Anthroposophie
Die Anthroposophie (wörtlich Die Weisheit vom Menschen) ist eine von Rudolf Steiner (*1861, †1925) begründete Weltanschauung. Der Begriff ist nicht zu verwechseln mit Anthropologie (wörtlich Lehre vom Menschen).
Allgemeines
Anthroposophie ist eine weltweit vertretene spirituelle Weltanschauung und Bewegung mit europäischen Wurzeln. Im Gegensatz zur von Helena Blavatsky (*1831, †1891) begründeten Theosophie, welche das bestehende Christentum ablehnte und indische mit westlichen okkulten Lehren verband, versteht sich die Anthroposophie als eine christliche und humanistische Methode der Bewusstseinsentwicklung, deren Grundlage ein erkenntniswissenschaftlich fundiertes Konzept der menschlichen Individualität, ein umfassender Evolutionsbegriff und ein differenziertes Konzept von Wiederverkörperung und Schicksal ist, das sich von vielen östlichen Ansätzen unterscheidet. Zu den von Rudolf Steiner besonders geschätzten Persönlichkeiten gehören Goethe, Johann Gottlieb Fichte, Max Stirner und Ernst Haeckel, deren Ansichten durch eine sehr spezielle anthroposophische Sichtweise betrachtet werden. Steiner: Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschen zum Geistigen im Weltall führen möchte.
Philosophische Basis
Die philosophische Basis der Anthroposophie findet sich in Steiners Hauptwerken Wahrheit und Wissenschaft und Die Philosophie der Freiheit, einem Werk, das anhand einer systematischen Kritik insbesondere der Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant und des Neokantianismus und in Weiterentwicklung des wissenschaftsmethodischen Ansatzes von Goethes Phänomenologie einen auf seelischer Beobachtungserfahrung gründenden ontologischen Monismus entwickelt. Dieser mündet in eine Freiheitsethik, in deren Zentrum die aus Erkenntnis und Liebe handelnde und gesellschaftsbildende Individualität steht. Kernpunkt ist, dass Erfahrung, als Ergebnis einer Synthese von Wahrnehmung und Begriff, ihre Objektivität verbürgende Wahrheit aus dem seiner selbst gewahr werdenden Denken bezieht, das voraussetzungslose Voraussetzung jeder Aussage ist, insbesondere für die Subsummierung von Erfahrungen unter die Begriffe subjektiv und objektiv.
- "Nun darf aber nicht übersehen werden, daß wir uns nur mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den Objekten entgegensetzen können. (...) Das Denken ist jenseits von Subjekt und Objekt. Es bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen. 1) (...) Das Subjekt denkt nicht deshalb, weil es Subjekt ist; sondern es erscheint sich als ein Subjekt, weil es zu denken vermag. 2) (...) Das Denken ist somit ein Element, das mich über mein Selbst hinausführt und mit den Objekten verbindet. Aber es trennt mich zugleich von ihnen, indem es mich ihnen als Subjekt gegenüberstellt."
- §9 (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit, Dornach 1992, S. 60)
Mit anderen Worten:
- Das Denken des Menschen ist eine durch diesen beobachtbare Tätigkeit und bildet erst seinen Subjekt-Begriff, den "Ich"-Begriff. Dieser "Ich"-Begriff steht den Dingen und Objekten gegenüber, die der Mensch, ebenso wie sich selbst, benennt.
- Das Denken des Menschen (seine höheren geistigen Funktionen) kann den Subjekt-Begriff, das heißt den "Ich"-Begriff, genauso zum Gegenstand seiner Betrachtungen machen wie die Begriffe von den Objekten (Ich kann über mich nachdenken, wie über den Baum.)
Ebenso bezieht Steiner Wahrnehmung nicht auf Objekte außerhalb der Wahrnehmung oder Dinge an sich (Kant), sondern bezeichnet sie als einen Inhalt, der sich darin erschöpft, dass er bewusst wird. Das Objekt als Gegenstand ist das Produkt der Synthese aus Wahrnehmung und Begriff, und somit ist Wirklichkeit ein Produkt von und nicht eine Bedingung für Erkenntnisprozesse. Diese Ansicht bildet die Grundlage für Steiners späteren Anspruch, "exakte wissenschaftliche Beobachtungen" über die "geistige Welt" anstellen zu können. Außerhalb der Anthroposophie wird dieser methodologische Ansatz kaum wahrgenommen, seit Steiner sich zunächst im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft betätigte und später die Anthroposophische Gesellschaft gründete. Viele neuere philosophische Kritiker argumentieren, dass Steiner Kants Werke nicht verstanden habe und betrachten seine Philosophie als Rückschritt in die Denkmodelle der mittelalterlichen Scholastik. Seine Geisteswissenschaft werten sie insofern als ein phantastisches Produkt einer lebhaften Vorstellungskraft, welche einen nicht überprüfbaren Anspruch auf Gültigkeit erhebe. (siehe auch Universalienstreit).
Anthroposophie als Geheimwissenschaft
Auf Rudolf Steiner läuft vieles in der Anthroposophie zu. Er ist ihr Begründer und bis heute maßgeblicher Esoteriker. Der Begriff Geheimwissenschaft ist eine von Steiner verwendete Bezeichnung für seine Lehre der Dinge, deren Erkenntnis über das bloße Verstandesdenken hinausgeht, hierin anknüpfend an H. Blavatskys Secret Doctrine, (Geheimlehre). Die Geheimwissenschaft ist der Kern seiner Werke aus der frühen theosophischen Phase (1902-10) und erschwert für positivistisch und materialistisch eingestellte Betrachter das Verständnis erheblich. Ihre Komplexität erschwert auch die kritische Binnenbetrachtung von Steiners Lehren und seiner Werke durch Anthroposophen. Als Argument wird Kritikern entgegnet, Steiners Werke seien von der Kritik nicht hinreichend verstanden oder der Beurteiler verfüge nicht über die erforderlichen Urteilsgrundlagen.
Ein Ziel der Geheim- oder Geisteswissenschaft ist nach Steiner die Ausbildung und Förderung der moralischen und geistigen Entwicklung und die Zusammenarbeit von an ihr interessierten Menschen. Die anthroposophische Schulung wird als moderner und jedem Menschen zugänglicher Weg zur Entwicklung höherer geistiger Fähigkeiten beschrieben, darunter ab einer gewissen Stufe auch eines übersinnlichen Wahrnehmungsvermögens.
Die „Richtigkeit“ der übersinnlichen Wahrnehmungen könne der Schüler neben einem eigentümlichen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung auftretenden „Evidenzerlebnis“ durch Vergleich mit Aussagen vertrauenswürdiger Quellen übersinnlicher Wahrnehmung prüfen. Hierzu nennt er unter anderem die von ihm selbst in schriftlicher Form gegebenen Schilderungen: Dazu zählen Beschreibungen der Weltentstehung und -entwicklung bis in früheste Zeiten, Schilderungen von Reinkarnation, Karma und vorgeburtlicher sowie nachtodlicher Vorgänge, die Beschreibung der höheren Wesensglieder des Menschen und ihr Zusammenwirken sowie umfangreiche Ausführungen zur Christologie und über geistige Wesenheiten (Hierarchienlehre und Engellehre, Naturgeister). Steiner nennt den von ihm beschriebenen Schulungsweg wissenschaftlich, da er, richtig ausgeführt, jederzeit mit wachem Bewusstsein begleitet werde. Vertreter des derzeit dominierenden, das heißt reduktionistischen Wissenschaftsbegriffes halten die auf der von ihnen von vorherein angezweifelten Weiterentwickelbarkeit des Erkenntnisvermögens fußende „wissenschaftliche Erforschung des Geistigen“ für unmöglich. Sie sprechen Rudolf Steiner daher die Wissenschaftlichkeit ab. Sie vermeiden dabei nach Ansicht von Anthroposophen allerdings eine einläßliche Auseinandersetzung mit seinem erkenntniswissenschaftlichen Ansatz, den er selbst als notwendige Voraussetzung seiner Geisteswissenschaft bezeichnet.
Aus den Mitteilungen Rudolf Steiners, die seiner ihm seit seiner Kindheit bewussten und methodisch vertieften geistig-übersinnlichen Schau entstammen, schöpfen unter anderem Waldorf-Pädagogik, anthroposophische Medizin und biologisch-dynamische Landwirtschaft beziehungsweise Demeter-Landbau wesentliche Anregungen.
Anthroposophie und Christentum
Christus ist für die Anthroposophie eine der höchsten Gottheiten (siehe Hierarchienlehre). Er nimmt in der Trinität den Platz des Sohnes ein. Sein Opfer für die Erde sei es gewesen, sich mit den Menschen und ihrem Planeten zu verbinden um ihnen weitere geistige Entwicklung zu ermöglichen. So habe er sich für drei Jahre im Menschen Jesus inkorporiert und in ihm den irdischen Tod erlitten. Durch das Opfer dieses hohen Sonnenwesens, auch als "Mysterium von Golgatha" bezeichnet, sei die geistige Entwicklung des Menschen und der Erde in eine dem "Weltenplan" entsprechende Richtung wieder ermöglicht worden. Christus wurde zum Ich der neu werdenden Erde, deren Aura sich veränderte und die dadurch auch einen Weg der Vergeistigung betrat. Die Wiederkunft Christi geschehe stufenweise, als ätherischer, astraler und kosmischer Christus.
Steiner sah in Jesus von Nazareth einen hochstehenden jüdischen "Eingeweihten", der während der Jordan-Taufe den Christus-Geist in sich aufgenommen habe.
Die etablierten Kirchen, deren Glauben auf dem Auferstehungsgedanken und der Erlösung beruht, distanzieren sich von Steiners Reinkarnationslehre. In der Anthroposophie steht die Erlösung nicht am Ende eines einzigen, sondern einer Reihe vieler Leben - dann, wenn sich der Mensch durch viele Verkörperungen hindurch zu dem wahren Menschen, einem Wesen, dass einen eigenen Platz in den himmlischen Hierarchien einnimmt, entwickelt haben wird.
Lehre - Auszug
Laut der anthroposophischen Lehre existiert der Mensch in vier ineinandergreifenden Ebenen, die auch als Wesensglieder bezeichnet werden: dem physischen Leib (Körper), dem Ätherleib oder Lebensleib, dem Astralleib und dem Ich. Dies macht den Menschen zu einem im Geiste wurzelnden Wesen. Die Menschheit als Ganzes bildet ein viertes Naturreich der Erde. Zum Tierreich gehören nur die ersten drei Leiber, das Tier verfügt über eine nicht selbstbewusste Körperseele. Das Pflanzenreich lebt im Physischen mit dem Lebensleib (Äther). Die Bestimmung der Wesensglieder ist damit jedoch nicht erschöpft. Prinzipiell gliedert sich das Wesen des Menschen in Leib, Seele, Geist. Zum leiblichen Wesen gehören die einfachen Leiber von Physis, Lebensleib und Astralleib. Das seelische Wesen gliedert sich in Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewusstseinsseele. Der Mensch schreitet sowohl individuell wie auch als Gattungswesen in einem Vergeistigungsprozess von Leib und Seele fort, der zu einer Differenzierung des Geistes führen soll. So beschreibt Steiner eine Dreigliederung des geistigen Wesens des Menschen mit Geistselbst, auch Manas genannt, Lebensgeist, auch Buddhi genannt und Geistesmenschen, Atman. Astralleib und Empfindungsseele verbinden sich zum empfindenden Seelenleib und die Bewusstseinseele mit dem Geistselbst zur geisterfüllten Bewusstseinsseele. Daraus ergeben sich 7 Teile des irdischen Menschen:
- Der physische Körper
- Der Äther- oder Lebensleib
- Der empfindende Seelenleib
- Die Verstandesseele
- Die geisterfüllte Bewusstseinsseele
- Der Lebensgeist
- Der Geistesmensch
Im Schlaf erhält der Ätherleib den physischen Leib und regeneriert die Körperorgane.
Der physische Körper verfällt mit dem Tode und wird so dem mineralischen Erdenreich zurückgegeben. Der Ätherleib löst sich innerhalb weniger Tage nach dem Tode auf. Er bildet währenddessen die Basis für die Lebensrückschau der Seele, mit deren Essenz sie die nachtodliche Seelenwelt betritt und anschließend das Geisterland bis zu einer Wiederverkörperung des Geistes in der physischen Welt durchläuft. Diese zyklische Reinkarnation ist notwendig durch das individuelle Schicksal (Karma) des Menschen bestimmt.
Das Ziel der Anthroposophie sei, durch Meditation, Selbsterziehung, Beobachtung und Offenheit auf einer lebenslangen 'Suche', höhere Bewusstseinsebenen zu erreichen, weil der Mensch und die gesamte Welt (geistige und physische) sich in einer beständigen Entwicklung (Evolution) befänden. Damit verbunden ist ein individuell auszugestaltender anthroposophischer Schulungsweg, dessen Grundzüge in den Werken Rudolf Steiners beschrieben ist. An Anthroposophie Interessierte nutzen ein vielfältiges Angebot an Vorträgen, Workshops und Kursen mit berufsspezifischer Ausrichtung.
Soziologie der Anthroposophischen Bewegung
Die Anthroposophische Bewegung ist soziologisch, weltanschaulich-religiös und politisch sehr heterogen und die Interpretation von Steiners Werk ist innerhalb der Anthroposophie nicht einheitlich. Neben einer sehr esoterisch orientierten Anhängerschaft finden sich praktisch-innovative Ansätze (zum Beispiel in der Waldorfpädagogik), religiöse (zum Beispiel Christengemeinschaft), politisch-soziale (zum Beispiel Dreigliederung des sozialen Organismus, Geldwesen) und rein philosophische, die Steiners Werk zum Teil sehr kontrovers interpretieren.
Die Bewegung befürwortet eine rationale und auf den individuellen Patienten hin orientierte Medizin unter Einbezug der Homöopathie. Das medizinische Konzept basiert u.a. darauf, daß entsprechend zubereitete mineralische, pflanzliche und tierische Heilmittel aufgrund einer „evolutionären Verwandtschaft“ mit dem Menschen therapeutisch verwendet werden können. In Zusammenarbeit mit der Ärztin Ita Wegman entwickelte Steiner medizinische und pharmazeutische Grundlagen für die Anthroposophische Medizin, die in Deutschland als „besondere Therapierichtung“ neben Homöopathie und Phytotherapie gesetzlich anerkannt und von den Krankenkassen teilweise erstattet wird.
Rassismus und Antisemitismus in der Anthroposophie?
Der Rassismus-Streit wurde durch eine Anzahl von Steiner-Zitaten ausgelöst, da Steiner Menschen-Rassegedanken mit Evolution verbindet. Viele Anthroposophen halten diese Zitate für aus dem Kontext gerissen und überbewertet, Kritiker sorgen sich um die ihrer Meinung nach wertenden und selektiven Äußerungen aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus, die von der derzeitigen Anthroposophie nicht hinreichend revidiert würden.
In der Diskussion um den Rassenbegriff Rudolf Steiners wurde bisher übersehen, dass er bereits Ende des 19. Jahrhunders ein scharfer Kritiker des Antisemitismus sowie seiner völkischen und alldeutschen Vertreter war. Dies trug ihm die erklärte Feindschaft dieser Gruppen ein (Siehe hierzu bei Ravagli). Sein Denken stimmmt mit den heutigen Forderungen nach ethnischem Pluralismus überein.
- "Es ist von einer ganz besonderen Wichtigkeit, daß gerade in unserer Zeit in unbefangner Weise auch gesprochen wird über dasjenige, was wir die Mission der einzelnen Volksseelen der Menschheit nennen, weil die nächsten Schicksale der Menschheit in einem viel höheren Grade als das bisher der Fall war, die Menschen zu einer gemeinsamen Menschheitsmission zusammenführen werden."
- (Steiner in Kristiania 7. Juni 1910, GA 121, S.13)
Steiner formulierte bereits im Jahre 1900 als Funktionär der Theosophischen Gesellschaft Rassentheorien, die er unter anderem in seinem Buch Aus der Akasha-Chronik veröffentlichte . Diese entsprechen weitgehend der Hierarchisierung von Rassen, wie sie auch in der Schriften der Helena Blavatsky niedergelegt sind. Steiner gliedert die Menschheitsentwicklung in unterschiedliche Zeitepochen, die von je einer "Wurzelrasse" dominiert waren: der "polarischen Wurzelrasse", der "hyperboräischen Wurzelrasse", "Lemuriern", "Atlantiern", der "arischen" oder "nachatlantischen Wurzelrasse", welche die gegenwärtige Entwicklungsphase (seit etwa 7000 v.Chr.) repräsentiert.
Der Rassenbegriff bei Steiner ist jedoch gegenüber dem des faschistischen Rassismus grundlegend anders. Während der Rassenbegriff des Nationalsozialismus aus der materialistischen Evolutionstheorie Darwins abgeleitet ist, versteht Steiner die "Wurzelrassen" nicht als ethnische Zuordnung, sondern als in große Zeitepochen von mehreren tausend Jahren einzuordnende menschliche Entwicklungsstadien. Daher ist die nachatlantische Wurzelrasse zu den Anfängen der nachatlantischen Kulturepochen noch prägend. Steiner sieht für die gegenwärtige fünfte nachatlantische Kulturepoche die leiblichen Rassenunterschiede und insbesondere Höher- und Minderwertigkeiten einzelner Rassen als überwunden an. Steiner sieht die Bedeutung der Rassen seit Tausenden von Jahren schwinden, weil die individuelle Reinkarnation des Menschen zu Wiederverkörperung in unterschiedliche 'Kulturen, Weltregionen und Körper führe.
Die menschliche Zugehörigkeit bezieht sich bei Steiner nicht auf die physische Rasse, sondern auf die Volksseele:
- "...es vererbten sich Rassenmerkmale in der atlantischen Zeit und bis herein in unsere nachatlantische Epoche. Wir werden sehen, wie in unsere Zeit die Volksmerkmale das sind, was die Rassencharaktere wieder auseinander bringt, was sie wieder auszulöschen beginnt. (...) Die Rassen sind entstanden und werden einmal vergehen, werden einmal nicht mehr da sein."
- ( Vortrag Kristiania 10.6.1910; GA 121, S.75/76)
Dennoch legte Steiner wert darauf, dass die Rassen, die ja erst in ferner Zukunft aufhören würden zu existieren, an ihrem angestammten Platz blieben.:"Die Negerrasse gehört nicht zu Europa, und es ist natürlich nur ein Unfug, daß sie jetzt in Europa eine so große Rolle spielt." (Steiner-Gesamtausgabe Bd. 349, S. 53)
Das Judentum begreift Rudolf Steiner nicht als Rasse, sondern als auf religiöse und nationale Einheit gründende und dadurch isolierte Kultur. Es wird aber nicht nur ausgegrenzt, ihm wird nicht weniger als eine relevante weltgeschichtliche Rolle abgesprochen:
- "Das Judentum als solches hat sich aber längst ausgelebt, hat keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens, und daß es sich dennoch erhalten hat, ist ein Fehler der Weltgeschichte, dessen Folgen nicht ausbleiben konnten."
- (Steiner-Gesamtausgabe Bd. 32, S. 152)
Damit war jedoch Steiners deutliche Ablehnung des Antisemitismus verbunden:
- "Mit Schaudern erkennt man, was der Antisemitismus in den Gemütern edler Juden angerichtet hat. Der Antisemitismus ist nicht alleine für die Juden eine Gefahr, er ist es auch für die Nichtjuden. Jede unbestimmte Haltung ist von Übel."
- ( Steiner 1901; GA 31,S.409)
Die Kritik an dem durch vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson initiierten Selbstbestimmungsrecht der Völker begründet sich auf der Ausgrenzung von Minderheiten innerhalb von ethnisch einheitlichen Nationalstaaten. Diese Kritik war durch Steiners Auseinandersetzung mit der Neuordnung Europas und seines Heimatsstaates Österreich geprägt, in dem er - aus einer niederösterreichischen Familie stammend - in der Kranj (heutiges Kroatien) aufwuchs. So richtet er sich gegen eine Ausgrenzung der Juden als Minderheit innerhalb eines ethnisch einheitlichen Nationalstaates. So wie er ethnische Schranken und nationale Grenzen generell als anachronistisch betrachtete, betrachtete er die Idee des Judentums als ethnische Sondergruppe insbesondere in seiner zionistischen Spielart als rückschrittlich.
Hinzu kommt in Steiners Schriften die Integration der "germanisch-nordischen Mythologie", sowie als zentrales Element seiner Lehre das Konzept von Reinkarnation und Karma, nach welchem der Mensch als unsterbliche Individualität (Ich) in einem individuellen geistigen Kausalitätszusammenhang (Karma) auf eine ganze Reihe vorangegangener und nachfolgender Inkarnationen in verschiedenen Personen blickt, deren unterschiedliche Bedingungen die individuelle Entwicklung des Menschen prägen (Reinkarnation).
- "Der Mensch ist Mensch dadurch, daß (...) dieses Ich sich im Laufe der aufeinanderfolgenden Inkarnationen weiter entwickelt durch verschiedene Menschengemeinschaften, durch Völker und Zeiträume hindurch, bis die Erde am Ziel ihrer Entwickelung angelangt sein wird"
- (Rudolf Steiner, Das Geheimnis des Todes, Dornach 1999, S. 203)
Die "minderwertigen menschlichen Wurzelrassen", so vermittelt Steiners Gedankengebäude, mussten aussterben, um Platz für die "höherentwickelten Wurzelrassen" wie die Arier zu machen. Vom Gesichtspunkt der Reinkarnation aus gesehen, würden sich Menschen mit bestimmten Begabungen dort inkarnieren, wo ihre Begabung gebraucht wird bzw. wo sie diese am besten entwickeln können.
Ist die Anthroposophie eine Sekte?
Die Lehre der Anthroposophie, besonders von Reinkarnation und Karma, wird von vielen christlichen Kirchen nicht anerkannt - nur die Christengemeinschaft (deren Priester bei der Gründung Steiner um Rat ersuchten) erkennt die Anthroposophie an.
Im Nationalsozialismus wurde die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland am 1. November 1935 ein erstes Mal verboten. Tatsächlich gaben sämtliche Zweigleiter jüdischer Abstammung ihre Ämter in dieser Zeit ab. Auch ein Großteil der jüdischen Mitglieder trat aus der deutschen Landesgesellschaft aus. [1] Das Verbot wurde auf Intervention Heß' bald wieder aufgehoben. Das Regime schwankte zwischen dem Verbot der Gruppierung und den Verlockungen der Gleichschaltung und des Nutzens der Anthroposophie als "deutsche Weltanschauung" und Ersatz zum Christentum. Im KZ Dachau wurden sogar biologisch-dynamische Kräutergärten angelegt. Mit der Gefangennahme des Fürsprechers Heß 1941 wurden sämtliche anthroposophischen Einrichtungen auf deutschem Gebiet bis 1945 verboten.
Steiner belegte im Jahre 1922 einen der ersten 10 Plätze auf der durch die NSDAP geführten Liste der "zu erschiessenden prominenten Persönlichkeiten" und überlebte mehrere Tötungsversuche.
Die Anthroposophen konnten sich lange erfolgreich gegen Vereinnahmungen von Rassisten, Nationalisten und Ideologen behaupten. Der jüngste Fall eines solchen Vereinnahmungsversuches spiegelt sich in einem Rundbrief des NPD-Aktivisten Horst Mahler wieder. Mehr dazu im Artikel Waldorfschule.
Wiederholt wurde sowohl von Anthroposophen als auch von anthroposophisch orientierten Theologen das Gespräch mit der evangelischen und katholischen Kirche gesucht.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sich die Anthroposophen mit Vereinnahmungsversuchen auseinandersetzen. So wurde der Priester und ehemalige SS-Angehörige Werner Georg Haverbeck in den 1950er Jahren aus der Christengemeinschaft ausgeschlossen. Er veröffentlichte später das als revisionistisch-chauvinistisch umstrittene Buch Rudolf Steiner als Anwalt für Deutschland.
Die Impulse zur Dreigliederung der Gesellschaft in Wirtschaftsleben, Geistesleben und Rechtsleben führten in den 1970er Jahren zur Begründung von eigenständigen Freien Hochschulen und basisdemokratischen Bewegungen, an denen zum Beispiel der Künstler Joseph Beuys maßgeblich beteiligt war. Auch Joseph Beuys Initiative zur Gründung der Partei der Grünen (Die Grünen) geht auf diesen eigenständigen Impuls zurück.
Eine Betrachtung der Anthroposophen und der Anthroposophie als Sekte, welche "einzig gangbare" Wege anbietet, persönliche Abhängigkeiten schafft und Aussenstehende als "verloren" betrachtet sowie auf finanzielle Ausbeutung ihrer Anhänger abzielt, ist nicht der Tenor der öffentlichen Meinung in den großen Medien Deutschlands, sondern die Ansicht meist dezidiert konfessionell oder agnostisch eingestellter Beobachter.
Siehe auch
- Anthroposophische Gesellschaft
- Anthroposophische Medizin
- Biologisch-dynamische Landwirtschaft
- Camphill
- Christengemeinschaft
- Demeter (Marke)
- Eurythmie
- Goetheanum
- Institut für Strömungswissenschaften
- Rudolf Steiner
- Soziale Dreigliederung
- Theosophie
- Waldorfschule
Weblinks
Anthroposophische Publikationen
- Web der R.Steiner Nachlassverwaltung mit Volltextsuche in der Gesamtausgabe
- Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
- Internetportal Anthroposophie (deutschsprachig)
- Die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland
- Das Goetheanum - Freie Hochschule für Geisteswissenschaft und Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach / Schweiz.
- Sociedade Antroposófica no Brasil (portugiesisch, englisch)
- Das Monatsmagazin Info3 über Spirituelles und Zeitfragen
Kritisch
- Kritische Diskussionsgruppe über Anthroposophie Namhafte Kritiker melden sich zu Wort- Anthroposophen müssen kontern.
- Sammlung von Artikeln der Schweizer "Aktion Kinder des Holocaust" zum Thema Antisemitismus und Anthroposophie
- War Rudolf Steiner ein "völkischer Antisemit? fragt sich Antisemitismus.net
- Kritische Anmerkungen zur Anthroposophie Rudolf Steiners
- Die skeptische Ecke über Anthroposophie
- Anthroposophiekritik aus den USA
- Artikel über die Unterschiede zwischen Anthroposophie und katholischer Kirche.
Anthroposophie und Wissenschaft
- Ist die Anthroposophie eine Wissenschaft? Sehr kritische Untersuchung von Sven Ove Hansson, Philosoph am königlichen Institut für Technologie in Stockholm, übersetzt von Marcus Hammerschmitt.
- Was Anthroposophie nicht ist Eine Antwort auf Hansson.
Waldorfschulen
- http://www.waldorfschule.info/
- Prominente Waldorfschüler Liste von Oliver Pocher über F.A. Porsche und BDI-Chef M.Rogowski, bis hin zu Michael Ende.
Cyber-Anthroposophen und anthroposophische Blogs
- Die Egoisten.de - Anthroposophie, Kunst und Literatur.
- Der Ego.Blog von Michael Eggert.
- Der Leib.Blog von Jens R. Prochnow.
- Quellen zu den Themen Schöpfung, Weltbild der Antike, des Mittelalters und der Anthroposophie.
- Unabhängiges Forum zu Steiner und Anthroposophie
Literatur
Anthroposophische Schriften
- Eine Liste der Werke Rudolf Steiners
- Heisterkamp, Jens: Was ist Anthroposophie? Eine Einladung zur Entdeckung des Menschen. Verlag am Goetheanum, Dornach 2000
- Kiersch, Johannes: Die Waldorfpädagogik - Eine Einführung in die Pädagogik Rudolf Steiners, Neuausgabe 2. Auflage, Freies Geistesleben. ISBN 377251247X
- Ravagli, Lorenzo: Unter Hammer und Hakenkreuz. Der völkisch-nationalsozialistische Kampf gegen die Anthroposophie. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004, ISBN 3-7725-1915-6
- Bader, Hans-Jürgen, Ravagli, Lorenzo: Rassenideale sind der Niedergang der Menschheit. Anthroposophie und der Rassismusvorwurf, Verlag Freies Geistesleben 2003.
Befürwortende oder neutrale Standpunkte
- Binder, Andreas: Wie christlich ist die Anthroposophie? Standortbestimmungen aus der Sicht eines evangelischen Theologen, Stuttgart : Urachhaus, 1989, ISBN 3878386117
- Kniebe, Georg: Anthroposophie und christliche Kirchen - Ein Gespräch?. Stuttgart : Urachhaus, 1992, ISBN 3878389477
- Hellmich, Achim und Teigeler, Peter (Hrsg.): Montessoripädagogik, Freinetpädagogik, Waldorfpädagogik - Konzeption und aktuelle Praxis. Beltz Verlag, 1999. ISBN 3407252188
- Kriele, Martin: Anthroposophie und Kirche. Erfahrungen eines Grenzgängers. Herder Verlag 1996 ISBN 3451239671
Aus kritischer Sicht
- Baumann-Bay, Lydie und Andreas: Achtung, Anthroposophie! Ein kritischer Insider-Bericht. Zürich : Kreuz Verlag, 2000, ISBN 3268002552.
- Bierl, Peter: Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister : die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik. Hamburg : Konkret Literatur Verlag, 1999, ISBN 3-89458-171-9