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Fasnacht in Liechtenstein

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Die Fasnacht geniesst in Liechtenstein einen besonderen Stellenwert, auch wenn die "Fünfte Jahreszeit" im Fürstentum eine relativ junge Erscheinung ist. Quellen berichten von ersten Fasnachtveranstaltungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Fasnachtshochburg ist die Gemeinde Schaan.

Geschichte

Auch wenn es schon länger Fasnachtsveranstaltungen gab, entstand die organisierte Liechtensteiner Fasnacht mit der Einführung des Schaaner Fasnachtsumzug 1952. Organisator war der Fussballclub, der sich daraus einen Zustupf in die Vereinskasse erwartete. Beteiligt waren rund zwei Dutzend Männer, die sich in zwei Fussballmannschaften teilten: Die «Kenia Niggers», in weissem Dress und mit schwarz bemalten Gesichtern sowie die «Hollywood Stars» in bunten Kleidchen und kurzen Röckchen. Auf Wagen zogen sie vom Dorf zum Fussballplatz, wo ein Fussballspiel ausgetragen wurde. In den Jahren von 1953 bis 1956 kamen keine Umzüge zustande.

1957 rollten wieder drei Fasnachtswagen durchs Dorf; die Organisation lag erneut beim Fussballclub. Im Herbst 1957 ging die Verantwortung für die Organisation des Fasnachtsumzugs auf das Vereinskartell, ein Zusammenschluss aller Schaaner Ortsvereine, über. Es wurde ein eigenes Fasnachtskomitee gebildet, das künftig den Umzug organisierte. Beim Umzug von 1958 wurde übrigens erstmals ein Eintritt von 1 Franken erhoben.

In der Folge wurde der Schaaner Fasnachtsumzug jedoch immer kleiner. Durch einen Appell des Fasnachtskomitees an die Schaaner Vereine konnte der Niedergang gestoppt werden. 1964 brach in Triesenberg die Maul- und Klauenseuche aus; um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, verbot die Regierung den Fasnachtsumzug. 1965 konnte jedoch die Fasnacht gefeiert werden. Der Umzug war so gross wie noch nie und wurde vom Schweizer Fernsehen mitgeschnitten.

Andere Fasnachtsveranstaltungen entstanden im Umfeld des Schaaner Umzugs.

Seit 1966 ist die neu gegründete Narrenzunft für die Organisation des Umzugs verantwortlich. Unter dem Motto «Schaaner Fasnacht maximal» beteiligen sich 28 Gruppen am Umzug. 1977 wurde das 25-jährige Jubiläum der Schaaner Fasnacht gefeiert. Der Umzug zog - trotz starken Föhnsturms - rund 15'000 Zuschauer an.

In den Achtzigerjahren wurde der Umzug immer grösser: Ausländische Guggenmusiken sorgten für musikalische Abwechslung, Fasnachtsgilden aus dem Ausland belebten das Bild, aber auch traditionsreiche Fasnachtsgruppen aus Schaan und anderen Gemeinden brachten Leben in den oft über 70 Gruppen umfassenden Zug. Im Januar 1991 brach nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait in der Golfregion Krieg aus. Aus Solidarität mit den Opfern des Krieges und deren Angehörigen wurden sämtliche Fasnachts-Veranstaltungen abgesagt. Es wäre das 25-jährige Jubiläum der Narrenzunft gewesen.

Veranstaltungen

Neben dem Schaaner Umzug gibt es heute zahlreiche weitere Anlässe in Liechtenstein zur Fasnachtszeit.

Umzüge

Der Schaaner Fasnachtumzug der grösste Umzug der Region und fester Bestandteil im Fasnachtskalender. Viele Gemeinden haben dennoch eigene Fastnachtumzüge. Besonders für kleinere Fasnächtler gibt es den Kinderumzug in Vaduz.

Monsterkonzerte

1976 fand am Fasnachtssamstag auf dem Platz vor der St. Peterskirche das erste Monsterkonzert statt, an dem sich rund 300 Guggenmusiker beteiligten. Es war der Beginn einer neuen Tradition, mit der die Bevölkerung auf das fasnächtliche Treiben vom Sonntag eingestimmt wurde. Seit 1991 findet das Monsterkonzert jeweils auf dem Lindenplatz statt. Das Monsterkonzert vom Fasnachtssonntag wurde zu einem in der Region bekannten und beliebten Anlass. In den letzten Jahren wurde es jeweils von rund 5'000 bis 6'000 Zuhörern besucht. Weitere Monsterkonzerte finden in Vaduz, Eschen, Malbun und Balzers.

Beizen- und Strassenfasnacht

1990 wurde das Schaaner Zentrum zwischen St. Peter und Lindenplatz erstmals von Samstag Abend bis Sonntag Abend für den Verkehr gesperrt. Das war der Beginn der inzwischen traditionellen Strassenfasnacht. Heute beginnt die Strassenfasnacht am Schmutzigen Donnerstag und endet mit dem Aschermittwoch. In diesen Nächten ist die Sperrstunde aufgehoben, die Liechtensteiner Restaurants haben durchgehend geöffnet. Besonders das Restaurant Trüble in Schaan, das jeweils nach dem Motto der Guggamusik Plunderhüüsler dekoriert ist, erfreut sich grosser Beliebtheit. In letzter Zeit entwickelte es sich zum Fasnachtssport, so lange wie möglich am selben Platz im Trüble zu sitzen, ohne sich dazwischen zu erheben. Weiterer Treffpunkt ist das legendäre Lokal Gitzihöll in Malbun

Fasnachtseröffnung und Schlüsselübergabe

In vielen Gemeinden wird zu Beginn der kleinen Fasnacht am 11. November um 11.11 Uhr der Rathausschlüssel an die Narrenzunft oder das Prinzenpaar übergeben. Diese Übergabe wird meist mit Guggamusikauftritten und ersten Fasnachtspartys gefeiert.

Bälle

Während Schaan die Hochburg der Strassenfasnacht ist, sind vor allem die Törmleparty in Vaduz und der Gigox in Triesenberg die beliebtesten Fasnachtsbälle. Auch der Crazyball zählt jeweils viele Besucher.

Guggamusiken

Die ersten Guggamusiken gab es in Liechtenstein bereits in den Fünfzigerjahren. Diese losen Verbindungen lösten sich aber meist nach einigen Jahren wieder auf. Die erste Guggamusik, die bis heute besteht, entstand im Jahr 1970. In Schaan schlossen sich einige Jugendliche, ausgestattet mit alten Instrumenten der Harmoniemusik oder anderen lärmenden Dingen, zur "Schaaner Guggamusik" zusammen. Bereits im gleichen Jahr nahm die Guggamusik auch am Schaaner Umzug teil. 1967 wurde die Gruppe auf den neuen Namen Röfischrenzer getauft. 2003 wurde der Guggamusik Röfischrenzer durch den Fürsten Hans-Adam II von und zu Liechtenstein eine grosse Ehre erteilt. Sie bekamen den Titel Fürstliche Guggamusik Röfischrenzer verliehen. Seit 2006 zieren die Farben des Fürstenhauses – Rot / Gold auch die Fahne der Röfischrenzer. In den vergangen Jahren erfolgten zahlreiche Auftritte im Ausland. Seit mehreren Jahren sind die Röfischrenzer Mitglied bei der Närrischen Europäischen Gemeinschaft (NEG) und der Föderation Europäischer Narren (FEN). Präsident

Die Liechtensteiner Guggamusiken sind im Liechtensteinischen Guggamusikverband organisiert. Anders als bei vielen Guggamusiken im Ausland, wechseln die Kleidung der Liechtensteinischen Guggamusiken jährlich. Weitere Guggamusiken sind: Plunderhüüsler Schaan (1972), Törmleguger Vaduz (1974), Moschtgügeler Triesen (1976), Wildmandligugga Triesenberg (1980), Tuarbaguger Eschen (1982), Pföhrassler Balzers (1989), Ratatätsch Schaan (1998). Die Guggamusik Ratatätsch entstand aus einem Rhythmuskurs für Behinderte. Der Verein setzt sich zum Ziel, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderungen zu leisten, und diesen eine Möglichkeit zu bieten aktiv an der Fasnacht teilzunehmen.

Brauchtümer

Neben den normalen Fasnachtbrauchtümer der Region, wovon in Liechtenstein vor allem das Ruassla und das Bratenstehlen sowie das Sammeln von Fasnachtsplaketten mit Enthusiasmus betrieben wurden, haben sich einige besondere Gepflogenheiten entwickelt.

Fasnachtszeitungen

Verschiedene Gruppierungen geben in der Fasnachtzeit kleine Zeitungen heraus. die das Jahresgeschehen in der Gemeinde humorvoll kommentieren. Oftmals erschliesst sich der Humor in den Fasnachtszeitungen aber nur einheimischen Lesern, welche die versteckten Anspielungen verstehen können. Als erste Fasnachtszeitung erschien 1922 in Schaan der Eselstuhl. Weitere Fasnachtszeitungen sind der Wingertesel (Schaan), Residenzler (Vaduz), Provinzler (Eschen), Jux (Ruggell), Räbahobel (Mauren), Wildmandli (Triesenberg), Trener Moscht Press (Triesen) sowie der Buschneger (Gamprin, 2002 eingestellt).

Malbuner Gemeinderatswahlen

Malbun ist eine Siedlung in einem Hochtal in den Liechtensteinischen Bergen. Während die Siedlung politisch zu Vaduz und Triesenberg gehört, wird während der Fasnacht ein eigener Gemeinderat gewählt. Zwanzig ungefragte Kandidaten müssen sich jeweils zur Wahl stellen. Das Wahlkampfprogramm beschränkt sich auf das Spendieren hochprozentiger Getränke. Aufgabe des Gemeinderats ist es, während der Amtsperiode für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

"Negerla"

Auf Anregung der Melser Kapuzinermönche wurde in Liechtenstein von den 1930er Jahren bis in die 1980er Jahre in allen Gemeinden für die Mission in Afrika gesammelt. Mit schwarz geschminkten Gesichtern und Baströckchen gingen Kinder von Tür zu Tür. Zudem war in vielen Schulen ein sogenanntes "Negerkässile" aufgestellt, eine Geldsammelbüchse mit einem knienden schwarzen Jungen, der dankend mit dem Kopf nickte, wenn man eine Münze einwarf. Dieser rückwirkend betrachtet rassistisch gefärbte Brauch wird heute nicht mehr ausgeübt.

Trivia

Der Schaanerfasnachtsruf "Allweg Kwösso" (etwa: Gewiss auf allen Wegen) soll die Antwort eines Schaaners auf die Frage wo es denn zum Restaurant Rössle ginge gewesen sein. Der Ruf erinnert an den Ausspruch Alle Wege führen nach Rom.

Gerüchteweise wird der Fasnacht in Liechtenstein auch die Erfindung des Flying Hirsch, ein alkoholisches Mischgetränk aus Wodka und Jägermeister, zugeschrieben. Grösstenteils herrscht jedoch die Meinung vor, dass das Getränk in einem österreichischen Skigebiet erfunden wurde. Dennoch verkleiden sich Liechtensteinische Jugendliche in dre Fasnachtszeit seit vielen Jahren als fliegende Hirsche.

Im Liechtensteinischen Landesmuseum ist eine permanente Ausstellung der Liechtensteinischen Fasnacht gewidmet. Auch in anderen liechtensteinischen Museen wurden temporäre Ausstellungen zum Thema gezeigt.