Nachspiel
Das Nachspiel ist ein kurzes, heiteres und teilweise derbes, possenhaftes Stück, das in der europäischen Theatertradition bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nach der Aufführung eines dramatischen Bühnenwerks folgte. Sie war eine so genannte Nachcomoedie, zum Teil auch mit Pantomime oder Ballett. Inhaltlich bestand meist kein Zusammenhang zur Hauptaufführung.
In der Geschichte des Theaters haben sich viele unterschiedliche Formen des Nachspiels herausgebildet,
- das Satyrspiel als Abschluss der drei Tragödien im griechischen Antike,
- Exodium bzw. Atellane im Theater der römischen Antike,
- die Klucht als Nachspiel der Abelespelen und Moralitäten im Mittelalter,
- die Jigs, Pickelheringspiele und Hanswurstiaden der englischen Komödianten des elisabethanischen Theaters und der deutschen Wanderbühnen,
- Schwank und Posse als volkssprachliche Stücke nach den lateinischen Schuldramen im Jesuitentheater der Barockzeit,
- die Entreméses und Sainetes des spanischen Barockheaters und
- die Arlecchino-Farcen aus der italienischen Tradition der Commedia dell’arte im 17. und 18. Jahrhundert, die auch in der französischen Komödie gepflegt wurde, u. a. von Molière.
Das erste bezeugte Nachspiel des deutschsprachigen Theaters Vom Bauern Mopsus, der seine Frau verprügelt stammt aus dem Jahr 1581. Es steht in der Tradition der Fastnachtsspiele. Die Nachspiele waren beim Publikum außerordentlich beliebt und attraktiver als die Haupt- und Staatsaktion, so dass Johann Christoph Gottsched im Zuge seines Versuchs einer Theaterreform 1737 in Leipzig den Hanswurst als Hauptdarsteller von der Bühne verbannen ließ – ironischerweise in einem dafür verfassten Nachspiel. Er konnte sich jedoch nicht durchsetzen und empfahl statt der improvisierten, oft aus dem Stegreif gespielten Burlesken dramaturgisch ausgearbeitete Einakter wie die Schäferspiele. Auch diese etablierten sich nicht; noch 1757 folgte nach einer Aufführung von Gotthold Ephraim Lessings bürgerlichem Trauerspiel Miss Sara Sampson (1755) in Lübeck die Ballettpantomime Der vom Arlekin betrogene Pantalon und Pierrot. Erst am Ausgang des 18. Jahrhunderts endete die Theaterpraxis der Nachspiele.
Nicht mit dieser Tradition zu verwechseln sind Nachspiele, die mit dem Hauptstück in einem thematischen Zusammenhang stehen, wie z. B. die allegorischen Ausdeutungen der Jesuitendramen, und der dramatische Epilog, der einen Nachtrag oder Ausblick aus dem Stück bietet, u. a. in Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden (1949) und Max Frischs Biedermann und die Brandstifter (1958), von Pavel Kohout in seinen Einaktern auch mit Vor- und Pausenspielen kombiniert. Diese Form des Nachspiels entstand erst im 19. Jahrhundert, z. B. in Friedrich de la Motte Fouqués Die Belagerung von Byzanz oder Griechisches Feuer (2004 posthum veröffentlicht).
Literatur
- David Genthin John: The German Nachspiel in the eighteenth century. Toronto 1991. ISBN 0-8020-2771-7
- Christopher Maidment: Satura und Satyroi. Die englische Renaissance-Satire im Widerstreit zweier Etymologien. Studien zur Aufdeckung einer Gattungskontamination am Beispiel der elisabethanisch-jakobäischen satirischen Literatur. (Dissertation) München 1993
- Susan Kattwinkel: Tony Pastor presents: afterpieces from the vaudeville stage. Westport (Connecticut) 1998. ISBN 0-313-30459-9