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Ralph Benatzky

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Ralph Benatzky (* 5. Juni 1884 in Mährisch Budwitz; † 16. Oktober 1957 in Zürich), gebürtig Rudolph Josef František Benatzky, war ein österreichischer Komponist. Er komponierte Opern, Operetten und Chansons.

Ralph Benatzky war ein Multitalent. Mehr als 2000 Chansons, über fünfzig Bühnenwerke, zahlreiche Filmmusiken und Einzelschlager, dazu noch unterhaltsame Romane, Feuilletons, Gedichte und 24 Tagebuchbände flossen aus seiner Feder. Man kann also ohne Übertreibung sagen, dass Benatzky ein ‚Amokläufer der Arbeit’ war. Doch obwohl sein Oeuvre derart umfangreich ist und sein Talent so vielseitig, ist es vor allem ein Werk, das die Erinnerung an ihn bis heute wach hält: das unverwüstliche "Weiße Rössl". Mit diesem beispiellosen Erfolgsschlager aus dem Jahr 1930 wurde Benatzky weltberühmt und unsterblich. Trotz des anhaltenden Erfolgs dieses Stücks kennt jedoch kaum jemand den Mann hinter der immergrünen Alpenkulisse, wissen wenige etwas von seinem Leben jenseits des Wolfgangsees.

Geboren wurde Benatzky 1884 in Mährisch-Budwitz. Nachdem er wegen eines Duells unehrenhaft aus der österreichischen Armee entlassen wurde, ging er nach Wien, studierte Germanistik, Philosophie und Musik, wurde zum Doktor der Philosophie promoviert und begann, frech-frivole Lieder fürs Kabarett zu schreiben. Als Hauptkomponist und Klavierbegleiter seiner späteren zweiten GattinJosma Selim, einer gefeierten Chansonette, erlangte er schnell internationalen Ruhm. Wegen „der besseren Verdienstmöglichkeiten“ zog er 1924 mit Josma von der Donau an die Spree, von Wien nach Berlin, der zweiten wichtigen Operettenmetropole der Zeit. In der deutschen Hauptstadt avancierte Benatzky schnell zu einem der Großen des damals in voller Blüte stehenden Silbernen Operettenbetriebes. Neben seinen mit dem Regisseur Erik Charell kreierten Revueoperetten fürs Große Schauspielhaus – u.a. "Casanova" (1928), "Die drei Musketiere" (1929) und "Im weißen Rössl" (1930) – exzellierte Benatzky ausgerechnet auf dem vollkommen konträren Gebiet der intimen Kammeroperette. Er entwickelte als Alternative zu den pathetischen Opern des späten Lehár (z.B. "Das Land des Lächelns" 1929) die französische "opérette légère" zum musikalischen Konversationslustspiel deutscher Provenienz. Dabei entstanden so charmant-witzige (und teils provozierende) Werke wie "Adieu Mimi" (1926), "Meine Schwester und ich" (1930), "Bezauberndes Fräulein" (1933), und "Das kleine Café" (1934). Zarah Leander bescherte er mit "Axel an der Himmelstür" (1936) den ersten überregionalen Hit, der sie außerhalb ihrer skandinavischen Heimat bekannt machte. Als die Ufa sie nach der Axel-Premiere von Fleck weg engagierte, bestand sie auf Benatzky als Komponist für ihren ersten Musikfilm "Zu neuen Ufern". Benatzky schrieb daraufhin für die Diva mit der „König Marke Stimme“ (O-Ton Benatzky) die Evergreens „Yes, Sir!“ und „Ich steh im Regen“. Der grandiose Erfolg des Leander-Streifens und seines Benatzky-Soundtracks darf als künstlerisch-kommerzieller Höhepunkte von Benatzkys Musikerkarriere gesehen werden. Es flatterten Angebote aus dem In- und Ausland ins Haus, sogar ein Hollywood-Vertrag mit der Filmfirma MGM. Die Welt stand dem Komponisten offen.

Dann marschierte Hitler mit seinen Truppen 1938 in Österreich ein und mit Benatzkys Produktivität, die bereits 1933 empfindlich gestört worden war, war es aus. Er musste wegen seiner jüdischen dritten Ehefrau Melanie Hoffmann, einer Ex-Tänzerin der Berliner Staatsoper, die Stätten vergangener Triumphe verlassen. Er ging ins amerikanische Exil und erlebte dort das gleiche Schicksal, wie viele seiner europäischen Kollegen: sein zuvor abgeschlossener MGM-Vertrag platzte, sein in den Augen der Amerikaner zu sehr mit der alten Welt verbundenes Oeuvre interessierte über Nacht niemanden mehr, sein ehemals so leuchtender Stern verblasste und versank. Benatzky zerbrach innerlich. Als der Krieg nach sechs langen Jahren vorbei war, kehrte Benatzky als gebrochener Mann nach Europa zurück. Dort starb er, ohne an seine einstigen Erfolge anknüpfen zu können, 1957 in der Schweiz. Begraben ist er, auf eigenen Wunsch, in St. Wolfgang.

Nur sein Opus Magnum, das ewig galoppierende "Rössl" überlebte alle Widrigkeiten der Zeitgeschichte. Nach Jahrzehnten verharmlosender Heimatfilm-Aufführungen und Verfilmungen, die das Benatzky-Image arg in Schräglage brachten, leistete 1994 ausgerechnet die Berliner Bar jeder Vernunft Benatzkys Ehrenrettung: mit einer schrillen Rössl-Inszenierung von Ursli Pfister (mit Max Raabe, Otto Sander, Meret Becker), die sich wieder auf die kabarettistisch-parodistischen Ideale der Uraufführungsproduktion von 1930 besann. Sie weckte vor allem bei jungen Menschen wieder Interesse am totgesagten Genre Operette. Eine Benatzky-Renaissance größeren Umfangs wurde eingeläutet, wie sie etwa die Alte Musik erlebte und für die heute Namen wie René Jacobs und Marc Minkowski stehen. Die Benatzky-Renaissance ging einher mit einem generell neu erweckten Interesse am unterhaltenden Musiktheater der Weimarer Republik, dem Max-Raabe-Schlager-Phänomen und der Erforschung der Exilschicksale von Unterhaltungskünstlern – auch denen, die an der "Rössl"-Premiere beteiligt waren (und von denen viele in den Gaskammern der Nazis umkamen).

Zu all dieses Aspekten erschien 2006 in der Serie "Musik-Konzepte" ein Band mit Essays, die in dem nur scheinbar so harmlosen und altbackenen "Rössl" erstmals wieder die vielen, lang verdeckten Bedeutungsebenen untersuchen und zeigen, was für ein modernes Stück dieser Theatergaul ist: voller Parodie, Jazz und (Homo)Erotik. Über die schuhplattlernde Tiroler Gruppe beispielsweise, die Regisseur Charell schon 1925 in seiner Revue "Für Dich" verwendet hatte, schrieb die "BZ am Mittag": „Saftige Kerle in Lederhosen, die sich im Takt Dinger herunterhauen. – Mein Gott, sie haben die kernigen Backen dazu!“ Vergleicht man die Fotos von damals mit den Musikantenstadt-Versionen des "Rössl" der 1970er und 80er Jahren, begreift man, zu was für einer biederen Schlagerparade das Stück in der allgemeinen Wahrnehmung fälschlicherweise mutiert ist, zu welchem kulturellen Refugium für all jene, die sowieso nicht recht nachvollziehen konnten, was es an heimatverbundenem Enzianblau und romantischem Alpenglühen eigentlich auszusetzen gab. Das Rössl wurde für viele zum klingenden Äquivalent von zipfelmützigen Gartenzwergen, gemacht für Menschen, die sich zurückgezogen haben in „Spießerhöhlen weicher Gemütlichkeit“, in denen es „röhrende Hirsche und Kuckucksuhren, Seestücke und Alpenlandschaften mit cremig-weißen Berggipfeln“ gab, eine „Nivea-Welt der Berge und Firne“ (wie Hellmuth Karasek es formulierte).

Daran hat sich glücklicherweise inzwischen viel geändert. Das Publikum entdeckte das "Rössl" wieder als jenes Pop-Art-kitsche, avantgardistische, campy (im Sinn von Susan Sontags Definition) und überragende Meisterwerk, das es ist. Ein Stück, das am Broadway genauso Triumphe feierte wie in Australien, Südafrika und London, als "musical comedy" à la George Gershwin und Jerome Kern, nicht als nostalgische Wiener-Walzer-Operette (die es niemals war). Als Stück, das bei weitem nicht so verstaubt und simpel ist, wie es einem die Nachkriegs-Operettenpflege und ihre heutigen Verfechter suggerieren wollen. Die "Frankfurter Rundschau" schrieb 2002 im Zusammenhang mit einer Benatzky-CD: „(M)an kann das ungefähr so hören wie Neue Musik: mit angenehm kitzligem intellektuellen Vergnügen.“ Das "Rössl" und Benatzkys Oeuvre insgesamt wieder mit jenem „kitzligen intellektuellen Vergnügen“ zu hören heißt, es völlig neu zu entdecken.


Werke

Siehe auch