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Richard Mather

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Richard Mather (*1596 in Lowton, Lancashire; † 22. April 1669 in Dorchester, Massachusetts) war ein englischer Geistlicher, der nach seiner Emigration 1635 neben John Cotton, Thomas Shepard und John Davenport zu den bedeutendsten geistlichen Führern der ersten Puritanergeneration in Neuengland wurde. Als langjähriger Pfarrer von Dorchester prägte er die Geschichte der Massachusetts Bay Colony entscheidend mit.

Richard Mather.
Dieser Holzstich von John Foster wird um 1670 datiert und ist der älteste bekannte Bilddruck, der in Nordamerika gefertigt wurde. Möglicherweise war er als Frontispiz für Increase Mathers The Life and Death of that Reverend Man of God, Mr. Richard Mather vorgesehen.[1]

Leben in England

Richard Mather wurde 1596 in Lowton, einem Dorf nahe Manchester, geboren. Seine Eltern, Thomas und Margarite Mather, waren zwar Freibauern, aber dennoch recht arm. Auf der Jungenschule in Winwick lernte er Latein sowie Griechisch und erwies sich als so guter Schüler, dass er im Alter von nur fünfzehn Jahren auf eine Empfehlung seines Schulmeisters selbst eine Anstellung als Lehrer in der neu gegründeten Schule von Toxteth Park (heute Teil der Stadt Liverpool) fand. In Toxteth zeigte sich Mather tief beeindruckt von der Frömmigkeit seiner puritanischen Mietsherren, der Familie Edward Aspinwalls, und erfuhr im Jahr 1614 sein eigenes Bekehrungserlebnis, das ihn zu einem Anhänger der puritanischen Reformbewegung werden ließ.

1618 matrikulierte er am Brasenose College der Universität Oxford, studierte dort jedoch kaum ein Jahr, möglicherweise weil er sich von der profanen Lebenswelt des Universitätsumfelds abgestoßen fühlte.[2] 1619 kehrte er auf seinen Lehrerposten in Toxteth zurück und wurde kurz darauf von der örtlichen Kirchengemeinde in das Pfarramt berufen. Die Pfarrwahl durch die Gemeinde ist ein deutliches Indiz, dass die Kirchengemeinde selbst mehrheitlich puritanisch-kongregationalistischen Lehren zusprach;[3] die amtskirchliche Ordination wurde kurz darauf in Anwesenheit von Thomas Morton, des Bischofs von Chester, vollzogen. In den folgenden Jahren wirkte Mather im Priesteramt, wie es ihm kraft seiner puritanischen Überzeugungen recht erschien, und verstieß so in einigen Punkten gegen die vorgeschriebene anglikanische Liturgie. Die ersten Jahre seines Wirkens verliefen dennoch recht reibungslos[4] Allein als er 1624 um die Hand von Katherine Holt anhielt, verweigerte deren Vater zunächst angesichts Mathers puritanischer Überzeugungen die Zustimmung, gab dann aber schließlich nach.

Der Konflikt zwischen den englischen Puritanern und der anglikanischen Staatskirche eskalierte mit dem Aufstieg William Lauds in der Hierarchie der Amtskirche. Laud, enger Vertrauter König Karls I., wurde 1628 zum Bischof von London, 1633 zum Erzbischof von Canterbury geweiht und strengte eine weitreichende Säuberung der Kirche von nicht konform gehenden Priestern an. Auch Richard Mather wurde im August 1633 von einer erzbischöflichen Kommission auf Linientreue überprüft und schließlich seines Amtes enthoben. Auf Mathers Aussage, dass er in fünfzehn Jahren als Pfarrer zu keiner Zeit das als liturgisches Gewand vorgeschriebene Chorhemd getragen habe, soll einer der Prüfer ausgerufen haben, es wäre besser für Mather gewesen, wenn er stattdessen sieben Bastarde gezeugt hätte.[5] Zwar konnten einflussreiche Freunde Mathers schon im November des Jahres einen Widerruf des Urteils erwirken, doch da Mather auch weiterhin an seiner puritanisch geprägten Amtsführung festhielt, wurde er 1634 wiederum suspendiert.[6]

Emigration nach Neuengland

Wie tausende andere Puritaner der 1630er Jahre schloss sich Mather der Great Migration an und wanderte 1635 mit seiner Familie in die 1628 gegründete Massachusetts Bay Colony aus. Während der Überfahrt führte er ein Tagebuch, das ein aufschlussreiches Zeugnis der Bedingungen an Bord darstellt. Am 15. August wurde das vor der Küste von Maine ankernde Schiff von einem heftigen Sturm erfasst. Die Tatsache, dass die Passagiere und die Besatzung der James zwei Tage später dennoch unbeschadet den Hafen von Boston erreichten, deutete Mather als göttliche Fügung.[7]

Schon bald nach seiner Ankunft warben mehrere Siedlungen der Kolonie um die Ehre, Mather zu ihrem Pfarrer machen zu können.[8] Er entschied sich schließlich für Dorchester südlich von Boston, wo die Siedler ihm mehr als 100 Acres Boden zusprachen. Diese Siedlung war kurz zuvor fast entvölkert worden, als ein großer Teil der örtlichen Gemeinde Thomas Hooker folgend nach Connecticut abgewandert war, da sie sich mit außerordentlich strikten Art der Gemeindeverfassung, wie sie die geistlichen Führer von Massachusetts durchsetzten, nicht abfinden wollten.[9] Gemäß der kongregationalistischen Gemeindeverfassung mussten sich zur Gründung einer neuen Gemeinde ausreichend „sichtbare Heilige“ (visible saints) zum Bundesschluss untereinander und mit Christus zusammenfinden. Gottes „heimlichen Ratschluss“, also seine Entscheidung über Heil oder Verdammnis eines Menschen, glaubten die Kongregationalisten schon auf Erden wenn nicht letztgültig, so doch mit einiger Wahrscheinlichkeit feststellen zu können. Als visible saints galten Christen, die in einer öffentlichen Anhörung in einer Schilderung ihrer Bekehrungserfahrung hatten glaubhaft machen können, dass sie nicht nur rechtschaffen, sondern allem Anschein nach auch in der Gnade waren. Die ihnen allzu streng erscheinenden Aufnahmekriterien waren der Grund, warum die ursprüngliche Gemeinde nach Connecticut ausgewichen war, und sie erschwerte auch die vorbereitenden Anhörungen zur Gründung einer neuen Gemeinde. Ein großer Teil der Aufnahmewilligen bestand die Prüfungen nicht, so dass sich selbst Mather versucht sah, die Anforderungen herabzusetzen. Erst nach einer Wiederholung des Procederes konnten genug saints zur Gründung der Gemeinde ausfindig gemacht werden, und Mather trat sein Amt als Gemeindeoberhaupt an.[10]

Fragen wie die in die Gemeindegründung debattierte waren zentrale Streitpunkte in der puritanischen Bewegung und beschäftigten auch und gerade die Kongreagationalisten Neuenglands, da sie fernab amtskirchlicher Repressalien die Möglichkeit hatten, ihre calvinistisch geprägten Ideale von einer der Urkirche entsprechenden Gemeindeverfassung in die Tat umzusetzen. Mather nahm in vielen dieser Konflikte eine Mittlerstellung ein und war so in der Lage, Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Gemeinden, aber auch der Laienbrüder seiner eigenen Gemeinde zu überbrücken. So sprach er sich zwar gegen eine Lockerung der Bedingungen für die Aufnahme in die Kirche aus − nahm also lieber in Kauf, dass einem Gerechtem der Kircheneintritt verwehrt blieb, als dass er einem möglichen Heuchler die Aufnahme ermöglichte – sprach sich aber andererseits für die Kindstaufe auch für den Nachwuchs unbekehrter Christen aus.[11]

Titelblatt des Erstdrucks des Bay Psalm Book (1640)

Wegen seiner ausgleichenden Qualitäten genoss Mather in Massachusetts hohes Ansehen und wurde oftmals mit der Betreuung von Aufgaben betraut, die nicht nur Dorchseter, sondern ganz Massachusetts betrafen. So trug er 1640 zur Neuübersetzung des Psalter im Bay Psalm Book bei, das 1640 als erstes Buch in Neuengland gedruckt wurde und fortan in allen Gemeinden Neuenglands in Gebrauch war. Auch das anonyme Vorwort wird von vielen Forschern Mather zugeschrieben.[12]

Mather verteidigte das kongregationalistische Experiment, den New England Way, auch gegen kritische Stimmen aus dem Mutterland, die in der verwirklichten Gemeindeautonomie die Gefahr der Verselbständigung von Irrlehren witterten und anarchischische Zustände angelegt sahen, so insbesondere der die Presbyterianer Charles Herle und Samuel Rutherford. Seine Ausführungen erschienen während des englischen Bürgerkriegs in einer Serie von drei Traktaten in London: Church-Government and Church Covenant Discussed (1643), A Modest and Brotherly Answer to Mr. Charles Herle (1644) sowie A Reply to Mr. Rutherford (1646).

Auch fiel ihm bei der ersten großen Synode der neuenglischen Gemeinden 1647 die Aufgabe zu, deren Beschlüsse zu kodifizieren. Der Text, 1648 erschienen als A Platform of Church Discipline Gathered Out of the Word of God, wurde allgemein unter dem Namen Cambridge Platform bekannt. Er stellte bis 1708, als sie von der Saybrook Platform abgelöst wurde, eine Art Verfassung des kongregationalistischen Gemeinwesens in Neuengland dar.

In einer weiteren Synode erfuhr die Cambridge Platform in der weiterhin strittigen Frage der Kindstaufe eine entscheidende Modifikation, die gemeinhin als Wendepunkt der Geschichte des neuenglischen Puritanismus gilt. Im so genannten Half-Way Covenant setzte Mather mit Gleichgesinnten gegen den erbitterten Widerstand von John Davenport und seines eigenen Sohns Increase Mather die Bestimmung durch, dass auch Kinder und Enkel von bekehrten Christen getauft werden sollten. Christen, die der Gemeinde zwar beitreten wollten, aber den Aufnahmebedingungen nicht erfüllten, wurde eine „halbe“ Mitgliedschaft eingeräumt, die es ihnen erlaubte, am Abendmahl teilzunehmen, ihnen aber das Stimmrecht in Gemeindeangelegenheiten verwehrte.

Mather stand bis zu seinem Tod der Gemeinde von Dorchester vor; am 22. April 1669 erlag er einer Nierenkolik.

Nachkommen

Aus Mathers Ehe mit Katherine Holt gingen sechs Söhne hervor, von denen einer noch als Säugling starb. Von den übrigen fünf wurden drei noch in England geboren: Samuel, Timothy und Nathaniel Mather, die beiden jüngsten, Eleazar und Increase Mather, in Amerika. Mit Ausnahme von Timothy folgten ihm alle Söhne Mathers ins Priesteramt folgten. Neben Increase Mather, der zunächst nach Europa zurückkehrte und am Dubliner Trinity College studierte und erst 1661 nach Massachusetts zurückkehrte, waren dies Nathanael und Samuel Mather, die dauerhaft nach England zurückkehrten, sowie Eleazer Mather, der lange Jahre Pfarrer der Gemeinde Northampton, Massachusetts war.

Nach dem Tod seiner ersten Frau 1655 heiratete Richard Mather am 26 August 1656 Sarah Cotton, die Witwe John Cottons, und führte so zwei der einflussreichsten Familien Neuenglands unter einem Dach zusammen. Sein fünfter Sohn aus erster Ehe, Increase Mather, festigte diese Union, als er 1662 Maria Cotton, die erste Tochter John Cottons aus dessen Ehe mit Sarah Cotton, also Increases Stiefmutter, heiratete. Increases und Marias Sohn, Cotton Mather, trug die Namen seiner beiden berühmten Großväter und entwickelte sich, seines damit verbundenen Renomees durchaus bewusst, schließlich zum führenden Denker der dritten Puritanergeneration in Massachusetts.

Sowohl Richards Sohn Increase wie sein Enkel Cotton Mather schrieben je eine Biografie ihres Familiengründers. Cotton Mather veröffentlichte die seinige in der Reihe exemplarischer Biografien neuenglischer Gründerväter im dritten Buch seiner Magnalia Christi Americana und sinnierte in diesem Zusammenhang über die Erblichkeit der Gnade.[13]

Werke

  • Journal of Richard Mather. 1635: His Life and Death. 1670. Collections of the Dorchester Antiquarian and Historical Society, D. Clapp, Boston 1850. [Digitalisat bei Google Book Search]

Literatur

  • B. R Burg: Richard Mather. Twayne (Twayne's United States authors series), New York 1982. ISBN 0805773649
  • Michael G. Hall: The Last American Puritan. The Life of Increase Mather 1639–1723. Wesleyan UP, Middletown CN 1988. ISBN 0819551287
  • Cotton Mather: Magnalia Christi Americana: Or, The Ecclesiastical History of New-England. Hg. von Samuel Gardner Drake und Thomas Robbins. Silas Andrus and Son, Hatford, CN 1855. [Digitalisat bei Google Book Search]
  • Robert Middlekauff: The Mathers: three generations of Puritan intellectuals. Oxford University Press, New York 1971. ISBN 0520219309
  • William J. Scheick (Hg.): Two Mather Biographies: Life and Death and Parentator. Lehigh UP, Bethlehem PA 1989. ISBN 0934223068 [enthält Increase Mathers The Life and Death of that Reverend Man of God, Mr. Richard Mather]

Anmerkungen

  1. Wayne Craven: American Art: History and Culture. McGraw-Hill Professional, New York 2002. S. 46.
  2. Middlekauff, S. 15.
  3. Hall, S. 6.
  4. Middlekauff S. 16.
  5. „What! Preach Fifteen years and never wear a Surplice? It had been better for him that he had gotten Seven Bastards“. Zitiert in Hall, S. 11.
  6. Middlekauff, S. 17.
  7. Middlekauff, S. 18-19.
  8. Mather, S. 450
  9. Hall, S. 17-21.
  10. Middlekauff, S. 50-51.
  11. Middlekauff, S. 53-55.
  12. The Bay Psalm Book
  13. Mather, S. 456