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Thomas-Theorem

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Das Thomas-Theorem wurde von den amerikanischen Soziologen William Isaac Thomas (1863-1947) und Dorothy Swaine Thomas (1899-1977) aufgestellt. Dieses Theorem ist ein Grundpfeiler der Soziologie.

"If men define situations as real, they are real in their consequences" auf deutsch: "Wenn Menschen Gegebenheiten als real ansehen, dann werden sie so handeln, als seien sie real, und insofern kommt es zu realen Konsequenzen (einer möglicherweise rational nicht gegebenen Tatsache)." (W.I. Thomas and D.S. Thomas (1928). The Child in America, S. 572)

Erklärung: Die Interpretation der Situation bestimmt das Handeln. Diese Interpretation findet nicht objektiv statt. Handlungen sind durch subjektive Situationswahrnehmungen geprägt.

Reflexivität von Situationsdefinition

Das der wissenschaftlichen Disziplin der Sozialpsychologie zuzuordnende Thomas-Theorem kann auch als allgemeiner Hinweis auf die Reflexivität von Situationsdefinitionen durch handelnde Menschen als Akteure bewertet werden. Es erinnert daran, dass nicht „die Tatsachen, sondern die Meinungen, welche wir über Tatsachen haben“ (Alexander von Humboldt), entscheiden.

Aktuelle Rolle des Theorems

Das Thomas-Theorem wirkt universell und wird auch, etwa bei Meinungsumfragen, so angewandt, aber kaum noch als handlungswissenschaftliches Leitkonzept thematisiert. Der Sozialwissenschaftler Richard Albrecht hat es in den letzten Jahren in Erinnerung gebracht und in zwei Feldern angewandt: einmal in einem Vortrag über die Wirksamkeit von Mythen am Beispiel des "Rheinmythos" [1], und zum anderen in einem Beitrag zur "Völkermordmentalität" im Zusammenhang mit historischer und soziologischer Genozidforschung [2].

Beispiele

Klassische Beispiele

Wenn viele Menschen in einem Ort dem falschen Gerücht folgen, dass die Bank ihres Ortes pleite sei, und daraufhin alle zur Bank gehen, um ihr gespartes Geld abzuheben, dann wird die Bank pleite gehen, obwohl es sich anfangs nur um ein Gerücht handelte.

In Japan kam es 1973 während der Ölkrise zu der sog. Toilettenpapierpanik. Das Gerücht einer zu erwartenden Verknappung von Toilettenpapier aufgrund einer Beschränkung der Ölimporte führte zu Hamsterkäufen. Damit kam es zu einer Verknappung, die wiederum die Gerüchte zu bestätigen schien.

Keynes' Schönheitswettbewerb

Ein bekanntes Beispiel aus der Spieltheorie wurde von John Maynard Keynes unter dem Namen Beauty Contest entwickelt, um zu begründen, dass Börsenkurse sich nicht unbedingt gemäß realwirtschaftlicher Vorgaben entwickeln. Er geht davon aus, dass viele der Anleger Anlageentscheidungen nicht gemäß ihrer eigenen Einschätzung vom Wert z.B. einer Aktie treffen, sondern versuchen, die Meinung der anderen Marktteilnehmer zu erkennen.

Siehe auch

Quellen

  1. gedruckt in: Kultursoziologie, 12. Jg. 2003, I, pp. 125-132
  2. gedruckt in: Kultursoziologie, 13. Jg. 2004, I, pp. 73-90