Geschichte und Sprache der Bretagne
Die Landschaft
Die Bretagne ist die größte Halbinsel Frankreichs. Sie gliedert sich in zwei Bereiche: in das Land am Meer (Armor) und das Land des Waldes (Argoat). Armor, diese Bezeichnung verwendet der Bretone für Meer, doch damit ist nicht allein die Küste gemeint, sondern auch die Inseln, die amphibische Zone das Watts und der breite Küstenstreifen.
Argoat ist die bretonische Bezeichnung für das Waldland der Bretagne. Doch das ursprüngliche Landschaftsbild im Innern ist seit den mittelalterlichen Rodungsperioden stark verändert worden. So finden sich im Inneren der Bretagne nur noch wenige größere Buchen- und Eichenwälder. Die Landschaft wird heute von Äckern und Grünland beherrscht, welches durch die unzähligen Hecken (bocage) und Steinmauern schachbrettartig aufgeteilt wird.
Die Wirtschaft
Doch wie steht es mit der wirtschaftlichen Lage der Bretagne? Lange Zeit galt sie als Armenhaus Frankreichs. In den 60er Jahren veranlasste die Unabhängigkeitsbestrebungen die Zentralregierung in Paris, in die Industrialisierung der Bretagne zu investieren. Durch diese hohen Investitionen konnten Tourismus, Fischerei, Landwirtschaft und Industrie zu einträglichen Industriezweigen werden.
Erschwerend kam allerdings die ungünstige Lage zu den großen Absatzmärkten hinzu, welches zusammen mit der niedrigen Kaufkraft der Region den Aufschwung erschwerte.
Die Geschichte der Bretagne
Die Anfänge
Um 500 v.Chr. ließen sich die ersten Kelten - das Volk das „aus dem Dunkeln“ kam - auf der bretonischen Halbinsel nieder und nannten sie Aremorica "Land am kleinen Meer" (womit offenbar der Golf von Saint-Malo gemeint ist).
Die Kelten konnten sich aufgrund ihrer Kenntnisse der Eisenerstellung einen enormen Kulturraum in Europa erobern. Im 2. Jh. v. Chr. lebten auf der bretonischen Halbinsel fünf keltische Stämme: die Veneter im Süden, die Osimier im Nordwesten, die Redoner im Osten, die Coriosoliter im Norden und schließlich die Namneter im Südosten. Sie bildeten keine Einheit, sondern waren untereinander zerstritten. Der mächtigste Stamm unter ihnen waren die Veneter, die im 1. Jh. v. Chr. alle anderen Volksstämme beherrschten. Sie standen an der Spitze des Bundes aller keltisch-bretonischen Stämme, die den Römern ab 58 v. Chr. Widerstand leisteten.
Nach der entscheidenden Schlacht 56 v. Chr. erlangten die Römer die Vorherrschaft über Armorika. Die damaligen Gegebenheiten sind auch durch Cäsars „De Bello Gallico“ bekannt geworden.
Während dieser Zeit der Unterdrückung durch die Römer mussten sich die Druiden, die geistlichen Führer der Kelten, immer mehr zurückziehen. Da sie einen nicht zu verachtenden Machtfaktor darstellten, wurden sie von den Römern verfolgt. Im Rahmen dessen, zogen sich die Druiden nach Britannien zurück, wo ihnen noch die Freiheit von Sprache und Kultur zugestanden wurde. Als auch dort die Verfolgungen einsetzten, zogen sie sich bis ins heutige Schottland zurück. Doch schon vor dieser Zeit bestand noch reger Kontakt der Kelten untereinander. So zogen die angehenden Druiden auf die britannische Insel um dort zu studieren und in Religion und Heilkunde unterrichtet zu werden. Die Romanisierung der Bretagne begann schon unmittelbar nach der Eroberung. Beendet war sie nach einem lange andauernden Prozess jedoch erst gegen das Ende des Altertums. Erst zu diesem Zeitpunkt war also die keltische Sprache vollständig verschwunden.
Britische Einwanderung
Ab etwa 450 wanderten die ersten christianisierten Kelten aus dem Südwesten Britanniens auf der bretonischen Halbinsel ein. Diese waren auf der Flucht vor den heidnischen Sachsen, Angeln und Jüten. So setzten etwa zwei Jahrhunderte lang in unregelmäßigen Abständen Inselkelten zur Bretagne über. Sie besiedelten und christianisierten Armorika und sorgten damit für die Wiederbelebung der keltischen Sprache. Das Bretonische ist also nicht die Fortsetzung der zu Cäsars Zeiten gesprochenen keltischen Sprache, sondern eine eingeführte Sprache.
Im Zuge der Stärkung der keltischen Sprache und Kultur wurden die Galloromanen immer weiter zurückgedrängt, bis sie die Vorherrschaft um 580 endgültig verloren.
Erstarkt durch den inneren Zusammenhalt gelang es schließlich den Bretonen, (um 600) ein Königreich zu gründen, das 200 Jahre Bestand hatte und erst 799 durch Karl den Großen zerschlagen wurde.
Das Mittelalter
Doch schon zwanzig Jahr später herrschten die Bretonen wieder selbst über ihr Reich und leibten sich auch Gebiete des Frankenreiches ein. Doch lange hielt die Zeit des Friedens und des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht an. Kam es doch wie schon Jahrhunderte zuvor zu Streitigkeiten zwischen den einzelnen Gebieten. So endete die Zeit des Königtums in der Bretagne um die Jahrtausendwende, gefolgt von der Etablierung unzähliger kleinerer Herzogtümer, die ständig um das Land stritten. Es kam wie es kommen musste, die Herzogtümer konnten den Bedrohungen ihrer Nachbarn nicht standhalten und riefen fremde Länder um Hilfe an.
Diese waren Frankreich und England, die in folgenden Jahren ihre Herrschaftsansprüche auf die Bretagne geltend machen wollten und auch in den bretonischen Erbfolgekrieg verwickelt waren, der Mitte des 14. Jh. für 20 Jahre tobte. Hierbei gelang es Englands Favoriten Jean de Montfort die Herrschaft zu erringen und sich als Herzog der Bretagne zu legitimieren. Es folgen Jahre der Blüte und des Wachstums, als Herzog Franz II Ende des 15. Jh. zu einer Schlacht gegen die Franzosen zog und kläglich verlor. Seine Tochter Anne, heiratete daraufhin nacheinander die französischen Könige Karl VIII. und Ludwig XII.. Hierbei machte sie es zu ihrer jeweiligen Bedingung, Herzogin der Bretagne bleiben zu dürfen. Nach ihrem Tode fiel die Bretagne endgültig an Frankreich.
Die Neuzeit
Als Provinz Frankreichs bekam die Bretagne das Recht auf eine eigene Städteversammlung. Dieses ein Parlament, welches in Rennes zusammentrat blieb bis zur Französischen Revolution bestehen.
Die Jahre nach der Annektierung waren von hohem Wohlstand und Blüte gekennzeichnet. Dieses traf vor allem auf die Küstenstädte zu, wogegen das Hinterland weiter von Armut und Rückständigkeit gekennzeichnet war. Ab etwa 1700 entwickelte sich allmählich das Neubretonische, was im Wesentlichen der wissenschaftlichen Erforschung der Sprache zu verdanken war. War es in vergangenen Zeiten der Fremdherrschaft schon schwierig gewesen, die bretonische Sprache und Kultur zu erhalten, so spitzte sich alles nach der Französischen Revolution zu. Hatten die Bretonen erst große Hoffnungen damit verbunden, zeigten sich die neuen Herrscher nun als erneute Unterdrücker, indem sie die bretonische Sprache und die freie Religionsausübung der dort lebenden Protestanten verboten. Doch die Sprache und Kultur blieb erhalten, getragen von der Mehrheit der Bevölkerung und Gruppen von Unabhängigkeitskämpfern.
Aus Furcht, das Französische könne schlechte Tendenzen auf das Bretonische haben, wurde 1898 die „Union Régionaliste Bretonne“ gegründet, welche das Ziel hatte, dem Mythos einer unabhängigen Bretagne populär zu machen. Dazu kam die 1911 gegründete „Fédération Régionaliste de Bretagne“, welche sich für die Autonomie der Bretagne einsetzte und die Zeitung „Breiz Dishual“ (Freie Bretagne) herausbrachte. Beide Gesellschaften mussten jedoch ihre Aktivitäten in den Wirren des Ersten Weltkrieges einstellen.
Der Erste Weltkrieg
Im Verlauf des Ersten Weltkrieges mussten die Bretonen viel Blutzoll bezahlen. Etwa 10% der Gesamtbevölkerung, also 240.000 Soldaten ließen ihr Leben. Das war immerhin jeder vierte, der in den Krieg gezogen war. Im Vergleich dazu, wurde im Krieg nur jeder 8. Französische Soldat getötet. Einer der Gründe für die hohen Verluste seitens der Bretonen war, dass sie der französischen Sprache kaum mächtig waren und daher von ihren französischen Landsleuten häufig erschossen wurden, da diese sie für Spione hielten.
Die Nachkriegszeit
Bedingt durch die hohen Verluste durch den Krieg wurden die Bretonen um so mehr angestachelt, auf ihre Unabhängigkeit zu drängen. Die rechten Intellektuellen gründeten die Zeitung „Breiz Atao“ (Bretagne für immer), die für eine freie Bretagne in einem Europa ohne Grenzen eintrat. Dicht gefolgt von der linksliberalen „Nationalistischen Bretonischen Partei“ (P. N. B.), welche die Untergrundorganisation „Gwen ha du“ (Weiß und Schwarz), benannt nach der bretonischen Flagge, ins Leben rief. Letztere versuchten ihre Bestrebungen mit Waffengewalt durchzusetzen.
Der Zweite Weltkrieg
Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung der 30er Jahre brach der Zweite Weltkrieg aus. Nachdem die Bretagne fast kampflos an die dt. Truppen gefallen war, bauten diese die Küsten zu wahren Festungen aus, die dann von den Alliierten unter ständigem Beschuss lagen. Dabei wurden auch die meisten Küstenstädte weitgehend zerstört.
Trotz dieser Opfer des Krieges in der eigenen Bevölkerung sahen einige Bretonen in der Zusammenarbeit mit den faschistischen Deutschen den Weg zur Unabhängigkeit. Die radikalsten Nationalisten der „Nationalistischen Bretonischen Partei“ (P. N. B.) und deren Untergrundorganisation „Gwen ha du“ wirkten daran mit.
Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten die als Kollaborateure verhaßten Regionalisten unter und es kam durch die liberalen Kräfte zu einer Wiederbelebung der bretonischen Sprache und Kultur. Dieses verstärkte sich noch, als Präsident Charles de Gaulle 1951 ein Komitee zur Förderung der Interessen der Bretagne einsetzte und die Kultur und Sprache förderte. Durch diese Unterstützung seitens die Regierung erlebte die Region einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung und die weitere Abwanderung der Bretonen wurde verhindert. Durch diese Maßnahmen ist die Halbinsel zur bedeutendsten Agrarregion und, hinter der Côte d'Azur, zur zweitwichtigsten Fremdenverkehrregion geworden.
Regionalismus, Kultur und Sprache
Der Zeitpunkt war endlich gekommen, dass die Sprache und Kultur der Bretonen von den Franzosen anerkannt wurde. Nun ging es den Autonomiebewegungen auch nicht mehr um keltische Traditionen, sondern um politische Belange. Doch die Mehrheit der Bretonen hatte sich von ihnen abgewendet, da es nun zu einem Wiederaufleben der keltischen Kultur kam.
Keltische Zirkel und traditionelle Theater- und Folkloregruppen sorgen heute dafür, dass das alte Kulturgut weiterlebt. Dieses und die „Fest noz“, die feuchtfröhlichen Tanznächte, stoßen bei den meisten Bretonen auf mehr Interesse als politische Unabhängigkeit.
Die Sprache
Mit der Einführung der allg. Schulpflicht im Frankreich des späten 19. Jh. wurden alle Minderheitensprachen unterdrückt. An den Schulen war es streng verboten Bretonisch zu sprechen. Schüler, die gegen diese Vorschrift verstießen, mussten als Zeichen der Schande ein Hufeisen um den Hals tragen und durften es erst ablegen, wenn sie einen anderen Mitschüler verrieten, der das verbotene Bretonisch sprach. Erst 1951 hob der Staat das Verbot der regionalen Sprachen auf, und das Bretonische erhielt hiermit offiziell seine Existenzberechtigung zurück. Doch trotz der Freiheit, bretonische Kultur und Sprache zu leben, sollte es doch nicht so schnell gehen, wie erhofft. So wurden 1967 150.000 Unterschriften gesammelt, um für den Unterricht der bretonischen Sprache an Schulen zu demonstrieren. Doch daraus wurde erst einmal nichts. Erst ab Anfang der 70er Jahre bestand die Möglichkeit, Bretonisch im Abitur zu wählen, später auch in den unteren Klassen.
Waren es am Anfang nur wenige Schüler, so lernen heute bereits 80% der Schüler Bretonisch. Davon 40% in staatlichen Schulen und 60% in kulturellen Gruppen und privaten Einrichtungen. Seit 1977 darf Bretonisch sogar an Vorschulen unterrichtet werden. Doch es als Pflichtfach in Grundschulen einzuführen, fand bei der französischen Regierung bisher kein Gehör. Doch nicht nur in den Schulen vollzog sich ein Wandel; auch an den Universitäten von Brest und Rennes wurden Lehrstühle für die bretonische und die keltischen Sprachen eingerichtet. Die Universitäten geben zudem noch vier Zeitschriften heraus: „Ar Vro“ (Das Land), „Hor Yezh“ (unsere Sprache), „Skol“ (Schule) und „Skrid“ (Essays).
Auch Bücher werden veröffentlicht. Dieses dann meistens in Auflagen von 1.500 bis 2.000 Stück. Wahre Bestseller sind hingegen das „Kann an Douar“ (Lieder der Erde) und das Bretonisch - Französische Wörterbuch, welche innerhalb von 10 Jahren 20.000 Mal verkauft worden sind. Mittlerweile gibt es bretonische Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsendungen.
Gesprochen wird Bretonisch nur noch von 300.000 der 2,3 Mio. Bretonen und noch einmal so viele verstehen es. Wenn heute auch das Bretonische fast immer die Muttersprache ist, so wird es aktiv meist nur noch von den älteren Generationen gesprochen, wo der Anteil bei 90% liegt. Bei der jungen Generation der unter 20 jährigen hingegen liegt der Anteil nur noch bei 40%. Übrigens, den wohl bekanntesten Bretone kennt jeder von uns.
Es ist Asterix der Gallier!
Quellen
- Berger, Marianne; Sprechkontakt in der Bretagne
- Badeker Reiseführer; Bretagne
- Grashäuser, Jochen; Bretagne
- Rother Almut; Bretagne
- Stephens, Meic; Linguistic Minorities in Western Europe
- Asterix, der Gallier