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Der Wolfsjunge

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Film
Titel Der Wolfsjunge
Originaltitel L'Enfant sauvage
Produktionsland Frankreich
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahre 1970
Länge 81 Minuten
Stab
Regie François Truffaut
Drehbuch Jean Itard
François Truffaut
Jean Gruault
Produktion Marcel Berbert
Kamera Néstor Almendros
Schnitt Agnès Guillemot
Besetzung

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Der Wolfsjunge (französischer Originaltitel: L'Enfant sauvage) ist ein Kinofilm des Regisseurs François Truffaut, der auf der wahren Begebenheit des Wolfsjungen Victor von Aveyron basiert.

Handlung

Ein Junge wird im 18. Jahrhundert in einem Wald in der Nähe von Aveyron aufgegriffen. Er ist stumm und wird unter Obacht des Dr. Jean Itard gestellt. Itard gibt dem Jungen den Namen Victor und beobachtet ihn bei seinen Versuchen, in der neuen, unbekannten Welt zu bestehen.

Entstehungsgeschichte

Vorlage

Der Film basiert auf der wahren Geschichte von Dr. Jean Itard und dem "Wolfsjungen", genannt Victor, die sich um das Jahr 1800 in Südfrankreich ereignete.

Jean Itard beendete 1796 mit 25 Jahren sein Medizinstudium und wandte sich danach der Chirurgie zu. bald darauf befasste er sich jedoch mit dem Studium von Hörvorgängen. 1799 wirkte er am Nationalen Institut für Gehörlose, dem späteren Kaiserlichen Taubstummen-Institut in Paris, dessen Chefarzt er 1800 wurde. An diesem Institut lernte er einen Jungen kennen, der im Frühjahr 1799 dorthin überstellt wurde nachdem er ein Jahr zuvor im Wald in der Nähe von Saint-Sernin-sur-Rance im Département Aveyron von Jägern entdeckt wurde. Dr. Itard nahm sich seiner an. Er vertrat entgegen einiger seiner Kollegen die Auffassung, der Junge sei nicht etwa debil sondern aufgrund der Isolation und des Fehlens jeglicher Kommunikation und menschlicher Zuwendung "wild". Itard erhielt das Pflegerecht für den Jungen unter der Bedingung, die Resultate seiner Methode anhand des Beispiels des Kindes aufzuzeigen. Er gab im den Namen Victor. Im Laufe der Zeit lernte Victor aufrecht zu gehen, sich selbst anzuziehen, am Tisch zu essen und einfache Sätze zu verstehen. Er konnte auch einige Worte zu sprechen.

In zwei Gutachten aus den Jahren 1801 und 1806 dokumentierte Itard seine mehrjährigen Unterrichts- und Erziehungsversuche. Der erste Bericht war für die Acadèmie de Médicine bestimmt und erregte über die Landesgrenzen hinaus großes Aufsehen. Der zweite Bericht wandte sich an das Innenministerium und war verbunden mit der Bitte um eine Weiterführung der Unterhaltszahlung für Victors Pflegemutter Madame Guérin. Victor sollte schließlich bis ins Alter von ca. 40 Jahren bei Madame Guérin leben.

Jean Itard wurde 1821 wurde Mitglied der Académie de Médicine. Durch seine pädagogische Arbeit mit Viktor sowie zahlreiche Abhandlungen zur Spracherziehung und Unterrichtung Gehörloser gilt Itard als ein Vorläufer der Gehörlosenpädagogik und der Geistigbehindertenpädagogik. Der Drehbuchautor Jean Gruault und der Regisseur François Truffaut ließen sich für das Drehbuch zu diesem Kinofilm durch die Aufzeichnungen des Taubstummenlehrers und Arztes Jean Itard inspirieren. Diese beziehen sich auf die wahren Begebenheiten um Victor von Aveyron.

Erste Pläne

1964 las Truffaut in Le Monde über das Buch Les enfents sauvages – mythe et réalité von Lucien Malson. Malson war Professor für Sozialpsychologie am Centre National de Pédagogie. Malson untersuchte in seinem Buch 52 Fälle von Kindern, die in Isolation, ohne jegliche menschlichen Kontakte aufwuchsen. Einer dieser Fälle war der des Victor von Aveyron. Truffaut war von dem Fall fasziniert und beschaffte sich zehn Exemplare des Buchs. Er beschloss, die Geschichte zu verfilmen.

Drehbucharbeit

François Truffaut pflegte immer an mehreren Filmen gleichzeitig zu arbeitern. Während er einen Film drehte befanden sich zumeist mehrere Filme in irgendeinem Stadium der Vorproduktion. Hierbei arbeitete er mit mehreren Drehbuchautoren zusammen, die parallel arbeiteten und sich nur selten zu Gesicht bekamen. Die Vorbereitungen zu Der Wolfsjunge zogen sich über fünf Jahre hin. In diesem Zeitraum drehte Truffaut vier weitere Filme.

Im Herbst 1964 bat Truffaut Jean Gruault, seinen Co-Autor bei Jules und Jim (1962), um Mithilfe zu einem Drehbuch nach der Geschichte von Itard und Victor. Im Januar 1965 war Gruaults erster grober Entwurf einer Rahmenhandlung fertig. Er beschaffte sich weiteres Material zum Thema, so etwa eine Arbeit von Condillac aus dem Jahr 1754 über den Umgang mit Gehörlosen, und er las Fachartikel über autistische Kinder. Im November 1965 umfasste das Drehbuch 243 Seiten, die Truffaut mit Anmerkungen versah und an Gruault zurückgab. Bis Ende 1966 wuchs der Umfang des Drehbuchs auf knapp 400 Seiten an, was einem etwa dreistündigen Film entsprechen würde.

Truffaut musste also das Drehbuch um etwa die Hälfte kürzen und bat seinen Freund Jacques Rivette um Hilfe. Rivette schlug im Herbst 1967 vor, die Geschichte ganz auf die beiden Hauptdarsteller zu konzentrieren und alle ablenkenden und störenden Seitenstränge radikal einzukürzen. Wiederum ein Dreiviertel Jahr später, im Sommer 1968 lag schließlich die 151 Seiten lange Endfassung des Drehbuchs vor.

Truffaut stieg nun tiefer in die Thematik ein. Er trifft sich mit einem Arzt, der Experimente mit der Stimmgabel an gehörlosen Kindern durchführt sowie mit weiteren Personen, die sich um gehörlose oder autistische Kinder kümmern. Er stößt sogar auf den Fall eines Kindes, dessen Verhalten starke Ähnlichkeiten mit dem ausweist, wie es Dr. Itard beschrieben hatte.

Truffauts Engagement für Kinder

Truffaut hatte sich bereits seit seinem ersten Spielfilm Sie küssten und sie schlugen ihn (1959) für pädagogische Experimente mit schwierigen Kindern interessiert. Er setzte sich auch öffentlich für die Rechte schutzbedürftiger Kinder ein. 1964, im Jahr des Beginns der Arbeit an Der Wolfsjunge, wurde er Mitglied der Paten des Secours Populaire Français, die sich um Probleme von Kinden und von benachteiligten Familien kümmert. 1967 wird er Präsident des Stiftungsverbands der SOS-Kinderdörfer.

Im April 1967 erhält er Gelegenheit, einen Tag lang auf dem Radiosender France-Culture das Programm zu gestalten. Er wählt das Thema Kindesmisshandlung. Die zehnstündige Sendung erhält große Resonanz: Viele Anrufer, ausführliche Presseberichte und zweihundert Hörerbriefe.

Finanzierung

Im Dezember 1966 schloss Truffaut ein Kooperationsmodell mit dem französischen Tochterunternehmen der United Artists Les Productions Artistes Associésab. Ziel war die gemeinsame Produktion des Films Die Braut trug schwarz. Infolge dieser Kooperation wurde auch der Folgefilm Geraubte Küsse von Truffauts eigener Produktionsgesellschaft Les Films du Carrosse und UA koproduziert.

Im Herbst 1967 – noch keiner dieser beiden Filme war zu diesem Zeitpunkt im Kino – schloss Truffaut mit UA/Artists Associés eine weitere Vereinbarug über die Produktion der Filme Das Geheimnis der falschen Braut und der Wolfsjunge ab. United Artists co-produzierte beide Filme in der Hoffnung, mit den erhofften Gewinnen des ersten den vermeintlichen Verlust des zweiten Films ausgleichen zu können. Man fand das Drehbuch des Films "zu dokumentarisch". Hinzu kam, dass Truffaut in Schwarzweiß drehen wollte, was man Ende der 1960 Jahre ebenfalls nicht für publikumswirksam hielt. UA beteiligte sich mit 2 Millonen Francs, letztlich mit dem Ziel, Truffaut nicht zu verlieren. United Artists übernahm die weltweite Auswertung des Films.

Tatsächlich wurde Das Geheimnis der falschen Braut zu Truffauts bis dahin größtem finanziellem Misserfolg, während Der Wolfsjunge wider Erwarten einen Gewinn erwirtschaftete. Doch noch bevor Der Wolfsjunge in die Kinos kommt entschließt sich Truffaut, aufgrund der Zögerlichkeit zukünftig auf die Zusammenarbeit mit United Artist zu verzichten.

Besetzung der Rollen

Victor

Um einen geeigneten Darstellers für den Wolfsjungen zu finden wurden von Truffauts Regie-Assistentin Suzanne Schiffman in und um Marseilles rund 2 500 Kinder befragt und fotografiert. Fünf von ihnen durften zu Probeaufnahmen nach Paris. Anfang März 1969 war schließlich der 12-jährige Jean-Pierre Cargol gefunden. Cargol kam aus Saintes-Maries-de-la-Mer, einer Kleinstadt nahe Marseilles. Truffaut beschrieb den Jungen in einem Brief an seine Freundin und Mitarbeiterin Helen Scott als ein schönes Zigeunerkind mit einem sehr animalischen Profil, das aufgrund seines dunklen Teints und seiner drahtigen Figur für die Rolle ideal ist. [1]

Um den unerfahrenen Jungen an die schwierige Rolle heranzuführen, legte sich Truffaut eine spezielle Technik zurecht. Er arbeitete mit Vergleichen. So ließ er Jean-Pierre schauen „wie einen Hund“, den Kopf bewegen „wie ein Pferd“ oder mit großen Augen verwundert schauen wie Harpo Marx. Lediglich Wutausbrüche stellten ein Problem dar, denn Jean-Pierre war laut Truffauts Anmerkungen ein „sehr sanftes, sehr glückliches und sehr ausgeglichenes Kind“[2]

Dr. Itard

Truffaut ist sich lange unschlüssig, wer den Arzt Jean Itard spielen soll. Es sollte kein bekannter Kinoschauspieler sein, eher schon ein Fernsehdarsteller, oder ein Journalist. Er suchte auch nach einem unbekannten Schauspieler, doch irgendwann entschloss er sich, die Rolle selbst zu übernehmen. Für Truffaut, der zuvor nur in Kleinstrollen als Schauspieler aufgetreten war, war dies die erste Hauptrolle. Auch deshalb behielt er seine Entscheidung bis kurz vor Drehbeginn für sich und weihte dann als erste Suzanne Schiffman ein. An Gruault schrieb er: „Entschuldige bitte, wenn ich Dir verheimlicht habe, dass ich die Rolle des Dr. Itard selbst spiele, aber ich wollte dies bis zum letzten Moment geheim halten. Ich hoffe, meine amateurthafte Leistung wird Dich nicht enttäuschen.“ [3]

Truffaut sah diese Entscheidung in erster Linie pragmatisch. Er hatte als Regisseur die Aufgabe, den als Schauspieler unerfahrenen Jean-Pierre Cargol zu führen und anzuleiten. Gleichzeitig hätte der Darsteller des Dr. Itard die Aufgabe, Victor, den Wolfsjungen, zu leiten und zu unterrichten. Truffaut verband beides und vermied so die Zwischenebene einer dritten Person. Gruault pflichtete ihm bei dieser Entscheidung bei: „Man sieht Itard fast ausschließlich bei seiner beruflichen Tätigkeit, und die ist der des Regisseurs sehr ähnlich.“[4]

Die Nebenrollen

Für zwei wichtige Nebenrollen engegierte Truffaut erfahrene Theaterschauspieler: Françoise Seigner als Haushälterin Madame Guérin und Jean Dasté als Professor Pinel. Um Kosten zu sparen griff Truffaut für weitere Nebenrollen, wie schon bei früheren Filmen, auf Mitarbeiter zurück. So besetzte er für kleinere Rollen den Drehbuchautor Jean Gruault den Produktionsleiter Claude Miller samt Frau Annie und Baby.

Hinter der Kamera

Truffaut wollte, dass der Film in Schwarzweiß gedreht wird. Für die Kameraführung entschied er sich für Nestor Almedros, von dessen Arbeit bei Eric Rohmers Film Meine Nacht bei Maud er sehr beeindruckt war. Truffaut und Almendros schauen während der Vorbereitungszeit einige Filme: Arthur Penns Licht im Dunkel über ein blindes, taubes und stummes Mädchen, oder Tagebuch eines Landpfarrers von Robert Bresson. Die Zeit mit Monika von Ingmar Bergman stand ebenso auf dem Programm wie einige Stummfilme. Es war die erste Zusammenarbeit der beiden und es sollten sieben weitere gemeinsame Filme folgen.

Dreharbeiten

Als Drehort entscheidet sich Truffaut für Aubiat im Département Puy-de-Dôme im französischen Zentralmassiv. Dort befand sich ein Landhaus, das mit wenigen Änderungen zum Haus des Dr. Itard umfunktioniert werden konnte.

Die Dreharbeiten begannen am 2. Juli 1969 im Wald von Saint-Pardoux bei Montluçon. In der ersten Woche wurden ausschließlich Szenen im Wald gedreht. Damit Jean-Pierre Cargol sich nicht verletzt, wurden für ihn unsichtbare Sandalen gefertigt.

Die Dreharbeiten gingen harmonisch und gut voran. Truffaut fand sich in seiner Doppelfunktion als Regisseur und Hauptdarsteller gut zurecht. Suzanne Schiffman vertrat ihn als Regieassistentin, sobald er vor der Kamera stand, sie war auch sein Lichtdouble während der Proben.

Ab Ende August wurden die Dreharbeiten für eine Woche in Paris im Institut für Gehörlose fortgesetzt. Nach insgesamt 50 Drehtagen trennte sich schließlich das Team.

Rezeption

Erste Reaktionen und Auswirkungen in Frankreich

Knapp sechs Monate nach Ende der Dreharbeiten – zwischenzeitlich drehte Truffaut mit Tisch und Bett einen weiteren Film, seinen vierten innerhalb von zwei Jahren – wurde Der Wolfsjunge am 26. Februar 1970 in Paris uraufgeführt.

Truffaut glaubte selbst nicht an einen Erfolg des Films, er fand ihn zu streng und zu nüchtern für das breite Publikum. Doch als Der Wolfsjunge 1970 in die Kinos kam reagierte Kritik und Publikum ausgesprochen positiv. Innerhalb weniger Wochen sahen den Film in Frankreich 200 000 Menschen und innerhalb eines halben Jahres erschienen rund 150 Zeitungsartikel zu dem Film. Truffaut erhielt unzählige Briefe, zumeist von Schülern oder Lehrern, die er sämtlich persönlich beantwortete. Truffaut wurde zu einem gefragten Interviewpartner und erhielt den Ruf, ein pädagogischer Regisseur zu sein, was ihm sehr zusagte.

Der Fernsehjournalist Pierre Dumayet lud Truffaut zu seiner Diskussionssendung „L'Invité du dimanche“ ein, wo dieser am 29. Oktober 1969 Gelegenheit erhielt, zur besten Sendezeit im französischen Fernsehen über viele seiner Herzensthemen, über Erziehung, über Kindheit und über Bücher zu reden und zu diskutieren. Dumayet leitete die Sendung ein mit den Worten: „Wenn man aus diesem Film kommt, ist man stolz darauf, lesen zu können.“ [5] Es folgen weitere Fernsehauftritte sowie eine einstündige Fernsehdokumentation anlässlich Truffauts 10-jährigen Regie-Jubiläums, die teilweise in Aubiat gedreht wurde.

In einem ausführlichen Artikel schreibt die Zeitung Le Nouvel Observateur [6] über Truffaut: „Ist der junge Wolf der Nouvelle Vague nun mit achtunddreißig Jahren zu einem unangreifbaren Regisseur geworden? Nein: Vielmehr ist er zum Menschen unter Menschen geworden.“ Im Interview bekräftigt er, seine Filme seinen eine Kritik an der französischen Art, die Kinder zu erziehen. Ihm sei dies auf seinen Reisen klargeworden. Er sei verblüfft gewesen, als er erkannte, dass das Glück der Kinder nichts mir der finanziellen Situation ihrer Eltern oder in ihrem Land zu tun hat. Während in der armen Türkei das Kind heilig sei, seinen in Japan die beziehungen zwischen Kindern und Eltern, wie er sagte, mies und schäbig.

Truffaut war nun mehr denn je zuvor eine Person des öffentlichen Lebens. So erhielt er Gelegenheit, im Juni 1970 eine Woche lang das Mittagsmagazin von RTL zu moderieren. Er griff in schneller Folge diverse Themen auf, die ihm am Herzen liegen, zum Beispiel Waffenhandel und Zensur im Fernsehen. Er wollte Tabus brechen und manche der von ihm eingebrachten Ideen wurde von den Verantwortlichen auch abgelehnt. Truffaut sah sich selbst als kompromisslosen, also souveränen und einsamen Mann, sein vormaliger Ruf eines eher schüchternen Menschen war dahin.

Reaktionen im Ausland

Truffaut verwendet viel Zeit und Energie darauf, seine Filme ins Ausland zu begleiten und dort für sie zu werben. Für Der Wolfsjunge besucht er über ein Dutzend Länder in Europa, außerdem Japan, Persien und Israel. In Teheran erhält der Film den Spezialpreis der Jury beim sechsten Internationalen Filmfestival.

Doch Truffaut weiß, dass der Erfolg eines Films in den USA ausschlaggebend für das Renommé eines Regisseurs ist. Am 10. September 1970 wurde Der Wolfsjunge zur Eröffnung des achten New York Film Festivals im Lincoln Center gezeigt. Truffaut selbst stellte seinen Film vor, er wurde zum unumstrittenen Star des Festivals. Der New Haven Register schrieb: „Bei der Eröffnung erhielt L'Enfent Sauvage rauschenden Beifall, und der Anblick von Truffauts fragiler und schüchterner Gestalt ind er Ehrenloge der Philharmonic Hall war einer dieser denkwürdigen Momente im Rampenlicht, die den Saal mit Magie erfüllten, bis die Scheinwerfer wieder erloschen.“[7]

Bald darauf kam der Film in die amerikanischen Kinos. Binnen kurzer Zeit verlässt die Debatte über The Wild Child, so der amerikanische Verleihtitel, Cineastenkreise und erobert Magazine, Zeitungen und Universitäten. Die New York Times veröffentlichte ein zweiseitiges Portrait über Truffaut in dem die schauspielerischen Fähigkeiten und die Verdienste als Regisseur ausgiebig gewürdigt werden. Universitäten nehmen den Film für Vorlesungen über Erziehungswissenschaften in ihr Programm auf.

Der Wolfsjunge spielt in den USA rund 210 000 Dollar ein. Er erhält zahlreiche Auszeichnungen von Kritiker- und Schriftstellerverbänden und von kirchlichen Organisationen. Truffaut wurde insbesondere durch Der Wolfsjunge zu einem der europäischen Lieblingsgegisseure der amerikanischen Intellektuellen, neben Ingmar Bergman und Federico Fellini. Namhafte amerikanische Filmschaffende beglückwünschten ihn zu seinem Erfolg, unter anderen Stanley Kubrick, David O. Selznick und Gene Wilder. Mit Alfred Hitchcock verband Truffaut seit dem berühmten Interview 1962 eine Freudschaft. Hitchcock schrieb ihm: „Ich habe mit L'Enfent Sauvage angesehen und fand ihn großartig. Bitte, besorge mir ein Autogramm des Schauspielers, der den Arzt spielt. Er ist wunderbar. Ich möchte dieses Autogramm für Alma Hitchcock. Ihr standen die Tränen in den Augen.“[8]

Kritiken

  • Lexikon des Internationalen Films:
    "Ein menschlich und künstlerisch eindrucksvolles Dokument des Glaubens an eine gewisse Entwicklungsfähigkeit jedes Menschen."
  • Das Metzler Filmlexikon schreibt:
    "Erst in entsprechender sozialer Umgebung, so ließe sich die Moral von L’enfant sauvage beschreiben, können sich die natürlichen Anlagen des Menschen entwickeln und entfalten. Der Regisseur, der Dr. Itard selbst darstellte, wurde durch die Rolle, wie er später eingestand, sich der eigenen Vaterrolle gegenüber dem Schauspieler Jean-Pierre Léaud bewußt: Ihm widmete er diesen Film."
  • de Baecque und Toubiana schreiben in ihrer Truffaut-Biographie über den Wolfsjungen:
    "Die pädagogische Berufung Truffauts und seines Kinos ist nie deutlicher geworden als in 'L'Enfent Sauvage', einem gleichermaßen optimistischen und verzweifelten Werk. Ein optimistischer Film insofern, als er dem Erlernen von Kultur völlig vertraut; verzweifelt hingegen, weil gerade dieser Bildungsprozess die Gesellschaft immer wieder als einen Schlupfwinkel von Kinderschändern und Feiglingen entlarvt."

Auszeichungen

Jahr Preis Kategorie Preisträger
1970 Internationales Filmfestival von Teheran Spezialpreis der Jury
1970 Prix Méliès der französischen Gewerkschaft der Kinokritiker Bester Film
1971 Le Syndicat Français de la Critique de Cinéma (SFCC) Bester Film François Truffaut
1971 Laurel Awards Bester ausländischer Film:
  • 3. Platz
1971 National Board of Review, USA NBR Award:
  • Best Director
  • Best foreign Language Film
François Truffaut
1971 National Society of Film Critics Awards (NSFC), USA NSFC Award: Beste Kamera Nestor Almendros

Nachwirkungen

2003 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen Filmkanon für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste mit auf.

Literatur

  • Birgitt Werner: Die Erziehung des Wilden von Aveyron, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-631-52207-X

Literatur

Quellen

  1. Brief vom 6. September 1969, zitiert in de Baecque/Toubiana, S. 425
  2. Aussage von Truffaut in Télerama, zitiert in de Baecque/Toubiana, S. 426
  3. Brief von Truffaut an Gruault, 1. August 1969, zitiert in Voiges, S. 171
  4. Brief von Gruault an Truffaut, 2.8.69, zitiert in de Baecque/Toubiana, S. 426
  5. Pierre Dumayet in seiner Sendung „L'Invité du dimanche“ am 29. Oktober 1969
  6. Le Nouvel Observateur, 2. März 1970, zitiert in de Baecque/Doubiana, S. 437
  7. New Haven Register, 20. September 1970, zitiert in de Baecque/Doubiana, S. 443
  8. Brief von Hitchcock an Truffaut, zitiert in de Baecque/Doubiana, S. 444