Geschichte der Sowjetunion
Sowjetunion (russisch: Советский Союз) war der umgangssprachlich, auch zu offiziellen Anlässen, gebräuchliche Name für die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken - Союз Советских Социалистических Республик (UdSSR).
Die Sowjetunion (SU) war nominell eine Föderation unabhängiger Staaten, also ein Bundesstaat mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik, faktisch jedoch ein streng zentralistisch regierter Einheitsstaat. Trotz der formellen relativen Automomie der Teilrepubliken, Autonomen Gebiete und weiterer Gliederungen und obwohl die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) als größte und Gründungsrepublik mit vielen unterschiedlichen Nationalitäten dem Namen nach selbst wieder eine Föderation war, wurde das Land von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion aus deren Machtzentrale im Kreml in Moskau nach kommunistischen Wertvorstellungen diktatorisch geführt. Die einzelnen Gliederungen hatten dabei lediglich eine verwaltungstechnische Mittlerfunktion, um die zentralen Vorgaben umzusetzen. Die aus dem Zarenreich hervorgegangene Russische Förderation als dominierender Gründungsstaat praktizierte einen Kommunismus mit stark ausgeprägter nationalistischer Komponente. Den vielen unterschiedlichen Nationalitäten, Volksgruppen und Kulturen wurden weitgehend russische Sprache und Kultur aufgezwungen, sie wurden russifiziert.
Die SU bestand von 1922 bis 1991. Als erster und größter kommunistischer Staat der Erde stieg sie nach dem Zweiten Weltkrieg zur den USA ebenbürtigen zweiten Supermacht und deren weltpolitischer Gegenspieler auf. Verschärft durch Reformversuche des letzten KPdSU-Generalsekretärs und erstem und einzigen Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, führten die inneren Spannungen und zunehmende ökonomische Probleme 1991 zum Zerfall des Riesenreichs, der durch einen vereitelten Putschversuch konservativer Militärs eingeleitet wurde. Russland übernahm als offizieller Rechtsnachfolger zwar die meisten internationalen Verpflichtungen der SU, konnte aber nicht verhindern, dass einige der von inneren Unruhen geschüttelten instabilen Nachfolgestaaten als Besitzer von Atomtechnologie zur latenten Gefahr für den Frieden wurden.
Gründung
Russland und die Oktoberrevolution
Nachdem im Frühjahr 1917 durch eine bürgerlich geprägte Revolution die Abdankung des Zaren Nikolaus II. erzwungen worden war, konstituierte sich eine bürgerliche Provisorische Regierung unter dem Fürsten Lwow. Parallel dazu bildeten sich Räte (Sowjets) aus Sozialrevolutionären und Kommunisten, die unter der Losung Alle Macht den Sowjets die Revolution weiterführen und die Bildung einer bürgerlichen parlamentarischen Demokratie verhindern wollten. Da sich Russland zu dieser Zeit im Krieg gegen Deutschland (Erster Weltkrieg) befand, destabilisierte sich die innenpolitische Situation weiter. Während der Oktoberrevolution von 1917 wurde die Provisorische Regierung von den marxistisch-kommunistischen Bolschewiki unter Lenin gestürzt. Lenin proklamierte die Sozialistische Sowjetrepublik, die von einem Rat der Volkskomissare (dem Pendant zu einer bürgerlichen Regierung; Ministerrat) unter seiner Führung geleitet wurde. Es kam zum Bürgerkrieg. Gleichzeitig verschärfte sich die Lage an der Westfront, wo es unter dem Einfluss der kommunistischen Machtübernahme zu Verbrüderungen zwischen verfeindeten Soldaten und einer Antikriegsstimmung in den beteiligten Ländern kam. Lenin verkündete ein "Dekret über den Frieden" um sich auf die innenpolitische Krise konzentrieren zu können. Im März 1918 wurde der Friedensvertrag von Brest-Litowsk unterzeichnet, der zwar erhebliche Nachteile für Sowjetrussland beinhaltete, aber den Bolschewiki eine Festigung ihrer noch schwachen Macht und den Sieg über die innenpolitischen Gegner ermöglichte. Unter Bruch dieses Vertrages unterstützten die Entente-Mächte, Japan, Deutschland und eine Reihe weiterer Staaten indirekt mit Waffen- und Materiallieferungen sowie direkt mit Interventionstruppen die weißgardistischen Truppen gegen die Sowjets. Nach einem langen und für das geschwächte Land verheerenden Bürgerkrieg wurden schließlich die Hauptkräfte des militärischen Widerstands unter den ehemaligen zaristischen Generalen Koltschak, Denikin und Judenitsch endgültig von den Sowjets besiegt.
Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands benannte sich 1918 in Kommunistische Partei Rußlands (Bolschewiki) - KPR(B) - um. Lenin, ihr unbestrittener intellektueller Führer und strategischer Kopf der Revolution, formulierte die Leitlinien für den Aufbau eines kommunistischen Staates nach dem Übergang vom Kriegskommunismus (Niederschlagung der Konterrevolution) zum Kommunismus. Er prägte die Doktrin von der Diktatur des Proletariats unter Führung einer elitären zentralistischen Kaderpartei. Als begabter Rhetoriker begeisterte er das einfache Volk mit der griffigen Formel "Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes" für das nächste strategische Ziel, den schnellen Umbau des zaristisch-feudalistischen Agrarlandes zum modernen Industriestaat. Großen Zuspruch in der Bevölkerung fand ebenfalls sein Dekret über den Boden, mit dem er das private Grundeigentum abschaffte und das Land der enteigneten Großbauern und des Adels der verarmten Landbevölkerung zur Nutzung überließ.
UdSSR
Die Revolution hatte schnell von Russland auf die umliegenden Länder der russischen Einflusssphäre übergegriffen und auch dort waren starke kommunistische Kräfte - unterstützt von den russischen Bolschwewiki - an die Macht gekommen und hatten Sozialistische Sowjetrepubliken (SSR) ausgerufen. Am 30. Dezember 1922 schlossen sich die Russische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR), die Ukrainische SSR, die Belorussische SSR (Weißrussland) und die Transkaukasische SSR zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) zusammen. Die Hauptstadt, in der RSFSR bisher der Ausgangspunkt der Revolution Petrograd (später Leningrad]), wurde Moskau.
1924, im Todesjahr Lenins, wurden Turkmenien und Usbekistan als SSR eingegliedert, 1929 Tadschikistan. 1940 und 1941 folgten die baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen sowie Moldawien und Karelien, das nach dem II. Weltkrieg seinen Status als eigene Republik jedoch wieder verlor.
Stalin-Ära
Der gesundheitlich angeschlagene Lenin erkankte, von Schlaganfällen gezeichnet, 1922 ernsthaft und musste sich weitgehend aus der operativen Leitungstätigkeit zurückziehen. Seine vom Krankenbett aus erteilten Ratschläge und Weisungen wurden jedoch noch bis 1923 weitgehend von den Spitzenfunktionären befolgt. Mit Sorge betrachtete er die einsetzenden Kämpfe um seine Nachfolge. Er misstraute dem militärischen Organisator und Kriegskommissar Trotzki, der schon mehrfach von seinen - Lenins - Lehren abgerückt war und sich selbst als "natürlichen" Nachfolger und "Theoretiker" inszenierte. Sein Opponent Stalin war inzwischen zum Generalsekretär der Partei aufgerückt und hatte praktisch unbemerkt von der Funktionärsspitze ein Netzwerk von ihm ergebenen Gefolgsleuten installiert, das ihm die Herrschaft über den Parteiapparat sicherte. In dieser Funktion gelang es ihm, den kranken Lenin fast vollkommen von der Partei zu isolieren. Er kontrollierte den Zugang zum Parteiführer und ebenfalls dessen Korrespondenz. So konnte Lenins Brief mit der eindringlichen Warnung und Forderung an die Partei, Stalin als Generalsekretär abzulösen (in der Geschichtsforschung ist dieses Dokument auch als "Lenins politisches Testament" bekannt), seine Adressaten nicht rechtzeitig erreichen. Der todkranke Revolutionsführer hatte Stalin als potenziellen Diktator erkannt und versuchte, die Zerstörung seines politischen Werkes zu verhindern.
Kalter Krieg und Weltrevolution
Stalin führte auch den ersten Akt im kalten Krieg (Berlinkrise, Koreakrieg) und leistete Hilfestellung im chinesischen Bürgerkrieg sowie der darauffolgenden Industrialisierung Chinas und dessen Eingreifen im Koreakrieg (Stellvertreterkrieg). In den nächsten Jahrzehnten war die Welt von dem Duell der Supermächte (USA und Sowjetunion) gekennzeichnet.Die Sowjets stützten sich hierbei auf den Warschauer Pakt, der aus im II.Weltkrieg eroberten Satelliten (Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, DDR, Rumänien, Bulgarien) bestand. Nach dem Tod Stalins begannen die Beziehungen zu China schwierig zu werden und nach der Kubakrise kam es zum Bruch zwischen Peking und Moskau. Dies war ein schwerer Schlag für die Sowjetführung, die darauf bedacht war die Führungsrolle im Weltkommunismus zu erhalten. Zudem wandte sich Peking mit Nixons Chinabesuch den USA zu und verschob damit das geopolitische Gleichgewicht, das sich nach dem amerikanischen Vietnamdesaster gerade zu wenden schien, zu ungunsten Moskaus.
Innenpolitisch litt die Sowjetunion an den Schwächen der kommunistischen Planwirtschaft und der damit einhergehenden Bürokratie, die nur ein schwachens Wirtschaftsleben zuließ. Zudem wurde die Herrschaft der kommunistischen Einheitspartei KPdSU mittels einer Diktatur des Proletariats nach innen abgesichert und Kritiker wanderten in großer Zahl in sibirische Straflager. Der Anteil der, für den kalten Krieg unerlässlichen, Rüstungsausgaben am BSP war, im Vergleich mit westlichen Staaten, exorbitant hoch und sorgte so für zusätzliche "Blutarmut" in der sowjetischen Volkswirtschaft.
Dies zog sich, mit Erfolgen (Vietnam), Unentschieden (Kuba - Abzug der sowjetischen Atomraketen von Kuba gegen Abzug der amerikanischen Atomraketen aus der Türkei) und Niederlagen (Nahost, Afghanistan) bis zur Perestroika Gorbatschows in den 1980ern hin und fand schließlich mit der Selbstauflösung der Sowjetunion ein Ende.