Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland)
Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) in Deutschland hat ihre Grundlage im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Sie ist Bestandteil (Versicherungszweig) des gegliederten Sozialversicherungssystems zur Alterssicherung der abhängig Beschäftigten, die im Wesentlichen durch deren Zwangsteilnahme im Umlageverfahren finanziert wird. Wer Beiträge aufgrund einer Versicherungspflicht oder einer freiwilligen Versicherung einzahlt, bezahlt die Renten der aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen und erwirbt einen Anspruch auf seine eigene Rente (Generationenvertrag).
- Eine erschöpfende Darstellung des deutschen Rentenrechts ist auf Grund seines Umfangs und seiner
Komplexität im Rahmen dieses Artikels nicht möglich. - Der aktuelle Rechtsstand ist November 2006.
- Eine erschöpfende Darstellung des deutschen Rentenrechts ist auf Grund seines Umfangs und seiner
Leistungen
Die versicherten Risiken der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sind das Alter, die verminderte Erwerbsfähigkeit und der Tod, wofür entsprechende Renten vorgesehen sind.
Darüber hinaus erbringen die Träger der GRV auch Leistungen im Rahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation zur Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Erwerbsfähigkeit und zur Teilhabe am Arbeitsleben. Diese Leistungen sind nicht versicherungsfremd, denn sie dienen der Abwendung der versicherten Risiken. Deshalb gilt vor Erreichen des Renteneintrittsalters von Altersrenten der Grundsatz „Reha vor Rente“, d. h. vor Zahlung einer Rente wird versucht, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen. Erst wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, wird eine Rente gewährt.
Rentenleistungen
Die verschiedenen Renten auf Grund eines dieser Risikofälle sind
Dafür sind
- persönliche Voraussetzungen (z. B Erwerbsminderung, Lebensalter, Tod),
- spezifische Wartezeiten (Mindestzeiten der Beitragszahlung zur Rentenversicherung) und ggf.
- versicherungsrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen.
Altersrente, Anhebung der Regelaltersgrenze
Wer Altersrente zum 65. Lebensjahr (gemäß der Regelaltersgrenze) beantragt, erhält nach geltender Rechtslage eine Rente ohne Abschläge (s. u. Berechnung der Rentenhöhe). Jeder spätere Rentenbeginn erhöht die Rente, jeder frühere Rentenbeginn mindert sie.
Am 29. November 2006 hat die Bundesregierung beschlossen, die Regelaltersgrenze bis 2029 stufenweise auf 67 Jahre anzuheben. Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Lebensjahre wurde am 9. März 2007 von der Mehrheit des Deutschen Bundestages beschlossen. 2012 soll sie sich damit für den Geburtsjahrgang 1947 um einen Monat erhöhen; für Folgejahrgänge in jedem weiteren Jahr um einen weiteren Monat, bis der Jahrgang 1958 im Jahr 2023 mit dem 66. Lebensjahr eine abschlagsfreie Rente erwarten kann. Für die nachfolgenden Jahrgänge soll die Anhebung der Altersgrenze auf jeweils zwei Monate pro Jahr beschleunigt werden; damit würde das 67. Lebensjahr erstmals im Jahr 2029 für den Jahrgang 1964 als Regelaltersgrenze wirksam. Der früheste Renteneintritt nach 2029 ist dann mit 63 Jahren möglich. Unabhängig davon können Arbeitnehmer, die 45 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben, auch weiterhin mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Erziehungszeiten für Kinder bis zum zehnten Lebensjahr sind eingeschlossen. Diese Ausnahmeregelung betrifft etwa 28 Prozent der Männer und knapp vier Prozent der Frauen in Deutschland.
Gleitender Übergang in die Rente
Statt in einem bestimmten Alter von heute auf morgen mit der bezahlten Berufstätigkeit aufzuhören und sein Leben völlig umzustellen, wird von manchen Beschäftigten angestrebt, die Erwerbstätigkeit allmählich zu reduzieren. Umsetzungsmöglichkeiten dafür bietet das Altersteilzeitgesetz. Dies entstand vor allem als ein Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. der Umsetzung von Personaleinsparungen durch Betriebe. Es handelt sich dabei also eigentlich nicht um Frührente, weil die Höhe der Altersrente durch Verträge oft konstant gehalten wird. Aber auch Rentenabschläge sind bei diesen Vereinbarungen sehr häufig.
Erwerbsminderungsrente
Etwa ein Sechstel aller Rentner beginnt das Rentnerdasein mit einer Erwerbsminderungsrente. Die meisten von ihnen (über 90 %) wegen voller Erwerbsminderung. Die frühere vergleichbare Regelung hieß bis 2000: Erwerbsunfähigkeitsrente (Verminderte Erwerbsfähigkeit). Allerdings tritt jetzt (teilweise) Erwerbsminderung erst ein, wenn das Leistungsvermögen für alle Tätigkeiten auf weniger als sechs Stunden pro Tag herab gesunken ist. Deren Höhe ist - wie bei der Altersrente - von den früher gezahlten Beiträgen abhängig. Durch die Erwerbsminderungsrente sind die Betroffenen abgesichert müssen aber mit Abschlägen bis maximal 10,8 Prozent rechnen.
Erwerbsunfähigkeitsrente (bis 2000)
Erwerbsunfähig war der Versicherte, der infolge einer Krankheit oder anderer Gebrechen oder aufgrund einer Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte irgendeine Erwerbstätigkeit nur unregelmäßig ausüben oder Erwerbstätigkeit zwar in gewisser Regelmäßigkeit ausüben, aber aus ihr nur geringfügiges Einkommen erzielen konnte (s. § 44 SGB VI - alt). Eine EU-Rente – die von weiteren bestimmten rechtlichen Voraussetzungen abhängig war – konnte höchstens bis zum 65. Lebensjahr bezogen werden. Danach trat die Altersrente ein. Seit 2001 ist sie abgelöst durch die etwas anders geregelte Erwerbsminderungsrente. (siehe oben).
Berufsunfähigkeitrente (bis 2000)
Als ein rein rechtlicher Begriff wird definiert: Berufsunfähig ist der Versicherte, der einen ihm zumutbaren Beruf nicht mehr ausüben kann und dessen Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder andere Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte der Erwerbsfähigkeit (bis 2000, jetzt: weniger als sechs Stunden am Tag) eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (bis 2000 BU-Rente nach § 43 SGB VI alt). Nur noch für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, gibt es den Begriff der Berufsunfähigkeit. Sie löst allerdings nur noch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (50 % der vollen EM-Rente) aus.
Hinterbliebenenrente
Voraussetzung für Hinterbliebenenrenten ist, dass der/die Verstorbene die Wartezeit (Mindestversicherungszeit) von fünf Jahren erfüllt hat.
Witwenrente/Witwerrente
Witwen und Witwer haben (seit 1985) die gleichen Rechte, aus den Rentenansprüchen oder einer bereits laufenden Rente des verstorbenen Ehepartners eine Rente zu erhalten; seit 1. Januar 2005 gilt das auch für die Ansprüche des überlebenden Lebenspartners (Sozialgesetzbuch VI).
Die so genannte große Witwen/Witwerrente gilt, wenn der Hinterbliebene entweder
- das 45. Lebensjahr vollendet hat oder
- eine Erwerbsminderung nachweist oder
- mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht.
Sie beträgt 55 % (bei „Altfällen“ 60 %) der zum Todestag des Versicherten gezahlten oder berechneten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Hierauf wird eigenes Einkommen (bei „Altfällen“ nur eigenes Renteneinkommen) oberhalb eines Freibetrages von 689,83 € zu 40 % angerechnet (siehe Berechnungsbeispiele unten).
Ist keine der drei oben genannten Bedingungen erfüllt, gilt die kleine Witwen/Witwerrente mit 25 % der vorgenannten Berechnung und 60 % Anrechnung eigenen Einkommens oberhalb der Freigrenze. Mit Erreichen der Voraussetzungen wird jedoch die Rente automatisch umgewandelt und die „große“ Witwenrente gezahlt.
Die Sonderregelungen bei Wiederverheiratung sind hier nicht wiedergegeben.
Für die große Witwen- oder Witwerrente steigt die Altersgrenze ab 2012 stufenweise von 45 auf 47 Jahre, je nach Todesjahr des Versicherten. Bei Todesfällen ab 2029 gibt es diese Rente erst ab 47 Jahren.
Waisenrente
Halbwaisen erhalten ein Zehntel, Vollwaisen ein Fünftel der auf den Todestag des Versicherten berechneten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres werden auf die Waisenrente eigene Einkünfte nicht angerechnet.
Darüber hinaus wird bis zum 27. Geburtstag in Zeiten der Schul-, Fachschul-, Hochschul- oder Berufsausbildung Rente gezahlt, ebenso bei einer Erwerbsminderung der Waise. Eigenes Einkommen wird angerechnet. Während des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes ruht die Rente und der Anspruch verlängert sich entsprechend über das 27. Lebensjahr hinaus. Als Waisen können auch Adoptivkinder, Pflegekinder, Enkelkinder oder Geschwister anerkannt werden, wenn sie in häuslicher Gemeinschaft mit der/dem Verstorbenen gelebt haben und von ihr/ihm unterhalten wurden.
Berechnung der Rentenhöhe
Regelaltersrente
Die Rentenhöhe ist vor allem an die im Laufe des Lebens einbezahlten Beiträge gebunden. Dafür erhält der Beitragszahler Entgeltpunkte gutgeschrieben.
Kindererziehungszeiten werden wie Pflichtbeitragszeiten eines Durchschnittsverdieners bewertet, und zwar werden für jedes vor dem 1. Januar 1992 geborene Kind 12 Monate und jedes nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kind 36 Monate ab der Geburt als Pflichtbeitragszeit für die erziehende Mutter oder den Vater anerkannt.
Für beitragsfreie Zeiten sowie für beitragsgeminderte Zeiten (z. B. nachgewiesene Zeiten einer beruflichen Ausbildung) werden noch Zuschläge gezahlt. Die Höhe dieser Zuschläge wird über die so genannte Gesamtleistungsbewertung errechnet.
Die Rente wird berechnet, indem der aktuelle Rentenwert (errechnet sich nach der Rentenformel mit den Entgeltpunkten, dem Zugangsfaktor und dem Rentenartfaktor) multipliziert wird. Dies ist so in § 64 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) normiert.
Besonderheiten bestehen in der Knappschaftsversicherung (Rentenversicherung der Bergleute).
Ein ständiger Aufenthalt im Ausland (Wohnsitz) kann massive Änderungen im Rentenanspruch mit sich bringen; hierzu wurden auch Versicherungslastregelungen zwischen Staaten getroffen.
Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund kann man eine CD-ROM mit dem Titel „Rentenberechnung leicht gemacht“ bestellen.
Frührente
Mit dem Wort Frührente werden (juristisch ungenau) alle Formen des vorgezogenen Übergangs in die Erwerbslosigkeit bezeichnet, die zu einer Rentenzahlung durch die GRV führen, z. B. Erwerbsminderungsrente oder vorgezogene Altersrente nach Arbeitslosengeldbezug. („Vorruhestand“ bezeichnet den analogen Fall bei Beamten mit vorgezogenem Beginn der Ruhestandsbezüge).
Grob lässt sich sagen, dass pro Monat des vorzeitigen Beginns der Rente vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter die Rente lebenslang um 0,3 % gemindert wird. Für eine um ein Jahr früher beginnende Rente sinkt also z. B. der sonst zustehende monatliche Rentenbetrag um 3,6 Prozent (vergleiche Rentenberechnung unten oder bei Rentenformel). Dieser Rentenabschlag versucht die kürzere Beitragszahl-Phase im Erwerbsleben und die möglicherweise längere Bezugsdauer der Rente bei einem (fiktiv betrachtet) gleich langem Leben zu berücksichtigen. Seit Jahrzehnten ist das Renteneintrittsalter für viele schon deutlich niedriger als die jeweils geltende gesetzliche Altersgrenze.
Dabei muss folgendes beachtet werden: Der Abschlag erfolgt von demjenigen Rentenwert, der sich zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente ergibt und nicht von dem auf das 65. Lebensjahr hochgerechneten Altersrentenwert. [1] Das heißt: Die vorgezogene Rente ist im Vergleich zur Rente mit 65 durch zwei Einflüsse geringer: Einmal durch den früheren Rentenbeginn, weil keine Beitragszahlungen mehr erfolgt sind, und dann nochmals durch den Abschlag auf diesen bereits niedrigeren Rentenwert.
Hinterbliebenenrente
Beispiel für je eine Witwenrente und Witwerrente: Beide Beispiele gehen vom gleichen Ehepaar aus, im ersten Beispiel ist der Ehemann zuerst verstorben, im zweiten Beispiel die Ehefrau; beide sind ein „Altfall“; beide Ehepartner sind bereits Rentner (deshalb gilt die „große“ Witwen-/Witwerrente); beide Renten sind so hoch, dass eigenes Renteneinkommen angerechnet wird. Von besonderem Interesse am Ergebnis ist, dass in beiden Fällen der jeweils überlebende Ehepartner die gleiche Summe (in diesem Beispiel 1999,54 €) zur Verfügung hat.
Witwenrente
Berechnungsbeispiel für die hinterbliebene Ehefrau, alle Beträge in €
1550,61 | Bisherige Rente des Ehemannes (brutto) | |||
930,37 | 60 % davon (das wäre die Witwenrente ohne eigenes Einkommen der Witwe) | |||
1322,07 | 1322,07 | laufende Rente Ehefrau (brutto) | ||
-689,83 | Freibetrag (darüber liegende eigene Renteneinkommen werden zu 40 % auf die Witwerrente angerechnet) | |||
632,24 | Differenz aus Renteneinkommen und Freibetrag | |||
-252,90 | 252,90 | 40 % davon werden angerechnet | ||
677,47 | 677,47 | Verbleibende Witwenrente (brutto) | ||
1999,54 | Summe der Renten der Witwe (brutto) | |||
2872,68 | zum Vergleich: Bisheriges gemeinsames Einkommen |
Witwerrente
Berechnungsbeispiel für den hinterbliebenen Ehemann, alle Beträge in €
1322,07 | Bisherige Rente der Ehefrau (brutto) | |||
793,24 | 60 % davon (das wäre die Witwerrente ohne eigenes Einkommen des Witwers) | |||
1550,61 | 1550,61 | laufende Rente Ehemann (brutto) | ||
-689,83 | Freibetrag (darüber liegende eigene Renteneinkommen werden zu 40 % auf die Witwerrente angerechnet) | |||
860,78 | Differenz aus Renteneinkommen und Freibetrag | |||
-344,31 | 344,31 | 40 % davon werden angerechnet | ||
448,93 | 448,93 | verbleibende Witwerrente | ||
1999,54 | Summe der Renten des Witwers (brutto) | |||
2872,68 | zum Vergleich: Bisheriges gemeinsames Einkommen |
Anmerkung: In den ersten drei Monaten nach dem Todesfall wird die volle Rente des/der Verstorbenen weitergezahlt.
Die Renteninformationen in der BRD
Seit 2002 verschicken die Rentenversicherungsanstalten bereits einige Jahre vor dem voraussichtlichen Rentenbeginn aktuelle Renteninformationen an die Versicherten. Die Renteninformation gibt den Versicherten Auskunft über die aktuellen Rentenansprüche. Dabei wird unterschieden zwischen einem vorgezogenen Beginn bei voller Erwerbsminderung und der Höhe der künftigen regulären Altersrente, wenn die aktuellen Bedingungen sich nicht verändern würden. D. h. also ohne Änderungen durch Gesetze oder Lohnänderungen. Generell wird dabei auf die Versorgungslücken hingewiesen zwischen der Lohnhöhe und der niedrigeren Rente und Kaufkraftverluste durch die auch künftig zu erwartende Inflation.
Zur Kontenklärung wird dem Schreiben auch der bisherige Rentenversicherungsverlauf beigefügt. Daran kann man ablesen, ob alle Formen der eigenen Beitragszeiten auch bei der Rentenversicherung bekannt sind. Im Zweifelsfall kann nachgefragt und eine Änderung eingeleitet werden. Bei komplizierten Verhältnissen ist mit diesem Schreiben sicher ein Besuch einer Rentenversicherungsberatung empfehlenswert.
Nach einer Einführungszeit sollen alle Versicherte jährlich eine Renteninformation erhalten, die das 27. Lebensjahr vollendet und mindestens für 5 Jahre (60 Kalendermonate) Beitragszeiten bereits zurückgelegt haben. Derzeit erhalten zunächst die älteren Jahrgänge das Schreiben. Wer die Renteninformation sozusagen „ausser der Reihe“ erhalten möchte, kann sie jederzeit direkt online oder schriftlich beim zuständigen Rentenversicherungsträger anfordern. Damit soll den Versicherten die Möglichkeit zur genaueren eigenen Vorsorge gegeben werden.[2]
Verfassungsrecht; Rentenbesteuerung
Steuerlich war bis 2004 die gesetzliche Rente nur mit dem so genannten Ertragsanteil als Einkommen zu berücksichtigen. Dieser Ertragsanteil entspricht einer fiktiven Verzinsung der im früheren Erwerbsleben entrichteten Beiträge. Je früher der Versicherte in Rente ging, desto geringer war einerseits die absolute Rentenhöhe und desto höher war der zu versteuernde Ertragsanteil an der monatlichen Altersrente. Beispiel: Bei Rentenbeginn mit 65 Jahren galt ein Ertragsanteil von 27 %. Da auch bei einer sehr hohen Rente dadurch die Grundfreibeträge nicht erreicht wurden, mussten nur beim Zusammentreffen mit weiteren steuerpflichtigen Einnahmen Steuern gezahlt werden.
Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, welches die künftige steuerliche Gleichbehandlung von Pensionen und Renten verlangt, wurde ab 2005 die Rentenbesteuerung auf eine neue Basis gestellt. Für die aktuellen Rentenbezieher („Bestandsrentner“) beträgt ab 2005 der steuerpflichtige Anteil 50 %. Für jeden neuen Rentnerjahrgang wird in den kommenden Jahrzehnten sukzessive der zu versteuernde Anteil an der Rente wachsen, im Gegenzug für die Beitragszahler ein immer höherer Prozentsatz ihrer Beiträge steuerlich absetzbar sein. Am Ende sollen – ähnlich wie bei Pensionen – Renten zu 100 % versteuert werden und Beiträge steuerfrei sein.
Aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors in der GRV und der damit verbundenen, um ca. 14 % sinkenden Renten, ist allerdings in Zukunft zu erwarten, dass die Renten aufgrund der niedrigen Höhe den Grundfreibetrag kaum überschreiten und somit ohne zusätzliches Einkommen keine oder nur eine geringe Steuer fällig wird.
Ausführlichere Informationen hierzu siehe unter „Rentensteuer“.
Finanzierung der Rentenversicherung
Beiträge
Grundsätzlich wird die Rentenversicherung durch Beiträge finanziert, die je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden (Ausnahmen: in der Knappschaftsversicherung trägt der Arbeitgeber zwei Drittel des Beitrags). Freiwillig versicherte Selbständige tragen den vollen Beitrag allein; Besonderheiten gibt es in der Künstlersozialversicherung und für geringfügig Beschäftigte (siehe Minijob).
Der Rentenversicherungsbeitrag wird als Prozentsatz vom Bruttolohneinkommen (Arbeitsentgelt) erhoben, letzteres begrenzt auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze. Er betrug seit dem 1. Januar 2003 19,5 %, für die Knappschaftsversicherung mehr (seit 1. Januar 2003 25,9 %). Seit 1. Januar 2007 beträgt der Beitragssatz 19,9 %.
Bundeszuschuss
Neben den Einzahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird das System in erheblichem Umfang durch Bundeszuschüsse, also aus Steuermitteln, getragen. Im Jahr 2005 summierten sich die Bundeszuschüsse auf 78 Milliarden €. Sie waren damit höher als die Kreditaufnahme des Bundes und deckten rd. 27 % der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (für Zahlen aus 2004 siehe Tabelle unten). Es handelt sich dabei um den größten Einzelposten im gesamten Bundeshaushalt. Die Bundeszuschüsse dienen zum einen der Finanzierung so genannter „versicherungsfremder Leistungen“, also von Leistungen, die die Rentenversicherung unabhängig von Beitragszahlungen des Versicherten gewährt, etwa für Kindererziehungszeiten (11,715 Mrd. €) oder für die Rentenanteile aus Anrechnungszeiten und Ersatzzeiten, z. B. der Kriegsteilnehmer. Zudem hat ein Teil dieser Zuschüsse die Funktion, Rentenkürzungen bzw. Beitragserhöhungen zu vermeiden.
Die Rentner in den neuen Bundesländern hierbei pauschal als Subventionsempfänger aufzuführen, weil deren Bewohner „in die westdeutsche GRV niemals eingezahlt haben“, ist jedoch nicht gerechtfertigt, weil damit der Eindruck erweckt wird, als müssten die westdeutschen Beitragszahler oder die Bundeskasse alle dortigen Renten finanzieren: Weil es sich um eine Umlagefinanzierung handelt, begann am Tage der Wiedervereinigung die Beitragszahlung der dortigen Pflichtversicherten und die Zahlung der dortigen Renten. Wäre dafür eine eigenständige Kasse gebildet worden, so wäre deren prozentualer Zuschussbedarf anfänglich ähnlich hoch gewesen wie der in den alten Bundesländern. Diese Kasse hätte aber die wachsenden Probleme mit der Alterspyramide ebenfalls zu spüren bekommen und den Einbruch bei den Beiträgen durch die Arbeitslosigkeit, letzteres jedoch in stärkerem Maße als in den alten Bundesländern. Deshalb ist tatsächlich ein höherer Zuschuss erforderlich, der jedoch genau so zu bewerten ist wie andere Wiedervereinigungskosten.
Reserven
Die Finanzierung der Rentenversicherung erfolgt nicht im Kapitaldeckungs-, sondern im Umlageverfahren. Laufende Beiträge, verwaltet von den Trägern der Deutschen Rentenversicherung (früher: BfA und Landesversicherungsanstalten), werden sofort als Renten ausbezahlt. Nur um die Liquidität sicherzustellen, gibt es eine kleine so genannte Nachhaltigkeitsrücklage.
Rechengrößen der Rentenversicherung
Einmal jährlich beschließt das Bundeskabinett aufgrund der Einkommensentwicklung der Vorjahre diverse Rechengrößen der Sozialversicherung für das Folgejahr. Diese Festsetzungen erscheinen in einer Rechtsverordnung, die jeweils der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Für die gesetzliche Rentenversicherung sind die Bezugsgröße und die Beitragsbemessungsgrenze von Bedeutung:.
- Die Bezugsgröße entspricht dem Durchschnittsentgelt der Pflichtversicherten des vorvergangenen Kalenderjahres, aufgerundet auf den nächsten durch 420 teilbaren Betrag. Sie ist z. B. von Bedeutung für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder, für die Beitragsberechnung von versicherungspflichtigen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung und für die Bewertung von bestimmten Zeiten, die bei einigen Rentenberechnungen an diesen Betrag geknüpft sind.
- Für 2006 beträgt sie
- 29.400 € (2.450 € mtl.) in den alten Bundesländern (0,42 % mehr als im Vorjahr),
- 24.780 € (2.065 € mtl.) in den neuen Bundesländern (0,51 % mehr als im Vorjahr).
- Die Beitragsbemessungsgrenze legt fest, bis zu welchem Einkommen Beiträge für die Rentenversicherung zu entrichten sind.
- Für 2006 beträgt sie
- 63.000 € (5.250 € mtl.) in den alten Bundesländern (0,9615 % mehr als im Vorjahr),
- 52.800 € (4.400 € mtl.) in den neuen Bundesländern (kein Unterschied zum Vorjahr).
Statistik
Finanzen der Rentenversicherung 2004 | |||||
---|---|---|---|---|---|
1 | (Quelle: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Zahlen vorläufig) | ||||
2 | Einnahmen | Mio. € | % | ||
3 | Gesamteinnahmen | 232.474 | 100 | ||
4 | Beitragseinnahmen (Versicherte und Arbeitgeber) | 169.399 | 72,87 | ||
5 | Bundeszuschüsse für Rentenleistungen ohne eigene Beiträge, | 44.131 | 18,98 | ||
6 | z. B. für Kindererziehungszeiten (11.715 Mio. € 2005), Ersatzzeiten (z. B. Wehrdienst) | ||||
7 | Zusätzliche Bundeszuschüsse | 17.264 | 7,43 | ||
8 | Erstattungen | 840 | 0,36 | ||
9 | Vermögenserträge | 178 | 0,08 | ||
10 | Sonstige Einnahmen | 662 | 0,28 | ||
11 | Ausgaben | Mio. € | % | % | |
12 | Gesamtausgaben | 235.490 | 100 | ||
13 | Rentenausgaben | 210.532 | 89,40 | ||
14 | Kindererziehungsleistungen | 729 | 0,31 | ||
15 | Summe aus Rentenleistungen und Kindererziehungszeiten | 211.261 | 89,71 | 100 | |
16 | Beiträge und Zuschüsse zur Krankenversicherung der Rentner | 14.808 | 6,29 | 7,01 | |
17 | Pflegeversicherung | 435 | 0,18 | 0,21 | |
18 | Rehabilitationsmaßnahmen | 4.809 | 2,04 | ||
19 | Beitragserstattungen | 97 | 0,04 | ||
20 | Verwaltungs- und Verfahrenskosten | 3.820 | 1,62 | ||
21 | Sonstige Ausgaben | 260 | 0,11 | ||
22 | Ausgabenüberschuss (Fehlbetrag) | 3.016 | 1,28 |
Kommentare:
- zu Zeile 13: Das sind die Rentenbruttobeträge; hiervon gehen die Rentneranteile für die Krankenversicherung (in der Höhe gleich wie der in Zeile 16 ausgewiesene Anteil des Versicherungsträgers) und der volle Beitrag für die Pflegeversicherung (1,7 % = 3.591 Mio. €) ab:
- 210.532 – 14.808 – 3.591 = 192.133 Mio. € = Renten-Nettosumme; das sind für 15,6 Mio. Rentner je 12.316 € /Jahr bzw. 1.026 € mtl. (2004).
- zu Zeile 14: Die hier ausgewiesenen 729 Mio. € stimmen überhaupt nicht mit den im Bundeszuschuss genannten (für 2005 geltenden) 11.715 Mio. € überein; es muss sich hier um eine besondere Abrechnungposition handeln.
- zu Zeile 17; Pflegeversicherung: Da im Jahre 2004 die Pflegeversicherung im vollen Umfang von den Rentnern getragen wurde (und 2004 die genannten 3.591 Mio. € umfasste), muss es sich auch hier um eine besondere Abrechnungposition handeln.
- zu Zeile 22: Die ausgewiesenen 1,28 % beziehen sich zwar auch auf Zeile 12, sind aber darin nicht enthalten; d. h. nur die Prozentzahlen der Zeilen 13 bis 21 ergeben 100 %.
Historische Entwicklung
Anfänge
Zünfte und Gilden im Mittelalter kannten bereits Selbsthilfeeinrichtungen auf gemeinschaftlicher Grundlage. Handwerk und Bergbau gelten als früheste Vorläufer der heutigen Sozialversicherung. Das Gesetz über die Vereinigung der Berg-, Hütten- und Salinenarbeiter in Knappschaften vom 10. April 1854 war die erste landesgesetzliche, öffentlich-rechtliche Arbeiterversicherung.
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Alters- und Invaliditätsversicherung am 22. Mai 1889 durch den Reichstag des Deutschen Reiches war nach den Gesetzen zur Regelung der Krankenversicherung (1883) und der Unfallversicherung (1884) die letzte Sozialversicherung der Bismarck'schen Sozialgesetzgebung. Im Rahmen dieser Sozialgesetzgebung wurde die Rentenversicherung (RV) zum 1. Januar 1891 erstmals eingeführt. Sie sah eine Altersrente ab dem 70. Lebensjahr vor (bei einer wesentlich geringeren Lebenserwartung als heute) sowie eine Invalidenrente bei Erwerbsunfähigkeit. Voraussetzung für die Altersrente waren mindestens 30 Jahre Beitragszahlung (mit der damals üblichen 60-Stunden-Woche). Der Beitragssatz betrug 1,7 %, finanziert zu je einem Drittel von den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und staatlichen Zuschüssen, also Steuergeldern.
Bei Einführung der RV 1891 verdiente z. B. ein ungelernter Arbeiter 80 Mark im Monat und musste dafür also 1/3 von 1,7 %, das waren monatlich rd. 45 Pfennig oder 0,567 %, als Arbeitnehmerbeitrag abführen. Im Jahr 2006 beträgt der Arbeitnehmeranteil 9,75 %, das ist der 17,2-fache Prozentsatz!
Wesentliche Reformen waren 1911 die Einführung der Hinterbliebenenrenten sowie die Einbeziehung der Angestellten in die Rentenversicherung durch das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20. Dezember 1911.
Historische finanzielle Probleme
Das nur auf Ansparen gegründete System konnte nicht lange durchgehalten werden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Reserven durch die darauf folgende Hyperinflation weitgehend entwertet. So war das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. Mark (im Jahre 1914) binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6 % der Summe zusammengeschmolzen. Bereits damals begann man, in gewissem Umfang Rentenzahlungen aus eingehenden Beiträgen zu finanzieren, und der Staat half mit Steuermitteln aus. Dennoch waren massive Leistungskürzungen, insbesondere infolge der Weltwirtschaftskrise (1930-1932), unvermeidlich. Die gesetzliche Rentenversicherung war weit davon entfernt, den vorherigen Lebensstandard im Alter zu garantieren, sondern kaum mehr als ein kleines Zubrot. Hauptsächliche Quelle von Alterseinkünften waren mehr denn je Leistungen der eigenen Kinder oder aber, im äußersten Notfall, der staatlichen Fürsorge. Während der NS-Zeit wurden sogar Mittel aus den Sozialsystemen für andere Projekte (insbesondere der Rüstung) zweckentfremdet.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das System zunächst beibehalten. Die Rente hatte damals weitgehend Unterstützungsfunktion und wurde – mangels Rücklagen – bis zu 50 % aus Steuermitteln finanziert.
Umlagefinanzierung
Erst im Jahre 1957 kam der Übergang zum System der noch heute bestehenden Umlagefinanzierung: Statt Rücklagen zu bilden, waren anfangs - je zur Hälfte von den Arbeitgebern und von den Pflichtmitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung - 15 % des Bruttolohnes zu zahlen, die sofort für Rentenzahlungen verwendet wurden. Das ermöglichte eine sofortige, deutliche Rentenerhöhung und fortan eine dynamische Anpassung der Rentenhöhe an die Bruttolohnentwicklung. Die damals wesentlichen Argumente für das Umlagesystem waren, dass sofort Renten gezahlt werden können und dass kein Kapitalvermögen existiert, das durch Kriege oder Weltwirtschaftskrisen vernichtet werden kann, wohingegen der Staat die Beitragszahlung durch junge Mitglieder immer durchsetzen könne.
Mit solchen Begründungen wurden Umlagesysteme seit der Weltwirtschaftskrise und in der Nachkriegszeit auch in einer Reihe anderer Länder eingeführt, etwa in den USA 1936 als Teil des New Deal, in Japan, Österreich und der Schweiz.
Weil keine Rücklagen gebildet werden, setzt ein Umlagesystem aber auch die Existenz einer nachfolgenden Generation voraus, deren Angehörige versicherungspflichtig tätig sind und vor allem ausreichend Beiträge zahlen. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, langsam wachsender Bruttolöhne und schrumpfender Erwerbstätigenzahlen sowie längerer Lebenserwartung kommen solche Systeme jedoch unter Finanzierungsdruck.
Die Reform beruhte maßgeblich auf einer Studie von Professor Wilfrid Schreiber, dessen Konzept allerdings nur unvollständig umgesetzt wurde. Schreiber hatte vorgesehen, die für den Fortbestand des Systems unabdingbare Aufzucht von Kindern in das System einzubeziehen, unter anderem durch eine Kinderrente sowie eine Beitragsverdoppelung für Kinderlose. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer konnte sich mit seiner Ablehnung solcher Komponenten gegen Bedenken etwa von Ludwig Erhard durchsetzen. In den folgenden Jahren stieg, insbesondere bedingt durch flexible Altersgrenzen, der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung über 17 % (1972) auf 19 % (1986).
Aktuelle finanzielle Probleme
Von Beginn an wurde ein erheblicher Teil der Rentenzahlungen aus Steuermitteln bestritten, vor allem zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen. Der Bundeszuschuss betrug im Jahr 1964 knapp 25 % der ausbezahlten Renten, sank in den 1970er Jahren auf ca. 15 % und hielt sich bis Ende der 1980er Jahre bei etwa 16 %. In den 1990er Jahren geriet jedoch die gesetzliche Rentenversicherung zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Eine Ursache war die Übertragung des Systems auf die neuen Bundesländer: Da es in der DDR offiziell keine Arbeitslosigkeit gegeben hatte, erwarben die dortigen Rentner durch Anrechnung vieler Beitragsjahre vergleichsweise hohe Rentenansprüche an die GRV, während aufgrund der Wirtschaftslage aus den neuen Bundesländern nur relativ geringe Rentenbeiträge erwirtschaftet wurden. Verschärft wurden die Probleme durch eine sprunghafte Erhöhung der Erwerbslosenzahlen.
Zu guterletzt begann sich durch den beginnenden Eintritt geburtenschwacher Jahrgänge in das Erwerbsleben sowie durch die steigende Lebenserwartung das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern zu verschieben. Die Politik reagierte 1992 mit ersten Einschnitten (insbesondere Koppelung an die Netto- statt Bruttolohnentwicklung). Der 1997 eingeführte „demographische Faktor“ wurde nach dem Regierungswechsel 1998 von der rot-grünen Bundesregierung zunächst wieder zurückgenommen; dafür erschien aber im neuen Jahrtausend der „Nachhaltigkeitsfaktor“. Er berücksichtigt das zahlenmäßige Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern und begrenzt den Rentenanstieg. Die Folge sind nominal schwach wachsende oder stagnierende, d. h. (inflationsbereinigt) stagnierende oder sinkende Rentenbezüge.
Zudem wurde der Bundeszuschuss seit 1991 regelmäßig erhöht, vor allem um die Rentenversicherung durch die - systematisch korrekte - Erstattung versicherungsfremder Leistungen aus Steuermitteln zu entlasten. Er beträgt heute mehr als ein Drittel (ca. 80 Milliarden EUR) der Gesamtausgaben und entspricht im Umfang in etwa den versicherungsfremden Leistungen. Der Rentenbeitrag, der im Zuge des Wiedervereinigungsbooms noch 1992 auf 17 % gesenkt worden war, kletterte auf 19,5 % im Jahr 2005. Weitere Steigerungen konnten durch diverse Einmalmaßnahmen vermieden werden, etwa durch kontinuierliches Reduzieren der Liquiditätsreserven („Schwankungsreserve“), Verkauf von Sachanlagen sowie – seit 2006 – das Vorziehen der Zahlungstermine für die Arbeitgeber um 14 Tage (das entspricht einer einmaligen Mehreinnahme von ca. 5 % im Jahr 2006) und für die ab 1. April 2004 hinzugekommenen Neurentner die nachträgliche Rentenzahlung jeweils zum Monatsende (mit Gutschrift jeweils am letzten Bankarbeitstag des Monats).
Generelle Rechtfertigung der Pflichtversicherung
Für eine generelle Versicherungspflicht gibt es verschiedene Argumente. Zum einen ist anzunehmen, dass weite Bevölkerungskreise ohne den Zwangscharakter die notwendige Vorsorge vernachlässigen und im Alter der allgemeinen Fürsorge anheim fallen. Zum anderen sind rein private Vorsorgesysteme gesamtwirtschaftlich nicht ausreichend sicher und ihre gesellschaftliche Verteilungswirkung ist nicht ausgewogen. Der private Markt ist vielmehr sozial blind. Wegen verschiedener Formen von Marktversagen wie etwa relativer Armut, moral hazard, adverse selection, Inflationsrisiken ist er nicht in der Lage, reale Annuitäten für alle anzubieten. Gerade einkommensschwache Bevölkerungskreise, die eine Absicherung im Alter besonders nötig haben, müssen daher ohne Versicherungsschutz auskommen. Zudem muss die kollektive Leistung der Altenfinanzierung - unabhängig von der Art der Organisation und ihrer jeweiligen Finanzierungsverfahren - in direkter Weise von den jeweils arbeitenden Generationen erbracht werden. Die Bildung gesamtwirtschaftlicher Rücklagen ist dabei kaum möglich (vgl. Mackenroth-These). Das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung ist deshalb eine sehr effektive und Kosten sparende Methode der Rentenfinanzierung. Selbst bei Liquiditätsschwierigkeiten bietet eine gesetzliche Pflichtversicherung noch große Sicherheit, da der Staat finanzielle Engpässe notfalls mit Steuergeldern auszugleichen vermag.
Kritik am deutschen System, Verfassungsfragen
Egalität
Das nach der Rentenreform von 1957 in der Adenauer-Ära entstandene System orientiert sich stark an der konservativen deutschen Sozialstaatstradition: Die Renten werden gemäß einem Versicherungsprinzip weitgehend durch Beiträge, nicht aus Steuern finanziert. Sie werden nicht durch eine staatliche Instanz, sondern durch eigenständige Institutionen erbracht, ihre Höhe bleibt eng an das Arbeitseinkommen geknüpft. Dem standen ursprünglich egalitäre Vorstellungen der Sozialdemokratie gegenüber, die 1957 allerdings wegen der Mehrheitsverhältnisse nicht zum Zuge kamen. Erst mit der zunehmenden Finanznot der Rentenversicherung wurden Rentenreformen vorgenommen, die sich als Senkung der Neurenten auswirkten und die Rentenhöhe von der Höhe der eingezahlten Beiträge abkoppelten. Dadurch wurde eine egalisierende Wirkung erzielt, allerdings in Form einer Angleichung der Rentenhöhen nach unten. Bereits für Bezieher mittlerer Einkommen ist der Rentenanspruch weit unter dem ursprünglich einmal festgelegten Ziel von 75 % des letzten Nettolohnes.
Dynamik
Neu an der Rentenreform von 1957 war das Element der „Dynamik“, was zunächst auf starken Widerstand in der Wirtschaft stieß. Die dynamische Rente sollte sich im Laufe der Zeit mit dem Bruttoeinkommen aller Arbeitnehmer nach oben bewegen und somit die inflatorische Geldentwertung ausgleichen. Hintergrund dieser Regelung war die tief verwurzelte Erfahrung mit Altersarmut in einer Bevölkerung, die in der Hyperinflation (1923) und der Währungsreform (1948) ihre persönlichen Ersparnisse und privaten Lebensversicherungsansprüche verloren hatten. In neuester Zeit wurden jedoch die finanziellen Belastungen der Rentenversicherung durch die zunehmende Massenarbeitslosigkeit so erheblich, dass die dynamische Rente in mehreren Rentenreformen deutlich eingeschränkt wurde und die Rentenhöhe inzwischen faktisch von der Entwicklung der Bruttoeinkommen abgekoppelt ist.
Umlageverfahren
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Rentenanwartschaften durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützt, soweit sie auf eigenen Rentenbeiträgen beruhen. Die Rentenversicherung hat aber keinen Kapitalstock gebildet, aus dem eingezahlte Beiträge ausgezahlt werden könnten. Deshalb ist die folgende Generation dazu verpflichtet, die Altersversorgung der aktuellen Rentenbezieher (evtl. ihrer eigenen Eltern) zu sichern. Dieses als Generationenvertrag bekannte Umlageverfahren kann aber nur dann funktionieren, wenn die erwerbstätige Generation auch Kinder in hinreichender Zahl großziehen kann und wenn diese Kinder dann auch als Versicherungsbeiträge in die GRV einzahlen. Daraus ergeben sich Pflichten des Gemeinwesens denen gegenüber, die Kinder haben. Das sei aber in der Sozialgesetzgebung nicht ausreichend umgesetzt worden.
Kritiker aus der Ökonomie wenden ein, dass diese - maßgeblich von Paul Kirchhof geprägte - Sicht der Rechtsprechung die Bedeutung von Kindern in einem Umlageverfahren überzeichne: Das deutsche System komme vor allem deshalb unter Druck, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stark abgenommen habe und weil deren Einkommenszuwächse in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgingen. Die schrumpfende Bevölkerungszahl allein sei bei steigender Integration von vormals Arbeitslosen und Frauen ins Erwerbsleben durchaus zu bewältigen.
Siehe auch
- Altersvorsorge, Riester-Rente, Rürup-Rente, betriebliche Altersvorsorge
- Sozialversicherung, Sozialstaat, Wilfrid Schreiber, Mackenroth-These, Regelaltersrente, Mindestrente, Alters- und Hinterlassenenversicherung
- Alters- und Hinterlassenenversicherung (Schweiz), Pensionsversicherungsanstalt (Österreich), Social Security (US-amerikanische Rentenversicherung)
- private Lebensversicherung, Britische Rentenversicherung (Lebensversicherungsgesellschaft)
- Versicherungsamt
Literatur
- H. Grüner, G. Dalichau: Gesetzliche Rentenversicherung. Heidelberg (Kommentar, Loseblatt)
- K. Hauck et al.: Sozialgesetzbuch. SGB VI. Berlin (Kommentar, Loseblatt)
- R. Kreikebohm (Hrsg.): SGB VI. 3. Auflage. München 2003, (Kommentar)
- H.-W. Lueg, B. v. Maydell, F. Ruland (Hrsg.): Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch. Gesetzliche Rentenversicherung. Berlin (5 Bände, Loseblatt)
- Winfried Schmähl: Rente: Vor 60 Jahren wurde die dynamische Rente eingeführt - aus guten Gründen. In: Die Zeit 04/2007, Seite 22
- B. Schulin (Hrsg.): Rentenversicherungsrecht. München 1999 (Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 3)
- Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.): Handbuch der Rentenversicherung. Neuwied 1990
- T. Hartwig: Reformbedürftigkeit und Reformansätze des deutschen Rentenversicherungssystems in: Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2006, Seiten 27 ff.
Quellen
- ↑ http://www.aevwl.de/leistungen_altersrente.html
- ↑ Anforderung von Kontoauszügen oder der Renteninformation
Weblinks
- Informationsportal zur gesetzlichen Rentenversicherung und Altersversorgung
- www.deutsche-rentenversicherung-bund.de
- Vorlage:Zitat de §§
- Datensammlung (Info-Grafiken) zu Rentenversicherung und Alterssicherung
- Zahlen der Bundeszentrale für politischen Bildung zur Rentenversicherung in Deutschland
- Rentenerwartung online berechnen
- Überblick über die bisherigen Reformen der Gesetzlichen Rentenversicherung.