Fiktionale Gewalt
Die Frage, ob Gewalt in Massenmedien aggressives Verhalten des Rezipienten fördert, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Die Medienwirkung ist ein Thema in vielen Forschungsfeldern: in der Psychologie, der Pädagogik, der Rechtswissenschaft sowie der Medienwissenschaft, insbesondere der Medienwirkungsforschung. Die hauptsächlich untersuchten Medien sind Spielfilm, Fernsehen und Computerspiele.
Gewalt in Computerspielen
Seit dem Aufkommen von Computerspielen wird immer wieder kontrovers über die Darstellung von Gewalt in Computerspielen diskutiert. Dabei geht es in erster Linie darum, ob und in welchem Umfang ein Spieler durch die Darstellung von Gewalt in einem Computerspiel positiv oder negativ beeinflusst werden kann. An die Öffentlichkeit gelangt die Diskussion über die von ihren Gegnern so genannten „Killerspiele“ immer wieder nach Amokläufen von Jugendlichen in Schulen wie beim Schulmassaker von Littleton, dem Amoklauf von Erfurt oder dem Amoklauf von Emsdetten.
Darstellung von Gewalt
In vielen Computerspielen soll durch eine möglichst realistische Darstellung der Spielewelt eine besondere Spielatmosphäre geschaffen werden. In Spielen mit Kampf- oder Kriegsszenarien schließt dies auch die Darstellung von Gewalt ein. Mit zunehmender technischer Entwicklung wird auch die Gewalt immer realistischer dargestellt.
Gewalt kommt vor allem in Ego-Shootern vor, in denen der Spieler die virtuelle Welt aus der Ich-Perspektive sieht. Neben Jump'n'Run-Einlagen, Rätseln und taktischen Elementen muss der Spieler vor allem sein Geschick mit verschiedenen Waffen unter Beweis stellen. Bekannte Ego-Shooter-Spiele sind Counter-Strike, Wolfenstein, Doom, Battlefield, Quake, Unreal, Call of Duty und Half-Life.
Auch viele Echtzeitstrategiespiele wie die bekannte Command-&-Conquer-Reihe stellen Gewalt dar, aufgrund einer anderen Spielperspektive jedoch nicht so explizit wie Ego-Shooter. Hier kommandiert der Spieler eine Kriegspartei und muss dabei üblicherweise mit taktischem Geschick eine oder mehrere andere Mächte besiegen.
Kritisiert wird vor allem der unreflektierte Umgang mit Gewalt, also ohne dass beleuchtet oder in Frage gestellt wird, wieso der Einsatz von Gewalt für das Erreichen des Spielziels notwendig war und ob ein bestimmtes Problem nicht auch ohne Gewalt hätte gelöst werden können. In manchen Spielen, vor allem den weniger actionlastigen Adventures oder Rollenspielen, findet derartige Reflexion jedoch mehr Platz im Spielablauf.
Zusammenhang zwischen virtueller und realer Gewalt
In verschiedenen Theorien wird spekuliert, welchen Einfluss das Erleben virtueller Gewalt auf den Spieler ausübt. Dabei geht der Rahmen der Schlussfolgerungen sehr weit auseinander. Verschiedene Theorien behaupten, der Computerspieler würde durch Gewalt in Computerspielen:
- nicht aggressiver (keine Auswirkung),
- zu aggressivem Verhalten ermuntert (Stimulation),
- emotional sensibler, da er sich durch die realitätsnahen Gewalterfahrungen der Konsequenzen seines Handelns bewusster wird (Sensibilisierung)
- emotional abgestumpft (Verrohung),
- weniger aggressiv, da er sich abreagieren kann (Katharsis),
- nur beeinflusst, wenn er emotional instabil ist,
- abgestoßen und von realer Gewalt abgeschreckt.
Weitere Vermutungen, die durch Studien zu belegen versucht werden, sind zum Beispiel, dass der Einfluss auf den Spieler von vielen Faktoren abhänge und bei einem sicheren sozialen Umfeld der Einfluss geringer wäre. Eine andere Vermutung ist, dass Personen, die zu Gewalt neigen, auch gerne virtuelle Gewalt erleben, virtuelle Gewalt jedoch nicht zu realer Gewalt führe. Es wird in diesem Zusammenhang vor allem diskutiert, inwiefern und unter welchen Umständen reale beziehungsweise virtuelle Gewalt Ursache oder Wirkung ist.
Diskussion
Allgemein
Die Bewertung von Gewalt in Computerspielen hängt in hohem Maße von den eigenen Wertvorstellungen ab. Argumentation oder Studien stützen sich daher oft nur scheinbar auf wissenschaftliche Beobachtungen, sollen jedoch tatsächlich eine bestimmte ethische Wertvorstellung vorgeben. Die häufigsten Argumente und Standpunkte, die in dieser Diskussion anzutreffen sind:
- Eine relativ selten anzutreffende Position ist die Forderung, prinzipiell Verzicht auf Gewaltelemente zu üben. Hierbei ist problematisch, dass sie konsequenterweise auch auf andere Medien ausgedehnt werden müsste. In dem Zusammenhang bleibt zu klären, ob die Gewaltdarstellung oder die Gewaltinhalte problematisch sind. Sollte sich die Kritik auf Gewaltinhalte konzentrieren, stellt sich die generelle Frage nach dem Umgang mit Gewalt in Kultur und Medien; sollte die Gewaltdarstellung im Fokus stehen, stellt sich die Frage nach dem Vergleich unrealistischer Spielegrafik mit der optisch nicht von der Realität zu unterscheiden Gewalt in Film und Fernsehen. Um die daraus resultierende Diskrepanz zu eliminieren, wird Kritik häufig mit der Interaktivität von Computerspielen verknüpft. Die zugrundeliegende Überlegung lautet, dass durch die aktive Steuerung eine Identifikation mit der Gewalt ausübenden oder befehlenden Figur stattfindet, wie sie bei passivem Konsum nicht möglich ist oder wesentlich geringer ausfällt. Ein mögliches Gegenargument lautet, dass gerade hierdurch Gewaltanwendung subjektiv durch den Spieler kontrollierbar ist. Gegenwärtig liegen keine Studien vor, die den Grad der Identifikation mit Spielprotagonisten mit dem gegenüber beispielsweise Filmhelden vergleichen.
Während Kritiker die Gewalt häufig als Zweck eines Spiels betrachten, sehen sie Befürworter lediglich als Mittel. Es besteht die Möglichkeit, dass die Ziele der Aufmerksamkeit beim Spielen von denen beim Betrachten eines Films deutlich abweichen.
- Häufig wird auf die sportliche Dimension des Spielens hingewiesen, welche neben Hand-Augen-Koordination taktisches Denken und Reaktionsvermögen umfasst. Dies wäre jedoch auch bei Spielen mit vollkommen abstrakter „Gewalt“ (z.B. schießen auf dreidimensional bewegte, in ihrer Aktion und Reaktion variable Schießscheiben) möglich. Tatsächlich wird häufig bei E-Sport-Wettkämpfen die Grafik auf eine abstrahierte Darstellung reduziert, um eine bessere Übersicht, Performance und Konzentration auf das Spielgeschenen zu ermöglichen (z.B. bei Quake 3 Arena üblich). Allgemein besteht daneben jedoch immer auch der Wunsch nach realistischer beziehungsweise grafisch aufwändiger Spieldarstellung.
- Multiplayerspiele wie Counter-Strike, bei denen die Interaktion innerhalb der eigenen Gruppe und mit dem gegnerischen Team im Zentrum steht, weisen eine erhebliche soziale Dimension auf. Teamfähigkeit, Kommunikation und die Einhaltung von Regeln sind entscheidende Voraussetzungen für den Spielerfolg. Dies kann auch ins reale Leben (RL (real life)) getragen werden, etwa durch die Organisation von Clantreffen oder durch die Teilnahme an LAN-Partys. Kritiker halten dem entgegen, dass die sozialen Komponenten sich auch bei entsprechenden Spielen ohne jegliche Gewaltdarstellung ausbilden können.
- Obwohl Computerspiele mit Gewaltdarstellung für ein erwachsenes Publikum produziert werden und die Mehrheit der Spieler volljährig ist, werden derartige Spiele auch von in einer entscheidenden Entwicklungsphase stehenden Jugendlichen gespielt. Negative Effekte und langfristige Auswirkungen sind umstritten.
- Einige Autoren vergleichen die derzeitige Kritik an Computerspielen im Allgemeinen und sogenannten „Killerspielen“ im Besonderen mit den Angriffen gegen neue Medienformen in den letzten Jahrzehnten vor dem Hintergrund der jeweils herrschenden Moralvorstellungen.[1] Diese richteten sich unter anderem gegen den Roman[2], das Fernsehen im allgemeinen (in den 50er Jahren), Trickfilme (in den 70er Jahren), Videofilme (in den 80er Jahren), Jazz, Beatmusik, Rockmusik[3] und Comics[4]. Ähnlich wie beim heutigen Schlagwort „Killerspiele“ wurden auch damals polemisierende Wortneuschöpfungen kreiert, so wurde beispielsweise in den 1930er Jahren Jazz als "Negermusik" verhöhnt. Hierbei wurde regelmäßig unterstellt, der Konsum des jeweiligen Mediums würde zwangsläufig zu nachhaltigen Schäden bei den betroffenen Konsumenten führen, häufig verlief die Diskussion hierbei entlang der jeweiligen Generationsgrenzen. Die meisten dieser Medien werden heute gesamtgesellschaflich akzeptiert und teilweise als Kunstformen wahrgenommen.[5]
Im Zusammenhang mit Amokläufen
Die medial-politische Debatte flammt insbesondere nach Amokläufen junger Erwachsener auf. Sie ist in ihren Inhalten und Defiziten stets ähnlich:
- In den Medien kursieren teilweise verfälschte oder erfundene Darstellungen der Spielinhalte, die mangels Fachwissen jedoch oft nur den Spielern auffallen. Einflussreich war vor allem ein Artikel in der FAZ vom 28. April 2002 mit dem Titel „Software fürs Massaker“, der zahlreiche Fehlinformationen enthielt, von denen viele noch immer im Umlauf sind.
- In der Regel wird übersehen, dass Kriegs- und Kampfspiele keine moderne Erfindung sind. Computerspiele wie Counter-Strike weisen strukturelle Ähnlichkeiten zu früher beliebten Fang- und Kampfspielen wie Räuber und Gendarm auf.
- Amokläufe Jugendlicher in Schulen gab es bereits vor Computerspielen. Bekannt ist vor allem der von Brenda Ann Spencer am 29. Januar 1979 in San Diego, bei dem zwei Menschen starben und neun verletzt wurden.
- Amokläufe sind sehr selten, vor allem im Vergleich zu anderen Jugendstraftaten. Werden als Reaktion darauf strengere Gesetze verabschiedet, so zielen diese auf spektakuläre, aber im Gesamtbild vernachlässigbare Einzelfälle ab, betreffen jedoch potentiell Millionen Menschen.
- Derartige Computerspiele sind bei vielen Jugendlichen außerordentlich beliebt, daher ist es wenig aussagekräftig, dass auch Amokläufer sie gespielt haben. Der US-amerikanische Dokumentarfilm-Regisseur und Autor Michael Moore kritisierte die Tatsache, dass man das Columbine-Massaker fast ausschließlich dadurch erklärte, dass die beiden Täter die Musik von Marilyn Manson gehört hatten. In Anlehnung daran, dass sie vor der Tat bowlen gewesen wären, stellte er die Frage, ob es nicht genauso sinnvoll sei, Bowlen für die Tat verantwortlich zu machen (in Wirklichkeit schwänzten die Täter den Bowlingkurs jedoch). Hieraus leitet sich der Titel des Films Bowling for Columbine ab.
- Ein hohes Maß an Fernseh- und Computerkonsum kann auch ein Zeichen von Vernachlässigung oder sozialer Isolation sein. In einem solchen Fall wären Computerspiele nur das sichtbare Symptom tiefer liegender sozialer Defizite.
- Die Verbindung der Phänomene ist experimentell schwer nachzuprüfen, da herkömmliche Versuche insbesondere den langfristigen Einfluss nur unzureichend simulieren oder durch ethische Richtlinien begrenzt sind.
- Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob ein tatsächlicher Trainingseffekt für das reale Leben existiert. Während die einen die Wirkung mit der eines Flugsimulators vergleichen, verweisen die anderen auf den fundamentalen Unterschied zwischen einer Tastatur/Maus und einer echten Waffe.
- Ursachen und Voraussetzungen für einen Amoklauf sind vielfältig. So muss neben der Fähigkeit im Umgang mit einer Waffe auch der Zugang zu ihr gewährleistet sein. Die natürliche Hemmschwelle muss überschritten, die Behinderung durch moralische Werte ausgeschaltet werden. Auch dann ist die Tötungsmotivation notwendige Bedingung. Ob Computerspiele diese Hemmschwelle abbauen und die Vertrautheit mit realen Waffe steigern, ist umstritten. Sie stellen jedoch keinen Ersatz für die praktische Erfahrung und Übung mit realen Waffen dar.
Aktueller Forschungsstand
In der Medienwirkungsforschung gibt es verschiedene Theorieansätze über die Auswirkungen von Gewalt in Medien auf das menschliche Verhalten:
- Die Inhibitionstheorie: Gewaltdarstellungen in Medien können Angst erzeugen und dadurch die Aggressionsbereitschaft hemmen.
- Die Stimulationstheorie: Gewaltdarstellungen können die Aggressionsbereitschaft fördern.
- Die Habitualisierungstheorie: Nach dieser Theorie kann Gewalt in Medien abstumpfend und gewöhnend wirken.
- Die Katharsistheorie: Gewaltdarstellungen in Medien können Spannungen abbauen und die Gewaltbereitschaft mindern.
Alle vier Theorien stellen lediglich Theorieansätze dar, wie sich Gewalt in Medien auf den Menschen auswirken kann. Diese Auswirkungen sind jedoch nur individuell beobachtbar; allgemeingültige Aussagen oder Beweise für oder gegen eine Theorie sind nicht möglich.
Es ist wissenschaftlich nicht bewiesen, dass Computerspiele einen immer gleichen, konstant negativen Einfluss auf den Konsumenten haben. Mittlerweile gibt es einen dritten, weitaus komplexeren Ansatz, nämlich, dass die Auswirkungen der Gewalt in Computerspielen vom konsumierenden Individuum bzw. seiner sozialen Situation abhängen. Diese These postuliert, dass ein familiär und sozial, d.h. freundschaftlich gebundener Mensch, der idealerweise auch mit Beruf, Ausbildung oder Schule zufrieden ist, viel eher allein aus dem Unterhaltungswert eines Computerspiels Nutzen zieht, als ein isolierter, unzufriedener Spieler, der eher am Aspekt der Brutalität eines Spiels Gefallen findet.
Doch auch wenn es viele verschiedene Thesen, Behauptungen und Vermutungen gibt, wäre es voreilig, daraus den Schluss zu ziehen, es gäbe keinen sich in eine Richtung verdichtenden Forschungskorpus. Im wissenschaftlichen Rahmen gibt es nicht den „endgültigen eindeutigen Beweis“ an sich. Zu jedem Zeitpunkt jedoch können die bis dahin existenten Forschungsarbeiten in Metaanalysen zusammengefasst werden.
Die Ergebnisse einiger aktueller Metaanalysen ergeben einen positiven Zusammenhang von Konsum gewalthaltiger Computerspiele und realer Aggression. Die Größe des positiven Zusammenhangs variiert von Metaanalyse zu Metaanalyse. Die in aktuellen Metaanalysen konstatierte Größe des Zusammenhangs reicht von „schwach positiv“ bis „sehr stark positiv“. Einige Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass die durch Computerspiele gesteigerte Aggression schnell wieder abflacht und deshalb keinen dauerhaften Einfluss auf den Konsumenten hat.
Helga Teunert, wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Medien und Pädagogik in München, äußerte sich in einem Interview zum Zusammenhang zwischen virtueller Gewalt und tatsächlicher Aggression: „Zum Bereich der Computerspiele muss man sagen, dass die Untersuchungen, die vorliegen, alles andere als umfassend sind und dass vor allen Dingen Aspekte fehlen, die ich für entscheidend halte.“ Weiter sagte sie in Bezug auf Spiele mit militaristischem Ambiente, Risikopotenziale seien nicht von der Hand zu weisen.
Deutschland
- Manfred Spitzer, Psychiater, ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm[6]
In seinem Buch "Vorsicht Bildschirm!" vertritt Manfred Spitzer folgende These: „Aufgrund der Bildschirm-Medien wird es in Deutschland im Jahr 2020 etwa 40.000 Todesfälle durch Herzinfarkt, Gehirninfarkt; Lungenkrebs und Diabetes-Spätfolgen geben; hinzu kommen jährlich einige hundert zusätzliche Morde, einige tausend zusätzliche Vergewaltigungen und einige zehntausend zusätzliche Gewaltdelikte gegen Personen.“ Weiterhin ist er der Meinung, dass Berichte über positive Auswirkungen von Computerspielen einer kritischen Bewertung nicht standhalten. Er geht vielmehr davon aus, dass in Computerspielen die Gewalt noch aktiver eingeübt wird als beim passiven Fernsehkonsum.
- Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Kriminologe, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen[7][8]
Durch eine Befragung von insgesamt 23.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 15 Jahren kam Prof. Dr. Pfeiffer zu der Erkenntnis, dass deren wichtigste Freizeitbeschäftigungen Fernsehen und Computerspielen sind, welche einen schlechten Einfluss haben. Besonders negativ wirken sich dabei Computerspiele aus. „Je brutaler die Inhalte und je häufiger die Inhalte gespielt werden, desto schlechter sind die Schulleistungen. Das nur flüchtig gespeicherte Schulwissen wird durch die Bilder der Spiele verdrängt.“ Auch eine erhöhte Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen beruht nach Herrn Pfeiffer auf dieser Tatsache: Schon bei Viertklässlern, die einen Fernsehapparat ihr eigen nennen können, nimmt das Hänseln und Schlagen von Mitschülern signifikant zu. Gar ein verdoppeltes Risiko zur Gewaltauffälligkeit ereilen Besitzer einer Spielkonsole. Pfeiffer weiter: „Das allerhöchste Risiko gewalttätigen Verhaltens haben die Schüler, die alle Geräte im Zimmer stehen haben - also Fernseher, Spielkonsole und Computer.“ Seine Folgerung: „Eine Gesellschaft ist krank, die solche Spiele auf den Markt lässt. Ein Staat, der da mitspielt, untergräbt seine moralische Glaubwürdigkeit.“
In einer weiteren im Mai 2007 veröffentlichten Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), dieses mal über die Alterseinstufungen von 62 Computerspielen durch die USK, kommt Prof. Dr. Pfeiffer zu einem weiteren vernichtenden Urteil. Danach sei die Alterseinstufung bei 37% der Titel zu niedrig angesetzt, bei weiteren 27% sei diese zumindest zweifelhaft. Obwohl diese Studie von vielen Kritikern als unseriös eingestuft wurde, da das Ergebnis schon im Vorfeld als bewiesen deklariert wurde, fordern einige Politiker als Konsequenz ein Verbot zur Herstellung und Verbreitung von Computerspielen, einen eigenen Tatbestand im Strafgesetzbuch sowie deutlich erhöhte Strafen.
- Jörg Müller-Lietzkow, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Jena
"Wir haben Argumente für kurzzeitige Effekte von gewalttätigen Spielen - etwa die gleichen, die ein Horrorfilm auch hat, nämlich eine erhöhte physiologische Erregung. Genau dieser Effekt wird ja mit Film und Spiel auch angestrebt. Eine langfristige Wirkung, gar eine Steigerung der Gewaltbereitschaft hat aber noch nie jemand empirisch nachgewiesen"
Ingrid Möller: „Spieler mit aggressiver Neigung spielten gern aggressive Spiele, und aggressive Spiele erhöhten die Aggressivität der Spieler.“ Somit konnte die These der aggressionsfördernden Wirkung des Konsums von Mediengewalt durch die Befragungsdaten weitgehend gestützt und somit empirisch abgesichert werden.
- Caroline Oppl, Freie Universität Berlin[11]
„Wir haben festgestellt, dass gewalttätige Computerspiele die Kinder nicht aggressiver machen, sondern dass aggressive Kinder zu gewalttätigen Computerspielen tendieren.“
- Christoph Klimmt, Kommunikationswissenschaftler - Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hochschule für Musik und Theater Hannover[12]
Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, ob der problematische Umgang mit Verkehrsregeln in Rennspielen reale Gefahren für die Verkehrssicherheit birgt. Christoph Klimmt, Medienwissenschaftler an der Universität Hannover, hat 54 Spiele analysiert, über 1000 Spieler befragt und Experimente durchgeführt. Sein Fazit lautet: „Wir haben dabei keine Zusammenhänge zwischen Rennspielkonsum und riskanten Fahrweisen gefunden.“
Er ist einer der wenigen deutschen Forscher, die sich seit längerem mit dem Phänomen Computerspiele beschäftigen. Über den Amokschützen von Emsdetten sagt Klimmt: „Er hatte offensichtlich eine Reihe sozialer und psychologischer Probleme.“ Die Tat aber auf die Leidenschaft für Computerspiele zurückzuführen, käme ihm nicht in den Sinn.
- Rolf Nohr, Braunschweiger Institut für Medienforschung[13]
Die Medienwirkungsforschung durchlaufe Zyklen, in denen immer die gleiche Debatte geführt werde. In den Achtzigern etwa sei es um Splatter-Horrorfilme gegangen, jetzt gehe es um Killerspiele - doch keine These zu deren angeblich verheerender Wirkung gelte als annähernd gesichert. Eine berühmte Metaanalyse habe seinerzeit ergeben: „Es gibt für jede Meinung eine Studie.“
- Studie "Medien und Gewalt" der deutschen Bundesregierung[14]
Ein Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und der Nutzung von Computerspielen ist bisher nicht klar belegt. Zwar gäben die gewalttätigen Inhalte vieler Spiele Anlass zur Sorge und ließen stärkere negative Wirkungen als beim Fernsehkonsum erwarten, heißt es in der Studie "Medien und Gewalt" des Familienministeriums. Für eindeutige Aussagen reiche die Forschungslage aber nicht aus.
Die größte Käufergruppe von Videospielen sind demnach nicht wie oft angenommen Jugendliche, sondern zu über 70% Erwachsene. Auf dem deutschen Spielemarkt sind 25-30 % der Spieler unter 19 Jahre alt, während 20 % zwischen 20 und 30 Jahre alt sind und 50 % die Grenze von 30 Jahren überschreiten.
- Bert T. te Wildt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie[16]
„Viele Computerspieler wehren sich gegen die Verunglimpfung als potenzielle Gewalttäter. Und tatsächlich wird nicht jeder Gamer gleich zum Killer. Es gibt aber Typen, die besonders gefährdet sind - das zeigt eine Studie des Instituts für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover.“
- Psychologen der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Allianz Zentrums für Technik[17]
Für diese Studie spielten 198 zufällig ausgewählte Probanten typische Rennspiele und Jump'n'Run-Spiele. Das laut Autoren der Studie eindeutige Ergebnis: Je intensiver solche Rennspiele konsumiert werden, desto häufiger berichteten die Probanden auch von sicherheitsverletzendem Verhalten im Straßenverkehr. Diejenigen aber, die eher neutrale Spiele bevorzugten, neigten auch im Straßenverkehr zu eher vorsichtigerem Fahren.
International
- Massachusetts General Hospital (Juli 2007)[18]
Das MGH (medizinischer Teil der Harvard-Universität) untersuchte - finanziert durch das US-Justizministerium - den Einfluss von Computer- und Videospielen auf Jugendliche. Dazu wurden 1.254 Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren befragt. Zwei Drittel der Jungen und über ein Viertel der Mädchen gaben an, mindestens ein ab 17 Jahren freigegebenes Spiel "sehr häufig in den letzten sechs Monaten" gespielt zu haben. Als Grund dafür bestätigten die Wissenschaftler ein altes Argument der eSport-Szene: „Im Gegensatz zum Klischee des vereinzelten Gamers ohne Sozialkompetenz haben wir herausgefunden, dass Kinder, die M-rated-Spiele nutzen, mit höherer Wahrscheinlichkeit in Gruppen spielen - entweder im selben Zimmer oder über das Internet“. Und weiter sagte Cheryl Olson, die Leiterin der Studie „Die Freundschaften von Jungen drehen sich besonders oft um Videospiele“. Auch spricht sie sich klar gegen Verbote aus: „Die Nutzung gewalthaltiger Spiele ist so weit verbreitet und die Jugendkriminalität rückläufig, so dass es offenbar den meisten Jugendlichen, welche diese Spiele gelegentlich spielen, recht gut geht.“
- British Board of Film Classification (BBFC) (April 2007)[19]
Das BBFC untersuchte die Wirkung von Gewalt in Filmen und Computerspielen auf deren Konsumenten. Dabei stellten sie fest, dass Spiele (auch wenn Spieler für Nicht-Spieler oft so wirken würden, als seien sie beim Spielen der Realität entrückt) anscheinend weniger emotionalen Einfluss haben als Filme oder Fernsehsendungen.
Der BBFC-Leiter David Cooke dazu: „Das Element der Interaktivität hat einiges Gewicht, wenn wir ein Videospiel untersuchen. Wir waren insbesondere interessiert daran zu sehen, dass diese Untersuchung darauf hindeutet, dass sie weit davon entfernt ist, einen potenziell negativen Einfluss auf die Reaktion des Spielers zu haben. Die Tatsache allein, dass sie mit dem Spiel interagieren müssen, scheint sie fester in der Realität zu verankern.“
Der australische Wissenschaftler Grant Devilly hat in seiner Studie 125 Schüler mit einem Durchschnittsalter von 14,6 Jahren vor, während und nach einer Partie Quake II untersucht. Die große Mehrheit der Untersuchungspersonen haben keine Veränderungen in ihrer Wutausprägung gezeigt, 18% hatten einen gesteigerten Wut-Level, 6% einen verringerten. Viel eher (73 % Erfolgschance) ließ sich das Verhalten einer Testperson auf Grund seines aktuellen Befindens und allgemeinen Temperaments voraussagen.
- Bericht der American Sociological Association (ASA) (März 2007)[22]
Jonathan Freedman vom Department of Psychology der Toronto University untersuchte schon vor mehreren Jahren alle in englischer Sprache veröffentlichten Studien über Gewalt und Medien. Seine damalige Schlussfolgerung: Die Mehrheit der Studien arbeitet mit Belegen, die widersprüchlich waren oder sogar der Behauptung widersprachen, dass reale Gewalt durch Gewaltdarstellungen in Medien verursacht werde.
Auf die Frage, warum also unwissenschaftliche Studien ebenso wie populistische Politiker die Schuld den Videospielen zuweisen, kommt der Bericht zum Ergebnis, dass damit nur die Täter ebenso wie das soziale Umfeld entschuldigt werden: "Wenn Jungs aus 'guten' Gegenden Gewalt ausüben, dann scheinen sie eine ganz neue Generation von Jugendlichen zu sein, die nur von Videospielen und nicht von den gesellschaftlichen Umständen geprägt wurden ... Mörder mit weißer, bürgerlicher Herkunft behalten ihren Status als Kinder, die leicht durch ein Spiel beeinflussbar und Opfer eines angeblich gefährlichen Produktes sind."
- Karen Sternheimer, University of Southern California (März 2007)[23]
Die Soziologin Karen Sternheimer begann bereits 1999 nach dem Columbine-Amoklauf mit ihren Studien über die Auswirkungen von Computerspielen. Dabei fand sie heraus, dass in den letzten zehn Jahren, in denen viele der sogenannten "Killerspiele" auf den Markt kamen, die Rate der wegen Mordes inhaftierten Jugendlichen um 77 Prozent gesunken ist. Zudem liege die Wahrscheinlichkeit, in der Schule getötet zu werden, bei 7 zu 10 Millionen. Ihrer Meinung nach müsse man die Hintergründe der Jugendlichen beleuchten, statt nur darauf zu schauen, was sie spielen. Man müsse familiäre Gewalt und andere Faktoren mit in die Untersuchungen einbeziehen, statt die Schuld nur auf die Spiele zu schieben.
- Universität von Indiana[24]
Brutale Videospiele verringern bei Jugendlichen die Hirnaktivitäten, die für logisches Denken und Selbstkontrolle zuständig sind. Gewalttätige Spiele stimulieren die Hirnregionen für Gefühle und verringern die Reaktionen in den Zonen, in denen das logische Denken und die Selbstkontrolle angesiedelt sind. Ein Forscherteam der Universität von Indiana untersuchte für die Studie 44 Jugendliche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren ohne Verhaltensauffälligkeiten. Die eine Hälfte der Gruppe spielte in einem halbstündigen Spiel die Hauptfigur in einem extrem brutalen Kampf, die andere Hälfte spielte ein anspruchsvolles, gewaltloses Spiel. Bei der ersten Gruppe wurde eine gesteigerte emotionale Erregung gemessen, bei der zweiten Gruppe war der Hirnteil stimuliert, der für Konzentration und Selbstkontrolle zuständig ist.
- Radiological Society of North America[25]
Laut Studienergebnis können bestimmte Gewaltspiele sich kurzzeitig ganz anders im Gehirn festsetzen als gewaltfreie Spiele. Diese Gewaltspiele stimulieren kurzzeitig besondere Bereiche des Gehirns, die für emotionale Erregung zuständig sind, zugleich vermindern sie die Aktivitäten in Regionen der Selbstkontrolle. Eine generelle Bewertung von Gewaltspielen nimmt die Untersuchung zwar nicht vor, weist aber ausdrücklich auf die erhöhte emotionale Erregung der Probanden hin.
- 33 Wissenschaftler der Massachusetts Institute of Technology, University of California (Los Angeles), der Columbia University und der University London[26]
Dieses Gutachten sollte dem Gericht zu einem besseren Verständnis der Medien helfen. Die Wissenschaftler äußern Besorgnis, dass ein Gericht sich "auf zwar allgemein verbreitete, aber falsche Überzeugungen über einen bewiesene Kausalverbindung zwischen Gewalt in der Unterhaltung und gewalttätigem Verhalten stützt, um ein Zensurgesetz zu verteidigen". Die Beziehungen zwischen Unterhaltungsmedien und Verhalten seien komplex und vielschichtig, so dass kaum von einem einfachen Kausalverhältnis ausgegangen werden könne. Ganz allgemein habe die Medienwirkungsforschung keine Beweise erbringen können, dass Gewaltdarstellungen auch nur ein Risikofaktor für wirkliches Gewaltverhalten seien. In Wirklichkeit aber sei beispielsweise im letzten Jahrzehnt, während Computerspiele mit Gewaltdarstellungen populär wurden, ein Rückgang der Gewalt bei Jugendlichen zu beobachten gewesen.
- Purdue-Universität in West Lafayette[27]
Gewaltszenen in Computerspielen fördern unsoziales Verhalten. In einem Test neigten Studenten nach einem solchen Spiel dazu, andere auszunutzen und sich unkollegial zu verhalten. Bei ihren Kollegen, die das gleiche Spiel ohne Gewaltszenen gespielt hatten, konnten die Forscher dagegen keinen solchen Trend beobachten. Möglicherweise untergraben die Spiele die Motivation für soziales Verhalten, indem sie im Gedächtnis abgespeicherte Aggressionsschemata aktivieren.
- Studie aus den USA, unbekannter Urheber[28]
Bisher konnte kein einfacher Zusammenhang sowie keine nachhaltigen Veränderungen zwischen dem Konsum von brutalen Videospielen und kriminellen Handlungen nachgewiesen werden. Es könnte einen möglichen Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Computerspielen und kurzzeitigen, flüchtigen Erregungszuständen unmittelbar nach dem Spielen geben.
- Gerard Jones, Autor des Buches "Killing Monsters" (Seite 24)[29]
„Die Studie sagt also aus, dass, wenn Kinder ihre Freizeit kontrollieren - wenn sie sich nur ansehen oder spielen, was sie wirklich möchten, sei es Zaboomafoo oder Doom - dass sie sich dann vielleicht selbst im Allgemeinen viel besser unter Kontrolle haben.“
- Lawrence Grossberg, Kulturwissenschaftler - MTV: Swinging On A (Postmodern) Star[30]
Über die Möglichkeit, wie wissenschaftliche Erkenntnisse (oftmals auch im Bereich von "Gewalt in den Medien") missbraucht und verfälscht werden können: "(...) die akademischen Auseinandersetzungen zeigen, wie einfach es ist, empirische Unterstützung für viele Interpretationen der Welt zu finden; einen Aspekt der Realität isolierend, ihn aus seinem konkreten Zusammenhang heraus abstrahierend und sein spezifisches Wesen ignorierend, kann man bequem 'Beweise' finden, mit ihrer absoluten Macht, die Welt zu definieren und zu interpretieren."
- Penny Holland, Kinderpsychologin - London Metropolitan University[31]
Ein englische Kinderpsychologin bestätigt, was viele Eltern befürchten: Kinder, insbesondere Jungen, werden immer mit Waffen spielen, egal, was Schulen oder Kindergärten versuchen, dagegen zu unternehmen. Sie ist davon überzeugt, dass Jungen, die in ihrer Kindheit nicht Pirat, Soldat oder Superheld spielen durften, eher im Erwachsenenalter zu Aggressivität neigen werden und später das "Bad-Boy-Image" ausleben.
Darstellung von Gewalt im Fernsehen und deren Folgen
Von besonderem Interesse ist die Wirkung von Gewalt im Fernsehen auf Kinder und Jugendliche, da diese beeinflussbarer sind als Erwachsene. Kinder und Jugendliche sind noch dabei, sich Werte und Normen anzueignen (Modelllernen von Albert Bandura). Ihnen fehlt ein feinsinniges Moralverständnis, um mit aufsehenerregender Fernsehgewalt umgehen zu können. Zudem können Kinder erst ab einem Alter von sechs bis sieben Jahren Fiktion und Realität unterscheiden. Besonders schwer fällt dies Kindern, wenn sie sich mit dem aggressiven Charakter identifizieren, und je realistischer die Gewaltdarstellungen sind. Zum einen findet beim Fernsehen ein sozialer Lernprozess, Kinder lernen hier neue Verhaltensweisen, zum andern eine Desensibilisierung gegenüber Gewalt statt. Weiter kann ein Realitätsverlust bezeichnet werden. Gewalt wird als legitimes Mittel auf der Seite der "Guten" gezeigt, und Kinder sehen Gewalt nun als gerechtfertigt. Es kommt zu einem verzerrten Bild der Welt.
In den 1960er Jahren wurde in Feldstudien ein Zusammenhang zwischen Fernsehgewalt und aggressivem Verhalten festgestellt. Aus einem Zusammenhang lässt sich allerdings noch kein kausaler (ursächlicher) Schluss ziehen. Der Effekt lässt sich so beschreiben: Kinder, die viel Gewalt im Fernsehen konsumieren, verhalten sich aggressiver als Kinder, die selten fernsehen. Allerdings lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass das Schauen von Gewalt im Fernsehen aggressives Verhalten verursacht. Verschiedene Variablen, sogenannte Drittvariablen, könnten beides, das viele unkontrollierte Konsumieren von Gewalt und das aggressive Verhalten verursachen, z.B. fehlende elterliche Aufsicht oder ein niedriger sozialer Status. Aggressive Kinder wählen zudem eher ein gewalthaltiges Fernsehprogramm. So kann man von einem gegenseitig beeinflussenden Prozess ausgehen. Gewalt macht Kinder aggressiver und aggressivere Kinder schauen eher Gewalt. <Coie, J.D. & Dodge, K.A. (1998)>
Sonstiges
Unter den demokratischen Rechtsstaaten der Welt hat Deutschland einen verhältnismäßig starken Jugendschutz. In Deutschland wird der Zugang zu Computerspielen formal durch das Jugendschutzgesetz eingeschränkt, falls die Möglichkeit besteht, dass durch Gewaltdarstellungen die Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen beeinflusst werden kann. Dies wird mit dem Artikel 2 des Grundgesetzes begründet (Absatz 1 „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit [...]“, Absatz 2 „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. [...]“). Bis 2003 wurde dies so umgesetzt, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) darüber zu entscheiden hatte, ob ein Spiel jugendgefährdend ist und es in Folge dessen indiziert werden soll. Seit 2003 hat hauptsächlich die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle über die Kind- und Jugendeignung in Form eines Alterssystems zu entscheiden.
In Gestalt des §131 StGB (Gewaltdarstellung) [32] existiert eine weitere Vorschrift, die die Darstellung und Verbreitung und den Besitz von Medien, die menschenverachtende Gewalttätigkeiten gegen Menschen darstellen, und insbesondere deren Weitergabe an Minderjährige regelt. Bei einem Verstoß droht ein Freiheitsentzug von bis zu einem Jahr.
Die von diesen Gremien repräsentierte Wertevorstellung wandelt sich im Laufe der Zeit. Hatte 1984 die BPjS noch das Spiel River Raid als jugendgefährdend eingestuft und es daher indiziert, wurde es 2002 nach erneuter Prüfung vom Index entfernt und von der USK für alle Altersklassen freigegeben.
Diese unterschiedliche Bewertung von Gewaltdarstellung in Computerspielen zeigt die Abhängigkeit von vorherrschenden Werten in der jeweiligen Gesellschaft. Während in den USA Gewaltdarstellungen in Computerspielen durch die Meinungsfreiheit im weitesten Sinne geschützt sind, herrscht eine Kontroverse vor, ob angedeutete oder explizit dargestellte sexuelle Handlungen zur Verrohung und zum Sittenverfall führen, während dies in der deutschen Diskussion eine weitaus geringere Rolle spielt als die Gewaltdarstellung.
Ein Problem bei dem Versuch, die Verbreitung illegaler, gewaltverherrlichender Titel effektiv zu beschränken, ist das Internet. Viele Jugendliche benutzen Tauschbörsen, um illegal Spiele aus dem Internet herunter zu laden. Oft findet sich darunter auch indiziertes Material. Somit entfalten Indizierungen oder Verbote allgemein nur auf jene Personen ihre volle Wirkung, die keinen Zugang zu schnellen Internetverbindungen bzw. diesen Tauschbörsen haben oder mangels Fremdsprachenkenntnissen nicht lokalisierte (=übersetzte) Versionen von Spielen nicht verwenden können. Auch wird immer öfter zu den internationalen (meist englischen) Versionen gegriffen, da viele Spielehersteller ihre Produkte für den deutschen Markt der Selbstzensur unterziehen, um einer Indizierung vorzubeugen. Das geht sogar so weit, dass es mitunter nur eine multilinguale und eine deutsche Version gibt. Durch Käufe bei ausländischen Anbietern ist es ebenfalls möglich, unzensierte Versionen zu erhalten. Im Internet finden sich Patches, die bei einigen Spielen deutsche Zensuren rückgängig machen. Einige Produkte wurden aufgrund der internationalen Sondersituation Deutschlands gar nicht erst auf dem hiesigen Markt veröffentlicht.
Quellen
- ↑ Roland Seim, Zwischen Medienfreiheit und Zensureingriffen. Eine medien- und rechtssoziologische Untersuchung zensorischer Einflußnahmen auf bundesdeutsche Populärkultur, Telos, 1997, ISBN 3933060001
- ↑ Polylux - Killerspiele - Interview mit Tilman Baumgärtner, Medienjournalist
- ↑ vgl. Roland Seim, Josef Spiegel, "Nur für Erwachsene". Rock- und Popmusik: zensiert, diskutiert, unterschlagen, Telos Verlag 2004, ISBN 3933060168, sowie Reto Wehrli, Verteufelter Heavy Metal. Skandale und Zensur in der neueren Musikgeschichte, Telos, 2005, ISBN 393306015X
- ↑ vgl. Roland Seim, Josef Spiegel, Der kommentierte Bildband zu "Ab 18" - zensiert, diskutiert, unterschlagen. Zensur in der deutschen Kulturgeschichte, Telos Verlag, 2. verbesserte Neuaufl., 2001, ISBN 3933060052
- ↑ vgl. Arne Hoffmann, Das Lexikon der Tabubrüche, Schwarzkopf&Schwarzkopf, 2003, ISBN 3896025171, sowie Roland Seim, Josef Spiegel, 'Ab 18' - zensiert, diskutiert, unterschlagen. Beispiele aus der Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Telos Verlag, 3., überarb. Auflage, Mai 2002, ISBN 393306001X und Stephan Buchloh, Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich: Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas. Frankfurt/Main u. a.: Campus-Verl., 2002. 488 S. ISBN 3-593-37061-1 (Berlin, Freie Univ., Dissertation 1999)
- ↑ vgl. Vorsicht Bildschirm!
- ↑ vgl. Gewalt im Kinderzimmer
- ↑ vgl. USK zweifelt an Seriosität von Killerspiel-Studie
- ↑ vgl. Nach Emsdetten: Stoppt ein Killerspiele-Verbot die Amokläufe?
- ↑ vgl. Gewaltspiele verstärken die Aggression
- ↑ vgl. Studie: "Killerspiele" nicht für Amokläufe verantwortlich
- ↑ vgl. Top-Schüler spielen keine „Killerspiele“
- ↑ vgl. Rohrkrepierer gegen Ballerspiele
- ↑ vgl. Wissenschaftler bezweifeln totales Verbot
- ↑ vgl. Killerspiele - was ist das?
- ↑ vgl. Wen macht virtuelle Gewalt gewalttätig?
- ↑ vgl. Heute schon gerast?
- ↑ vgl. US-Studie: Alle Jugendlichen spielen - und Mädchen auch GTA
- ↑ vgl. Emotionale Beeinflussung bei Filmen höher als bei Spielen
- ↑ vgl. Studie: Computerspiele haben bei vielen Kindern kaum Einfluss auf Aggressivität
- ↑ vgl. Studie: Killerspiele für die meisten Kinder ungefährlich
- ↑ vgl. Analyse: "Killerspiele" nicht schuld an Jugendgewalt
- ↑ vgl. Violent videogames don't make killers: study
- ↑ vgl. Brutale Spiele machen "unlogisch"
- ↑ vgl. Gewaltspiele hinterlassen Spuren im Gehirn
- ↑ vgl. Kinder brauchen Gewaltdarstellungen
- ↑ vgl. Mehr Ausbeutung nach Gewaltspielen?
- ↑ vgl. Helden im Cyberspace
- ↑ vgl. Eine Frage des Respekts
- ↑ vgl. Fantasie und Realität
- ↑ vgl. Spielzeugwaffen für Kinder?
- ↑ vgl. Bundesministerium der Justiz
Siehe auch
Literatur
- Ladas, Manuel, Brutale Spiele(r)? Wirkung und Nutzung von Gewalt in Computerspielen, 2002, Peter Lang-Verlag, ISBN 3631502311. (Dissertation)
- Butler, Mark, Would you like to play a game? Die Kultur des Computerspielens, Kulturverlag Kadmos, 2006, ISBN-10 3865990134
- Gieselmann,Hartmut, Der virtuelle Krieg. Zwischen Schein und Wirklichkeit im Computerspiel. (Offizin) 2002. ISBN 3-930345-34-X
- Gerad Jones: Kinder brauchen Monster. Vom Umgang mit Gewaltphantasien. (Ullstein Tb) 2005. ISBN 3548368255
- Florian Rötzer (Hrsg.): Virtuelle Welten - reale Gewalt, ISBN 3882292717
- Manfred Spitzer: Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung und Gesundheit. (Klett) 2005. ISBN 3120101702
- Matthias Bopp: Rezension von: Spitzer, Manfred: Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. Stuttgart: Ernst Klett Verlag 2005. In: EWR 5 (2006), Nr. 2 (Veröffentlicht am 4. April 2006), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/12010170.html
- Lt.Col. Dave Grossman, Gloria DeGaetano, Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2003, ISBN 3-7725-2225-4
- Michael Kunczik, Astrid Zipfel, Gewalt und Medien. Ein Studienhandbuch,Utb, 5.vollst. überarb. Auflage, 2006, ISBN 3825227251
- Florian Rötzer et al., TELEPOLIS: Virtuelle Welten - reale Gewalt, Heise, 2002, ISBN 3882292717
- Coie, J.D. & Dodge, K.A. (1998). Aggressive and antisocial behavior
- Georg Joachim Schmitt: Die Allmacht des Blickes. Die Debatte um Mediengewalt im zeitgenössischen Film. (edition nadir) 2001. ISBN 3831120714
Weblinks
- Portal Mediengewalt.de
- Informationen Pro-Games
- medienzensur.de - Infos über USK-Freigaben und Zensur von PC-Spielen
- Aggression: Gewaltverherrlichende Spiele, die demnächst verboten werden („Die Welt“, 22. November 2006 - Achtung: Satire!)
- Gunnar Lott, »Killerspiele«: Gottseidank, ein Sündenbock („Stern“, 23. November 2006 - Lott ist Chefredakteur der Zeitschrift „GameStar“)
- „Kinder brauchen Gewaltdarstellungen“ – Telepolisartikel
- Mathias Mertens: „Blutprobe“ – GEE 4, 2004
- www.wissenschaft.de: Mehr Ausbeutung nach Gewaltspielen? Studie: Videospiele mit Gewalt verändern Sozialverhalten negativ (26. Februar 2005)
- Spiele ohne Grenzen - Je öfter ein Kind am Computer ballert, desto schlechter die Schulnoten, zeigt eine neue Studie. Die Spiele lassen eine Generation von Jungs verwahrlosen (DIE ZEIT, 02.11.2006)
- Manfred Spitzer: Wie reagiert das Gehirn auf Gewalt im TV? – mit Bezug auf Computerspiele
- Battlelab techn.-visuell abstrahierte Gewalt in militärischen Simulationen
- To gode naboer – Kurzfilm aus der Demoszene, der auf der typischen Argumentationsstruktur der Kritiker aufbaut
- Search&Play offene Computerspieledatenbank der Bundeszentrale für politische Bildung mit Aufsatzsammlung auch zum Thema Gewalt in Computerspielen
- Jugendschutz.net Stellungnahme von Jugendschutz.net zu Gewaltspielen im Internet
- Hardliner Erlebnispädagogischer Ansatz zum kreativen Umgang mit der Faszination von Jungen an gewaltverherrlichenden Computerspielen (PDF)
- Gewaltdarstellung in realistischen Computerspielen - Ego-Shooter im gesellschaftlichen Kontext.