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Pilze

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Pilze
Anistrichterling (Clitocybe odora)
Vorlage:Taxonomy
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Eukaryoten (Eucaryota)
ohne Rang Opisthokonta
Vorlage:Regnum: Pilze
Wissenschaftlicher Name
Fungi
L.
Vorlage:Divisioen
Totentrompete (Craterellus cornucopioides)
Laubholzhörnling (Calocera cornea)

Die Pilze (Fungi) werden neben den Tieren und Pflanzen als ein Reich der Eukaryoten betrachtet. Als solche besitzen sie in ihren Zellen einen echten Zellkern (Nukleus), Mitochondrien und ein Cytoskelett. Die Vermehrung und Ausbreitung erfolgt geschlechtlich und ungeschlechtlich durch Sporen oder vegetativ durch Ausbreitung (eventuell mit Fragmentierung) der in verschiedenen Fällen sehr langlebigen Myzelien bzw. Mykorrhizen. Pilze sind heterotroph und ernähren sich meist durch die Sekretion von Enzymen in die unmittelbare Umgebung, wodurch polymere, wasserunlösliche Nährstoffe aufgeschlossen werden und in die Zellen aufgenommen werden können.

Lange zu den Pflanzen gerechnet, gelten Pilze heute aufgrund genetischer und physiologischer Eigenschaften als wesentlich näher mit den Tieren verwandt. Pilze kommen wie die Backhefe als Einzeller oder wie etwa der Steinpilz und die Schimmelpilze als Mehrzeller vor. Von den Pflanzen unterscheiden sich die Pilze durch ihre heterotrophe Lebensweise, und durch das Fehlen der auf Chlorophyll basierenden Photosynthese; die meisten Pilze besitzen Chitin in der Zellwand,[1] während die Zellwand der Pflanzen und die den Pilzen morphologisch ähnlichen Oomyceten zu großen Teilen aus Zellulose besteht.[2] Von den Tieren unterscheiden sie sich unter anderem durch das Vorhandensein einer Zellwand, die die Plasmamembran umgibt und dem Vorhandensein von Vakuolen.[3] Eine Gemeinsamkeit mit dem Tierreich ist, dass die Pilze das Polysaccharid Glykogen für die Speicherung von Kohlenhydraten verwenden, [4] während diese Aufgabe in den Pflanzen der Stärke zukommt. Eine weitere unter den Eukaryonten nur bei den Pilzen vorkommendes Merkmal ist dass die Aminosäure L-Lysin über den α-Aminoadipinsäure Stoffwechselweg synthetisiert wird. [5]

Die früher als „Niedere Pilze“ bezeichneten Gruppen, also Schleimpilze, pilzähnliche Protisten wie die Eipilze (Oomycota) oder Hypochytriomycota werden heute nicht mehr zu den Pilzen (lat.:Fungi) gezählt.

Die Lehre von den Pilzen ist die Mykologie (aus griechisch Μύκης [mýkēs], Mz. Μύκητες [mýkētes], vgl. auch taxonomische Bezeichnungen). Das Wort „Pilz“ entstammt dem Althochdeutschen buliz und ist wahrscheinlich vom lateinischen boletus abgeleitet. Hieraus entwickelte sich über bülez und schließlich bülz die moderne Form des Wortes.

Gestalt, Struktur, Größe

Pilze lassen sich grob in zwei unterschiedliche Wachstumsformen einteilen: Wachstum als Hyphengeflecht (Hyphen- oder Myzelpilze) oder als mehr oder weniger isodiametrische Einzeller (Hefen).

Hefezellen bei der Teilung

Hefen sind Einzeller, die sich hauptsächlich asexuell durch Sprossung (Sprosshefen), durch Zellteilung unter Querwandbildung (Spalthefen) oder durch Bildung von Blastokonidiosporen vermehren. Daneben kommt bei einigen Hefen sexuelle Fortpflanzung vor.[3][2]

Mycelpilze bilden im Substrat, wie zum Beispiel Boden, Holz, Pflanzengewebe, ein mikroskopisches Geflecht aus Hyphen, das Myzel genannt wird. Dieses nimmt Nährstoffe aus der Umgebung auf. Die Hyphen sind meistens in Zellen unterteilt, die durch Septen voneinander getrennt sind. Die Septen (Trennwände) enthalten Poren (z.B. einen Doliporus), die einen Austausch von Cytoplasma zwischen den Zellen ermöglichen. In den Zellwänden der Hyphen kommen als Baustoffe Chitin, Hemizellulosen, Lipide, Proteine und andere Stoffe vor.[2]

Die Formen der Hyphen können sich stark abwandeln und spezialisieren; so bilden pflanzenparasitische Pilze oft Haustorien aus. Diese stülpen sich in pflanzliche Zellen, um dort Nährstoffe aufzunehmen. Einige bodenbewohnende, carnivore (fleischfressende) Pilze sind in der Lage, mit ihren Hyphen Schlingfallen für kleine Fadenwürmer Nematoden auszubilden (siehe auch Nematophage Pilze). Beim Durchkriechen werden die Nematoden dadurch festgehalten, dass sich der Hyphendurchmesser der Schlingenhyphe schnell vergrößert und sich somit die Schlingenöffnung schnell verkleinert. Eine andere Abwandlung vegetativer Hyphen sind die Substrat- oder Lufthyphen. Mehrere Bündel von Hyphen legen sich parallel aneinander und bilden makroskopisch sichtbare Hyphenstränge (Synnemata), aus denen je nach Milieu- oder Umweltänderung entweder Überdauerungsorgane (Sklerotien, Chlamydosporen) oder ungeschlechtlich erzeugte Sporen entstehen können (Konidiosporen).

Schnitt durch ein Perithecium

Die verschieden gestalteten Fruchtkörper der Großpilze sind ihr äußerlich auffälligstes Erkennungsmerkmal. Ob hut-, keulen-, knollen- oder krustenförmig bestehen sie aus verflochtenen Hyphen, die ein „Scheingewebe“ (Plektenchym) bilden. Die Fruchtkörper stellen jedoch nur einen kleinen Teil des Gesamtorganismus Pilz dar, und dienen der Vermehrung, Überdauerung und Ausbreitung durch Bildung von Sporen, die aus einer Meiose hervorgegangen sind. Die Sporen werden bei vielen Pilzen in besonderen Fruchtschichten der Fruchtkörper gebildet (Hymenien). Bei Hutpilzen befindet sich die Fruchtschicht unter dem Hut; sie überzieht die Oberflächen von Leisten, Lamellen oder Röhren. Bei vielen Schlauchpilzen befindet sich das Hymenium knapp unter der Oberfläche des Fruchtkörpers in kleinen Kammern (Perithekien).

Die vermutlich ursprünglichste Form der Pilze, die Töpfchenpilze (Chytridiomycota) bilden keine Hyphen, sondern einen undifferenzierten Thallus aus. Bei vielen Töpfchenpilz-Arten kommen während ihres Lebenszyklus begeißelte Stadien vor, was auf einen gemeinsamen Ursprung von Tieren und Pilzen hindeutet.[6][2]

Das Größenspektrum der Pilze reicht von mikroskopisch kleinen Arten bis zu den leicht erkennbaren Großpilzen. Das Myzel einer Hallimaschart (Armillaria ostoyae, in Amerika Honey Mushroom genannt) aus dem Malheur National Forest (USA) ist mit einer Ausdehnung von 1,2 km² und einem geschätzten Alter von 2400 Jahren eines der ältesten und das größte Lebewesen der Erde.

Ökologie

Pilze bilden neben Pflanzen und Tieren das dritte Reich der vielzelligen Eukaryoten. Entsprechend groß ist ihre ökologische Bedeutung.

Pilze als Destruenten

Alle Pilze sind für ihren Stoffwechsel auf die von anderen Lebewesen gebildeten organischen Stoffe angewiesen (Heterotrophie). Sie bilden die wichtigste Gruppe der am Abbau organischer Materie (tote Lebewesen, Exkremente, Detritus) beteiligten Lebewesen und gelten damit neben den Bakterien als bedeutendste Destruenten.[7] So sind es fast ausschließlich Pilze, die Lignin, komplexe Verbindungen in verholzten Zellwänden von Pflanzen, aufspalten und verwerten können. Auch im Abbau von Zellulose, Hemizellulose und Keratin sind sie die wichtigsten Verwerter.

Schwarzfußporling (Polyporus squamosus): Ein Holzzersetzer

Zusammen mit Bakterien und tierischen Kleinstlebewesen bilden sie aus organischem Abfall den Humus.

Mykorrhiza

Man nimmt an, dass etwa 80-90 Prozent aller Pflanzen durch die Anwesenheit von Pilzen im Boden in ihrem Wachstum gefördert werden. Oft sind die Wurzeln der Pflanzen von einem Mantel aus Pilzfäden (Pilzhyphen), einem Myzelmantel, umgeben. Diese Art der Symbiose zwischen Pilz und Pflanze wird als Mykorrhiza (Pilzwurzel) bezeichnet. Bei der Mykorrhiza sind die Enden der Baumwurzeln (genauer die Saugwurzeln) von den Hyphen des Pilzes eng umschlungen.[8]

Die Symbiose ist mutualistisch; sowohl Symbiont (Pilz), als auch Wirt (Pflanze) haben Vorteile. Die Pflanze erhält mehr Nährstoffe, da das feine Mycel des Pilzes den Waldboden besser durchwirkt, als dessen eigene Saugwurzeln. Eine bessere Versorgung kann insbesondere bei sehr geringem Nährstoffgehalt im Boden beobachtet werden. [9] Der Pilz erhält durch den photosymbiontischen Partner dessen Photosynthesprodukte (Kohlenhydrate), wovon sich dieser ernährt.

Die Mykorrhiza Symbiose wurde 1885 erstmals von Albert Bernhard Frank an Waldbäumen beobachtet.

Auch viele Orchideen leben mit Pilzen in Symbiose und sind für die Keimung ihrer Samen unter natürlichen Bedingungen obligat auf ihre Symbiosepartner angewiesen.

Pilze als Pflanzenschädlinge

Birkenporling (Piptoporus betulinus): Ein Holzzerstörer

Viele Pilzarten nutzen nicht nur totes, sondern auch lebendiges Material und werden dadurch bei wirtschaftlich wichtigen Nutzpflanzen zu Pflanzenschädlingen. Als solche können sie schwere Pflanzenkrankheiten hervorrufen. [10] Wichtige Beispiele sind die weit verbreiteten Pilzerkrankungen der Kastanien oder der Ulmen.[11] Pilzliche Erkrankungen der Pflanzen können ohne Vorbeugung oder Gegenmaßnahmen zu Totalausfällen und Missernten führen. Zu den Pflanzenschädlingen gehören auch viele Arten der Baumpilze.

Wirtschaftlich wichtige Pilzkrankheiten sind Maisbeulenbrand, Steinbrand bei Weizen, Mutterkorn bei Roggen, Kartoffelfäule (Phytophtora infestans), Welkekrankheit (Verticillium) bei vielen Kulturpflanzen, Apfelschorf (Venturia), Birnengitterrost (Gymnosporangium sabinae), Obstbaumkrebs (Nectria galligena) und Echter Mehltau (Erisyphaceae). Daneben existieren noch circa 10.000 weitere pilzliche Pflanzenkrankheiten.

Bedeutung für den Menschen

Menschen nutzen Pilze in vielerlei Hinsicht, etwa als Speisepilz oder als Biofermenter zur Herstellung von Alkohol, Zitronensäure oder Vitamin C. Auch in der menschlichen Kultur und Technik spielen Pilze eine wichtige Rolle. Viele Pilze können selbst angebaut bzw. gezüchtet werden, Siehe auch: Pilzzucht, Pilzbrut. Einige Pilze sind Krankheitserreger und können beim Menschen verschiedene Pilzkrankheiten hervorrufen. Von den Tausenden bekannten Pilzen sind nur etwa 180 Krankheitserreger beim Menschen.

Speise- und Giftpilze

getrocknete Pilze

Viele Pilzarten sind bekannte und beliebte Nahrungsmittel. Dazu gehören nicht kultivierbare Arten, wie Steinpilz, Pfifferling und Trüffel, aber auch Kulturarten und -sorten von Champignon, Shiitake und Austernpilz. Beim Sammeln von Wildpilzen ist größte Sorgfalt geboten, um nicht durch versehentlich geerntete Giftpilze eine Pilzvergiftung zu riskieren. Zudem ist zu beachten, dass Pilze Schwermetalle und Radionuklide aufnehmen und anreichern. Dies kann zu gesundheitsgefährdenden Konzentrationen von Schwermetallen bzw. Radionukliden im Fruchtkörper von Wildpilzen führen.

Als wichtigste Voraussetzung für das Sammeln von Pilzen gelten grundlegende Kenntnisse von Speise- und Giftpilzen. Viele Pilzarten enthalten Hämolysine oder hitzelabile Gifte, die durch Erhitzen zerstört werden. Die meisten Speisepilze, der Steinpilz eingeschlossen, erfordern daher Erhitzen durch Kochen oder Braten vor dem Verzehr, um Verdauungsbeschwerden vorzubeugen.

Speisemorchel (Morchella esculenta)

Die meisten Speisepilze gehören zu den Basidienpilzen (Basidiomycota). Relativ wenige Speisepilz-Arten, darunter die Morcheln und die Trüffeln stammen aus der Abteilung der Schlauchpilze (Ascomycota).

Siehe auch: Kategorie:Speisepilz, Kategorie:Giftpilz, Liste der Giftpilze

Bedeutung für alkoholische Getränke und Milchprodukte

Von den einzelligen Pilzen sind die Wein-, Bier- und Backhefen die bekanntesten Nutzpilze.

Bei der Weinherstellung spielt der Mycelpilz Botrytis cinerea eine wichtige Rolle. Er erzeugt bei herbstlich kühlfeuchtem Wetter bei den Beeren eine Edelfäule, die bewirkt, dass die Beerenhaut perforiert wird. Das austretende Wasser lässt die Zuckerkonzentration in der Beere steigen.

Viele Arten spielen auch beim Reifeprozess von Milchprodukten, insbesondere von Sauermilchprodukten und Käse, eine bedeutende Rolle.

Heilpilze

Pilze werden auch als Heilpilze verwendet. In der heutigen Volksrepublik China sind zahlreiche Großpilze schon seit Jahrhunderten Bestandteil der Traditionellen chinesischen Medizin. Der Shiitake (Lentinula edodes) galt schon in der Mingdynastie (1368-1644) als Lebenselixier, das Erkältungen heilen, die Durchblutung anregen und Ausdauer fördern sollte. Der Glänzende Lackporling (Ganoderma lucidum) ist als „Ling-Zhi“ oder „Reishi“ bekannt; er soll ein besonders wirksames Tonikum sein. Der Pom-Pom-Pilz oder Igelstachelbart (Hericium erinaceus) wird demnach bei Erkrankungen des Magens empfohlen. Der europäische Apothekerschwamm oder Lärchenbaumschwamm (Laricifomes officinalis) ist als Heilmittel gesucht und hoch geschätzt. Sein wirksamer Bestandteil ist Agaricinsäure; sie wirkt stark abführend und ist für den außerordentlich bitteren Geschmack verantwortlich.

Psychotrope Pilze

Ausgefallene Sporen eines Pilzes, der mit der Lamellenseite nach unten über Nacht auf einem Blatt Papier lag.

Die Bezeichnungen Zauberpilze und Rauschpilze sind Synonyme für Pilze, welche die halluzinogenen Stoffe wie Psilocybin, Psilocin, Baeocystin oder Muscimol enthalten. Dazu gehören exotische Arten wie der Kubanische Träuschling (Stropharia cubensis) oder der Mexikanische Kahlkopf (Psilocybe mexicana), aber auch einheimische Arten, vor allem aus der Gattung der Kahlköpfe (Psilocybe), sowie der Fliegenpilz. Ihre Wirkung wird oft als ähnlich dem LSD beschrieben. Wegen der Verwechselungsgefahr mit anderen, giftigen Pilzarten kann das Sammeln von Zauberpilzen durch unerfahrene Pilzsucher ein gewisses Gesundheitsrisiko mit sich bringen. Zudem besteht eine erhöhte Unfallgefahr. Die Verwendung von Zauberpilzen hatte und hat noch heute bei verschiedenen Völkern eine spirituelle Bedeutung.

Medizinisch bedeutende Pilze

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts nutzt man Pilze auch für medizinische Zwecke. Medikamente wie das Antibiotikum Penicillin werden aus Pilzen gewonnen.

Andererseits greifen Pilze auch Menschen an und rufen bei ihnen Pilzerkrankungen hervor. Die am häufigsten betroffenen Stellen sind Haut (insbesondere die an Kopf, Fuss und Händen), sowie Haare, Nägel und Schleimhaut. Haut- und Nagelpilze sind wohl die bekanntesten Pilzkrankheiten des Menschen.

Auf der Haut des Menschen lebt eine Vielzahl an Bakterien und Pilzen, die aber in der Regel nicht schädlich sind. Diese leben in den oberen Hautschichten, wo sie sich von abgestorbenen Hautzellen und Schweiß ernähren. Faktoren wie Stress, Schwächung des Immunsystems, hormonale Umstellung o.ä. können dazu führen, dass solche harmlosen Pilze zu Krankheitserregern werden, die dann z. B. die Kopfhaut, die Scheide (oft bei hormonaler Umstellung in der Schwangerschaft) oder sogar innere Organe befallen können. Beispiele sind Hefen wie Candida und der Mycelpilz Aspergillus fumigatus, welcher immer öfter zu Erkrankungen der Lunge führt (v. a. nach Chemotherapie).

Sehr weit verbreitet sind Fußpilze, da sie sehr leicht übertragbar sind. Außerdem überleben Pilzsporen dieser Arten teilweise jahrelang und sind gegen normale Hygienemaßnahmen unempfindlich. Weiters werden sie sehr leicht von den Füßen auf andere Körperstellen wie Geschlechtsorgane, Mund und Schleimhäute übertragen. Verbreitet werden Fußpilze vor allem in Schwimmbädern über die dortigen Fußdesinfektionsduschen, welche vor allem von Menschen mit Fußpilzen benützt werden.

Weitere Beispiele

Als Gegenmittel werden Antimykotika eingesetzt. Dies sind Medikamente, die bei lokalem Pilzbefall von Haut oder Schleimhäuten oder systemischen Pilzinfektionen angewendet werden.

Weiterer ökonomischer Nutzen

Der als Baumschädling vor allem in Buchen und Birken wachsende Zunderschwamm, Fomes fomentarius, ein Weißfäulepilz, wurde früher zum Feuermachen verwendet: Das Innere der aus den Baumstämmen konsolartig herauswachsenden Fruchtkörper wurde gekocht, getrocknet, weichgeklopft, mit Kaliumnitrat-Lösung getränkt und erneut getrocknet. Der so erhaltene Zunder kann durch Funken entzündet werden.

Durch bloßes Kochen, Trocknen und Weichklopfen kann aus dem Fruchtkörper-Inneren auch ein dem Filz ähnliches Material gewonnen werden, das zur Herstellung verschiedener Gebrauchsgegenstände (Mützen, Taschen und dergleichen) verwendet werden kann.

Aufsehen erregen die unscheinbaren Zapfenrüblinge in der Fachwelt, da in ihnen Strobilurine entdeckt wurden, deren synthetische Abkömmlinge innerhalb weniger Jahre einen Marktanteil von etwa 20 Prozent des Weltmarktes an Fungiziden eroberten. Es ist anzunehmen, dass ihre Bedeutung auf dem Fungizidmarkt noch weiter zunehmen wird.

Stammesgeschichte

Die nächsten Verwandten der Pilze sind neben den Vielzelligen Tieren (Metazoa) und deren Schwestergruppe, den Kragengeißeltierchen (Choanomonada) vor allem die einzelligen Mesomycetozoa. Ob auch die einzelligen Mikrosporidien (Microsporidia, auch Microspora genannt) zu den Pilzen zu zählen sind, ist derzeit noch unklar. Das gemeinsame Taxon von Pilzen und Tieren wird als Opisthokonta bezeichnet und nach Adl et al. 2005 folgendermaßen aufgestellt:[12]

  • Opisthokonta
    • Mesomycetozoa
    • Kragengeißeltierchen (Choanomonada)
    • Vielzellige Tiere (Metazoa)
    • Pilze (Fungi) incl. Mikrosporidien

Als gemeinsamer Vorfahr von Tieren und Pilzen kann ein geißeltragender Einzeller (Flagellat) angenommen werden, der biologisch demnach sowohl den heutigen Töpfchenpilzen als auch den Kragengeißeltierchen (Choanoflagellata) ähnelte.

Fossilien

Vermutlich existieren Pilze schon seit 900 bis 1200 Millionen Jahren. Ein Fund aus 850 Millionen Jahre altem Schiefergestein in Kanada wird manchmal als Pilzfossil gedeutet. Angebliche, ältere Funde aus China und Australien mit einem Alter von 1,5 Milliarden Jahren müssen jedoch erst noch als Pilze bestätigt werden.

Die ersten weitgehend unumstrittenen Pilzfunde stammen aus der erdgeschichtlichen Epoche des Ordoviziums und können vielleicht den Arbuskulären Mykorrhizapilzen zugeordnet werden. Der erfolgreiche Landgang der Pflanzen wäre ohne „Pilzsymbiosen“ vermutlich nicht möglich gewesen.

Systematik der Pilze

Man kennt heute etwa 100.000 Arten von Pilzen. Manche Fachleute nehmen an, dass es über 1.000.000 Arten geben könnte. Die früher auch „Echte Pilze“ oder „Höhere Pilze“ (Eumycota) genannten Lebensformen werden in die folgenden fünf Abteilungen unterteilt:

  • Töpfchenpilze (Chytridiomycota): Dies sind meist einzellige Pilze. Weil begeißelte Stadien vorhanden sind, werden die Töpfchenpilze als sehr ursprüngliche Form der Pilze (Fungi) angesehen.
  • Jochpilze (Zygomycota): Sie unterscheiden sich von den anderen Pilzen durch die Bildung der namensgebenden jochartigen Brücken zwischen kompatiblen Hyphen während der sexuellen Fortpflanzung. Die Zellwände enthalten Chitin-Chitosan. Die Jochpilze bilden wahrscheinlich keine natürliche Verwandtschaftsgruppe.
  • Arbuskuläre Mykorrhizapilze (Glomeromycota): Die arbuskulären Mykorrhizapilze bilden eine typische Endomykorrhiza aus, bei der bäumchenartige Membranausstülpungen, die Arbuskel, in das Innere von pflanzlichen Wurzelzellen wachsen und auf diese Weise eine symbiotische Beziehung etablieren.
  • Schlauchpilze (Ascomycota): Die Zellen sind durch Septen getrennt und enthalten meist nur einen Zellkern. Die geschlechtlichen Sporen werden in charakteristischen Schläuchen, den Asci gebildet. Es gibt eine Reihe von Arten, bei denen große Fruchtkörper auftreten und die man daher als Großpilze bezeichnet.
  • Basidienpilze (Basidiomycota): Die Zellen sind durch Septen getrennt und enthalten meist zahlreiche unterschiedliche Zellkerne. Die geschlechtlichen Sporen werden an Basidien gebildet. Die überwiegende Anzahl von Arten der Großpilze entstammt dieser Gruppe. Das Myzel kann im Extremfall wie beim Hallimasch mehrere tausend Jahre alt werden.
Stammbaum der Pilze
Stammbaum der Pilze

Technische Fortschritte in der molekularen Genetik und die Anwendung von computerunterstützten Analysemethoden haben es ermöglicht, detailliertere und auch sichere Aussagen über die systematischen Beziehungen der oben aufgeführten Pilztaxa zueinander zu machen. Manche Verwandtschaften, die vorher aufgrund morphologischer, anatomischer und physiologischer Unterschiede oder Gemeinsamkeiten vermutet wurden, sind durch diese Techniken bestätigt worden.

Die Töpfchenpilze haben sich demnach sehr früh von den anderen Pilzen abgespalten und viele ursprüngliche Merkmale wie begeißelte Sporen bewahrt. Die Jochpilze stellen hingegen sehr wahrscheinlich keine einheitliche Verwandtschaftsgruppe, sondern eine polyphyletische Gruppe verschiedener Abstammungslinien dar. Die Gattung Amoebidium, die bisher zu ihnen gezählt wurde, gehört demnach nicht einmal zu den Pilzen. Auch die arbuskulären Mykorrhizapilze, die ursprünglich zu den Jochpilzen gestellt wurden, werden heute als eigenständige Verwandtschaftsgruppe angesehen, die heute meist in den Rang einer eigenen Abteilung erhoben wird. Sie wird dann als evolutionäre Schwestergruppe eines Taxons aus Schlauch- und Basidienpilzen angesehen, das man als Dikaryomycota bezeichnet.

Viele Pilzarten haben ihre Fähigkeit zur geschlechtlichen Vermehrung verloren. Diejenigen Arten, die vorläufig nicht eindeutig einer der oben genannten Gruppen zugeordnet werden können, werden provisorisch zu den Fungi imperfecti (Deuteromycota) gestellt; dies stellt jedoch nur ein provisorisches und künstliches Formtaxon dar.

Von Schimmelpilzen befallene Nektarinen

Im Frühjahr 2007 veröffentlichten 67 Wissenschaftler aus 13 Ländern das abschließende Resultat[13] einer konzertierten und umfassenden Forschungsanstrengung, mit dem Ziel, die bislang inkonsistente und unklare Taxonomie der Pilze ins Reine zu bringen. Die Forscher schlagen eine neue Klassifizierung vor, in der das Reich der Pilze in 195 Taxa untergliedert wird. Auf diese Weise, so die Hoffnung der Taxonomen, soll mit der bestehenden Bezeichnungs-Konfusion in der wissenschaftlichen Literatur aufgeräumt und eine durchgehende Konsistenz der verschiedenen (online) Datenbanken erreicht werden.

In ihre Überlegungen zur verbesserten Systematik der Pilze zogen die Forscher neueste molekulare und genetische Daten verschiedener Pilzspezies ein und untersuchten darüber hinaus auch die Entwicklungsgeschichte der jeweiligen Nomenklatur. Es ist anzunehmen, dass die Forschungsanstrengung, die Teil des Projekts "Assembling the Fungal Tree of Life" [14] ist, zu einigen Veränderungen in der derzeitigen Systematik der Pilze führen wird [15]. So schlagen die Forscher z. B. vor, dass das Phylum der Jochpilze (Zygomycota), zu denen auch bestimmte auf Früchten lebende Schimmel-bildende Pilze gehören, aufgelöst und seine Taxa auf andere Gruppen aufgeteilt werden (u. a. Glomeromycota und verschiedene incertae sedis (unsichere) Subphyla, darunter Mucoromycotina, Entomophthoromycotina, Kickxellomycotina, and Zoopagomycotina).

Kulturgeschichte

Hexenei der Stinkmorchel (Phallus impudicus)

Der griechische Arzt Pedanios Dioscurides schrieb schon im ersten Jahrhundert nach Christus in seinem Lehrbuch davon, dass es zwei Arten von „Schwämmen“ gäbe:

Die einen sind zu Essen bequem, die anderen aber ein tödlich Gift.“

Dioscurides vermutete, dass die Giftigkeit eines Pilzes mit seinem Wuchsort zusammenhing. Pilze die neben verrosteten Nägeln oder Eisen oder „faulem Tuch“, neben Schlangenhöhlen oder neben Bäumen, die giftige Früchte trugen, wuchsen, seien „alle miteinander giftig“. Er erkannte damals schon die schwere Verdaulichkeit von Speisepilzen und schrieb davon, dass bei zu übermäßiger Kost die Pilze den Menschen „würgen und ersticken“ würden. Auch Adamus Lonicerus schrieb im 16. Jahrhundert in seinem Kräuterbuch über die Pilze, dass „Die Natur aller Schwämme sei, zu bedrängen“. Sie seien „kalter, phlegmatischer, feuchter und roher Natur“. Bis in die Neuzeit hinein wurde das Erscheinen von Pilzen mit „Miasmen“ erklärt; die Pilze entstünden aufgrund von schlechten Ausdünstungen der Erde oder anderen faulenden Substraten. Auch glaubten damals viele noch an die Urzeugung (Generatio spontanea), weil man gerade auch bei den Pilzen keine Samen erkennen konnte. Adamus Lonicerus schrieb auch dazu, dass bestimmte Pilze „Schwämme der Götterkinder“ seien, weil sie ohne einen Samen wüchsen, und daher würden sie auch von den Poeten Gygenais, das ist terra nati, Kinder der Erden, genannt.

Phänomene wie der Hexenring oder das nächtliche grüne Leuchten des Myzels des Hallimasch haben mit zu dem lange Zeit eher sinistren Bild der Pilze in der Öffentlichkeit beigetragen, denn die Menschen damals konnten sich dies nicht erklären.

Literatur

Allgemeines

Mykologie

  • Heinrich Dörfelt (Hrsg.): Lexikon der Mykologie, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York, 1989, ISBN 3-437-20413-0
  • Heinrich Dörfelt, Heike Heklau: Die Geschichte der Mykologie, Einhorn-Verlag 1998, ISBN 3-927654-44-2
  • Emil Müller, Wolfgang Loeffler: Mykologie, Grundriss für Naturwissenschaftler und Mediziner, Thieme 1992, ISBN 3-13-436805-6
  • Edited by P. M. Kirk: Ainsworth and Bisby's Dictionary of the Fungi, 9th Edition. Utrecht, The Netherlands, 2001. 624 Seiten ISBN 085199377X (engl.)

Gesundheit

  • Rene Flammer, Egon Horak: Pilzvergiftungen. Schwabe Verlag Basel ISBN 3-7965-2008-1
  • Herbert Hof: Candida, Aspergillus und Co: Pathogene Pilze. Pharmazie in unserer Zeit 32(2), S. 96 - 103 (2003), ISSN 0048-3664

Bestimmung

  • Egon Horak, Meinhard Moser: Röhrlinge und Blätterpilze in Europa, Spektrum Akademischer Verlag, April 2005. ISBN 3827414784

Einzelnachweise

  1. Bowman SM, Free SJ.: The structure and synthesis of the fungal cell wall. In: Bioessays. 28. Jahrgang, 2006, PMID 16927300, S. 799–808.
  2. a b c d P. Sitte, H. Ziegler, F. Ehrendorfer: Strasburger Lehrbuch der Botanik. 33 ed Auflage. Urban & Fischer, 1991, ISBN 3-437-20447-5.
  3. a b Alexopoulos CJ, Mims CW, Blackwell M: Introductory Mycology. John Wiley and Sons, 1996, ISBN 0-471-52229-5.
  4. Lomako J, Lomako WM, Whelan WJ.: Glycogenin: the primer for mammalian and yeast glycogen synthesis. In: Biochim Biophys Acta. 1673. Jahrgang, 2004, PMID 15238248, S. 45–55.
  5. Xu H, Andi B, Qian J, West AH, Cook PF: The alpha-aminoadipate pathway for lysine biosynthesis in fungi. In: Cell Biochem Biophys. 46. Jahrgang, 2006, PMID 16943623, S. 43–64.
  6. James TY et al: Reconstructing the early evolution of Fungi using a six-gene phylogeny. In: Nature. 443. Jahrgang, 2006, PMID 17051209, S. 818–822.
  7. Barea JM, Pozo MJ, Azcón R, Azcón-Aguilar C: Microbial co-operation in the rhizosphere. In: J. Exp. Bot. 56. Jahrgang, 2005, PMID 15911555, S. 1761–1778.
  8. Lindahl BD, Ihrmark K, Boberg J, Trumbore SE, Högberg P, Stenlid J, Finlay RD: Spatial separation of litter decomposition and mycorrhizal nitrogen uptake in a boreal forest. In: New Phytol. 173. Jahrgang, 2007, PMID 17244056, S. 611–620.
  9. van der Heijden MG, Streitwolf-Engel R, Riedl R, Siegrist S, Neudecker A, Ineichen K, Boller T, Wiemken A, Sanders IR: The mycorrhizal contribution to plant productivity, plant nutrition and soil structure in experimental grassland. In: New Phytol. 172. Jahrgang, 2006, PMID 17096799, S. 739–752.
  10. Paszkowski U.: Mutualism and parasitism: the yin and yang of plant symbioses. In: Curr Opin Plant Biol. 9. Jahrgang, 2006, PMID 16713732, S. 364–370.
  11. Paoletti M, Buck KW, Brasier CM.: Selective acquisition of novel mating type and vegetative incompatibility genes via interspecies gene transfer in the globally invading eukaryote Ophiostoma novo-ulmi. In: Mol Ecol. 15. Jahrgang, 2006, PMID 16367844, S. 249–262.
  12. Sina M. Adl, Alastair G. B. Simpson, Mark A. Farmer, Robert A. Andersen, O. Roger Anderson, John A. Barta, Samual S. Bowser, Guy Bragerolle,Robert A. Fensome, Suzanne Fredericq, Timothy Y. James, Sergei Karpov, Paul Kugrens, John Krug, Christopher E. Lane, Louise A. Lewis, Jean Lodge, Denis H. Lynn, David G. Mann, Richard M. McCourt, Leonel Mendoza, Øjvind Moestrup, Sharon E. Mozley-Standridge, Thoams A. Nerad, Carol A. Shearer, Alexey V. Smirnov, Frederick W. Spiegel, Max F. J. R. Taylor: The New Higher Level Classification of Eukaryotes with Emphasis on the Taxonomy of Protists. The Journal of Eukaryotic Microbiology 52 (5), 2005; Seiten 399-451 (Abstract und Volltext)
  13. Hibbett, D. S. et al.: A higher-level phylogenetic classification of the Fungi. In: Mycological research Mai 2007 ;111(5): 509-547. Epub 2007 13. März 2007. PMID 17572334
  14. Assembling the Fungal Tree of Life
  15. Nature, "Research Highlighs". Bd. 447, S. 1034, 28. Juni 2007

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