Zum Inhalt springen

Indopazifisch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. September 2007 um 15:12 Uhr durch Ernst Kausen (Diskussion | Beiträge) (völlige Neubearbeitung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Indopazifisch ist eine von Joseph Greenberg 1971 begründete Makrofamilie, die außer den Papua-Sprachen Neuguineas um umliegender Inseln auch die andamanischen und tasmanischen Sprachen umfasst. Diese indopazifische Hypothese fand nur sehr wenig Unterstützung und wurde von den meisten Forschern abgelehnt.

Komponenten des Indopazifischen

Die indopazifische Makrofamilie etablierte Joseph Greenberg in seinem Artikel The Indo-Pacific Hypothesis von 1971, nachdem er seine erfolgreiche Klassifizierung der afrikanischen Sprachen abgeschlossen hatte. Er fasste als indopazifisch folgende Sprachgruppen zusammen:

  • Indopazifisch
    • Andamanisch (die Sprachen der andamanischen Urbevölkerung)
    • West-Indopazifisch (Papua-Sprachen von Halmahera, Timor und West-Neuguinea)
    • Nukleares Neuguinea (Papua-Sprachen aus Nord-, Südwest-, Süd-, Zentral- und Ostneuguinea)
    • Nordost-Neuguinea (Papua-Sprachen aus Nordost-Neuguinea)
    • Pazifisch (Papua-Sprachen der Arcipele Nuebritannien, Bougaunville, Salomonen, Santa Cruz)
    • Tasmanisch (die ausgestorbenen Sprachen der tasmanischen Urbevölkerung)

Die australischen Sprachen schloss Greenberg vom Indopazifischen explizit aus. Er begründete seine indopazifische Hypothese durch elf umfangreiche grammatische Argumente und durch insgesamt 84 indopazifische Wortgleichungen, die allerdings vor allem die Papua-Sprachen heranziehen, während die andamanische Komponente nur in geringem Umfang, die tasmanische kaum berücksichtigt wird.

Problematik und fehlende Akzeptanz

Die indopazifische Hypothese fand in der Fachwelt fast keine Unterstützung oder Akzeptanz, obwohl sie im weitverbreiteten Buch des Greenberg-Schülers Merritt Ruhlen A Guide to the World's Languages von 1987 ausführlich beschrieben und vertreten wurde. Dies hat mehrere Gründe.

Die etwa 800 sogenannten Papua-Sprachen (4 Millionen Sprecher) sind nur negativ als nicht-austronesische Sprachen Neuguineas und umliegender Inselgruppen definiert; sie bilden nach Auffassung fast aller Fachleute keine genetische Einheit, sondern zerfallen in mindestens 12 separate Einheiten, die nach heutigem Kenntnisstand nicht genetisch miteinander verwandt sind, und fünf isolierte Sprachen (siehe die ausführliche Darstellung im Artikel Papua-Sprachen).

Die andamanischen Sprachen bilden eine kleine Sprachfamile von 13 Sprachen (davon sind neun ausgestorben), die noch von maximal 500 andamanischen Ureinwohnern gesprochen werden. Die tasmanischen Sprachen sind bereits im 19. Jahrhundert ausgestorben, genauer: die etwa 5000 tasmanischen Ureinwohner wurden von den englischen Kolonisatoren innerhalb von 80 Jahren ausgerottet, 1888 starb der letzte reinblütige Tasmanier und mit ihm die tasmanische Sprache. Die Aufzeichnungen über die etwa zwölf Sprachen sind so dürftig, dass man nicht einmal feststellen kann, ob sie zu einer oder mehreren Sprachfamilien gehören. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden - nach anderen Forschern ist es sogar eher wahrscheinlich -, dass die tasmanischen Sprachen eher mit den geographisch und kulturell benachbarten australischen Sprachen als mit den tausend Kilometer entfernten Papua-Sprachen verwandt sind. Das Australische schloss Greenberg aber explizit aus dem Indopazifischen aus.

Greenberg vereinigt also in seiner Hypothese sehr weit geographisch auseinanderliegende, völlig inhomogene Sprachgruppen. Dazu war der Kenntnisstand der Papua-Sprachen 1971 noch relativ dürftig, der über die andamanischen Sprachen noch weit geringer und Wissen über tasmanische Sprachen aus den genannten Gründen kaum vorhanden. Die Beschreibung des Tasmanischen umfasst in der genannten Arbeit Greenbergs nur fünf Zeilen von insgesamt etwa 30 Seiten. Greenberg hatte natürlich nicht die Möglichkeit, auf rekonstruierte Protosprachen seiner Gruppen zurückzugreifen, sondern wählt für seine Wortgleichungen willkürlich aus den vielen Sprachen der einzelnen Gruppen ähnlich aussehende Wörter mit ähnlichen Bedeutungen aus. Alles in allem ist es so nicht verwunderlich, dass die indopazifische Hypothese keine Unterstützung oder auch nur Beachtung fand und inzwischen wahrscheinlich vergessen wäre, wenn Ruhlen sie nicht in seinem zitierten Buch popularisiert hätte.

Literatur