Zum Inhalt springen

Römische Villa Haselburg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. September 2007 um 00:21 Uhr durch Hartmann Linge (Diskussion | Beiträge) (Forschungsgeschichte: tippo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Römische Villa Haselburg - Herrenhaus

Die Römische Villa Haselburg ist ein Gutshof aus der Zeit der Besiedlung des Odenwalds durch die Römer. Die durch archäologische Ausgrabungen in weiten Teilen sichtbare Anlage in der Nähe der Gemeinde Hummetroth bei Höchst im Odenwald in Hessen ist als Freilichtmuseum gestaltet und frei zugänglich.

Die Villa Rustica „Haselburg“ gehört zu den mehreren hundert bekannten Gutshöfen aus der Römerzeit in Hessen. Sie ist die bislang größte bekannte und am weitesten durch Grabungen erforschte Anlage dieser Art.

Entstehung

Bedingt durch die Vorverlegung des römischen Odenwaldlimes Wörth am MainBad Wimpfen zur neuen Limeslinie MiltenbergLorch um 100 n. Chr. kam es unter Kaiser Hadrian (* 76 n. Chr., † 138) zu einer Neuordnung der zivilen Verwaltung. Der Hauptort Dieburg (Civitas Auderiensium) entstand um 130 n. Chr. am nördlichen Rand des Odenwalds und mit ihm in Südhessen zahlreiche Villae Rusticae, so auch die Haselburg, was Fundstücke, vorwiegend Keramikfunde aller Art, belegen.

Nordwesttor
Herrenhaus
Herrenhaus Hypokaustum
Wirtschaftsgebäude mit Kellerabgang
Badehaus
Heiligtum mit Jupitersäule (Fotomontage)

Anlage

Um die annähernd quadratische Grundfläche der Haselburg mit einer Kantenlänge von 183,5 mal 185,5 Metern befand sich eine Mauer von 0,75 bis 3,80 Meter Stärke. In der Mitte der Nordwestseite gab es einen Zugang mit einer Durchfahrtsbreite von 3,60 Metern. 1880 berichtete der Ausgräber Heinrich Gieß von zwei mächtigen Sandsteinquadern mit eingelassenen Torpfannen[1], die dort ausgebrochen wurden.

Innerhalb der Umfriedung befanden sich ein ungewöhnlich großes Haupt- oder Herrenhaus, ein sich daran anschließender Wirtschaftstrakt, ein aufwändiges Badegebäude und ein etwas abseits gelegenes Jupiterheiligtum.

Haupt- oder Herrenhaus

Dem während seines Bestehens mehrfach umgebauten und erweiterten Hauptgebäude war ein dreiseitiger Säulenvorbau (porticus) vorgelagert. Unmittelbar schlossen sich funktionale Bauten wie das Bad und der Wirtschaftstrakt an, die später an das Hauptgebäude angefügt wurden. Dadurch entstand erst am Ende der baulichen Entwicklung ein Innenhof, den man sich als dreiseitig mit Säulengang umgebenen Hof vorstellen muss, der vor Sonne und Wind schützte. Die Fundamentstärke des eigentlichen Wohngebäudes belegt, dass es innerhalb des Baukomplexes dominierend gewesen ist und eine wesentlich größere Raumhöhe besessen haben muss, als die umliegenden Gebäude. Dass es mehrstöckig war, ist unbelegt.

Von den fünf ausgegrabenen Räumen war der mittlere ein Speiseraum (oecus), in dessen Apsis die typisch halbrunde Anordnung von Speisesofas stand (triclinium). Dieser und der sich westlich anschließende Raum waren beheizbar, wie die gefundenen und teilrekonstruierten Hypokausten, einer Fußboden- und Wandheizung, belegt. Der zu dieser Art der Heizung gehörende Feuerungsgang (praefurnium) befindet sich erhalten außerhalb der Apsis und führt zu einem Raum, in dem ein Feuer in Gang gehalten werden konnte, dessen heißer Rauch durch die Sogwirkung unter dem Fußboden der Räume hindurch und über Hohlziegel (tubuli) durch die Wände nach oben abgeleitet wurde. Auch der sich östlich an den Speisesaal anschließende Raum war teilweise beheizbar. Ein großes Tor mit erhaltener Schwelle öffnete den Raum zum Innenhof hin.

Außen war das Gebäude weiß und der Sockel rot verputzt. Auch an den Innenwänden zeugen Reste von Wandbemalungen und Glasfenstern von einem gewissen Wohnkomfort. Zahlreiche gefundene Putzfragmente zeigen dies.

Wirtschaftstrakt

Die bauliche Anbindung des sich östlich an den Innenhof anschließenden Wirtschaftstrakts lässt zwei Deutungen zu: Einerseits lässt der Fund eines Kellers mit einem Ofen oder Herd und einer vermutlich darüber liegenden Küche auf ein geschlossenes Nebengebäude schließen, zumal im Hauptgebäude sonst keine Hinweise auf ein Küche existieren, andererseits deuten mehrere Sockelsteine in dem südlich an den Keller anschließenden Teil auf einen Porticus oder eine Dachkonstruktion hin.

Badehaus

Das übliche, aber im Verhältnis zum Ausmaß der Gesamtanlage ungewöhnlich große Badegebäude schloss sich südwestlich an den Innenhof an. Vom Peristyl kommend, betrat man zunächst den Umkleideraum (apodyterium), an den sich die typischen drei Räume für verschieden temperierte Baderäume angliederten: Das Kaltbad (frigidarium) mit Kaltwasserwanne, das Laubad (tepidarium) und das Warmbad (caldarium) mit Warmwasserwanne. Auch ein Dampfschwitzbad (sudatorium) war vorhanden.

An das Warmbad war, wie am Hauptgebäude, ein Heizungsraum (praefurnium) im Westen angebaut, der Lau-, Warm- und Schwitzbad über ein Hypokaustum mit Wärme versorgte. Die rekonstruierte Latrine, die man über einen separaten Gang erreichte, befand sich neben dem Eingang zum Bad. Die Toilette wurde durch das ablaufende Wasser der Kaltbadewanne gespült.

Jupiterheiligtum

Auf dem Areal der Haselburg, nördlich des Hauptgebäudes, befinden sich die Fundamente eines 17 mal 10 Meter großen Tempels, den eine Zwischenmauer in einen Hauptraum und einen Vorhof teilt. In dem Hauptraum stand eine Jupitergigantensäule, deren Höhe man aufgrund von Fragmentfunden in einer nahe gelegenen Grube auf 10 Meter bestimmen konnte. Die gefundenen Reste der Säule bestanden aus Teilen des Reiters, der die Säule bekrönte, sowie der obersten geschuppten Säulentrommel.

Verfall

Die Fundstücke auf dem Areal der Haselburg belegen, dass sie wahrscheinlich nicht mehr als 100 Jahre bestanden hat. Spätestens 260 n. Chr., als sich germanische Übergriffe auf das Grenzland häuften und die römischen Stellungen aufgegeben wurden, war sie bereits verlassen. Danach verfiel die Anlage. Anscheinend wurde sie nur wenig als Steinbruch benutzt, denn nach Berichten aus den Jahren 1880 bis 1886 ragten ihre Trümmer noch über einen halben Meter hoch. Dadurch war eine landwirtschaftliche Nutzung nur eingeschränkt möglich und auf den Mauerresten wuchsen Haselsträucher, wovon die Anlage ihren heutigen Namen hat.

Forschungsgeschichte

Zeichnerische Rekonstruktion der Villa (Mitte), Badehaus (links) und Witschaftsgebäude (rechts)

Nach der Aufgabe der Anlage durch die römischen Bewohner geriet sie in Vergessenheit. Ab einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt tauchte der Name Haselburg oder auch Hasselburg in älteren Katasterplänen auf[2] . Erst Franz I. Graf zu Erbach-Erbach (1754-1823) beauftragte mit der Untersuchung der Haselburg seinen gräflichen Regierungsrat J.F. Knapp, der irrtümlich vermutete, ein römisches Kastell vor sich zu haben. Seine Beschreibungen vermittelten aber einen guten Zustandsbericht der Anlage zu Beginn des 19. Jahrhunderts, während seine archäologischen Befunde aufgrund der falschen Voraussetzungen zu vernachlässigen waren.

Übersichtskarte der Ausgrabungsfläche

Knapp beschrieb nicht nur recht exakt die äußeren Maße der Anlage, sondern auch die Höhe der Wall- oder Umfassungsmauerreste mit jetzt noch drei bis vier Fuß hoch, das sind mindestens 75 Zentimeter, legt man das im Großherzogtum Hessen-Darmstadt damals übliche Maß für einen Fuß = 25 Zentimeter zugrunde. Weiter berichtete Knapp von Ruinen zweier römischer Bäder und noch zwei andere Erhöhungen der Erde, wobei sich später herausstellte, dass das zweite Bad das Herrenhaus war. Ferner bemerkte Knapp bereits, dass von vier Zimmern jedes einen Fuß tiefer lag, als das andere; vielleicht um das Wasser aus einer nahe dabei befindlichen Quelle desto leichter von einem Gemach in das andere leiten zu können. Dies konnte bei späteren Ausgrabungen belegt werden, als man einen Wasserkanal fand, der genau der von Knapp beschriebenen Anordnung der Räume folgte. 1839 fand man in der Hypokaustenanlage des Hauptgebäudes einen Deckziegel mit eingeritzten Schriftzeichen. Knapp veröffentlichte diesen Fund 1841. Spätere Forschungen analysieren dies[3].

In dieser Veröffentlichung stellt Knapp erstmals fest, es könne sich nicht um ein Kastell handeln, da die Anlage weder Spuren eines Grabens, noch die abgestumpften Castellecken erkennen läßt, dagegen aber im Innern Heizungsanstalten besitzt. Darüber hinaus brachten Knapps Berichte keine wirklich neuen Erkenntnisse aus der Bodenforschung, auch wenn er behauptete, Mosaiken entdeckt zu haben[4].

Erst 1880, 1882, und 1886 führte Heinrich Gieß im Auftrag des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine Grabungen im Haselburggelände und an den Umfassungsmauern durch. Er veröffentlichte die Ergebnisse seiner Untersuchungen regelmäßig in den Quartalsblättern des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen. 1880 und 1882 bezeichnete er die Anlage noch als Castell, 1886 als «Kastell» und 1893 nach Ende seiner Grabungen schließlich als die grösste der bürgerlichen Niederlassungen, die man bis jetzt im Odenwalde kennt und fährt fort: Sie ist schon über ein halbes Jahrhundert beliebtes Objekt der Forscher und wurde bis zum Jahr 1886 für ein grosses Kastell angesehen.[5]

In der Folgezeit wurde die Haselburg zwar immer wieder von bekannten Archäologen wie Friedrich Kofler, Eduard Anthes, Fritz Behn und dem Heimatforscher Friedrich Mössinger erwähnt, in das Interesse der Öffentlichkeit geriet die Anlage aber erst wieder 1973, als die Planungen für eine Ferngasleitung, die das Gelände durchschneiden sollte, bekannt wurden.[6] Hatten die Forschungen Grießens keine Erkenntnisse über die genaue Lage der schon aufgedeckt gewesenen und wieder zugeschütteten Räume erbracht, traten deren Grundmauern beim Ausheben des Schachtes für die Ferngasleitung MEGAL I 1979 zu Tage.

Römerstraße im Hummetroth

Durch die Außenstelle Darmstadt des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen wurde erreicht, dass das Gasrohr ohne Graben mithilfe eines Schutzrohrs unter den Fundamenten des Herrenhauses hindurchgepresst wurde. So blieb die Substanz des Herrenhauses erhalten. Unter der Leitung von Dr. Reinhard Andrae wurden 1984 die Grundmauern des Wohngebäudes, des Bads, des Peristyls, des angrenzenden Hofbereichs mit einem Keller und eines Stücks der Umfassungsmauer ausgegraben und aufgemauert.

Wenige Jahre später begannen im Rahmen der Verlegung von MEGAL II, einer zweiten Ferngasleitung durch das Gelände der Haselburg, weitere Sicherungsmaßnahmen durch das Landesamt für Denkmalpflege. In einer großen Flächengrabung legte man einen breiten Streifen um die bereits gefundenen Relikte frei und fand dabei erneut Teile der Umfassungsmauer, ihrer Westecke, eines Tores, eines Maueranbaus und des Heiligtums mit dem Fundament für die Jupitergigantensäule. 1993 deckten Grabungen des Landesamts die drei restlichen Ecken der Umfassungsmauer auf, die ebenfalls durch Aufmauerung sichtbar gemacht wurden.

Im etwa 1000 Meter nordwestlich von der Villa entfernten Hummetroth befinden sich in fast gerader Linie zur Haselburg Reste einer Römerstraße, die vermutlich eine Verbindung zwischen der Villa Haselburg und Brensbach darstellte.

Parkplatz mit Wegweisung

Heutige Darstellung

Ende 1983 wurde der Verein zur Förderung des Freilichtmuseums „Römische Villa Haselburg“ e.V. gegründet, der sich seither für die Erforschung, Erhaltung und Erweiterung der Anlage einsetzt. Durch ihn wurde und wird die Villa der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und Führungen nach Vereinbarung durchgeführt.

Das Haselburggelände steht unter Denkmalschutz. Somit wurden unerwünschte Eingriffe in die Substanz des Bodendenkmals unmöglich gemacht. Das gesamte Areal der römischen Villa wurde von der Gemeinde Höchst im Odenwald gekauft. Die Ausgrabungen mit ihren rekonstruierten Grundmauern wurden mit Schautafeln und angemessener Begrünung versehen. Haselburgverein, Gemeinde sowie der Odenwaldkreis wenden zur Erhaltung der Anlage erhebliche Mittel auf.

Im Verbund mit dem Verein Museumsstraße Odenwald-Bergstraße streben die beteiligten Körperschaften durch die weitere Erforschung der Haselburg-Geschichte und dem Ausbau der Anlage an, neben der Saalburg ein zweites Römermuseum in Hessen zu etablieren.

2003 wurde die Haselburg im Rahmen einer Doktorarbeit an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main mit dem Ziel bearbeitet, eine zitierfähige Monographie dieser bedeutenden Ausgrabungsstätte zu erstellen.

Anmerkungen

  1. Heinrich Gieß: Quartalsblätter des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen. Historischer Verein für das Großherzogtum Hessen, Darmstadt 1880.
  2. Flurkarte mit dem Parzellenbròuillon der Gemarkung Hummetroth von 1856/57, bearbeitet durch den Geometer I.Klasse Dieter (Gemeindearchiv Höchst i. Odw.).
  3. Bestimmung von Elementen in römischen Ziegeln der Haselburg/Odw. durch zerstörungsfreie Röntgenfluorescenzanalyse
  4. Widerlegung der Mosaikfunde. Online-Veröffentlichungen der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie an der Universität Freiburg i. Br.
  5. Heinrich Gieß: Schloss Breuberg im Odenwald und die germanischen und römischen Denkmäler in seiner Umgebung. O.V., Heppenheim 1893.
  6. Fundberichte aus Hessen, 1973

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Hummetroth. Röm. Gutshof Haselburg. In Fritz-Rudolf Herrmann und Dietwulf Baatz (Hrsg.): Die Römer in Hessen. Lizenzausgabe der Auflage von 1982, S. 360-362. Hamburg, 1989. ISBN 3-933203-58-9
  • Helmut Castritius: Der Odenwald und die Römer. In: Der Odenwald, Zeitschrift des Breuberg-Bundes 47/3. Breuberg-Bund, Breuberg-Neustadt 2000, S. 87-94
  • Wilhelm Franck: Über die Spuren römischer Niederlassungen in der Provinz Starkenburg, ihre Bedeutung und ihren Zusammenhang. Brill, Darmstadt 1870.
  • Fritz-Rudolf Herrmann: Die villa rustica „Haselburg“ bei Hummetroth. Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2001. (Archäologische Denkmäler in Hessen, 55).
  • Fritz-Rudolf Herrmann: Die villa rustica „Haselburg“ bei Hummetroth. 2., erweiterte und ergänzte Auflage. Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2001. (Archäologische Denkmäler in Hessen, 55). ISBN 3-89822-055-9
  • Werner Jorns: Neue Bodenurkunden aus Starkenburg. Bärenreiter, Kassel 1953, S. 112-145
  • Friedrich Mössinger: Die Römer im Odenwald. Südhessische Post, Heppenheim 1954. (Schriften für Heimatkunde und Heimatpflege im südhessischen Raum, 13/14).
  • Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Theiss, Stuttgart 1984. ISBN 3-8062-0328-8
  • Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistische-topographische-historische Beschreibung des Großherzogtums Hessen, Bd. I. Provinz Starkenburg. Leske, Darmstadt 1829.
  • G.W.J. Wagner: Die Wüstungen im Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg. Verlag des Historischen Vereines für das Großherzogthum Hessen, Darmstadt 1862. Reprint bei Sändig, Wiesbaden 1969.
  • Philipp Alexander Ferdinand Walther: Das Großherzogtum Hessen nach Geschichte, Land, Volk, Staat und Örtlichkeit. Jonghaus, Darmstadt 1854. Reprint bei Sändig, Wiesbaden 1973.
  • Ph.A.F. Walther: Die Altertümer der heidnischen Vorzeit innerhalb des Großherzogtums Hessen, nach Ursprung, Gattung und Örtlichkeit. Brill, Darmstadt 1869.
Commons: Römische Villa Haselburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Koordinate Artikel

Vorlage:Lesenswert Kandidat