Jean Dubuffet
Jean Philippe Arthur Dubuffet (* 31. Juli 1901 in Le Havre; † 12. Mai 1985 in Paris) war ein französischer Maler und Bildhauer. Er zählt zu den prominentesten Vertretern der französischen Nachkriegskunst.
Dubuffet hatte in den zwanziger Jahren im Umkreis der Pariser Surrealisten mit gegenständlichen Gemälden begonnen, die Kunst aber bald aufgegeben. Nach langer Schaffenspause, in der er als Weingroßhändler arbeitete, setzte er 1942 erneut mit naiven Kompositionen ein; seine erste Einzelausstellung fand 1944 in der Pariser Galerie René Drouin statt. In der frühen Nachkriegszeit erregte er mit seinen "primitiven" Materialbildern einen Skandal, erlangte aber bald internationale Bekanntheit, insbesondere in den USA. Dort stellte er in der Galerie Pierre Matisse in New York bereits 1947 aus.
Dubuffet bemühte sich um eine antiintellektuelle Kunst, die er auch in Texten und Vorträgen verteidigte; seine frühen Gemälde sind vom Bildvokabular der Kinder, Naiven oder Geisteskranken inspiriert. In vielen dieser Werke verwendete er Mischtechniken aus Ölmalerei, die er mit Materialien wie Sand, Gips oder Teer versetzte, um eine belebt rauhe Oberfläche zu erzielen. Er experimentierte auch parallel intensiv mit Druckgrafik: Holzschnitt (Ler dla campane, 1948) und Lithografie (Les murs, 1945). Die Lithografien erarbeitete er zuerst in der Werkstatt Fernand Mourlot in Paris (Matière et mémoire, 1945), richtete sich 1958 eine eigenes Atelier ein; herausragend ist sein umfangreicher Zyklus Les Phénomènes (1958/1959). Nach 1962 entwickelte Dubuffet seine Serie Hourloupe, zellenartige Strukturen, die sich auf die Farben Rot, Weiß, Schwarz und Blau beschränken. Ende der 60er Jahre übertrug er die grafischen Elemente der Hourloupe-Serie in die Skulptur. Es entstanden bemalte felsartige Gebilde aus Polyester, großformatige Freiplastiken, teilweise begehbare Labyrinthe, wie Jardin d'Email (1972/1973) im Kröller-Müller Museum im niederländischen Otterlo [1].
Nach seinem Tod 1985 bekanntgeworden sind verstärkt auch seine musikalischen Experimente – mit Asger Jorn – und sein schriftstellerisches Werk, er unterhielt mit zahlreichen Autoren regelmäßig Korrespondenzen: unter anderem mit Claude Simon, Jean Paulhan und Witold Gombrowicz. Er gehörte seit 1954 dem Collège de Pataphysique an. Seine Werke sind in zahlreichen internationalen Museen vertreten; große Werkkomplexe stiftete Dubuffet zu Lebzeiten dem Musée des Arts décoratifs in Paris und dem Stedelijk Museum in Amsterdam. Sein Nachlass wird von der Fondation Dubuffet in Paris verwaltet, wo man sein ehemaliges Atelier in 137, rue de Sèvres besuchen kann, im zweiten Sitz der Stiftung in Périgny-sur-Yerres ist u.a. Dubuffets begehbare Großskulptur Closerie Falbala (1.610 m²) zu besichtigen [2].
Neben seiner Kunst ist Dubuffet bekannt wegen seines Engagement für Art Brut: der Kunst von Geisteskranken, von gesellschaftlichen Außenseitern und Sonderlingen, die er sammelte und förderte. Seine Art-Brut-Sammlung wird heute in einem öffentlichen Museum in Lausanne verwahrt.
Werkverzeichnisse
- Catalogue des travaux de Jean Dubuffet. Fascicule 1-39. Paris 1965-1986.
- Webel, Sophie, L’Œuvre gravé et les livres illustrés par Jean Dubuffet. Catalogue raisonné. Paris 1991.
Jean Dubuffets Schriften auf Deutsch
- Jean Dubuffet, Schriften I-IV, hrsg. von Andreas Franzke, 4 Bände, Bern-Berlin: Gachnang & Springer, 1991-1994.
- Jean Dubuffet, Biographie im Laufschritt, hrsg. von Andreas Franzke, Köln: Walther König, 2002
ISBN 3-88375-528-1
Jüngste deutsche wissenschaftliche Literatur und Kataloge
- Andreas Franzke, Jean Dubuffet, Köln: Dumont 1990
ISBN 3-7701-2523-1 - Mechthild Haas, Jean Dubuffet. Materialien für eine "andere Kunst" nach 1945, Berlin: Reimer, 1997
ISBN 3-496-01176-9 - Leonhard Emmerling, Die Kunsttheorie Jean Dubuffets, Heidelberg: Wunderhorn, 1999
ISBN 3-88423-160-X - Jean Dubuffet : Figuren und Köpfe; auf der Suche nach einer Gegenkultur, hrsg. von Ernst-Gerhard Güse und Andreas Franzke, Ausst.-Kat. Saarland-Museum Saarbrücken, Ostfildern-Ruit: Hatje-Cantz, 1999
ISBN 3-7757-0841-3 - Jean Dubuffet. Spur eines Abenteuers, hrsg. von Agnes Husslein-Arco, Ausst.-Kat. Museum der Moderne, Rupertinum Salzburg. München [u.a.]: Prestel, 2003
ISBN 3-7913-2998-7
ISBN 3-7913-6010-8 - Michael Krajewski, Jean Dubuffet. Studien zu seinem Frühwerk und zur Vorgeschichte des Art brut,
Osnabrück: Der Andere Verlag, 2004
ISBN 3-89959-168-2