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Sebastian Haffner

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Sebastian Haffner (* 27. Dezember 1907 in Berlin; † 2. Januar 1999 in Berlin; eigentlich Raimund Pretzel) war ein deutscher Publizist.

Leben

Geboren wurde Raimund Pretzel in Berlin, im damaligen Bezirk Prenzlauer Berg. Sein Vater Carl Louis Albert Pretzel war Jurist und nicht, wie vorher fälschlich behauptet wurde, Pädagoge; siehe auch dazu die Ausführungen im letzten Buch Haffners Geschichte eines Deutschen. Einer seiner Brüder war der Germanist Ulrich Pretzel. Nach Abschluss des Gymnasiums studierte er Jura und trat anschließend in den Staatsdienst ein. Er verließ diesen bereits 1933 aus Protest gegen den nun an die Macht gekommenen Nationalsozialismus. Bis Mitte 1936 war er für Anwälte vor Gericht tätig. In dieser Zeit lernte er seine künftige Ehefrau Erika Landry kennen, die in der Terminologie der Nazis Jüdin war. Ab Sommer 1936 arbeitete Haffner als Journalist. In dieser Funktion emigrierte er im August 1938 nach England, wo seine Verlobte bereits auf ihn wartete. Hier schrieb er mit Germany: Jekyll and Hyde eine in politischen Kreisen viel beachtete Analyse der innerdeutschen Verhältnisse. Daraufhin begann er in der Exilzeitung Die Zeitung zu arbeiten, bevor er 1942 zum Observer wechselte. Um seine in Deutschland verbliebene Familie nicht zu gefährden, legte er sich das Pseudonym Sebastian Haffner zu (Sebastian ist abgeleitet von Johann Sebastian Bach und Haffner von der Haffner-Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart).

Unter seinem Mentor David Astor schrieb Haffner für den Londoner Observer die nächsten 19 Jahre und stieg zeitweilig zum heimlichen Chefredakteur auf. Wegen Differenzen mit Astor, der ab 1948 Herausgeber war, und der Londoner Redaktion über die Haltung zum geteilten Deutschland wurde er 1954 Deutschlandkorrespondent in Berlin, bis er die Zeitung am Tage des Mauerbaus endgültig verließ. Er schrieb für Die Welt bis 1962 und war danach bis 1975 Kolumnist beim Stern. Unter der Rubrik Monatslektüre schrieb Sebastian Haffner in der Zeitschrift konkret regelmäßig über Bücher, die gerade neu erschienen oder sonst irgendwie lesenswert waren. Haffner stand hinter den demonstrierenden Studenten der 68er-Bewegung:

„Die demonstrierenden Studenten sind hundertprozentig im Recht [...]. Ihr ganzes Verbrechen besteht in der Demonstration für ihre Meinung, die von der Meinung der Springer-Presse abweicht."

Haffner war Dauergast der Radio- und TV-Sendung Internationaler Frühschoppen von Werner Höfer. Außerdem hatte er eine eigene Fernsehkolumne beim SFB.

Einordnung

Haffner gilt als einer der erfolgreichsten Autoren historischer Literatur, die sich an ein breites Publikum richtet. Er war einer der bedeutendsten und umstrittensten deutschen Publizisten der Nachkriegszeit. Seine Lebensthemen waren Hitler und die (preußisch)-deutsche Geschichte. Er verstand es, komplizierte geschichtliche Zusammenhänge einem breiten Publikum verständlich zu machen und in scharfsinniger Analyse und unorthodoxer Fragestellung bekannten historischen Sachverhalten neue Perspektiven zu geben. Politisch lässt er sich insgesamt kaum dauerhaft einordnen, konstant ist einzig seine kompromisslose, klarsichtige und vorurteilslose Ablehnung des Nationalsozialismus. Während er in den fünfziger Jahren antikommunistisch argumentierte, näherte er sich gegen Ende der sechziger Jahre dem linken Spektrum, von dem er sich später wieder entfernte.

Auszeichnungen

Werke

Literatur

  • Ralf Beck: Der traurige Patriot. Sebastian Haffner und die deutsche Frage. Berlin: be.bra wissenschaft verlag, 2005. ISBN 3-937233-18-0
  • Rüdiger vom Bruch: Ungeschickte Größe? Sebastian Haffners Historisierung des Deutschen Reiches. In: Merkur. Stuttgart 42 (1988) S. 602-609.
  • Joachim Fest: Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2. Auflage 2004. ISBN 3-498-02088-9 (darin ein Portrait von Sebastian Haffner unter dem Titel Der fremde Freund: Die Widersprüche des Sebastian Haffner)
  • Sebastian Haffner, Jutta Krug u. Uwe Soukup: Als Engländer maskiert. Ein Gespräch mit Jutta Krug über das Exil. Stuttgart u.a.: Deutsche Verlags-Anstalt 2002. ISBN 3-423-34107-6
  • Daniel Kiecol: Haffner für Eilige. Berlin: Aufbau-Taschenbuch-Verl. 2002. (= Aufbau-Taschenbücher; 1898) ISBN 3-7466-1898-3
  • Winfried Martini: Anmerkungen zu Haffners "Anmerkungen zu Hitler". In: Epoche. Bad Reichenhall 1979, 7, S. 57-65.
  • Hans Mommsen: Jekyll & Hyde. Zu Sebastian Haffners früher Hitler-Deutung, in: Gerhard Albert Ritter/Peter Wende (Hg.): Rivalität und Partnerschaft. Studien zu den deutsch-britischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Anthony J. Nicholls, Paderborn et al., 1999, S. 285-296 (ISBN 3-506-72044-9).
  • Ulrich Schlie: "Geschichte Deutschlands als Teil privater Lebensgeschichte". Ein Rückblick auf die Haffner-Welle. In: Historische Zeitschrift. München u.a. 2004, 278, S. 399-415.
  • Uwe Soukup: Ich bin nun mal Deutscher. Sebastian Haffner. Eine Biographie. Berlin: Aufbau-Verl., 2001 (ISBN 3-351-02526-2).
  • Volker Ullrich: Das ungleiche Duell. Eine fulminante Entdeckung: Sebastian Haffners Erinnerungen "Geschichte eines Deutschen" aus dem Jahre 1939, in: Die Zeit, Nr. 37 v. 7. Sept. 2000, S. 61.


Trivia

Sebastian Haffner fuhr einen alten VW Käfer mit dem Kennzeichen B SH 385. '385' ist die Zahl der Haffner Synfonie im Köchelverzeichnis.