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Emma Goldman

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Emma Goldman

Emma Goldman (* 27. Juni 1869 in Kaunas, Litauen; † 14. Mai 1940 in Toronto, Kanada) war eine US-amerikanische Anarchistin und Friedensaktivistin. Sie wurde bekannt durch ihre Schriften und Reden, als „rebellische Frau“ von Anhängern gefeiert und als Fürsprecherin politisch motivierter Morde und gewalttätiger Aufstände von Kritikern verurteilt. [1]

Goldman spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer anarchistischen politischen Philosophie in den USA und in Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie emigrierte in die USA im Alter von 17 Jahren und wurde später nach Russland deportiert, wo sie Zeugin der Auswirkungen der Russischen Revolution von 1917 wurde. Sie verbrachte einige Jahre in Südfrankreich, wo sie ihre Autobiographie „Gelebtes Leben“ und andere Werke verfasste, ehe sie 1936 am Spanischen Bürgerkrieg als englischsprachige Vertretung des Iberischen Anarchistischen Bundes (CNT-FAI) in London teilnahm. Sie gilt als herausragende Figur sowohl des US-amerikanischen Anarchismus als auch der frühen US-amerikanischen Friedensbewegung.

Leben

Geburt und frühe Jahre

Emma Goldman wuchs in einer jüdischen Familie in Kaunas, Litauen, (russisch: Kovno, damals unter russischen Kontrolle) auf, wo ihre Familie ein kleines Gasthaus betrieb. In der Zeit der politischen Unterdrückung nach dem Attentat auf Zar Alexander II. (Russland) zog sie im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie nach Sankt Petersburg. Dort arbeitete sie in einer Fabrik als Korsettmacherin und kam in Kontakt mit revolutionären Ideen und mit Arbeiten revolutionärer Anarchisten einschließlich der Geschichte der politischen Attentate im zaristischen Russland und des Idee der revolutionären Gewalt als Mittel für soziale Veränderungen. Goldman kam an eine Kopie von Nikolai Gawrilowitsch Tschernyschewskis Schrift „Was gemacht werden muss“, welches den Grundstein für ihre eigenen anarchistischen Ideen und ihre unabhängige Einstellung bildete.

Auswanderung nach Amerika

Mit 17 emigrierte Emma Goldman mit ihrer älteren Schwester Helene nach Rochester, New York, um mit ihrer Schwester Lena zu leben. Dort arbeitete sie einige Jahre in einer Textilfabrik und heiratete 1887 den Arbeitskollegen Jacob Kershner, wodurch sie die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. [1]

Die Hinrichtung von vier Anarchisten nach der Haymarket Revolte (Haymarket Riot) trieb die junge Emma Goldman zur anarchistischen Bewegung; mit 20 war sie eine Sozialrevolutionärin. Nachdem sich der Aufruhr im Zuge der Hinrichtung gelegt hatte, verließ Goldman Mann und Familie und reiste zunächst nach New Haven, Connecticut und dann nach New York. Goldman und Kershner ließen sich scheiden. Inspiriert von den feurigen Reden des Johann Most und von den Rufen nach einem gewalttätigen Kampf nach der Haymarket Revolte wurde Goldman von der Notwendigkeit des Attentates, überzeugt. Das hieß die Anwendung gezielter Gewalt, einschließlich der Ermordung politisch wichtiger Persönlichkeiten als ein notwendiges Instrument, um politischen und sozialen Wandel herbeizuführen.

New York und der Homestead Streik

In New York traf Goldman ihren späteren zeitweiligen Lebenspartner und lebenslangen Freund Alexander Berkman, eine damals hervorragende Gestalt der US-amerikanischen Anarchisten, mit dem sie bis zu seinem Tod 1936 zusammen blieb. Unter dem Einfluss von anarchistischen Schriftstellern, wie Johann Most gelangten die beiden zur Überzeugung, dass die direkte Aktion, einschließlich der Anwendung von Gewalt, für den revolutionären Wandel notwendig war (Propaganda der Tat).

Goldman und Berkman wurden vom Homestead Streik verzehrt, bei dem Streikende das Homestead Werk besetzt und die Werksführung ausgeschlossen hatten. Nachdem Pinkerton Detektive die Rückeroberung der Fabrik und die Vertreibung der Streikenden versuchten, brach eine Revolte aus, die den Tod mehrerer Männer zur Folge hatte. Mit Goldmans Unterstützung entschied Berkman die Streikenden durch gewaltsame Maßnahmen zu unterstützen, indem sie den Werksleiter, Henry Clay Frick, umbrachten. Berkman drang in Fricks Büro ein und schoss drei mal auf ihn. Frick überlebte das Attentat, Berkman wurde des versuchten Mordes überführt und zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. [1]

Wie Goldman später in ihren Memoiren bekannte, war sie sich der Absichten Berkmans völlig bewusst: Wir waren geschockt. Wir erkannten sofort, dass die Zeit unseres Manifests verstrichen war. Worte hatten ihr Gesicht der Bedeutung im Angesicht des unschuldigen Blutes verloren, dass an den Ufern des Monongahela Flusses vergossen wurde. Intuitiv fühlten beide, was im Herzen des anderen hervorquoll. Sascha [Alexander Berkman] brach das Schweigen. „Frick ist der verantwortliche Faktor in diesem Verbrechen“, sagte er, „er muss dafür zur Verantwortung gezogen werden“. Es war der psychologische Moment für ein Attentat; das ganze Land war in Erregung und jeder betrachtete Frick als den Schuldigen an einem kaltblütigen Mord. Ein Schlag gegen Frick würde in der ärmlichsten Hütte ihren Widerhall finden, würde die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf den wirklichen Grund für den Homestead Streik lenken. Es würde auch Angst in die Reihen des Feindes tragen und sie erkennen lassen, dass das Proletariat Amerikas seine Rächer hatte.

Die Behörden gingen davon aus, dass Goldman in der Planung dieses Anschlages involviert war, aber Berkman und die anderen Verschwörer weigerten sich, gegen sie auszusagen, und sie wurde nicht angeklagt. Ihre Rechtfertigung Berkmans nach dem versuchten Mord und ihre späteren Versuche, seine vorzeitige Entlassung zu erwirken, machten sie bei den Behörden sehr unbeliebt. Berkman wurde 1906 auf Bewährung entlassen.

Zunächst waren Berkman und Goldman der Meinung, den Ideen ihres Mentors, Johann Most, zu folgen, aber sie waren bald von ihm enttäuscht. Einer der lautstärksten Kritiker Berkmans nach dem Attentat war kein Geringerer als Most, der, wie Goldman bemerkte „Gewaltakte von den Dächern herunter predigte“. Aber in der Freiheit griff Most Goldman und Berkman an und behauptete dass die Tat dazu gedacht war, Sympathien für Frick zu erregen. Die Historikerin Alice Wexler meint, dass Eifersucht auf Berkman hinter dieser Anklage stecken könnte oder seine sich wandelnde Auffassungen hinsichtlich der Nützlichkeit politischer Anschläge. Mosts Anschuldigungen machten Goldman wütend und zwar nicht wegen seiner Andeutungen, dass sie am Attentat involviert war, sondern wegen seiner Kritik an dessen Nutzen und dass es Sympathie für Frick erregen sollte. Sie verlangte von Most, dass er seine Aussagen widerrief oder diese bewies, was dieser verweigerte. Daraufhin brachte Goldman eine Peitsche mit zu seinem nächsten Vortrag. Nachdem er sich weigerte, mit ihr zu sprechen, schlug sie ihm damit ins Gesicht, brach sie übers Knie und warf die Stücke nach ihm. Später bedauerte sie diesen Angriff als sie sich einem Freund anvertraute: „Im Alter von 23 argumentiert man nicht.“ 1893 freundete sich Goldman mit Hippolyte Havel an und begann, weite Reisen zu unternehmen, auf denen sie Reden für die Libertäre Sozialistische Bewegung hielt, oft finanziert vom IWW.

Gefängnis

Im Jahre 1893 wurde Goldman wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ verurteilt zu einem Jahr im Roosevelt Island Gefängnis verurteilt. Sie hatte öffentlich Arbeitslose dazu aufgefordert, nach Arbeit zu verlangen. Wenn sie ihnen keine Arbeit geben, sollten sie nach Brot verlangen. Wenn sie weder Arbeit noch Brot erhielten, sollten sie das Brot nehmen. Bei dieser Aussage handelt es sich um eine Zusammenfassung des Prinzips der Enteignung, wie es vom Anarchisten Pjotr Alexejewitsch Kropotkin vertreten wurde. Ihre Verurteilung erfolgte trotz der Aussage von 12 Zeugen zu ihren Gunsten. Das Urteil der Jury beruhte einzig auf der Aussage eines Kriminalbeamten Jacobs. Während ihres Jahres im Gefängnis entwickelt Goldman ein großes Interesse an Krankenbetreuung, das sie später in den Wohnquartieren an der Lower East Side zur Anwendung brachte.

Attentat auf Präsident McKinley

Der Anarchist Leon Czolgosz erschoss am 6. September 1901 den Amerikanischen Präsidenten William McKinley als dieser seine Hand schütteln wollte. Czolgosz und neun weitere Anarchisten, einschließlich Abe und Mary Isaak, wurden verhaftet. Goldman hatte Czolgosz kurz einige Wochen zuvor getroffen, als er sie um Rat für einen Studienvortrag über anarchistische Ideen fragte. Die Ermordung McKinleys und der schnell sich ausbreitende Gebrauch von Gewalt durch andere eingewanderte Anarchisten befleckte die Ziele des Anarchismus und brachten ihn in der öffentlichen Auffassung in Misskredit. Folglich suchten sich soziale und politische Bewegungen, wie z. B. die Arbeiterbewegung, für die sich die Anarchisten stark gemacht hatten, von ihnen zu distanzieren. Goldman wurde am 24. September wieder auf freien Fuß gesetzt, nachdem es den Behörden nicht gelungen war, sie und andere in direkten Zusammenhang mit dem Attentat zu bringen. Leon Czolgosz wurde verurteilt und hingerichtet.

Zeitschrift „Mother Earth“ (Mutter Erde)

Im Jahre 1906 veröffentlichte Goldman zusammen mit Berkman die Monatszeitschrift „Mother Earth“ (Mutter Erde), die sich mit dem Tagesgeschehen aus dem anarcha-feministischen (Anarchafeminismus) Blickwinkel befasste. Sie druckten darin Aufsätze u. a. von Friedrich Nietzsche und dem christlichen Anarchisten Leo Tolstoi, die beide wesentlichen Einfluss auf ihr Denken hatten. Über Nietzsche meinte Goldmann: „Nietzsche war kein Sozialtheoretiker, sonder ein Dichter, ein Rebell und Neuerer. Seine hohe Klasse entsprang nicht seiner Geburt oder seinem Geldbeutel, sondern seinem Geiste. In dieser Hinsicht war Nietzsche ein Anarchist und alle wahren Anarchisten waren Aristokraten“ (Gelebtes Leben, 1931).

Mit ihrer fortwährenden Propagierung anarchistischer und radikaler Ziele zog Goldman mehr und mehr die Aufmerksamkeit der Bundesbehörden auf sich. 1908 wurde ihre US-Staatsbürgerschaft widerrufen. 1914 nahm sie mit Berkman an anarchistischen Protesten gegen John D. Rockefeller teil, die von der Polizei brutal auseinander getrieben wurde. Angeblich soll Berkman mit 4 anderen Anarchisten an einem Bombenanschlag auf Rockefellers Tarrytown Anwesen in New York beteiligt gewesen sein. Am 4. Juli verließ einer der Verschwörer ihre Wohnung, in der die Bombe gebastelt wurde, um Berkman in der Redaktion der „Mutter Erde“ aufzusuchen. Fünfzehn Minuten später ging die Bombe in der Wohnung hoch, wobei alle Bewohner einschließlich der übrigen Verschwörer ums Leben kamen. Berkman stritt jede Kenntnis von dem Vorhaben ab. Es ist nicht bekannt, ob Goldman eingeweiht war. Nachdem Berkman Beerdigungsreden für die Anarchisten gehalten und ein weiteres Jahr für „Mutter Erde“ tätig war, zog er nach San Francisco, wo er seine eigene revolutionäre Zeitschrift, The Blast, gründete.

Zweiter Gefängnisaufenthalt

Am 11. Februar 1916 wurde Goldman verhaftet und eingesperrt, weil sie Informationsmaterial über Geburtenkontrolle verteilte. Wie viele zeitgenössische Feministen betrachtete sie die Abtreibung als eine tragische Konsequenz sozialer Zustände und Geburtenkontrolle als positive Alternative. 1911 hatte Goldman in ihrer Zeitschrift geschrieben: „Abtreibungen haben in Amerika unglaublich abschreckende Ausmaße angenommen....Die Not der Arbeiterklasse ist so groß, dass auf 100 Schwangerschaften 17 Abtreibungen vorkommen.“

Im Gefängnis freundete sich Goldman mit Gabriella Segata Antolini, einer Anarchistin und Anhängerin Luigi Galleanis an, den sie später persönlich treffen würde. Antolini war verhaftet worden, weil sie einen Rucksack mit Dynamit in einem Zug nach Chicago bei sich hatte. Sie hatte sich standhaft geweigert, irgend welche Informationen preiszugeben und saß dafür 14 Monate im Gefängnis ab.

Erster Weltkrieg

In den Kriegsjahren reiste Goldman weiterhin umher, hielt Reden gegen den Krieg und traf andere Mitglieder der radikalen Linken in Amerika. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis kehrte Berkman aus San Franzisko zurück, um mit ihr zusammen zu arbeiten und wieder für „Mutter Erde“ zu schreiben. In Barre, Vermont, traf Goldman Luigi Galleani, einen, wie er sich selbst nannte, “Subversiven” und Komplizen verschiedener anarchistisch-kommunistischer Gruppen. Er war Herausgeber der anarchistischen Zeitschrift „Cronaca Sovversiva“ als auch einer detaillierten Anleitung zum Bombenbasteln mit dem Tarntitel „La Salute é in Voi (Das Heil liegt in Dir selbst), die bei Anarchisten weite Verbreitung fand. Als „aufständischer Anarchist“ (Aufständischer Anarchismus) war Galleani vom gewaltsamen Umsturz der Regierung überzeugt. Goldman war sich dieser Tatsache voll bewusst. Dieses Treffen und der kurze Kontakt mit Galleani würde sie später noch verfolgen.

Dritter Gefängnisaufenthalt

Goldman wurde 1917 erneut verhaftet und eingesperrt, dieses mal wegen „Verschwörung zur Verhinderung der Einberufung zur Armee“. Goldman und Berkman waren beide bei der Bildung der No Conscription Leagues (Liga gegen die Einberufung) beteiligt und organisierten Versammlungen gegen den Krieg. Goldman war davon überzeugt, dass der Militarismus besiegt werden müsse, um Frieden zu erzielen. In 'Anarchism and Other Essays' (Anarchismus und Andere Schriften) schrieb sie: „Der größte Vorposten des Kapitalismus ist der Militarismus. Genau in dem Augenblick, in dem der letztere unterminiert wird, wird der Kapitalismus wanken“. Am 15. Juni 1917 verabschiedete der Kongress das „Spionage Gesetz“ (Espionage Act), welches Strafen für Störungen der Außenpolitik und für Spionage vorsah. Demnach konnte hohe Geld- und Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren für jeden verhängt werden, der die Einberufung behinderte oder Illoyalität gegenüber der US-Regierung ermutigte.

Nachdem Goldman und Berkman weiterhin in Schriften und Reden die Bürger zur Verweigerung der Registrierung und der Einberufung aufforderten, schritten die Bundesbehörden ein. Die Redaktionsräume der Zeitschrift „Die Mutter Erde“ wurden gründlich durchsucht und umfangreiche Akten und Abonnementslisten wurden beschlagnahmt. Eine Presseveröffentlichung des Justizministeriums lautete: „Eine Wagenladung anarchistischer Daten und Propagandamaterials wurde beschlagnahmt. Hierzu gehörte vermutlich ein komplettes Register der Freunde der Anarchie in den USA. Es wurde eine sauber geführte Kartendatei gefunden, von der die Bundespolizisten annehmen, dass sie die Identifizierungsarbeit von Personen erleichtert, die in verschiedenen Büchern und Zeitungen genannt werden. Die Abonnementslisten der Zeitschriften „Die Mutter Erde“ und „The Blast“ mit 10.000 Namen wurden ebenfalls konfisziert.“ Goldman wurde wegen Vergehens gegen Bundesgesetze verurteilt und saß 2 weitere Jahre im Gefängnis.

Ausweisung nach Russland

Im Zuge der Palmerschen Razzien (Palmer Raids) wurden Tausende von Verhaftungen durchgeführt und vielen drohte die Ausweisung. Ironischerweise waren es Goldmans detaillierte Karteien, die zur Ergreifung anderer Radikaler vermutlich mindestens ebenso beitrugen, wie die teilweise illegalen Maßnahmen der Regierung, wie Telefonabhören und Durchsuchungen ohne richterliche Anweisung. Nach der damaligen US-Gesetzgebung konnte auch Goldman, nachdem ihr die Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, als „unerwünschte Ausländerin“ auf Grundlage des „Aufwiegelungsgesetzes“ (Sedition Act of 1918) und der „Anarchistengesetze“ sowie ihrer zweimaligen Verurteilung wegen krimineller Vergehen ausgewiesen werden. Bei der Anhörung wurden ihr ihre Kontakte mit bekannten Vertretern von Gewalt, u. a. mit Luigi Galleani, vorgeworfen. Der Vertreter der Regierung bei dieser Anhörung war J. Edgar Hoover, der Goldman als „eine der gefährlichsten Anarchisten in Amerika“ bezeichnete. Sie wurde zusammen mit Berkman ausgewiesen. Viele der Radikalen aus ihren Karteien teilten das gleiche Schicksal mit ihnen.

Die Deportation fand Ende 1919 statt. Goldman und Berkman kamen zusammen mit anderen Ausgewiesenen russischer Herkunft auf ein Schiff, das in die Sowjetunion fuhr. Die beiden konnten bei ihrer Ankunft aus erster Hand die Nachwirkungen der Russischen Revolution von 1917 erfahren. Goldman war darauf vorbereitet, die Bolschewisten zu unterstützen, trotz der Spaltung der Anarchisten von den Kommunisten auf der Ersten Internationalen. Aber die politische Repression und die Zwangsarbeit widersprachen ihrer anarchistischen Einstellung. Die blutige Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstandes durch die Rote Armee (unter der Führung von Leo Trotzki) im Jahre 1921 entfremdeten vollends Goldman und die anderen Anarchisten von den Bolschewiken. Sie erkannte noch lange vor dem Stalinschen Terror, dass Lenins Regime mit der Arbeiterdemokratie der Räte Schluss machen und in die Tyrannei führen würde.

Die Bolschewiken argumentierten dagegen, dass die streikenden Matrosen sich mit der Weißen Armee und französischen Monarchisten verschworen hatten, und damit eine schwerwiegende gegenrevolutionäre Macht darstellten. Darauf hin entstanden Goldmans Schriften My Disillusionment in Russia (Meine Enttäuschung über Russland) und My Further Disillusionment in Russia (Meine weitere Enttäuschung über Russland). Sie war auch völlig niedergeschlagen von den zahlreichen Zerstörungen und Toten infolge des Bürgerkrieges, in dem konterrevolutionäre Elemente, unterstützt durch ausländische Regierungen, wie z. B. die USA und Japan, versuchten, den jungen kommunistischen Staat zu erdrosseln, ehe er seine subversive Ideologie in andere Länder verbreiten konnte. Goldman war mit den amerikanischen Kommunisten John Reed und Louise Bryant befreundet, die sich ebenfalls zu der Zeit in der Sowjetunion aufhielten, als es unmöglich war, das Land zu verlassen. Möglicherweise teilten sie sogar eine Wohnung (s.a. der Film „Reds“). Als Trotzki schließlich vor Stalin ins Exil floh, führte Goldman die öffentliche Auseinandersetzung mit ihm noch bis zu dessen Ermordung ihm Jahre 1940 fort.

England und Frankreich

Nach zwei Jahren verließen Goldman und Berkman Russland. Die Erfahrungen, wie die Bolschewiken an die Macht gelangt waren, hatte sie ihre frühere Überzeugung, dass der Zweck die Mittel heiligt, überdenken lassen. Goldman akzeptierte Gewalt als ein notwendiges Übel im Prozess der sozialen Transformation. Die Erfahrungen in Russland machten jedoch eine Differenzierung notwendig. Sie schrieb: „Ich weiß, dass jeder große politische und soziale Wandel in der Vergangenheit Gewalt bedingte. ... Es ist jedoch eine Sache, Gewalt im Kampf als Mittel zur Verteidigung anzuwenden. Es ist eine ganz andere Sache, den Terrorismus zum Prinzip zu erheben, ihn zu institutionalisieren, ihm den obersten Rang im sozialen Kampf zuzuweisen. Solcher Terrorismus gebiert Konterrevolution und wird dabei selbst konterrevolutionär.“

Diese Ansichten waren unter den Radikalen nicht beliebt, denn die meisten wollten immer noch glauben, dass die russische Revolution ein Erfolg war. Als Goldman 1921 nach England zog, wo sie bei alten Freunden blieb, war sie in ihrer Verurteilung der Bolschewiken in der Linken faktisch allein und ihre Vorträge waren schwach besucht.

Im Jahre 1926 heiratete Goldman den Walisen James Colton, der ihr damit zur britischen Staatsbürgerschaft verhalf und sie vor einer drohenden Ausweisung rettete. Ihr wurde 1934 erlaubt, in die USA für eine Vortragsreihe wieder einzureisen, unter der Bedingung, dass sie sich öffentlicher politischer Diskussionen enthält.

Goldman zog nach Frankreich, wo Peggy Guggenheim Mittel für ein Ferienhaus in Saint-Tropez an der Côte d'Azur aufbrachte. Sie nannten ihr Haus „Bon Esprit“ (Guter Geist). Dort konnte Goldman schreiben und korrespondieren, aber sie war isoliert.

Berkman, der unweit von ihr in Nizza lebte und schon lange krank war, erschoss sich im Jahre 1936, kurz vor dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges. Goldman konnte noch rechtzeitig an sein Sterbebett eilen.

Der Spanische Bürgerkrieg

1936 ging Goldman nach Spanien um der Spanischen Republik im Kampf gegen Francisco Francos Faschisten zu helfen (Spanischer Bürgerkrieg). Das passte zu ihrer Überzeugung, dass Freiheit aus dem Widerstand gegen Unterdrückung entsteht. Sie schrieb in 'Anarchism and Other Essays': „Die Menschen würden politisch noch immer in absoluter Sklaverei verharren, wenn es die John Balls, die Wat Tylers, die Wilhelm Tells nicht gäbe, die unzähligen individuellen Giganten, die Schritt für Schritt gegen die Macht von Königen und Tyrannen kämpften.“ Im weiteren Verlauf kritisierte sie in scharfer Form den Regierungsbeitritt der Anarchisten im November desselben Jahres.

In dieser Zeit schrieb sie den Nachruf auf den bekannten spanischen Anarchisten Buenaventura Durruti unter dem Titel: „Durruti ist tot, aber er lebt“, worin sie Percy Bysshe Shelleys Adonai reflektiert.

Tod und Beerdigung

Emma Goldman starb am 14. Mai, 1940 im Alter von 70 Jahren an einem Schlag in Toronto, Kanada. Die US-Behörden erlaubten die Überführung ihres Körpers in die USA, wo sie auf dem Deutschen Waldheim Friedhof (German Waldheim Cemetery) beigesetzt wurde. Dieser ist heute Teil des Forest Home Cemetery in Forest Park, Illinois, einem Vorort von Chicago. Ihr Grab liegt in der Nähe der Gräber der Hingerichteten des Haymarket Aufstandes. Auf ihrem Grabstein steht „Liberty will not descend to a people, a people must raise themselves to Liberty” (Freiheit wird nicht zu einem Volk herabsteigen; ein Volk muss sich selbst zur Freiheit erheben). Eine Stadtlegende in Toronto besagt, dass Goldmans Geist die Gewerkschaftshalle an der Spadina Avenue heimsucht, in der sie oft Reden hielt, in der sie aufgebahrt wurde und in der sich heute ein chinesisches Restaurant befindet..

Zitate

  • „The most violent element in society is ignorance.“ (Frei übersetzt: „Das gewalttätigste Element der Gesellschaft ist die Ignoranz“)
  • „If I can't dance, I don't want to be part of your revolution.“ (Frei übersetzt: „Wenn ich nicht tanzen darf, möchte ich an eurer Revolution nicht beteiligt sein“) Goldman hat diesen Satz nie geschrieben oder gesprochen, aber die Aussage entspricht völlig ihrer Einstellung, dass revolutionäre Anarchie dem Anspruch auf Schönheit und Freude nicht widerspricht. [2]

Nachweise

  1. a b c Rodger Streitmatter: Voices of Revolution: The Dissident Press in America. Columbia University Press, New York 2001, ISBN 0-231-12249-7, S. 122–134.
  2. Alix Kates Shulman, „Dances with Feminists,“ Women's Review of Books, December 1991.

Werke

  • Living my Life, (1931). (Gelebtes Leben, 3 Bände, Berlin 1978-1980)
  • Anarchism and Other Essays, (1911).
  • The Social Significance of the Modern Drama, (1914).
  • My Disillusionment in Russia, (1923).

(bitte vervollständigen)

auf deutsch:

  • Das Tragische an der Emanzipation der Frau. Berlin 1987, Karin Kramer Verlag. (aus: Anarchism and Other Essays, (1911))
  • Niedergang der Russischen Revolution, (Berlin 1987, Karin Kramer Verlag)
  • Anarchismus, seine wirkliche Bedeutung, (Berlin: Libertad-Verl., 1981, (Dt. Erstübers.))
  • Mit Rudolf Rocker: Der Bolschewismus: Verstaatlichung der Revolution. Underground Press (später Kramer Verlag), Berlin 1968.

Literatur

  • Liebe und Anarchie & Emma Goldman. Ein erotischer Briefwechsel. Eine Biographie, Candace Falk
  • Emma Goldman, Leben und Werk, Heiner Becker Id-Verlag (1992) Titel ist nie erschienen.

Film

  • “Anarchist Emma Goldman“, Video in 2 Teilen auf youtube.com, english, part 1: [1]