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Stern von Betlehem

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Über den Stern von Betlehem - auch "Stern der Weisen", "Dreikönigsstern", "Weihnachtsstern" genannt - sagt die Bibel im Matthäusevangelium, Kapitel 2, Vers 1-2:

Als nun Jesus geboren war in Betlehem in Judäa, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem, die sprachen: "Wo ist der neugeborene König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten!"

In Vers 9 fährt das Evangelium fort:

Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er ankam und über dem Ort stillstand, wo das Kind war. Vorlage:Lit.

Naturwissenschaftliche Erklärungsversuche

Verschiedene Theorien versuchen seit langem, den Stern von Betlehem als damals tatsächlich sichtbares Phänomen zu erklären. Manche dieser Erklärungsversuche haben sich inzwischen als unzutreffend erwiesen. Andere erscheinen mehr oder weniger wahrscheinlich. Beweisbar im wissenschaftlichen Sinn sind sie bisher alle nicht. Ein rein mythologischer oder symbolischer Charakter des Textmotives ohne realen Hintergrund ist nicht auszuschließen.

Die Kometen-Theorie seit Origenes

Nach Diodor von Sizilien konnten schon die Babylonier oder Chaldäer Kometen beobachten und ihre Wiederkehr berechnen. Dort hatte die "Sternenkunde" ähnlich wie in den Pharaonendynastien Ägyptens eine zentrale, staatserhaltende Tradition und Funktion. Dabei wurde noch nicht zwischen Sterndeutung (Astrologie) und Sternbeobachtung (Astronomie) unterschieden.

Auch der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras von Samos, dessen Lehren von ägyptischem und persischem Wissen beeinflusst waren, lehrte nach einer Legende: Kometen seien Himmelskörper, die eine geschlossene Kreisbahn hätten, also in regelmäßigen Zeitintervallen wieder sichtbar würden. Laut des römischen Autoren Seneca war man in den antiken Großreichen enttäuscht, wenn Kometen nicht wiederkehrten, Vorhersagen darüber sich also als falsch erwiesen.

Diese antike Sternenkunde beeinflusste manche biblischen Motive und von dort aus auch die christliche Theologie. Origenes (185 - ca. 253), Theologe aus der hellenistischen Schule von Alexandria (Ägypten) und Vorsteher der Theologenschule von Cäsarea, vertrat - wohl als einer der ersten - die Meinung, der Stern von Betlehem sei ein Komet im Sinne des Phytagoras gewesen. Vorlage:Lit

Seit Beginn des 14. Jahrhunderts stellen Künstler den Stern von Betlehem als Kometen dar. Als einer der ersten tat dies Giotto di Bondone aus Florenz, nachdem er 1301 den Halleyschen Kometen beobachtet hatte, von dem schon antike Quellen recht oft berichten. Beeindruckt davon malte er diesen auf ein Fresco in der Scrovegni-Kapelle in Padua als Stern von Betlehem.

Gegen die Kometen-Theorie sprechen jedoch mehrere Gründe:

  • Kometen - irregulär auftauchende Himmelskörper - wurden im Volksglauben auch der Zeit um Christi Geburt meist mit Unheil, nicht mit Heil verbunden. Origenes versuchte zwar, dies zu relativieren, konnte aber nicht überzeugend erklären:
  • Woher wussten die Weisen aus dem Osten, dass gerade dieser bestimmte Komet gerade mit der Geburt eines bestimmten Königs in Israel und Jerusalem zusammenhängen sollte?
  • Warum fiel ein Komet um die Zeit der Geburt Jesu zwar den Weisen aus der Ferne, aber nicht den Jerusalemern und Judäern aus der Nähe auf? Keine zeitgenössische außerbiblische Quelle berichtet von derartigen Himmelsphänomen.
  • Das mögliche Geburtsjahr Jesu wird heute zwischen 7 und 4 v. Chr. datiert. Der Halleysche Komet war jedoch nicht in diesen Jahren, sondern von August bis November 12 v. Chr. sichtbar. Nur einer chinesischen Quelle zufolge wurde ein weiterer Komet im Jahr 5 v. Chr. gesichtet.

Die ältere Konjunktions-Theorie Johannes Keplers

Datei:Keplers Zeichnung der Supernova 1604.png
Illustration aus De Stella nova in pede Serpentarii, die die Position von Keplers Supernova angibt

Im 12. und im 15. nachchristlichen Jahrhundert sagten jüdische Gelehrte die Konjunktion (Begegnung) der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische als Zeichen der Geburt des Messias voraus. Diese Voraussagen erwiesen sich dann als fehlerhaft.

Der Astronom Johannes Kepler kannte diese Berechnungen jedoch. Er konnte im Dezember 1603 eine solche Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn beobachten. Am 9. Oktober 1604 beobachtete er außerdem in über 9° Distanz dazu im Sternbild Schlangenträger (Ophiuchus, damals Serpentarius) das Aufleuchten einer Supernova (Sonnenimplosion). Sie wird heute als Typ I klassifiziert, und ihre Überreste sind noch als Keplers Supernova, SN1604 oder 3C358 bekannt. Sie geschah zeitgleich mit einer Konjunktion zwischen Jupiter und Mars und in einer Distanz von nur >2° von der damaligen Jupiter-Position entfernt.

Kepler konnte den - wie er annahm - "neuen Stern" (nova stella) ab dem 17. Oktober 1604 beobachten, da die Supernova eine scheinbare Helligkeit von -2,5 erreichte und damit der hellste Stern am Abendhimmel wurde. Er konnte sich das Phänomen mit dem Wissensstand des 17. Jahrhunderts nicht erklären und die Distanz zur Erde nicht einschätzen (sie betrug etwa 20.000 Lichtjahre). So glaubte er irrtümlich, der neue Stern sei durch die Konjunktion von Jupiter und Saturn verursacht worden. Er rechnete nun zurück und fand zutreffend heraus: 7 v. Chr. hatte es eine dreifache Konjunktion zwischen Saturn und Jupiter im Sternbild Fische gegeben. 6 v. Chr. zog Mars an den beiden Planeten vorbei. Warum also, so schloss er daraus, sollte damals nicht ebenfalls eine "nova stella" entstanden sein, analog zum Ereignis 1604? Dies musste der Stern von Betlehem gewesen sein.

Heute weiß man, dass eine Planetenkonjunktion und eine Supernova zwei völlig verschiedene, unabhängige Ereignisse sind. Insofern war Keplers Theorie ein Irrtum. Richtig war jedoch seine Rückberechnung und die Annahme, dass solche Phänomene auch vor Jesu Geburt schon beobachtet und mit besonderen historischen Ereignissen in Verbindung gebracht wurden.

Die moderne Konjunktions-Theorie Konradin Ferrari d'Occhieppos

Dieser Astronom wies 2003 auf eine sehr seltene, ungewöhnlich enge, dreifache Jupiter-Saturn-Konjunktion im Zeichen der Fische am 27. Mai, 6. Oktober und 1. Dezember 7 v. Chr. Vorlage:Lit hin. Diese scheint als "Stern von Betlehem" gut in den ungefähren Zeitraum der Geburt Jesu zu passen. Occhieppo argumentiert dafür wie folgt:

- Ein babylonischer Astronom habe eine solche Konjunktion als Hinweis auf ein Ereignis in Israel (Judäa) in Verbindung mit der Endzeit verstehen müssen. Denn Jupiter war damals der Stern des babylonischen Gottes Marduk, während Saturn das Volk der Juden im Westen kosmisch repräsentiert habe.

- Die Planetenbegegnung sei als Ankündigung der Geburt eines großen Königs im Westland zu verstehen gewesen, da sie sich "im Aufgang" ereignete, das heißt vor Sonnenaufgang sichtbar war. Und diese Ankündigung habe, da Marduk (Jupiter) beteiligt war, auch für Babylonien Bedeutung gehabt.

- Die drei Konjunktionen ereigneten sich im Abstand von Monaten, so dass die babylonischen Sterndeuter hätten von Mai bis Oktober nach Israel reisen können.

- Am 12. November kurz vor Sonnenuntergang hätten sie die Planeten Jupiter und Saturn in der Abenddämmerung direkt vor Augen gehabt, als sie von Jerusalem gen Süden auf das nur etwa 10 Kilometer entfernte Betlehem zugeritten seien. Auf diesen konkreten Zeitpunkt beziehe sich Matthäus 2, Vers 10: Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut.

- Da Planeten-Umlaufbahnen als vorwärts-rückwärts-Bewegung in Relation zu Fixsternen erscheinen, hätten die Sterndeuter an einem Drehpunkt dieser Bewegung den optischen Eindruck eines Stillstands gehabt, wie ihn Matthäus 2, 9 beschreibt. Dieser habe sich genau am 12. November 7 vor Chr. ereignet. Demnach sei dieses Datum als Tag der Auffindung des Geburtsortes Jesu anzunehmen.

- Für einen Geburtstag Jesu im frühen November spreche auch, dass sich später im Winter in Israel keine Hirten auf den Feldern befunden hätten.

Occheppio betrachtet Matthäus 2, 1-12 also wegen der vielen inhaltlichen Details als schriftlichen Augenzeugenbericht der drei Weisen oder eines ihrer Begleiter. Er habe Matthäus vorgelegen, dieser habe ihn abgeschrieben. Demzufolge übersetzt er den oben zitierten Text wie folgt:

Als nun Jesus geboren worden war in Betlehem in Judäa in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da gelangten Magier von den Aufgängen (von Osten: griechisch: apo anatolon, απο ανατολων) nach Jerusalem. Sie fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben nämlich seinen Stern in dem Aufgang (griechisch: en te anatole, εν τη ανατολη, Sternenaufgang in der Morgendämmerung beim Sonnenaufgang) gesehen und sind gekommen, um ihm demütig zu huldigen. ... Und siehe, der Stern, den sie in dem Aufgang gesehen hatten, zog ihnen voran, bis er im Gehen stehenblieb oben darüber, wo das Kind war. Als sie nun den Stern erblickten, wurden sie froh in großer Freude gar sehr.

Diese Theorie ist zur Zeit sehr populär und gehört jedes Jahr in der Weihnachtszeit zum Standardprogramm von Planetarien. Sie erscheint zunächst plausibel, ist aber vielen gravierenden Einwänden und ebenso skeptischen Fragen ausgesetzt wie die frühere Kometentheorie. Beispiele:

  • Die Formulierung "Wir haben seinen Stern im Aufgang (= in der Morgendämmerung vor Sonnenaufgang) gesehen" setzt detailliertes astronomisches Fachwissen voraus. Ist dieses aber von einem Evangelisten anzunehmen? Christen standen der Sternenkunde damals ebenso wie Juden recht distanziert gegenüber.
  • Die meisten historisch geschulten Bibelausleger übersetzen die Textstelle daher heute mit "in dem Osten gesehen" oder "im Morgenland gesehen". Sie beziehen den griechischen Ausdruck also nicht auf einen Zeitpunkt, sondern auf das Herkunftsgebiet der Sterndeuter, das von Israel aus gesehen im Osten lag.
  • Dass der Stern zuvor am Hof von Herodes nicht auffiel und dieser dann - durch die Fremden aufmerksam gemacht - nicht selbst nachforschte, um seinen Konkurrenten direkt auszuschalten, erscheint weiterhin unglaubwürdig, da keine außerbiblische Quelle davon berichtet. Dies spricht eher dafür, dass eine solche Konjunktion, die für Astronomen wie Kepler ein Jahrtausendereignis war, für Nicht-Fachleute kaum bemerkenswert war.
  • Wird der Text als detailgetreuer Augenzeugenbericht genommen, dann bezieht sich der letzte Satz offensichtlich auf den bereits stehenden Stern, und nicht - wie Occheppio annimmt - auf die Wiederentdeckung des Sterns in Jerusalem wenige Wochen vor der dritten Konjunktion. Die große Freude bezieht sich deutlich auf das Ziel der Reise, das Auffinden des Geburtsortes des lange gesuchten Königs.
  • Matthäus gebraucht das griechische Wort für "Stern" und nicht für "Planet". Er habe damals sehr wohl zwischen Fixsternen und Planeten unterscheiden können. - Dieser Einwand setzt allerdings seinerseits ein bestreitbares astronomisches Fachwissen beim Evangelienautor voraus.
  • Zweifelhaft ist vor allem, ob Saturn für die babylonischen Astronomen der kosmische Repräsentant des Volkes Israel gewesen ist. Saturn galt in älteren babylonischen Quellen als Stern des Gottes Kusch, der in der babylonischen Mythologie der "Vater" Nimrods bzw. Marduks war. Wie es von da aus zur Übertragung auf das andersgläubige Judentum kommen konnte - zumal dieses Sterne als Götter ablehnte - , ist ungeklärt.
  • Heute sind mindestens 4 Keilschrifttafeln bekannt - darunter die aus Borsippa, über die Paul Schnabel 1925 berichtete - , auf denen die Babylonier die Ephemeriden (Umlaufbahnen) von Planeten wie Saturn und Jupiter im Jahr 7 v. Chr. vorausberechnet haben. Dort spielte deren große Konjunktion keinerlei besondere Rolle. Ob die Babylonier ihr überhaupt Bedeutung beimaßen, ist daher ebenfalls zweifelhaft.
  • Occheppios offenbar irrtümliche Gleichsetzung von Saturn mit Israel geht vermutlich auf die "Historien" des Tacitus zurück. Dieser ordnete das Sternbild der Fische den Flüssen Euphrat und Tigris zu, während die Griechen nur ungenau vom "Band" sprachen. Tacitus´ Angaben sind auch sonst historisch unzuverlässig. Bisher wurde keine Quelle vor 1100 bekannt, in der das Sternbild der Fische eindeutig mit dem Volk Israel in Zusammenhang gebracht wird.
  • Der Stillstand eines Planeten über dem Geburtsort Jesu wäre nicht direkt zu beobachten gewesen. Selbst ein Planet, der in Relation zum Fixsternhimmel stillzustehen scheint, bewegt sich optisch mit diesem mit. Der Eindruck bei heutigen Planetariumsvorstellungen ist ganz anders, da diese die Erdrotation zur Darstellung einer großen Konjunktion ausblenden.
  • Da die Konjunktionen von Jupiter und Saturn im Jahr 7 v. Chr. einen Abstand der beiden Planeten von ungefähr 1° aufwiesen, wären sie damals auch mit bloßem Auge noch als getrennte Planeten erkennbar gewesen.
  • Das Jahr 7 v. Chr. ist auf dem Hintergrund sonstiger historischer Anhaltspunkte (z.B. Amtsantritt des Augustus) als Geburtsjahr Jesu mit am unwahrscheinlichsten.

Konjunktionstheorien für die Jahre 3 und 2 v. Chr.

Die vielfachen historischen und astronomischen Argumente gegen Occheppios Theorie brachte einige Astronomen dazu, nach anderen Konjunktionen um die Zeitenwende zu forschen. Sie fanden weitere sehr enge Konjunktionen bzw. Bedeckungen, diesmal von Jupiter und Venus.

3 v. Chr. am 12. August passierte Venus den Jupiter mit einem Abstand von 0°4'. Bei dieser Konjunktion schienen die Planeten mit bloßem Auge betrachtet fast miteinander zu verschmelzen. So muss es in Persien bei hellem Tageslicht sichtbar gewesen sein. Beim Sonnenaufgang am Folgetag waren sie schon wieder sichtbar getrennt.

2 v. Chr. am 17. Juni passierten die beiden Planeten einander mit einem Abstand von nur 0°0'36". Diese Konjunktion war ebenfalls in Persien sichtbar. Um 20:58 Uhr Ortszeit schienen die beiden Planeten sich zu decken.

Gegen jede noch so enge Konjunktion besteht der Einwand: Zuvor waren zwei Sterne sichtbar, so dass die Bedeckung als Aufeinander-zu-Bewegung erkennbar blieb. Wieso eine solche Bedeckung - und wieso gerade diese - den Aufbruch von - diesmal persischen - Sterndeutern nach Judäa veranlasst haben soll, bleibt unerfindlich.

Die Supernova-Theorie von Werner Papke

Dieser Altorientalist und Religionswissenschaftler rekonstruiert den Stern von Betlehem aus einem Himmelsmodell des alten Babylon, wie es das Gilgamesch-Epos im 3. Jahrtausend v. Chr. beschrieb. Die damaligen Sternbilder der Babylonier waren teilweise andere als die heute bekannten. Das Sternbild der Jungfrau etwa befand sich im Bereich des damaligen galaktischen Nordpols, den Gilgamesch als Thron der Götter ansah. Dieses Sternbild hieß in Babylon "ERUA".

Die einzelnen Keilschriftzeichen für E4.RU6.U2.A hatten für sich jeweils wieder eine eigene Bedeutung: E4 hieß "Same", RU6 war das Zeichen für das Wort "Edin" - auf Deutsch: Eden - , und U2.A ist das zusammengesetzte Zeichen für "hervorbringen" oder "gebären". Für "E-RU-A" gewinnt Papke daher die Bedeutung: diejenige, die den Samen von Eden gebären wird.

Falls dies zutrifft, würde der Name an eine biblische Erzählung erinnern: In Genesis Kapitel 3, der Geschichte vom Sündenfall im Garten "Eden", spricht Gott eine Verfluchung, aber auch eine Verheißung für alle Nachkommen Adams und Evas aus. An die Frau gerichtet heißt es dort (Vers 16): "Unter Mühen sollst Du Kinder gebären." Weiter heißt es (Vers 20): "Adam nannte sein Weib Eva, denn sie wurde die Mutter allen Lebens." Diese indirekte Verheißung wird von manchen Bibelauslegern auch auf den zukünftigen Erlöser bezogen.

Papke findet darin einen Bezug zu "ERUA" und folgert daraus: Eine Supernova oder auffällige Sternenkonjunktion, die im "Schoß" dieses babylonischen Sternbilds aufleuchtete, musste für die Weisen in Babylon das Zeichen dafür sein, das dieser Erlöser nun geboren sei. Er meint, die dreimalige Konjunktion von Jupiter und Regulus in den Jahren 3 v. Chr. und 2 v. Chr. sei als dieses Zeichen aufgefasst worden.

Demzufolge übersetzt Papke den oben zitierten Text folgendermaßen:

Als nun Jesus zu Betlehem in Judäa geboren war in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Magier vom Osten (griechisch: apo anatolon, απο ανατολων) nach Jerusalem, die sprachen: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern hervorgehen (griechisch: en te anatole, εν τη ανατολη) sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen! ... Und siehe, der Stern, den sie hatten hergehen sehen, geleitete sie, bis er gerade über (dem Haus) stand, wo das Kindlein war. Als sie nun den Stern (so stehen) sahen, freuten sie sich mit sehr großer Freude. (zitiert nach Vorlage:Lit).

Auch diese Theorie basiert auf einer Reihe von Ungewissheiten:

  • Ist die Übersetzung von "ERUA" die einzig mögliche?
  • Inwiefern bezieht sich der "Same", den Erua hervorbringen wird, auf einen zukünftigen "Erlöser"?
  • Inwiefern bezieht sich der Genesistext auf einen solchen Erlöser?
  • Inwiefern waren beide Erlöser - falls die Texte auf sie hindeuten - aus babylonischer Sicht miteinander zu identifizieren?
  • Warum also sollten die Babylonier den "Samen" (Nachkommen) Eruas ausgerechnet in Israel suchen?
  • Wie leitete die Supernova oder Konjunktion sie genau nach Betlehem?
  • Warum lassen sich für den fraglichen Zeitraum keine Spuren einer Supernova oder ein Pulsar (geschrumpfter Neutronenstern) im Haar der Berenike, das heute im Schoß des alten Sternzeichens ERUA liegt, nachweisen?

Auf den letztgenannten Einwand antwortete Papke mit dem Hinweis auf den galaktischen Sternenstaub, der gerade in diesem Himmelsbezirk durch neue Teleskope nachgewiesen wurde und sich als Rest einer Supernova interpretieren lasse bzw. deren Lichtreste absorbiere. Doch auch dann bleiben die übrigen oben genannten Fragen. So ist auch Papkes Deutung - ungeachtet wahrscheinlicher historischer Abhängigkeiten der Genesis vom Gilgamesch-Epos - bis auf weiteres nicht beweisbar.

Biblisch-exegetische Deutungen

Eine mögliche Deutung des besagten Matthäustextes muss seinen unmittelbaren Kontext und weitere biblische Bezüge beachten, um nicht zu vermeintlich "objektiven" Fehldeutungen zu gelangen.

Außergewöhnliche Himmelsphänomene wurden sowohl in der antiken Umwelt als auch in Israel schon lange mit besonderen geschichtlichen Ereignissen in Verbindung gebracht. Aber während im Zusammenhang des angekündigten Endgerichts Sterne "vom Himmel fallen" (z.B. Markus 13, 25) oder "sich verfinstern" (z.B. Joel 4, 15) sollen, heißt es in (4. Mose 24, 17ff):

"Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen. Und Er wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter und den Scheitel der Söhne Seths. Edom wird er einnehmen, und Seir, sein Feind, wird unterworfen werden. Israel aber wird den Sieg erhalten."

Diese Weissagung ist eine der frühesten biblischen Ankündigungen, die später auf den Messias als Retter Israels bezogen wurden. Dabei ist dieser hier mit einem gewöhnlichen, erfolgreichen König identisch. Das Zitat steht im Rahmen der Erzählungen vom Seher Bileam (4. Mose 22 - 24) und entstand - so nehmen Historiker an - wahrscheinlich in der Zeit des Königtums Davids, als die angekündigten Siege über Israels Nachbarvölker schon errungen oder absehbar waren. Sie geben einen ersten Hinweis auf die spätere jüdische Messiaserwartung, die in der Davidzeit ihre historischen Wurzeln hat.

Die Erwartung eines Königs der Heilszeit, der Israel aus der Hand seiner übermächtigen Feinde befreit und diese vernichtet, hat nach vielen Wandlungen auch das Bild der Evangelien von Jesus mitbestimmt. Der durchgängige Rückbezug auf biblische Verheißungen ist gerade für den Evangelisten Matthäus typisch. So kann der Stern von "Betlehem", der vor den Weisen herging und sie nach Israel führte, eine Erinnerung an den Stern aus "Jakob" sein, der in Israel aufgehen sollte:

Er will offenbar die universale Bedeutung dieses neuen, ganz anderen Königs aussagen, der Israels Feinde eben nicht vernichtete, sondern von deren Weisen als ihr König erkannt wurde - im bewussten Kontrast zu Herodes, dem jüdischen König im Gefolge Davids, der Jesus ablehnte und wie der Pharao verfolgte (Matthäus 2, 13-20). Er wurde erst durch die "Heiden" aus dem Ausland darauf aufmerksam gemacht, dass seine Macht begrenzt war, und musste sich daran erinnern lassen, dass schon ein jüdischer Prophet eben nicht die Hauptstadt Jerusalem, sondern das unscheinbare Dorf Betlehem als Geburtsort des künftigen Messias angekündigt hatte (Matthäus 2, Vers 3-8/ Micha Kapitel 5, Vers 1).

So ist der Stern im biblischen Kontext als Symbol der Erkenntnis des wahren Retters gegenüber dem Hochmut der eigenmächtigen Gewaltherrscher in Israel zu sehen. Sein Erscheinen muss also nicht zwanghaft als reales Ereignis "bewiesen" werden. Denn da es aber allein schon für Annahme, irgendeine reale Erscheinung am Himmel läge der Bibelstelle zugrunde, keinen Beweis gibt und keinen Beweis geben kann, kann auch keine spezielle - alte wie neue - astronomische Erklärung als bewiesen dargestellt werden.


Siehe auch:

Literatur