brief.
  31. Titel nach der ältesten Erwähnung bei Sidonius Appolinaris.
  32. Hierzu Ilona Opelt: Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin. Heidelberg 1980.
  33. Prudentius, Contra Symmachum 1,632-642
  34. Prudentius, Contra Symmachum 1, pr. 80 und 89.
  35. Sogno (2006), 1f.
  36. Bloch (1963), S. 211: one of the most poignant documents of dying paganism.
  37. There has been no more momentous breakdown in the history of mankind than the one which marks the end of the ancient world and the final conflict between paganism and Christianity, a conflict which culminates and comes to a dramatic conclusion at the end of the fourth century.