Diskussion:1. FC Kattowitz
Hallo Dragonet (vermute ich jedenfalls, dass Du der Autor des Stichworts „1. FC Kattowitz“ bist),
nachdem ich mich jetzt eine Weile mit dem Verein beschäftigt habe, muss ich Dir leider mit-teilen, dass Deine Aufarbeitung der Vereinsgeschichte nicht nur nichts sagend, sondern zudem in verschiedenen Punkten auch noch falsch ist. Da keine Quellen angegeben sind, würde mich einmal interessieren, woher Du den Text hast.
Im Einzelnen: Die Gründer von Preußen Kattowitz hießen Fonfara! (An einen Tippfehler vermag ich nicht zu glauben, denn der falsche Name „Fonfar“ zieht sich nun schon seit fast einem Jahr durch alle Versionen.) Der Verein hieß auch in der „polnischen Zeit“ zwischen den Kriegen 1. FC Kattowitz, nicht 1. FC Katowice. Das ist nicht nur aus dem Text im Logo unschwer zu erkennen (auch im früheren Logo, abgedruckt u.a. in Grünes „Vereinslexikon“, S. 254), auch die deutschsprachige Presse jener Zeit, etwa die „Kattowitzer Zeitung“, schreibt vom 1. FC Kattowitz. Übrigens war auch die Ortsbezeichnung im Vereinsnamen nicht Gegenstand des Gerichtsprozesses. Der größte Unsinn ist der Satz „Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs 1939, wurde der Verein von der polnischen Verwaltung aufgelöst.“ Wie das? Der Krieg begann am 1. September 1939, am 2. September 1939 war bereits ganz Ostoberschlesien (oder polnisch Oberschlesien) von den Deutschen besetzt. Und innerhalb dieser 24 Stunden, während der deutsche Einmarsch lief, hatte die polnische Verwaltung nach Deiner Auffassung nichts Besseres zu tun, als einen Fußballverein aufzulösen????? Der wirkliche Zeitpunkt der Auflösung ist der Juni 1939. Begründung: der Verein fördere und unterstütze die Interessen Nazi-Deutschlands. Unsinn ist auch der Satz: „Nachdem Oberschlesien 1922 Polen zugesprochen worden …“. Nicht Oberschlesien ging an Polen, sondern nur der östliche Teil. Oder gehören etwa Beuthen und Gleiwitz nicht zu Oberschlesien, deren Vereine munter im deutschen Spielbetrieb mitmischten?
Neben den genannten sachlichen Fehlern – eine ganze Menge für so ein kurzes Stichwort – stört mich beinahe noch mehr, dass die hochinteressante Vereinsgeschichte auf einige wenige dürre Daten reduziert wird. Ich möchte das an nur einem Beispiel verdeutlichen: Das entscheidende Spiel um die polnische Meisterschaft von 1927 wird lediglich mit dem Ergebnis abgetan. Was rund um dieses Spiel geschah, zum Beispiel der Druck, den (polnische) politische und sportliche Stellen ausübten, weil sie keine deutsche Mannschaft als polnischen Meister haben wollten, oder – als Folge – die Schiedsrichterleistung, muss man schon im englisch- oder polnischsprachigen Wikipedia nachlesen.
Lieber Dragonet, nachdem ich einen Blick auf Deine Wikipedia-Themen, z.B. Deine Mitarbeit im „Portal Polen“ und „Portal Schlesien“, geworfen habe, bin ich sicher, dass Du die ge-schichtlichen Zusammenhänge kennst, wahrscheinlich besser als ich. Bei mir drängt sich der Verdacht auf, dass da irgendwie die berühmte „Schere im Kopf“ tätig war, dass mglw. Die Angst, irgendwo politisch anzuecken, Deine „Schreibe“ beeinflusst hat. Ich denke das sollte nicht sein!
Also, Nichts für ungut und mit freundlichen Grüßen --Wml 18:40, 4. Sep. 2007 (CEST)
Hallo alle an der Geschichte des 1. FC Kattowitz Interessierten,
nach der doch recht harschen Kritik am Stichwort „1. FC Kattowitz“ – zu der ich auch weiterhin stehe – habe ich mir überlegt, dass ich es mir doch recht einfach mache, nur zu „klug-scheißern“, ohne etwas wirklich Konstruktives beizutragen (von den paar kleinen Korrekturen einmal abgesehen, die inzwischen fast vollständig in den Text eingebracht wurden). Deshalb möchte ich einige Passagen meiner Recherche-Ergebnisse auf die Diskussionsseite stellen, die – so es gewünscht wird – auch in den Text eingebracht werden können. (Ich selbst würde es allerdings nicht machen, denn ich lehne es ab, in den Konzeptionen anderer Autoren „herumzuwurschteln“.) Was ich hier einbringe, ist die Kurzfassung einer bisher unfertigen „Geschichte des 1. FC Kat-towitz“ mit dem Arbeitstitel „Fußball jenseits von Europas blutender Grenze“. Die (dann fer-tige) gesamte Geschichte beabsichtige ich in irgendeiner Form voraussichtlich Anfang 2008 zu veröffentlichen. Von den zahllosen (deutschen und polnischen) eingeflossenen Quellen möchte ich hier nur zwei ganz wesentliche nennen: - Rudolf Fonfara „Vereinschronik des 1. FC Kattowitz“, unveröffentlichtes Manuskript - Georg Joschke „75 Jahre 1. FC Preußen 05 Kattowitz“, erschienen im Oberschlesischen Kurier, Nr. 12/Dez. 1980 und Nr. 1/Jan. 1981 Nach langer Vorrede jetzt der Text:
Während alle anderen ursprünglich deutschen Vereine, wie Diana Kattowitz, Silesia Lipine oder der VfR Königshütte, mehr oder weniger reibungslos den Übergang vom deutschen zum polnischen Oberschlesien schafften – oder ganz von der Bildfläche verschwanden – artete das Verhältnis zwischen Preußen Kattowitz und den neuen Machthabern zu einem offenen Konflikt aus, der zwar zeitweise beigelegt schien, aber in den folgenden zwei Jahrzehnten immer wieder aufflammte. Die Schuld an der Eskalation muss sicherlich bei beiden Seiten gesucht werden. Die polnische Seite suchte mit allen Mitteln das Deutschtum – das fast überall in der Mehrheit war (wie die Abstimmungsergebnisse belegen) – zur Festigung der eigenen Herrschaft mit allen Mitteln zu behindern oder gar zu unterdrücken. Auf der anderen Seite ließen die Preußen-Fußballer keine Gelegenheit aus, die Polen zu provozieren, ihnen deutlich zu verstehen zu geben, dass sie ihre Herrschaft nicht anerkannten, und sich gar als „Staat im Staate“ aufzuspielen. Erster „Knackpunkt“ war der, dass die Preußen jetzt unter polnischer Regie kicken sollten. Um das zu verhindern, wollte der Vorstand einen Unterverband gründen, der weiterhin dem DFB angeschlossen bleiben sollte. Doch der befürchtete – es hatte gerade erst Boykottversuche gegeben – „zwischenstaatliche Schwierigkeiten“ und lehnte ab. Auch der Versuch des FC Preußen, mit einem „deutschen Unterverband“ – nach tschechischem Modell – in den polnischen Fußballverband aufgenommen zu werden, wird von polnischer Seite schon im Keim erstickt. Zähneknirschend trat man schließlich doch dem polnischen Verband bei. Der nächste Streitpunkt war der Name FC Preußen. Hier waren es vor allem nationalpolnische Zeitungen wie „Polonia“ und „Zachodnia“, die fast pausenlos die Frage stellten, wie es möglich sei, dass ein deutscher Sportverein mit dem Namen „Preußen“ existieren dürfe. Der Club zeigte Wirkung: „Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, wurde beschlossen, dem Verein den Namen ‚Erster Fußballklub Kattowitz 05’ zu geben, mit der Maßgabe, eine Übersetzung ‚Pierwszy Club Pilki Nozney’ unter der deutschen Bezeichnung in kleineren Buchstaben für unsere Drucksachen zu verwenden.“ Das aber war der polnischen Seite nicht genug. Der 1. FC sollte jetzt offiziell als „I. Klub Pilkarski“ antreten. Zwar bedeutet das letzten Endes auch nichts Anderes als „1. Fußball-Club“, aber die Mitgliedschaft des Vereins war mit der Polonisierung des Clubnamens nicht einverstanden. Man strengte ein Gerichtsverfahren dagegen an und bekam Recht: Fortan durfte man wieder als „Erster Fußball-Club“ das runde Leder jagen. Nach einer Phase relativer Ruhe mit lediglich kleineren Scharmützeln strebte der Konflikt 1927 wieder einem Höhepunkt zu. Im polnischen Fußball war eine „Nationalliga“ eingeführt worden, der auch der 1. FC Kattowitz angehörte. Und schon bald stellte sich heraus, dass zwei Teams die Meisterschaft unter sich ausmachen würden: Wisla Krakau und – der 1. FC Kattowitz. Punktgleich marschierten beide Mannschaften vorneweg – mit den besseren Aussichten für die Kattowitzer: denn zum „Endspiel“ mussten die Krakauer noch im oberschlesischen Industrierevier antreten. Die nationalen Gegensätze brachen wieder voll auf und die Atmosphäre war völlig vergiftet, als das entscheidende Spiel angepfiffen wurde. Dieses Spiel wurde – zumindest aus deutscher Sicht – zu einem einzigen Skandal. Rudolf Fonfara berichtet: „Durch unsere sportlichen Erfolge standen wir ungewollt im Blickfeld der politischen Sportgemeinde, die es als nationales Unglück empfunden hätte, wenn ein deutscher Verein polnischer Fußballmeister geworden wäre. Die Militärkapelle des Kattowitzer Infanterieregiments war bereits vor dem Spiel auf dem Platz angetreten und hinter dem Tor aufgestellt. Eine Hundertschaft der Polizei war anwesend. Wir ahnten also, wie der Wind weht, bei diesem kleinen Länderkampf Polen – Deutschland.“ Hinzuzufügen ist noch, dass die Polizeikräfte – andere Quellen sprechen sogar von 200 Mann – mit Karabinern bewaffnet waren und im Schützenhaus versteckt gehalten wurden. Besonders empört waren die Deutschen bei dem Spiel, das vor weit über 20.000 Zuschauern stattfand, über die Leistung des Schiedsrichters. Dr. Zygmunt Hanke aus Lodz reihte Fehlent-scheidung an Fehlentscheidung, praktisch ausschließlich – und das bestätigen auch spätere polnische Quellen – zu Ungunsten der Kattowitzer. Ständig gab es auf dem Platz Diskussionen und Spielunterbrechungen. Augenzeuge Ernst Krall schreibt … : „Zweimal musste das Spiel unterbrochen werden, reguläre Tore, die der 1. FC geschossen hatte, wurden nicht anerkannt, Spieler und Zuschauer verstanden die Welt nicht mehr, es brodelte wie in einem Hexenkessel. Die Zuschauer gingen wegen der plumpen Entscheidungen auf die Barrikaden.“ Die FCK-Chronisten Rudolf Fonfara und Georg Joschke berichten übereinstimmend, man habe auf deutscher Seite erwogen, das Spiel abzubrechen, aber aus Angst vor einer Vereinsauflösung durch die polnischen Behörden diesen Schritt nicht gewagt. Dennoch war das Match bereits in der 78. Minute beendet. In der offiziellen Fußball-Geschichtsschreibung heißt es, die Kattowitzer Spieler hätten durch Verlassen des Spielfeldes den Spielabbruch verursacht. Dagegen beschreiben Fonfara und Joschke ein riesiges Tohuwabohu: Starke Polizeikräfte hätten vor Spielende die Sportplatzanlage geräumt, eine für die Krakauer Mannschaft bestellte Musikkapelle habe Wisla vorzeitig als Sieger gefeiert, Ein Weiterspielen sei nicht mehr möglich gewesen. Nicht einmal das Endergebnis ist sicher: In die offizielle polnische Fußball-Statistik ging das Spiel – möglicherweise am „grünen Tisch“ festgelegt – mit 2:0 für Wisla ein, die Kattowitzer Seite schreibt von einer 2:3-Niederlage ihrer Mannschaft. Übereinstimmung herrscht wieder in der Bewertung, dass der „Unparteiische“ maßgeblich am Krakauer Erfolg beteiligt gewesen sein soll. Er soll später die Manipulationen zugegeben und bekannt haben, er sei erpresst worden und politischem Druck ausgesetzt gewesen sein.
Soviel Text sollte ausreichen, um darzustellen, wie ich mir ein Stichwort „1. FC Kattowitz“ vorstelle. Ich hoffe, Interessierten damit einen Gefallen getan zu haben. Für Rückmeldungen – auch kritischen – wäre ich dankbar. Gruß --Wml 13:34, 5. Sep. 2007 (CEST)